Zeitschrift für Palliativmedizin 2007; 8(3): 92
DOI: 10.1055/s-2007-990732
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Interview
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Prof. Dr. Lukas Radbruch zum neuen Präsidenten der European Association for Palliative Care (EAPC) gewählt

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Publication Date:
24 September 2007 (online)

 

Prof. Dr. med. Lukas Radbruch

Frage Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl auf dem europäischen Palliativkongress in Budapest. Sie waren vorher schon 4 Jahre Mitglied im Vorstand (Board) der EAPC. Was hat sich in diesen Jahren auf europäischer Ebene in Bereich Palliativmedizin verändert?

Antwort Die Fortschritte in der Entwicklung, die auch in Deutschland sichtbar sind, können in den meisten europäischen Ländern beobachtet werden. Zusammen mit der zunehmenden Zahl von Einrichtungen wächst auch die Akzeptanz von Palliativmedizin in der Gesellschaft. Besonders beeindruckend ist aber die Entwicklung der Palliativmedizin in den mittel- und osteuropäischen Ländern. In den vergangenen 4 Jahren haben einige Länder es geschafft, von wenigen interessierten Laien zu einem beeindruckenden Versorgungsstand zu kommen. Informationen finden sich im Atlas of Palliative Care in Europe, der von einer Arbeitsgruppe der EAPC fertiggestellt wurde und beim Kongress in Budapest vorgestellt wurde (http://www.eapcnet.org/Policy/DevelopmentTF.htm ).

Frage Welche Schwerpunkte und Ziele haben Sie sich für ihre Amtszeit als Präsident der EAPC gesetzt?

Antwort Die EAPC muss eindeutig Stellung beziehen zu den aktuellen Fragen der Palliativmedizin, sie muss Vorschläge für Standards und Behandlungsgrundsätze geben. Darüber hinaus ist eine langfristige Perspektive erforderlich. Die EAPC ist vor allem für ihre Kongresse, die als Plattform für neue Entwicklungen und als Treffpunkt für die Diskussion aktueller Probleme weit über Europa hinaus bekannt sind, und für die Publikationen von Experten- und Konsenspositionen bekannt. Die Anerkennung, die die EAPC unter den Experten der Hospiz- und Palliativarbeit erworben hat, muss umgesetzt werden in politische Aktivitäten. Dafür muss die EAPC Kontakte zu den politischen Entscheidungsträgern in Europa aufnehmen, und sich deutlich mehr mit anderen überregionalen Gesellschaften in und außerhalb Europas vernetzen.

Frage In Budapest wurden die sogenannten Budapest Commitments der EAPC verabschiedet. Was sind die Inhalte dieser Initiative?

Antwort Dies ist ein konkretes Beispiel für die Möglichkeiten, die in der Zusammenarbeit der EAPC mit den nationalen Fachgesellschaften möglich sind. Die Budapest Commitments sind eine Initiative der EAPC, die auf dem EAPC-Kongress in Budapest gestartet wurde und auf dem nächsten Kongress in Wien abgeschlossen werden soll. Die nationalen Fachgesellschaften (als Mitglieder der EAPC) sind aufgerufen, sich an dieser Initiative zu beteiligen. Sie sollen ein oder mehrere politische Ziele festlegen und sich dazu verpflichten, diese Ziele in den nächsten 2 Jahren umzusetzen. Die Festlegung der Ziele durch die jeweilige Fachgesellschaft soll sicherstellen, dass realistische Ziele gewählt werden. Die EAPC wird gemeinsam mit Help the Hospices und der International Association for Hospice and Palliative Care (IAHPC) die Fachgesellschaften in der Umsetzung der Ziele unterstützen. Wir hoffen, dass durch die Beteiligung an einer konzertierten Aktion die einzelnen Fachgesellschaften viel mehr erreichen können als für sie alleine möglich wäre.

Frage Welche Rolle kann die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) für den Entwicklungsprozess im europäischen Kontext in Zukunft spielen?

Antwort Die Entwicklung der Palliativmedizin in Deutschland befindet sich gerade in einem ungeheuren Aufschwung. Die Möglichkeiten der Gesundheitsreform, durch die eine flächendeckende ambulante Versorgung erstmals möglich wird, sind gewaltig. Allerdings sind in diesen Entwicklungen auch Gefahren verborgen, so kann es durch eine ungenügende Beachtung der Qualität zu einer Verwässerung der Palliativversorgung kommen. Die aktuellen Entwicklungen und der Umgang mit den Möglichkeiten wie auch den Gefahren in der Umsetzung können als Modell für andere europäische Länder dienen, in denen der Stand der Versorgung noch nicht so weit entwickelt ist. Darüber hinaus können sich die deutschen Forschungszentren, die sich in der Palliativmedizin engagieren, an den neu entstehenden europäischen Kooperationsprojekten beteiligen. Für die Rolle der deutschen Palliativmedizin in Europa wird es jedoch von Bedeutung sein, wie viel Interesse an internationalen Kontakten besteht. Die Zahl der deutschen Teilnehmer an den EAPC-Kongressen ist eher niedrig, in Budapest waren kaum 100 deutsche Teilnehmer vertreten. Wir hoffen, dass der nächste EAPC-Kongress in Wien, bei dem Friedemann Nauck den Vorsitz über das wissenschaftliche Komitee führt, deutlich mehr deutsche Teilnehmer gewinnen wird.

Frage Wo soll die Palliativmedizin in 4 Jahren in Europa stehen?

Antwort In 4 Jahren sollten einheitliche Standards für die palliatvmedizinische Versorgung sowohl in der Ausbildung, in der ambulanten und stationären Betreuung als auch in der Forschung vorliegen. In den meisten europäischen Ländern sollten eine allgemeine und eine spezialisierte Palliativversorgung - wenn schon nicht flächen-deckend, so doch zumindest in einzelnen Regionen - verwirklicht sein. Palliativmedizinische Fachgesellschaften sollte es in 4 Jahren in allen europäischen Ländern geben.

Herr Prof. Radbruch, viel Erfolg bei Ihrer Arbeit auf europäischer Ebene und vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dr. Christoph Ostgathe