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DOI: 10.1055/s-2007-992851
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Hörsturz - Corticoid-Stoßtherapie bringt keinen Vorteil
Publication History
Publication Date:
26 October 2007 (online)
Die Ätiologie des idiopathischen plötzlichen sensorineuralen Hörverlustes (ISSHL, umgangssprachlich Hörsturz) ist bisher nicht geklärt, doch spielt die antiinflammatorische Wirkung von Cortison offensichtlich eine wichtige Rolle bei der Erholung des Hörvermögens. Ob in diesem Zusammenhang eine hochdosierte Corticoid-Stoßtherapie mit Dexamethason effektiver ist als eine Standardtherapie mit Prednison, untersuchten B. O. Westerlaken et al. Laryngoscope 2007; 117; 684-690
Ein ISSHL entwickelt sich innerhalb weniger Stunden bis zu 3 Tagen. In der Regel ist der Hörverlust einseitig. Er kann von Schwindel, Tinnitus oder Druckgefühl im Ohr begleitet sein. Eine spontane Besserung tritt in 45-65% der Fälle ein. Ätiologische Faktoren, z. B. Virusinfektionen oder Mikrozirkulationsstörungen, können nur in 10-15% der Fälle ausgemacht werden. Die einzige Therapie, für die bislang eine gewisse Wirkung erwiesen ist, besteht in der Gabe von Corticosteroiden. Da die hochdosierte Stoßtherapie sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunantwort unterdrückt, ist von einer stärkeren antiinflammatorischen Wirkung auszugehen.
In die prospektive, doppelblinde Multicenter-Studie wurden zwischen 2000 und 2004 81 Patienten mit ISSHL aufgenommen. Anhand eines stringenten Diagnoseprotokolls wurden Patienten mit bekannten Ursachen für einen Hörsturz ausgeschlossen. Die Autoren teilten die Patienten in einem randomisierten Verfahren entweder einer hochdosierten Stoßtherapie zu (300 mg Dexamethason an 3 aufeinanderfolgenden Tagen, danach 4 Tage Placebo) oder einer Standardtherapie (70 mg Prednison am ersten Tag, dann pro Tag jeweils 10 mg weniger in den darauffolgenden 6 Tagen). Primärer Studienendpunkt war die Erholung des Hörvermögens nach 12 Monaten, gemessen mittels Ton- und Sprachaudiometrie. Zu den sekundären Endpunkten zählten die subjektiv empfundene Hörerholung sowie die Begleitsymptome Tinnitus, Druckgefühl und Schwindel.
Nach 12 Monaten hatte sich der Hörverlust in beiden Therapiearmen gleichermaßen gebessert, in der Stoßtherapie-Gruppe von 71 auf 36 dB und in der Prednisongruppe von 75 auf 42 dB (p > 0,05). Der Sprachdiskriminations-Score stieg von anfänglich 39 bzw. 42% auf jeweils 78%. Der Anteil an Patienten, der einen Sprachdiskriminations-Score von 100% erreichte, war unter der Stoßtherapie nur geringfügig höher als unter der Standardtherapie (64 vs. 57%). 61 bzw. 54% der Patienten erlangten ihr symmetrisches Hörvermögen zurück und 58 bzw. 40% zeigten nach 12 Monaten einen Rückgang des Hörverlustes um mehr als 50%. Unerheblich war, ob die Therapie binnen 24 h oder später eingeleitet wurde.
Die subjektive Hörverbesserung entsprach den objektiven Parametern. Schwindelsymptome bildeten sich in beiden Therapiearmen gut zurück (26 vs. 13% bzw. 37 vs. 10%), ebenso die Drucksymptomatik (46 vs. 9% bzw. 54 vs. 16%). Dagegen erwies sich der Tinnitus als relativ therapieresistent (85 vs. 69% bzw. 95 vs. 58%).