Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1996; 31(3): 155-162
DOI: 10.1055/s-2007-995892
Originalien

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Versuch einer Definition des individuellen Anästhesieniveaus über repetitive Schmerzreizung: Korrelation mit EEG-Befunden

Attempt to Define the Individual Level of Anaesthesia via Repetitive Pain Stimulation: Correlation with EEG FindingsE. Entholzner, S. Hargasser, L. Mielke, Doris Droese, W. Plötz1 , H. Schneck, E. Kochs
  • Institut für Anästhesiologie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. E. Kochs)
  • 1Orthopädische Klinik und Poliklinik (Dirketor: Univ.-Prof. Dr. E. Hipp) der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar
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Publication Date:
22 January 2008 (online)

Summary

Aim: Previous studies using EEG for assessment of depth of anaesthesia correlate anaesthetic concentration with the anaesthetic stage. This procedure neglects the well known effect of individual different susceptability to anaesthetics. Thus, patients receiving similar concentrations of anaesthetics may not necessarily be at the same level of ”anaesthetic depth”. The aim of this study was to define an interindividual comparable level of anaesthesia by recording the autonomic cardiovascular reaction to a standardised painful stimulus (tetanic stimulus, 80 mA, 100 Hz).

Methods: In 61 patients undergoing orthopaedic surgery general anaesthesia was performed with isoflurane in 66 % N2O. Starting from 0.4 % isoflurane, endtidal isoflurane concentration was increased in a stepwise manner (0.1 % isoflurane) until the patient did not show any relevant cardiovascular reaction (increase of heart rate and/or blood pressure < 10 %) after tetanic stimulation of the ulnar nerve. If patients demonstrated no haemodynamic changes at 0.4 % isoflurane, the concentration was decreased until a relevant cardiovascular reaction was registered. During each steady state period multichannel EEG was recorded and mean values of power density (median: μV2/Hz) were computed.

Results: Comparing EEG-results between both groups exhibiting a cardiovascular reaction (CVR+, median endtidal Iso: 0.5 %) and without reaction (CVR-, median endtidal Iso: 0.6 %) an increase in low frequency bands and a significant decrease in high frequencies was found (Wilcoxon-test, p < 0.05). In contrast, comparing EEG-data only in relation to endtidal isoflurane concentration neglecting individual haemodynamic responses, no differences of power density in high frequency bands were detected.

Conclusion: This method to define individual depth of anaesthesia as described, results in more consistent EEG patterns and may be useful in relating EEG to depth of anaesthesia.

Zusammenfassung

Studienziel: Wirkungen von Anästhetika auf die hirnelektrische Aktivität wurden in zahlreichen Studien untersucht. Dabei wurde implizit angenommen, daß gleiche Anästhetikakonzentrationen zu einer vergleichbaren „Anästhesietiefe” führen (1-6). Diese Annahme vernachlässigt jedoch die interindividuell unterschiedlichen Reaktionen, sowohl auf das jeweilige Anästhetikum als auch auf Schmerzstimuli (7,8). Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, anhand autonomer Reaktionen auf einen standardisierten Schmerzreiz vergleichbare Narkosestadien herzustellen und EEG-Befunde auf dieser Basis unabhängig von der tatsächlichen Anästhetikakonzentration zu vergleichen.

Methodik: Bei 61 orthopädischen Patienten wurde die endtidale Isoflurankonzentration (et Iso) ausgehend von et Iso 0,4 Vol. % in 66 % Stickoxydul schrittweise um et 0,1 Vol. % erhöht, bis beim einzelnen Patienten keine relevante kardiovaskuläre Reaktion (Anstieg von Herzfrequenz und/oder Blutdruck < 10 %) auf einen standardisierten Schmerzreiz (tetanischer Reiz: 80 mA, 100 Hz, 5 s) mehr nachweisbar war. Trat bereits bei einer endtidalen Isoflurankonzentration von 0,4 Vol. % keine hämodynamische Reaktion auf, wurde die Konzentration in Schritten von 0,1 Vol. % erniedrigt, bis eine kardiovaskuläre Reaktion zu registrieren war. Während der einzelnen steady state-Phasen wurde ein Multikanal-EEG abgeleitet.

Ergebnisse: Vergleicht man die EEG-Befunde der Gruppen, in denen noch eine kardiovaskuläre Reaktion (CVR+, Median et Iso: 0,5 Vol %) bzw. keine Reaktion (CVR-, Median et Iso: 0,6 Vol %) mehr auftrat, so zeigt sich in der Gruppe CVR- eine signifikante Zunahme der Leistungsdichte in den langsamen Frequenzbereichen, bei gleichzeitiger signifikanter Abnahme im alpha- und beta-Band. Werden die Patienten demgegenüber nur anhand der endtidalen Isoflurankonzentrationen von 0,5 Vol. % bzw. 0,6 Vol. % in Gruppen eingeteilt (Gruppe ISO 05, Gruppe ISO 06), so ergeben sich unterschiedliche Befunde. Es finden sich zwar auch signifikante Zunahmen der Leistungsdichte in den langsamen Frequenzbereichen (delta, theta) aber keine signifikanten Veränderungen in den schnellen Frequenzbändern (alpha, beta).

Schlußfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, daß sich anhand des kardiovaskulären Verhaltens auf den gewählten standardisierten Schmerzstimulus übereinstimmende Anästhesieniveaus definieren lassen. Die Veränderungen im spektralanalysierten EEG führen bei Orientierung anhand dieser Zielgröße zu einheitlicheren Ergebnissen in den schnellen Frequenzbereichen als bei Bezug auf die absolute endtidale Isoflurankonzentration. Die beschriebene Methode könnte die Aussagefähigkeit von EEG-Befunden unter Anästhesie erhöhen.