Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2007-993653
Skischuh versus Kniegelenk - ein sportmedizinisches, orthopädisches und biomechanisches Problem
Teil I: Ein sportmedizinisches Problem der 80er Jahre und seine Analyse.Ski boot versus knee joint - a problem involving sports medicine, orthopaedics and biomechanismsPart 1 A problem of sports medicine of the ‘eighties’ and its analysis.Publication History
Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung und Überblick über die Gesamtuntersuchung
Eine Untersuchung in drei Teilen:
Teil I: Ein sportmedizinisches Problem der 80er Jahre und seine Analyse.
Teil II: Was bewirkt die Vorlageposition im Skischuh?
Teil III: Die Risikosituation Rückwärtsfall.
Die im Gegensatz zu den Unterschenkelfrakturen in den letzten Jahren nicht rückläufige Zahl der Knieverletzungen beim Skifahren sowie die relative Zunahme der schweren Knieverletzungen und der isolierten Kreuzbandruptur veranlaßten uns, eine umfassende Ursachenforschung auf diesem Gebiet durchzuführen. Zur Analyse der mit den Knieverletzungen ursächlich in Verbindung gebrachten Bewegungs- und Belastungsmuster war es notwendig, ein neuartiges Meßverfahren zu entwickeln. Durch Kombination und Synchronisation von Bewegungsanalyse, Druckverteilungsmessung und Kraftmessung wurde es möglich, die Vor/Rückbewegung im Skischuh im Labor und mittels Telemetrie auch auf der Piste genauer zu analysieren (Teil I). Die ersten beiden Studien konzentrierten sich dabei auf die Vorwärtsbewegung im Skischuh. Mit Hilfe der Bewegungsanalyse und gleichzeitiger Bestimmung der Druckverhältnisse längs des Unterschenkels wurde der Einfluß verschiedener Skischuhmodelle auf die Vorlagebewegung von Anfängern und sehr guten Skifahrern untersucht (Teil II). Ein wesentliches Ergebnis des Laborversuchs war dabei, daß ein vom geübten Skifahrer ohne weiteres in eine starke Vorlage bewegbarer Skischuh vom Anfänger nur in eine um ca. 20 % (signifikant) geringere Vorlage gebracht werden kann. Der Bewegungsumfang in einem solchen Schuh ist damit deutlich eingeschränkt. Der Verdacht, daß durch einen solchen Skischuh ein Fahren in Rücklage beim Skischüler begünstigt wird, konnte durch die Untersuchungen auf der Piste bestätigt werden. Der Lernerfolg im steifen Skischuh war deutlich geringer, es ergaben sich bei der Bewegungsanalyse signifikant kleinere Vorlagewinkel und ein kniegelenksbelastender Fahrstil in Rücklage. Die weiteren zwei Studien konzentrierten sich daher auf die Rückwärtsbewegung im Skischuh (Teil III). Speziell die fixierten Heckspoiler der modernen Skischuhe werden bei einer Landung auf den Skienden nach einem Sprung oder einem Sturz in Rücklage ursächlich mit der vorderen Kreuzbandruptur in Verbindung gebracht (‘big bump, flat landing’ syndrom). Zur Messung der Horizontalkraft am Heckspoiler wurde eine neue Meßeinrichtung konstruiert und damit bei gleichzeitiger Bewegungsanalysemessung der zeitliche Kraftverlauf beim Rückwärtsfall im Laborversuch bestimmt. Um den Einfluß des Heckspoilers genauer quantifizieren zu können, wurde ein Spezialskischuh konstruiert, der ein Nachgeben des Heckspoilers bei der Rücklagebewegung erlaubt. Dadurch konnte im gleichen Schuh ein fixierter Heckspoiler mit einem in seiner Rücklagesteifigkeit unterschiedlich einstellbaren Heckspoiler verglichen werden. Die Ergebnisse im Labor zeigten überdeutlich, daß bereits ein mittlerer Heckspoilerwiderstand eine Reduktion der Kraftspitzenwerte um den Faktor 5,5 bewirkt. Die durch die Bewegungsanalyse berechnete Beschleunigung in Höhe des Kniegelenkes, die bei hartem Spoiler signifikant höher ist, untermauert das gefundene Ergebnis. Zudem konnten die einzelnen Positionen bei der Rückbewegung quantifiziert werden. Durch die darauf aufbauende Untersuchung auf der Piste konnten wir die Ergebnisse bestätigen und demonstrieren, daß normales Skifahren in einem solchen Skischuh ohne Einschränkung möglich ist. Es ergab sich eine Reduktion der Kraftspitzenwerte bei einem Sprung über eine Schanze um den Faktor 8 bei vergleichbaren Winkelstellungen. Die modernen Skischuhe unterstützen durch ihre Bauart ein Fahren in Rücklage. Durch einen festen Heckspoiler ist die Gefahr einer Kreuzbandverletzung beim Rückwärtsfall oder bei der Landung nach einem Sprung auf den Skienden wesentlich größer, als in einem Modell mit nachgebendem Heckspoiler bzw. den alten, nach hinten nachgebenden Lederskischuhen. Durch das kombinierte Meßverfahren war die Erfassung des Gesamtbewegungsablaufes im Skischuh und der dabei auftretenden Kräfte bei der Vor/Rückbewegung erstmals möglich. Die Problematik des Fahrens in Rücklage konnte erst unter Zusammenschau der Ergebnisse der Druckverteilungsmessung und Bewegungsanalyse bei der Vorbewegung und den Messungen zur Kraft FH und den Bewegungsanalysedaten bei der Rückbewegung in seiner Gesamtheit verstanden werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die mittlerweile beim Skifahren als selbstverständlich anzusehende Sicherheitsbindung in Zukunft auch “auf den Schuh auszudehnen”. Die rückwärts auslösenden Bindungen, die häufig bei stark und kurz einwirkenden Kräften zu gefährlichen Fehlauslösungen neigen und daher beim sportlichen Skifahrer eine bisher geringe Akzeptanz hatten, könnten damit durch ein Sicherheitssystem im Schuh ergänzt werden. Dies wird mit großer Wahrscheinlichkeit dazu beitragen, die hohen Zahlen von Knieverletzungen beim Skifahren zu senken.
