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DOI: 10.1055/s-2008-1004755
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung
zur Arbeit von S. Hermeneit, M. Müller, A. Terzic, A. Rodehorst, M. Schamberger, T. BöttgerPublication History
Publication Date:
15 April 2008 (online)
Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, an einem klar definierten Patientengut beeinflussbare anästhesiologische und chirurgische Risikofaktoren für die Entwicklung der postoperativen Morbidität zu identifizieren.
Der direkte Einfluss des Chirurgen ist hinreichend bekannt und in Studien untersucht und diente als Grundlage für die Diskussion um Mindestmengen für bestimmte Operationen. Deutlich weniger ist über die Morbidität in der Anästhesie bekannt. Nur wenige Studien haben sich mit der Ermittlung anästhesiebezogener Risikofaktoren für die Entwicklung postoperativer Komplikationen befasst.
Von den Autoren wurden über einen Zeitraum von 44 Monaten (1 / 2003-8 / 2006) prospektiv die Daten von 366 Patienten mit laparoskopischen Koloneingriffen (maligne und benigne Ursachen) erfasst.
Die Risikoermittlung erfolgte mittels der ASA-Klassifikation sowie ergänzend mit dem POSSUM-Score (Portsmouth Physiological and Operative Severity Score for the Enumeration of Mortality and Morbidity). In diese Skala, die von Tekkis et al. speziell für die kolorektale Chirurgie modifiziert wurde, fließen neben physiologischen Parametern auch Parameter bezüglich des Schwierigkeitsgrades der Operation ein.
Intraoperativ wurden unter Beibehaltung eines konstanten Operations-Teams (ein Operateur, 2 verschiedene Assistenten) der Facharztstatus des Anästhesisten bzw. der intraoperative Wechsel des Anästhesisten dokumentiert, um insbesondere die Erfahrung des Anästhesisten mit dem Auftreten allgemeiner Komplikationen auswerten zu können. Obgleich in sämtlichen Parametern erfasst, wurden im Gegensatz zu bereits vorliegenden Studien weder die Narkoseführung, noch das Auftreten intraoperativer Probleme mit dem Zielkriterium der postoperativen Mortalität korreliert.
Die Beschränkung auf einen Operateur sowie das klar definierte Patientengut ermöglichte die exakte Beurteilung anderer Einflussfaktoren auf die Entwicklung postoperativer Komplikationen. Bewusst hat man sich in der vorliegenden Arbeit auf postoperativ therapiebedürftige kardiale Komplikationen und die Notwendigkeit einer Nachbeatmung (> 3 Stunden) beschränkt.
Bei der Auswertung der chirurgischen Komplikationsraten (Wundinfektion, Sepsis, Nahtinsuffizienz, Fasziendehiszenz, Nachblutung) bewegten sich die Prozentangaben sowohl für den Notfall-, als auch den Elektiveingriff innerhalb der internationalen Literaturangaben.
In den weiteren Ergebnissen wurde klar herausgestellt, dass Patienten, die von Anästhesisten in der Weiterbildung betreut wurden, häufiger kardiale Komplikationen erlitten und häufiger nachbeatmet werden mussten als die Patienten, die von Fach- bzw. Oberärzten behandelt wurden. Auch ein Wechsel des behandelnden Anästhesisten während der Operation resultierte in einer erhöhten postoperativen Komplikationsrate. Die Dauer der Nachbeatmung wurde signifikant durch höhere ASA-Stadien, die Operationsdauer (> 2 Stunden), intraoperative Blutungskomplikationen, einen niedrigen Ausbildungsstatus des Anästhesisten sowie einen intraoperativen Wechsel innerhalb der Anästhesie negativ beeinflusst. Bei notfallmäßig durchgeführten Eingriffen wurde durch den Einsatz von Chef- und Oberärzten eine Nachbeatmung im Gegensatz zu Fach- und Assistenzärzten gänzlichst vermieden.
In der Diskussion stellen die Autoren fest, dass neben nicht beeinflussbaren Risikofaktoren und einer Standardisierung der Operationstechnik durchaus anästhesiologisch beeinflussbare Optionen der postoperativen Risikominimierung existieren. Das Vermeiden eines Wechsels des Anästhesisten während der Operation sowie der bevorzugte Einsatz bzw. auch das Hinzuziehen von Fach- und Oberärzten bei Patienten mit hohen ASA-Stadien oder Notfalleingriffen trägt signifikant zu einer Reduktion der Morbidität bei. Insbesondere die ASA-Klassifikation erwies sich hilfreich bei der Differenzierung des postoperativen Morbiditätsrisikos. Im Gegensatz dazu erbrachte der POSSUM-Score nicht den erwarteten ergänzenden Nutzen.
In der abschließenden Zusammenfassung werden Simulationsprogramme und die Definition von Standards in der Anästhesie sowie die Interaktion und Kommunikation zwischen der Anästhesie und der Chirurgie mit nachweislich positivem Einfluss auf die postoperative Morbidität gefordert.
Kritische Beurteilung:
Die Summation „kardiale Komplikationen” ist nicht valide für die eingeschlossenen Parameter. Es ist ein Unterschied, ob ein Patient eine Herzinsuffizienz entwickelt oder einen Myokardinfarkt. Darüber hinaus: Wie wurde Herzinsuffizienz definiert: Überwässerung? ZVD-Erhöhung? Rö-Thorax? Katecholaminbedarf? Die Schlussfolgerungen werden durch die Daten unzureichend unterstützt: Die Autoren führen am Ende der Diskussion 5 Punkte auf.
Die ersten 3 Punkte sind Allgemeinplätze. Punkt 3: Standardisierung des intraoperativen Monitorings. Was hat dieser Punkt mit den Daten der Studie zu tun? Eigentlich nichts. Das Monitoring ist nicht abhängig vom Ausbildungsstand des Anästhesisten sondern ist abhängig von den SOPs der Klinik.
Demgegenüber sind Punkt 4 und 5 hochbrisant. Statistisch sind diese beiden Aussagen nicht nachvollziehbar. Im Zusammenhang mit univariater und multivariater Analyse muss hier unbedingt das relative Risiko für den jeweiligen Parameter angegeben werden. Ein Korrelationskoeffizient ist unüblich.
Der Wechsel des Anästhesisten ist nicht spezifiziert. Entscheidende Frage: Hat sich der Ausbildungsstand beim Wechsel verändert?
Eine Diskussion von Literaturdaten zum Ausbildungsstand der Anästhesisten fehlt. In der Schweiz wird die Narkoseführung von Anästhesieschwestern gemacht. Es muss hier die internationale Literatur zum Outcome eingeschlossen werden.
Prof. Dr. med. E. Klar
Chirurgische Universitätsklinik
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