Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68(6): 654-655
DOI: 10.1055/s-2008-1038624
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf auf Prof. Dr. Fritz Karl Beller

Prof. Dr. Fritz Karl Beller - ObituaryK.-W. Schweppe1
  • 1Frauenklinik der Ammerland-Klinik GmbH, akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Göttingen
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Publication Date:
12 June 2008 (online)

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Fritz Karl Beller ist tot.

Abb. 1 Prof. Dr. Fritz Karl Beller.

Fritz Karl Beller wurde am 17. Mai 1924 in München geboren und verstarb nach kurzer Krankheit am 12. 3. 2008 in Fort Myers, Florida.

„Wanderer zwischen zwei Welten“ war der Titel seiner Abschiedsvorlesung, als er 1989 in Münster emeritierte und eine Stiftungsprofessur an der Universität in Iowa übernahm. So sah er sich und so hat er diesseits und jenseits des Atlantiks die Frauenheilkunde nachhaltig beeinflusst.

Nach Staatsexamen und Promotion in Marburg im Jahre 1949 führte ihn seine Ausbildung von der Frauenklinik Karlsruhe 1952 zur Universitätsfrauenklinik nach Gießen und dann ab 1956 als Oberarzt nach Tübingen, jeweils seinem geachteten Lehrer Prof. Roemer folgend. Die Venia Legendi erhielt er 1955 und ein DFG-Stipendium am Max-Planck-Institut für Radiologie und ein DAAD-Austausch-Stipendium an das Hammersmith-Hospital waren Etappen seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Von 1960 - 1973 war er Professor an der New York University School of Medicine sowie Co-Chairman am Großklinikum Bellevue Hospital der Stadt New York, um dann für 16 Jahre als Direktor der Universitätsfrauenklinik Münster diesseits des Atlantiks in allen Belangen des Faches wichtige Impulse zu geben. Wieder in den USA hat er eine bioethische Ausbildung am Kennedy Institut für Bioethik in Washington absolviert und nachdem er vom William Keettel-Chair in Iowa emeritiert war, lebte er zusammen mit seiner Frau Marlies in Florida, um von dort aus aktiv und kritisch die Entwicklung unseres Faches in „beiden Welten“ zu beeinflussen.

Er war weltweit einer der bekanntesten deutschen Frauenärzte. Einerseits wegen seiner vielen und international anerkannten wissenschaftlichen Leistungen - 19 Bücher und mehr als 450 Publikationen in renommierten nationalen und internationalen Zeitschriften und die Ehrendoktorwürde der Akita University School of Medicine in Hondo (Japan) zeugen davon; andererseits wegen seines Engagement in zahlreichen anerkannten wissenschaftlichen Gesellschaften des In- und Auslandes, vor allem aber wegen seines kritischen Geistes, seiner Weitsicht und seiner Art, klar Stellung zu beziehen. „Außerdem war ich in meinem professionellen Leben ein Professor und das bedeutet ein Bekenner und das will ich auch jetzt beibehalten“, formulierte er noch vor 6 Monaten anlässlich seines letzten großen Vortrages in München, der Joe-Zander-Gedächtnis-Vorlesung am 26. 10. 2007.

Die Zukunft der Lehre und Ausbildung in Deutschland sah Beller bereits 1973 in praktischer Lehre am Krankenbett unter Einbeziehung von außeruniversitären Krankenhäusern und die Zukunft einer Universitätsklinik sah er nach amerikanischem Vorbild in eigenverantwortlichen Abteilungen und Subspezialitäten. Gedanken, die erst Jahrzehnte später in Approbationsordnung und Klinikstrukturen ihren Niederschlag fanden und damals an der konservativen Münsteraner Fakultät als revolutionär empfunden wurden. Aber auch im amerikanischen Gesundheitssystem sah er nicht nur die Stärken; er kritisierte das Schadenersatzrecht - speziell in der Geburtshilfe, die übertriebene Ökonomisierung und die fehlende Absicherung für ein Viertel der Amerikaner.

Vorher schon hatte er in New York durch seine wissenschaftlichen Arbeiten über Gerinnung und Endotoxinschock zusammen mit seinem Lehrer Gordon Douglas die Therapie des septischen Abortes grundlegend verändert. Die Mortalität sank von 80 auf 10 %, was er selbst als größten Erfolg seines professionellen Lebens betrachtete. Er hat sich beim Schwangerschaftsabbruch klar für die Interessen der Frauen eingesetzt, dennoch hat die Liberalisierung des Abortes und der damit verbundene Konflikt für den Arzt, der den Hippokratischen Eid als Richtschnur seines Handelns sieht, ihn nie losgelassen. Seine Forschungen und klinischen Arbeiten erstreckten sich von Präeklampsie, über Erkrankungen in der Schwangerschaft - hier gab er zusammen mit H. Kyank, Rostock, das erste deutsch-deutsche Buch in der Geburtshilfe heraus - Kontrazeption, radikale Operationsverfahren beim Vulva- und Ovarialkarzinom, brusterhaltende Therapie des Mammakarzinoms bis hin zu Grundlagen der zyklischen Veränderungen an Endometrium und der Biochemie des weiblichen Genitaltraktes. Seine Leistungen und Anerkennungen auf diesen Gebieten aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Nachrufes sprengen.

Er scheute keine Auseinandersetzungen - weder wissenschaftlich, noch universitär, noch standespolitisch - und den von ihm begründeten, extrem erfolgreichen Fortbildungskongress stellte er unter das Leitmotiv: „Gegensätzliche Auffassungen in der Geburtshilfe und Gynäkologie“. Experten als Redner und praxisorientierte Seminarfortbildung zu aktuellen und kontroversen Themen waren das Erfolgskonzept. Der Berufsverband der Frauenärzte hat diesen Kongress 1995 von Beller übernommen und bis heute erfolgreich als jährlichen Seminarkongress für qualifizierte Fortbildung und Diskussion des Standards in unserem Fach weiterentwickelt.

Viele seiner Münsteraner Schüler haben bis zu seinem Tod ein von Achtung und Freundschaft getragenes Verhältnis zu Fritz Karl Beller gepflegt, einige reisten zu seinem 80. Geburtstag nach Florida und niemand von ihnen wird den unermüdlichen Forscher, den unbequemen Lehrer und den zuverlässigen klinischen Chef je vergessen. Geben und Nehmen charakterisierte das Lehrer-Schüler-Verhältnis zu dieser Zeit - schließlich sind 3 Ordinarien, 9 Chefärzte und zahlreiche in der Praxis erfolgreiche Frauenärztinnen und Frauenärzte aus dieser Schule hervorgegangen.

Wir, seine Schüler, haben einen Chef, einen Lehrer, einen Freund verloren, der die Dinge beim Namen genannt hat, der sich für die Sache und für uns eingesetzt hat in einer Konsequenz und Geradlinigkeit, wie es heute eher selten geworden ist.


Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Werner Schweppe, Westerstede

Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Werner Schweppe

Frauenklinik der Ammerland-Klinik GmbH

Lange Straße 38

26655 Westerstede

Email: schweppe@ammerland-klinik.de