Laryngorhinootologie 1993; 72(11): 537-544
DOI: 10.1055/s-2007-997952
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Differentialindikation von freien und gestielten Transplantaten in der Wiederherstellungs-Chirurgie des Kopf-Hals-Bereiches

Indications of Various Free and Pedicled Flaps in Head and Neck ReconstructionP. K. Plinkert, F. Bootz, H. P. Zenner
  • Universitäts-HNO-Klinik Tübingen (Direktor: Prof. Dr. med. H. P. Zenner)
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Seit der Einfuhrung mikrovaskulär reanastomosierter Transplantate in die rekonstruktive Chirurgie des Kopf-Hals-Bereiches stellt sich wiederholt die Frage, welches freie Transplantat eingesetzt werden soll und ob dies Vorteile gegenüber gestielten Lappenplastiken bringt. Aufgrund unserer Erfahrungen an 243 rekonstruktiven Eingriffen möchten wir Vor- und Nachteile einzelner Rekonstruktionsvarianten aufzeigen und insbesondere die Differentialindikationen für die verschiedenen Transplantate herausstellen. Sowohl der freie mikrovaskulär reanastomosierte als auch der gefaßgestielte Gewebetransfer ermöglichen häufig eine situationsgerechte Rekonstruktion, wobei je nach Defektausdehnung und -tiefe entweder fasziokutane oder aber voluminöse myokutane Transplantate, z.T. auch ohne Haut, eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu konventionellen lokalen und Fernlappenplastiken, die wir vor mehr als einem Jahrzehnt bei großen Defekten anwandten, ist mit Hilfe der beiden Rekonstruktionsprinzipien eine einzeitige Wiederherstellung möglich. Dies äußert sich auch in einer Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes und bietet den betroffenen Patienten eine deutlich bessere Lebensqualität. Der Vorteil mikrovaskulär reanastomosierter Transplantate zeigt sich beispielhaft bei der Rekonstruktion des oberen Digestivtraktes nach Pharyngolaryngektomie. Die vorgegebene Rohrform eines freien Jejunumsegmentes erlaubt eine einzeitige Rekonstruktion des Pharynxschlauches, so dass bessere funktionelle Ergebnisse bei gleichzeitiger Verkürzung der Hospitalisation auftreten. Zur Deckung oberflächlicher Defekte im vorderen Mundboden und am Alveolarkamm eignet sich aufgrund der mechanischen Belastbarkeit der radiale Unterarmlappen nahezu ideal. Das Jejunumpatch ist leicht vulnerabel und in diesem Bereich insbesondere bei einer prothetischen Versorgung dem radialen Unterarmlappen unterlegen. Im hinteren Mundbodenbereich bevorzugen wir hingegen eher ein Jejunumpatch, da das Dünndarmtransplantat eine bessere Restbeweglichkeit der Zunge erlaubt. Bei tieferen Defekten, beispielsweise nach einer Glossektomie, eignet sich eine Auffüllung des Substanzverlustes mit einem voluminösen freien Latissimusdorsi-Transplantat, wobei in solchen Fällen auch der Pectoralis-major-Insellappen eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu freien Transplantaten haben gestielte Lappenplastiken den Vorteil, dass zu ihrer Entnahme und Transposition keine aufwendigen Operationstechniken erforderlich sind und die Operationszeiten kürzer gehalten werden können. Ferner sind die Nekroseraten bei gestielten Lappenplastiken geringer, da die komplikationsträchtige Mikroanastomose entfallt. Die Hauptanwendung gestielter Lappen betrifft in unserem Krankengut die sekundäre Rekonstruktion in einem vorbestrahlten und/oder voroperierten Gewebe.

Summary

Since the microvascular tissue transfer has been introduced in the reconstructive surgery of the head and neck the question arises repeatedly which free transplant should be favoured and which advantages exist to pedicled flaps. Based on our experiences in 243 reconstructions we discuss the advantages and disadvantages of different operative techniques and their differential indications. Using free as well as pedicled flaps, reconstructions can be performed individually and the decision for a transplant depends on localisation, size and depth of the defect. In contrast to conventional techniques, like the deltopectoral Aap, which we performed a decade ago, both new principles allow a one-stage procedure, which reduces the period of hospitalisation and improves the quality of life for the patients. The advantages of free tissue transfer can be seen especially in the reconstruction of the upper digestive tract after laryngopharyngectomy. The existing form of the jejunum segment like a tube allows an easy one-stage reconstruction, as well as better functional and aesthetic results. The radial forearm flap is a nearly ideal transplant in the anterior oral cavity because of the mechanical stability. In contrast the jejunum patch is more vulnerable and less qualified especially when fitting a prosthesis. In the posterior oral cavity we prefer the jejunum patch because it allows more mobility of the tongue. Deep defects, for instance after glossectomy, should be reconstructed with a free latissimus-dorsi-flap or a pedicled myocutaneous pectoralis major flap. In contrast to free tissue transfer, pedicled flaps have the advantage that the difficult technique of microanastomosis is avoided, which reduces the complication rate and the operation time. In our opinion the main indications for pedicled flaps concern secondary reconstructions after irradiation and/or surgery.