Notfallmedizin up2date 2008; 3(3): 193-194
DOI: 10.1055/s-2008-1038866
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Druck und Luft – aktuelle Kontroversen bei der kardiopulmonalen Reanimation

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Publication Date:
01 October 2008 (online)

Die Therapie von Patienten, die außerhalb der Klinik einen Kreislaufstillstand erleiden, stellt nach wie vor eine große Herausforderung für alle in der Notfallmedizin Tätigen dar. Bei der Suche nach Möglichkeiten, die noch immer ungünstige Prognose dieser Patienten zu verbessern, sind seit einiger Zeit auch wieder verstärkt die Basismaßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation – Thoraxkompressionen und Beatmung – ins Blickfeld gerückt.

Die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über den Stellenwert der Beatmung während kardiopulmonaler Reanimation (CPR) setzt eine Entwicklung fort, die bereits eine zentrale Bedeutung in den internationalen Empfehlungen aus dem Jahr 2005 [[1], [2]] darstellte: die möglichst unterbrechungsfreie Herzdruckmassage. Die aktuell erschienene Ergänzung der American Heart Association zu den Leitlinien [[3]] schien einen weiteren Schritt in diese Richtung zu gehen, indem sie unzureichend in der kardiopulmonalen Reanimation (CPR) geübten Notfallzeugen eines außerklinischen Herzstillstands bei Erwachsenen mit vermutlich kardialer Genese empfahl, auf die Beatmung während der CPR zu verzichten („compression-only CPR“). Die Option der alleinigen Herzdruckmassage wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutiert, und bereits Anfang der 1980er-Jahre zeigten tierexperimentelle Studien, dass Ventilation zu einem gewissen Grad auch durch agonale Schnappatmung oder durch die Thoraxkompressionen selbst stattfinden kann. Es wurde sogar damals schon vorgeschlagen, die Herzdruckmassage gegenüber der Beatmung deutlich in den Vordergrund zu stellen (Circulation-Airway-Breathing, CAB‐Regel statt ABC‐Regel) [[4]]. Grundlage der neuen Empfehlung der American Heart Association waren kürzlich erschienene Beobachtungsstudien [[5], [6], [7]], die eine Verbesserung der Überlebensrate dieser Patienten bei Anwendung der „compression-only CPR“ nahegelegt hatten. Die Daten dieser beobachtenden Erfahrungsstudien stammen bereits aus den Jahren 1990 bis 2003. Ein Vergleich dieser Technik mit den gegenwärtig empfohlenen, die Thoraxkompressionen stärker betonenden Leitlinien fand somit nicht statt. Amerikanische und europäische Leitlinien ähneln sich nun inhaltlich mehr denn je, berücksichtigt man die Tatsache, dass eine „compression-only CPR“ bereits in den Leitlinien des ERC aus dem Jahr 2005 empfohlen wurde, falls ein Notfallzeuge eine Beatmung nicht durchführen kann oder möchte, und im Unterschied zu den amerikanischen Leitlinien generell empfohlen wurde, die CPR mit Thoraxkompressionen statt Beatmungsaktionen zu beginnen. Doch nicht nur aus diesem Grund sah sich der European Resuscitation Council in einer Stellungnahme nicht veranlasst, sich der generellen Empfehlung zur „compression-only CPR“ anzuschließen [[8]]. Der Evidenzgrad der Beobachtungsstudien zu diesem Thema erschien unzureichend, um eine Ergänzung der europäischen Leitlinien zu rechtfertigen. Da die Leitlinien von 2005, die ein Kompressionsverhältnis von 30 : 2 statt 15 : 2 beinhalten, derzeit in Europa noch implementiert werden, wäre es außerdem möglicherweise ein verwirrendes Zeichen gewesen, wenn der ERC seine Leitlinien vorschnell modifiziert hätte. Fraglich ist darüber hinaus, ob das Konzept der „compression-only CPR“ tatsächlich eine Vereinfachung für den Laienhelfer darstellt, da es zahlreiche Situationen (z. B. Asphyxie, unbeobachteter Kollaps, Kinder) gibt, in denen dieses Vorgehen wahrscheinlich nicht erfolgversprechend ist und daher auch generell nicht empfohlen wird.

