Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1994; 29(6): 371-374
DOI: 10.1055/s-2007-996765
Fallberichte

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zervikale epidurale Infusion von Morphin und Bupivacain bei schwerer Erythromelalgie

Cervical Epidural Infusion of Morphine and Bupivacaine for Severe ErythromelalgiaM. Mohr1 , K. Schneider2 , M. Grosche2 , J. Hildebrandt1
  • 1Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Universität Göttingen
  • 2Universitätskinderklinik Göttingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Januar 2008 (online)

Zusammenfassung

Ein 13jähriger Junge wurde mit seit zwei Monaten bestehenden starken brennenden Schmerzen in den Händen und distalen Unterarmen stationär aufgenommen. Die Haut in dem betroffenen Bereich war gerötet und Überwärmt und wurde zur Linderung der Schmerzen mit Eiskompressen gekühlt. Die Laborparameter waren alle im Normbereich. Aufgrund der klinischen Symptomatik wurde die Diagnose einer primären Erythromelalgie gestellt. Mit neun Monaten war der Junge an einer Hexadaktylie der rechten Hand operiert worden. Anamnestisch bekannt war weiterhin ein vor mehreren Monaten vorübergehend beobachtetes leichtes Brennen der FÜße. Eine auswärts vorgenommene Revision der alten Operationsnarbe kurz nach Beginn der Symptomatik an den Händen hatte zu keiner Besserung der Schmerzen geführt. Die primär durchgeführte analgetische Therapie hatte keinen Effekt. Weder Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Tramadol per os noch Morphin intravenös konnten die Schmerzen nachhaltig beeinflussen. Ebenso ohne Auswirkung blieb die Gabe von Carbamazepin, Methysergid und Immunglobulinen. Erträglich waren die Schmerzen nur bei fortgesetztem Eintauchen der Hände und Unterarme in kühles Wasser. Dies bedingte nach einigen Tagen eine Schwellung und zunehmende Mazeration der Haut. Die Anlage eines zervikalen epiduralen Katheters und die Infusion von Morphin und Bupivacain führten innerhalb von Stunden zu einer deutlichen Abnahme der Schmerzen und zur Beendigung der Wasserkühlung. Unter einer zweiwöchigen Therapie mit schrittweiser Dosisreduktion kam es zum Rückgang von Schwellung und Rötung der betroffenen Hautareale. Der Junge mußte infolge der langen Kühlung und Immobilisation der Hände und Arme anschließend einer intensiven krankengymnastischen Therapie zur Wiederherstellung der neuromuskulären Funktion zugeführt werden. Die genauen zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen der primären Erythromelalgie sind nicht bekannt. Differentialdiagnostisch muß grundsätzlich das Vorliegen einer sympathischen Reflexdystrophie diskutiert werden. Bei fehlendem Effekt anderer für die Erythromelalgie beschriebener Therapieansätze erscheint uns eine zervikale epidurale Infusion zur Sympathikolyse und Analgesie gerechtfertigt.

Summary

A 13 year old boy was admitted suffering from severe burning pain in both hands and distal forearms of two months duration. The skin in the affected areas was red and warm and was cooled by the boy with ice for alleviation of pain. Laboratory tests revealed no abnormalities. The diagnosis of primary erythromelalgia was made on the basis of the history and physical examination. At the age of nine months the boy had undergone surgery for hexadactyly of the right hand. In addition, the boy had complained of transient burning sensations in both feet several months prior to admission. Revision of the old scar at the beginning of the hand symptoms had been without effect. Initial analgesic attempts with oral paracetamol, acetylsalicylic acid, tramadol and intravenous morphine also had had no effect. Carbamazepine, methysergide and immunoglobulins led to no improvement. Symptomatic relief was achieved only by cooling the distal parts of both arms with water. This caused oedema and maceration of the skin after several days. The placement of a cervical epidural catheter and the infusion of morphine and bupivacaine led to a pronounced pain relief within hours and the forearms could be removed from the cool water. The epidural infusion was continued for two weeks with slowly decreasing amounts of morphine and bupivacaine. During this time there was a marked improvement in both oedema and erythema. No complications resulted from the cervical epidural infusion. Because of the long-standing immobilisation and water exposure the boy had to undergo intensive training of the upper extremities during the following weeks to regain full muscular function. Reflex sympathetic dystrophy must be discussed in the differential diagnosis in all cases of erythromelalgia. When common analgesic approaches are without therapeutic effect in patients with erythromelalgia the use of an epidural infusion for sympathetic blockade and analgesia might be of benefit.