Laryngorhinootologie 1989; 68(1): 72-77
DOI: 10.1055/s-2007-998288
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zervikale Afferenzen und ihre Einbindung in die Gleichgewichtsregulation*

The Role of Cervical Proprioceptors in the Vestibular SystemS. Holtmann, V. Reiman
  • Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke, Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern (Direktor: Prof. Dr. med. E. Kastenbauer)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. Februar 2008 (online)

Zusammenfassung

Ausschalt- und Stimulationsversuche bei Tieren haben ergeben, dass von den tiefen Nackenmuskeln ausgehende Reize in die Gleichgewichtsregulation eingebunden sind. Als verantwortliche Rezeptoren werden vornehmlich die Muskelspindeln angesehen. Unterschiedliche afferente Bahnen leiten die Impulse nach zentral, wo über Konvergenzneurone eine multisensorische Integration an verschiedenen Hirnstrukturen erfolgt. Zervikale Einflüsse bewirken eine Stabilisierung des Rumpfes bei Kopfbewegungen, wobei Halsreflexe die gleichzeitig ausgelösten Labyrinthreflexe auslöschen. Untersuchungen der Standregulation mit unterschiedlichen Kopfpositionen haben keine für die Diagnostik zervikaler Störungen wesentlichen posturographischen Befunde erbracht. Zerviko-okuläre Reaktionen (COR) sind in die komplexe Koordination von Augen- und Kopfbewegungen eingebunden. Die Grundlage der zervikalen Blicksteuerung sowie die Charakteristika zervikaler Augenbewegungen werden skizziert. Da langsame Nackenrotationen stärkere Augenbewegungen hervorrufen als schnelle, muß die Geschwindigkeit der Rumpfdrehung neben anderen Faktoren bei der Reizung zervikaler Afferenzen berücksichtigt werden. Aufgrund vieler aus der Literatur zusammengetragener Befunde und eigener Untersuchungen zeigt sich, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine positive Nachweismethode des zervikalen Schwindels existiert.

Summary

Experiments with stimulation or denervation of cervical dorsal roots in animals have shown that input of the deep neck region is important for orientation, upright posture and the control of eye movements. Muscle spindles seem to play a dominant role as receptors for neck movements. Different ascending pathways project to the central nervous system and the signals interact with visual and vestibular stimuli. Cervical afferences provide a stabilization of the trunk during head movements because neck reflexes cancel labyrinthine reflexes. Posturographic measurements with head extension manoeuvres however did not turn out to be helpful in dizzy patients. Cervically induced eye movements are part of the complex head-eye coordination. The characteristics of cervico-ocular reactions are described. They show in relation to different neck torsion velocities a tuning curve with maximum reactions at slow velocities. Therefore the velocity of trunk rotation is, among others, an important factor when stimulating cervical afferences. The results from literature as well as own experiments show that there exists no method as yet that could yield positive evidence of cervical dizziness.