Eine weitere offene Frage in der Diskussion um den Stellenwert der Beatmung und des Atemwegs griff eine kürzlich veröffentlichte amerikanische Beobachtungsstudie auf, die das Konzept der „minimally interrupted cardiac resuscitation“ (MICR) untersuchte [[9]]. Dabei zeigte sich, dass sich in einem nicht ärztlich besetzten Rettungssystem die Überlebensrate der Patienten nach Kreislaufstillstand verbesserte, wenn anstatt des vor 2005 empfohlenen CPR‐Algorithmus ein Konzept angewendet wurde, das jeweils 200 ununterbrochene Thoraxkompressionen mit einer Maskenbeatmung (8/min) und einer verzögerten endotrachealen Intubation kombinierte. Die Studie war aufgrund methodischer Limitationen zwar nicht geeignet, die Überlegenheit der MICR gegenüber dem aktuell empfohlenen CPR-Algorithmus zu beweisen, zeigt jedoch, dass die Frage nach dem optimalen Zusammenspiel von Thoraxkompression und Beatmung während der CPR eine aktuelle Kontroverse in der Akuttherapie des Kreislaufstillstands darstellt.

Indessen ist unstrittig, dass die Qualität und die unterbrechungsarme Durchführung der Thoraxkompressionen einen entscheidenden Faktor für eine erfolgreiche CPR darstellen. Die Idee, Thoraxkompressionen maschinell durchführen zu lassen, erlangt vor diesem Hintergrund eine neue Aktualität. Auf den ersten Blick erscheint diese Therapieoption einleuchtend und attraktiv, könnte doch eine maschinelle Thoraxkompression eine konstante und optimale Qualität gewährleisten und personelle Ressourcen entlasten. Auf der anderen Seite könnten praktische (Transport der schweren Geräte, Unterbrechung der Thoraxkompressionen durch Anlegen der Geräte) und finanzielle Erwägungen einem breiten Einsatz dieser Geräte entgegen stehen. Zudem sind ethische Implikationen absehbar, weil eine erfolglose Reanimation durch Abschalten einer Maschine terminiert werden müsste, und andererseits durch künstliche Aufrechterhaltung eines Kreislaufs im Spätstadium einer frustranen CPR Vitalität suggeriert werden könnte. In der vorliegenden Ausgabe von Notfallmedizin up2date geben Menzel und Mitarbeiter einen umfassenden und informativen Überblick über Hilfsmittel zur Thoraxkompression während CPR. Daraus wird ersichtlich, dass Effektivität und Sicherheit dieser interessanten Therapiemöglichkeit in weiteren, größer angelegten Studien präzisiert werden müssen, bevor eine Einsatzempfehlung allgemein oder für spezielle Fälle gegeben werden kann.

Es wird einer weiteren fundierten und kritischen wissenschaftlichen Evaluation der neuen Daten zur „chest-compression-only“, MICR und automatisierten Thoraxkompression bedürfen, bevor an eine Modifikation der bestehenden Empfehlungen gedacht werden kann. Dieser Evaluationsprozess hat bereits begonnen und hat zum Ziel, 2010 eine Neufassung der internationalen Leitlinien auf dem Boden wissenschaftlicher Evidenz zu schaffen.

Dr. med. Fabian Spöhr,
Prof. Dr. med. Bernd W. Böttiger, Köln

Literatur

  • 1 American Heart Association guidelines for cardiopulmonary resuscitation. Part 4: Advanced Life Support.  Circulation. 2005;  112 (Suppl I) III‐25-III‐54
  • 2 Nolan J P, Deakin C D, Soar J. et al . European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005 Section 4. Adult advanced life support.  Resuscitation. 2005;  67 (Suppl 1) S39-S86
  • 3 Sayre M R, Berg R A, Cave D M. et al . Hands-only (compression-only) cardiopulmonary resuscitation: a call to action for bystander response to adults who experience out-of-hospital sudden cardiac arrest: a science advisory for the public from the American Heart Association Emergency Cardiovascular Care Committee.  Circulation. 2008;  117 2162-2167
  • 4 Wenzel V, Lindner K H, Prengel A W. Beatmung während der kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Eine Literaturstudie und Analyse von Beatmungsstrategien.  Anaesthesist. 1997;  46 133-141
  • 5 SOS‐KANTO study group . Cardiopulmonary resuscitation by bystanders with chest compression only (SOS‐KANTO): an observational study.  Lancet. 2007;  369 920-926
  • 6 Bohm K, Rosenqvist M, Herlitz J. et al . Survival is similar after standard treatment and chest compression only in out-of-hospital bystander cardiopulmonary resuscitation.  Circulation. 2007;  116 2908-2912
  • 7 Iwami T, Kawamura T, Hiraide A. et al . Effectiveness of bystander-initiated cardiac-only resuscitation for patients with out-of-hospital cardiac arrest.  Circulation. 2007;  116 2900-2907
  • 8 Koster R W, Bossaert L L, Nolan J P, Zideman D. Advisory statement of the European Resuscitation Council on Basic Life Support. http://www.erc.edu/2008
  • 9 Bobrow B J, Clark L L, Ewy G A. et al . Minimally interrupted cardiac resuscitation by emergency medical services for out-of-hospital cardiac arrest.  JAMA. 2008;  299 1158-1165