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DOI: 10.1055/s-2007-995782
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Dekompressionsoperation beim raumfordernden Schlaganfall
Publication History
Publication Date:
15 August 2008 (online)
Der raumfordernde, sogenannte „maligne” Mediainfarkt ist eine für die betroffenen Patienten und deren Angehörige katastrophale Erkrankung und ist zusammen mit der Basilaristhrombose der ischämische Schlaganfall mit der schlechtesten Prognose. Trotz maximaler intensivmedizinischer Maßnahmen, einschließlich Intubation, Osmotherapie, Hyperventilation und dem Einsatz von Barbituraten versterben bis zu 80 % der Patienten innerhalb der ersten 4 – 7 Tage nach dem Ereignis an dem sich entwickelnden massiven Hirnödem. Durch die Entfernung eines Teils des Schädelknochens, der Hemikraniektomie wird Platz für das temporär geschwollene Gehirn geschaffen, sodass dieses sich nach außen ausdehnen kann. Dadurch wird der tödliche Circulus vitiosus von zunehmender lokaler Raumforderung, Kompression benachbarter Hirnteile, reduziertem Blutfluss, Zunahme der Ischämie und steigendem intrakraniellen Druck effektiv durchbrochen.
Diese Behandlung ist keineswegs neu. Erste Fallberichte für die Behandlung des malignen Mediainfarktes stammen aus den 30er Jahren. Größere Fallserien werden allerdings erst seit Ende der 90er Jahre berichtet. Trotz zahlreicher Fallserien, die über eine deutlich verminderte Letalität und ein vergleichsweise gutes klinisches Ergebnis der behandelten Patienten berichten, gehörte die Dekompressionsoperation beim raumfordernden Schlaganfall lange Zeit zu den umstrittensten Therapieoptionen. Grund hierfür war die von vielen Kritikern postulierte Gefahr, dass mit dieser Behandlung das Leben der Patienten gerettet werden könnte, allerdings zum Preis einer bleibenden schwersten Behinderung mit dauerhafter vollständiger Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit.
In dieser Ausgabe von Intensivmedizin up2date werden die 2007 publizierten und seit langem erwarteten Ergebnisse der randomisierten Studien zur Hemikraniektomie beim malignen Mediainfarkt vorgestellt. Diese zeigen neben der von den wenigsten bezweifelten deutlichen Verminderung der Letalität, dass die Dekompressionsoperation nicht nur die Zahl der mit maximaler Behinderung überlebenden Patienten keineswegs erhöht (die mit 4 % der Betroffenen im Übrigen sehr niedrig ist), sondern über 40 % der Patienten nach einem Jahr unabhängig oder nur teilweise auf fremde Hilfe angewiesen sind. Bedenkt man die Schwere der Erkrankung bei diesen ausgedehnten Infarkten, so ist dieses Ergebnis erstaunlich.
Damit ist die Hemikraniektomie neben der intravenösen Gabe von rt-PA innerhalb von 3 Stunden, der Behandlung auf einer spezialisierten Stroke Unit und der frühen Sekundärprophylaxe mit Thrombozytenfunktionshemmern die vierte Therapie des akuten Schlaganfalls, deren Wirksamkeit in randomisierten Studien belegt ist und die Level A Evidenz erreicht. Unsere Aufgabe wird es sein, dies unseren Kollegen in der Neurologie und Neurochirurgie nahezubringen, um möglichst vielen der Patienten eine Chance für ein Leben bieten zu können, die ihnen unter konservativer Therapie verwehrt bleibt.
Prof. Dr. Dr. h. c. Dipl.-Psych. Werner Hacke
Neurologische Klinik, Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg
Email: Werner.Hacke@med.uni-heidelberg.de
Dr. Eric Jüttler
Assistenzarzt, Neurologische Klinik, Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400
69120 Heidelberg
Email: Eric.Juettler@med.uni-heidelberg.de