Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2007; 4(3): 152
DOI: 10.1055/s-2007-990744
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Simultan-Expression von vier Genprodukten
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Assoziation mit dem komplexen Prozess der pulmonalen Metastasierung im Mammakarzinom-Mausmodell

C. S. Schuetz, T. Fehm
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Publication Date:
26 September 2007 (online)

 

Das metastasierende Mammakarzinom wird als chronische Erkrankung verstanden. Im Regelfall besteht keine kurative Behandlungsmöglichkeit, das Langzeitüberleben korreliert mit dem Ausmaß der Metastasierung.

15-25% der betroffenen Patientinnen weisen einen isolierten metastatischen Befall der Lunge oder Pleura auf, wobei die durchschnittliche Überlebensrate bei viszeraler Manifestation weniger als 2 Jahre beträgt. Fernmetastasen entstehen durch hämatogene Metastasierung, die sich aus einer äußerst komplexen Kaskade verschiedener zellulärer und molekularer Prozesse aufbaut.

Die Arbeitsgruppe um Joan Massagué konnte zeigen, dass im Mausmodell die Expression von vier Genprodukten ausreichend und gleichzeitig notwendig ist, um die Ausbildung von Lungenmetastasen zu induzieren [1]. Die Studie basierte auf eigenen Vorarbeiten, bei denen aus der heterogenen MDA-MB-231 Zelllinie durch in-vitro-Selektion unter anderem eine Subzelllinie mit hohem und spezifischem metastasischen Potenzial ins Lungenparenchym kultiviert wurde (LM2-Linie). Auf der Basis von Mikroarraydaten wurde eine Gensignatur etabliert, bei der das spezifische Expressionsmuster von 54 Genen mit dem Risiko einer Lungenmetastasierung korreliert [2].

Gupta und Kollegen wählten aus diesem Prognoseprofil-Genset vier Gene aus (EREG, COX2, MMP1, MMP2), die in einer unabhängigen Arbeit als Effektoren im VEGF-Signalweg beschrieben worden waren. Im Anschluss stellten sie verschiedene Knockdown-Linien her, bei denen in der LM2-Linie die Expression der vier Gene, jeweils einzeln oder in verschiedenen Kombinationen, stabil supprimiert war. Ausschließlich durch die simultane Erniedrigung aller vier Transkriptlevel konnten in Folgeexperimenten entsprechende Effekte beobachtet werden:

ein nahezu vollständiger Stopp des Tumorwachstums im Fettpolster von immundefizienten Mäusen, ein Einfluss auf die Angiogenese über VEGF-unabhängige Signaltransduktion, eine signifikante Inhibition der Ansiedlung von Tumorzellen in der Lunge nach intravenöser Injektion in Mäuse und eine Verringerung der transendothelialen Migrationsfähigkeit von LM2-Zellen im in-vitro-Assay.

In weiteren Experimenten verwendeten Gupta et al. ein orthotopes Mausmodell und testeten den Einfluss von Cetuximab (Anti-EGFR-Antikörper), GM6001 (Breitspektrum MMP-Inhibitor) und Celecoxib (COX2-Inhibitor) auf, durch LM2-Zellen induzierte, Primärtumoren und Lungenmetastasen. Mit den Kombinationen Cetuximab/Celecoxib sowie Cetuximab/Celecoxib/GM6001 wurden die signifikantesten Effekte erzielt. Nachgewiesen werden konnten reduzierte Wachstumsraten der LM2-Zellen in der Brustdrüse, eine verminderte Anzahl zirkulierender Tumorzellen und eine Inhibition der Ansiedlung von Tumorzellen in der Lunge. Eine entsprechende Wirkung wurde in zwei selbst etablierten, in ihren Eigenschaften vergleichbaren Zellkulturlinien beobachtet, die jeweils aus Pleuraeffusionen von Patientinnen kultiviert worden waren.

Die Arbeit von Gupta und Kollegen basiert auf der Hypothese, dass Gene, die einerseits Bestandteil einer prognostischen Gensignatur sind und zusätzlich bei der Angiogenese eine Rolle spielen, auch beim Metastasierungsprozess eine Funktion haben könnten. Da die Angiogenese nur einer der komplexen Teilprozesse ist, die im Rahmen der Metastasierung ablaufen, ist umso eindrucksvoller, dass Gupta et al. zeigen konnten, dass die gleichzeitige Expression von nur vier Kandidaten genügt, um im Mausmodell Lungenmetastasen entstehen zu lassen.

In der Vergangenheit wurden einige Gene entdeckt, durch deren spezifische Suppression die Metastasierung in in-vitro- und in-vivo-Modellen blockiert werden konnte. Die Funktion dieser Gene ist größtenteils unbekannt, und es ist aus experimenteller Sicht umso schwieriger, kausale Zusammenhänge auf molekularer Ebene nachzuweisen. Genau dies ist jedoch der Arbeitsgruppe um Joan Massagué, im Speziellen im Fall der Lungenmetastasierung im Mausmodell, gelungen. Des Weiteren zeigen Gupta et al., dass Gene, die im Primärtumor eine Funktion haben, gleichzeitig bei der Metastasierung eine Rolle spielen und dass Gensets mit prognostischer Aussagekraft auch Gene mit funktioneller Relevanz beinhalten können. Diese beiden Punkte wurden in der Vergangenheit durchaus kontrovers diskutiert.

Der Nachweis, dass die Ergebnisse auf die Situation im Menschen übertragbar sind und dass die Expression der vier Gene z.B. auch bei histologisch distinkten Mammakarzinomen-Subtypen eine Lungenmetastasierung auslösen, muss erst noch erbracht werden. Allerdings haben Gupta und Kollegen vier Kandidaten ausgewählt, für die bereits zielgerichtete Therapien etabliert sind, weswegen in naher Zukunft weitere Ergebnisse zu erwarten sind. So könnte beispielsweise in Folgeversuchen die Wirkung der beschriebenen Medikament-Kombinationen, im Rahmen von Prävention bzw. Therapie des metastasierten Mammakarzinoms, evaluiert werden.

Korrespondenzautorin:

Dr. rer. nat. Christina Schütz

Labor für Tumorprogression

Universitäts-Frauenklinik Tübingen

Email: christina.schuetz@med.uni-tuebingen.de

Literatur

  • 01 Gupta GP . et al . Mediators of vascular remodelling co-opted for sequential steps in lung metastasis.  Nature. 2007;  446 765-770
  • 02 Minn AJ . et al . Genes that mediate breast cancer metastasis to lung.  Nature. 2005;  436 518-524