Laryngorhinootologie 1993; 72(5): 236-241
DOI: 10.1055/s-2007-997891
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Auswirkungen einer Veränderung des Umgebungsdrucks auf den Spontannystagmus bei Patienten mit cochleovestibulären Erkrankungen*

Labyrinthine Effects of Pressure Variation on Patients with Cochleovestibular DiseaseW. Maier, C. Beck, R. Hauser, Chl. Beck
  • Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. Chl. Beck)
* Auszugsweise vorgetragen auf der 76. Versammlung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte in Pforzheim am 18.9.1992.
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Cochleo-vestibuläre Effekte von Veränderungen des Mittelohrdrucks werden seit über 50 Jahren unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert. Densert berichtete 1975 erstmals über eine Verbesserung des Hörvermögens bei Ménière-Patienten nach Minderung des Umgebungsdrucks in einer Druckkammer, Ingelstedt (1976) beobachtete unter denselben Bedingungen eine Abnahme des Spontannystagmus. Als Ursache wurde die Übertragung eines relativen Überdrucks im Mittelohr auf das Innenohr mit konsekutivem Auspressen des hydropischen Endolymphschlauchs in den Saccus endolymphaticus diskutiert. Daneben wurde mittlerweile ein direkter Effekt des Labyrinthdrucks auf die Spontanaktivität des Gleichgewichtsorgans und die Funktion des Innenohrs beschrieben. Um Hinweise auf die Genese der Beobachtungen von Densert und Ingelstedt zu gewinnen, führten wir Druckkammeruntersuchungen an 40 Patienten mit unterschiedlichen cochleo-vestibulären Erkrankungen mit simultaner Ableitung eines Elektronystagmogramms durch. Hierbei beobachteten wir bei 10 der 12 Patienten, die einen Spontannystagmus aufwiesen, eine Reduktion dieses Nystagmus während der Minderung des Kammerdrucks. Daneben fand sich bei 3 Patienten eine partielle Restitution des Nystagmus nach erneuter Erhöhung des Umgebungsdrucks auf den Ausgangswert. Dieses Phänomen trat bei Patienten mit M. Ménière, Neuropathia vestibularis und Hörsturz mit vestibulärer Beteiligung auf. Bei 7 gesunden Kontrollpersonen sowie bei 11 Patienten, die an einem Hörsturz ohne Beteiligung des Vestibularorgans erkrankt waren, wurden durch die Druckveränderungen keine Nystagmen induziert. Wir schließen aus unseren Beobachtungen, dass dieses Phänomen nicht spezifisch für Ménière-Patienten ist. Möglicherweise liegt unserer Beobachtung eine direkte Beeinflussung des Gleichgewichtsorgans durch die Transmission einer Veränderung des Mittelohrdrucks auf das Labyrinth zugrunde.

Summary

Cochlear and vestibular effects of Variation of middle ear pressure have been discussed for more than 50 years. In 1975, Densert reported on temporary improvement of hearing threshold in patients suffering from Ménière's disease after reduction of air pressure in a pressure Chamber. One year later Ingelstedt observed reduction of spontaneous nystagmus under this condition. The transmission of relative overpressure from the middle ear to the labyrinth with consecutive decongestion of the hydropic endolymphatic system to the saccus was thought to be the cause of this phenomenon. Meanwhile a direkt effect of labyrinthine pressure on the activity of the inner ear and labyrinth in healthy subjects and animals has been described. In order to gain further information on the phenomenon observed by Densert and Ingelstedt we performed investigations on patients suffering from several cochleovestibular diseases. Chamber pressure was altered and simultaneous electronystagmographic recording was performed. As a striking result, we observed a reduction of the pathological spontaneous nystagmus in a majority of patients with vestibular damage during and after the reduction of Chamber pressure. Many of these subjeets showed a partial restitution of nystagmus if the Chamber pressure was increased again. This Observation was made in patients with Ménière's disease, vestibular neuritis and sudden hearing loss with vestibular involvement. Hence, we conclude that this phenomenon is not specific for Ménière's disease. A transmission of middle ear pressure to the labyrinth may be an explanation of our observations.