Summary and survey of the situation as a whole
A study in three parts:
Part 1 A problem of sports medicine of the ‘eighties’ and its analysis.
Part 3 The risk situation involved in falling backwards.
In contrast to the drop in the incidence of fractures of the lower leg, or tibia, that has been observed in recent years, the incidence of knee injuries has not decreased in skiing and there has been a relative increase in the frequency of severe knee lesions and of the isolated rupture of the cruciate ligament, prompting us to conduct a comprehensive study of the causes of these phenomena. It was found necessary to develop a innovative method of measurement to analyse the patterns of movement and stress to which the knee injuries were attributed. By combining and synchronising movement analysis, measurement of pressure distribution and measurement of force it became possible to perform a detailed analysis of the forward/backward movement in the ski boot in the laboratory and also on the course by telemetry (part 1). The first two studies were devoted to the forward lean in the ski boot (part 2). Basing on movement analysis and simultaneous determination of pressure distribution along the lower leg, the influence of different ski boot models on the Vorlage, or forward lean, movement of beginners and very experienced skiers was studied. An important result of the laboratory experiment was that whereas a ski boot can be moved without difficulty into a strong forward lean position of the skier by an experienced sportsman, a beginner can only assume a forward lean with 20 % less inclination (this being a significant difference). In other words: the range of the freedom of movement in such a boot is markedly limited. The assumption that in ski amateurs such a ski boot would promote skiing in backward lean position, was confirmed by studies on the course (part 3). The pupils became definitely less adept at learning if they were required to wear a stiff ski boot; analysis of movement showed that the forward lean angles were clearly smaller and that the skiers adopted a skiing style in backward lean position that exercised an undue strain on the knees. The other two studies, therefore, focussed mainly on the backward movement in the ski boot. Specifically, the fixed rear spoilers of the modern ski boots are accused of contributing to the rupture of the anterior cruciate ligament if the skier lands on the tail ends of the skis after a jump or fall in backward lean position (‘big bump, flat landing’ syndrome). To measure the horizontal force at the rear spoiler, a new experimental laboratory setup was devised to conduct a movement analysis and at the same time to determine the force/time graph when falling backward. To quantify the influence of the rear spoiler,a special ski boot was constructed allowing the rear spoiler to give way in the backward lean position. This made it possible to compare for the same boot model a fixed rear spoiler with a spoiler of variable rigidity in backward lean position. The results obtained in the laboratory showed most clearly that even a medium rear spoiler resistance will reduce the peak force values by a factor of 5.5. The acceleration at the knee joint level, calculated by means of the movement analysis, is significantly higher in case of a rigid spoiler; this supports the results found by us. Moreover, it was also possible to quantify the individual positions during the backward movement. The subsequent studies conducted on the course confirmed these results, showing that normal skiing can be performed in such a boot without limitations or difficulties. A reduction of the peak force values by the factor 8 was seen in a ski jump with comparable angles. Today's ski boots promote skiing in backward lean position by their construction. A rigid rear spoiler will considerably enhance the risk of a lesion of the cruciate ligament when falling backwards or when landing on the tail ends of the skis after a jump, compared with a model with a rear spoiler that will give way, or with the previously employed leather ski boots that gave way in backward direction. The combined measurement method made it possible for the first time to analyse and record the total course of the movement in the ski boot and the ensuing forces during forward/backward movement. The complex problem of skiing in backward lean position was fully understood only by considering the results of pressure distribution and movement analysis in forward movement and of measuring the force FH as well as by considering the movement analysis data during backward movement, as a whole. In consideration of these facts it is concluded that the principle of safety binding which is meanwhile selfunderstood in skiing (the skiers being equipped without exception with a safety binding device) must definitely apply in future in equal measure also to the ski boot. The backward-releasing bindings, which can often produce dangerously inappropriate releases if a strong force acts on them for a short while, and which were therefore only very reluctantly if at all accepted by skiers for whom skiing is a major sport, could thus be complemented by a safety system in the boots. In all probability this would be a contributing factor to reducing the high incidence of knee injuries in skiing.