Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1998; 33(6): 353-361
DOI: 10.1055/s-2007-994263
Der besondere Beitrag

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Entwicklung eines Fremdbeobachtungsbogens zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes bei Säuglingen

Development of an Observational Scale for the Assessment of Postoperartive Pain in InfantsW. Büttner1 , W. Finke1 , M. Hilleke1 , S. Reckert1 , L. Vsianska1 , A. Brambrink2
  • 1Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Ruhr-Universität Bochum, Marienhospital Herne
  • 2Klinik für Anästhesiologie, Johannes Cutenberg-Universität Mainz
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Zusammenfassung

Es war zu prüfen, ob es möglich ist, anhand einer Fremdbeurteilung des Schmerzausdruckverhaltens von Säuglingen auf ökonomische Weise Rückschlüsse auf die postoperative Schmerzintensität dieser Kinder zu ziehen. In einem iterativen Verfahren wurden die Daten aus prospektiven und kontrollierten Beobachtungen an 139 Säuglingen während der frühen postoperativen Phase mehreren Faktorenanalysen, Diskriminanzanalysen und Varianzanalysen mit wiederholten Messungen unterzogen. Die Auswahl von zunächst 13 Beobachtungsparametern enstammt den bisher in der Literatur veröffentlichten Versuchen gleicher Zielsetzung. Von den ursprünglich 13 Beobachtungsparametern wurden „Nasolabialfalte”, „Gesichtsfarbe”, „Schwitzen am Kopf” und „muskulärer Ruhetonus” wegen mangelnder Varianz als ungeeignet identifiziert. Die 9 verbleibenden Items „Weinen”, „Gesichtsausdruck”, „Stirnfalten”, „Armhaltung”, „Fingerhaltung”, „Zehenhaltung”, „Rumpfhaltung”, „Beinhaltung” und „motorische Unruhe” zeigten weder in den Ergebnissen der Faktorenanalysen und der Diskriminanzanalysen noch in den ”corrected item-scale”-Korrelationskoeffizienten oder den Inter-Item-Korrelationen Vorzüge oder Nachteile im Vergleich untereinander. Die Hauptkomponentenanalyse ergab eine einfaktorielle Lösung. Aus ökonomischen Gründen wurden aus dem Satz von 9 Beobachtungsparametern jeweils 5 ausgewählt. Folgende Items bildeten die Kindliche Unbehagens- und Schmerz-Skala (KUSS): „Weinen”, „Gesichtsausdruck”, „Beinhaltung”, „Rumpfhaltung” und „motorische Unruhe”. In einem Säugling's Unbehagens- und Schmerz-Index bezeichneten Satz wurden folgende Items verwendet: „Weinen”, „Gesichtsausdruck”, „Armhaltung”, „Rumpfhaltung” und „motorische Unruhe”. Diese letzteren hatten die höchsten substantiellen Ladungen in den Faktorenanalysen erreicht. Für beide Systeme ergab sich eine ausreichende interne Konsistenz mit α > 0,90 (p < 0,01) bei wenigstens 73 % aufgeklärter Varianz. Inter-Item-Korrelationen und ”corrected item-scale”-Korrelationen ergaben keine Hinweise auf Vor- oder Nachteile eines der beiden Systeme. In Diskriminanzanalysen hinsichtlich der Fähigkeit zwischen Situationen mit oder ohne Analgesiebedarf zu unterscheiden ergab sich kein Unterschied hinsichtlich der Sensitivität, Spezifität und prädiktiven Werten zwischen dem SUS-lndex und der KUS-Skala. Varianzanalysen mit wiederholten Messungen deckten eine signifikante Interaktion von Meßwiederholung und Gabe von Piritramid auf, nicht jedoch von Midazolam. Die konkurrierende und Konstrukt-Validität konnte für beide Systeme mit Gabe von Piritramid gesichert werden. Aus klinischen Erwägungen ist für die tägliche Praxis die KUS-Skala vorzuziehen, da sie nachweislich für Kinder vom Säuglingsalter bis zum Abschluß des 4. Lebensjahres gültig ist, und weil einschließlich der Ergebnisse der vorgelegten Studie kontrollierte Daten zur Sensitivität, Spezifität, Beobachterübereinstimmung und Validität vorliegen.

Summary

In a prospective trial in 139 infants ASA classification I-II 13 observational items were scaled during the first postoperative hour (13 assessments). The items were drawn from the literature and chosen for economic purpose. Factor analyses (Principal component, Kaiser Criterion, Scree-test) were used for the elimination of useless items and for the identification of suitable ones. The discriminative properties of single items and different subsets of items to detect an analgetic demand were tested in discriminant analyses and variance analyses with repeated measurements. Due to insufficient variance four items had to be eliminated: "nasolabial folding", "colour of the face", "sweating of the head", and "muscle tone". The factor analysis if the remaining 9 items resulted in a one factorial solution. Neither the corrected item-scale-correlations nor the inter-item-correlations showed advantageous properties of single items compared with the others. For economic reasons two 5-item scales were chosen for further evaluation in regard to sensitivity, specifity and validity. The items "crying", "facial expression", "positioning of the legs", "positioning of the trunc" and "motoric restlessnes" built the Children's and Infants Postoperative Pain Scale (CHIPPS) wheras an Infants Postoperative Pain Scale (IPPS) contained the items "crying", "facial expression", "positioning of the arms", "positioning of the trunc" and "motoric restlessnes". The latter five items had shown the highest factor loadings. The two systems had a high intern consistency with α > 0.90 (p < 0.01) with at least 73 % explained variance. Inter-item-correlations and corrected item-scale-correlations showed no differences between the two scales. The discriminant analyses resulted in almost identic data for specifity, sensitivity and predictive values of the IPPS compared with the CHIPPS. There was a significant interaction between repeated measurements and the supply of Piritramide and Ketamine, but not of Midazolam. Concurrent and constructive validation were positive for both systems, using administration of Piritramide as a criterion. For clinical purpose the CHIPPS should be preferred, because it has been proven to be valid in children up to 4 years of age and because controlled data on its sensitivity, specifity, reliability and validity could already be presented.