Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2008; 40(1): 35
DOI: 10.1055/s-2008-1044041
Praxis
Das Interview
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Lymphomerkrankungen

Wesentliche therapeutische Fortschritte wurden durch die Einführung neuer effizienter Medikamente sowie das Konzept der Dosisintensivierung gemachtUnser Gesprächspartner: Bertold Emmerich
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Publication Date:
02 April 2008 (online)

Prof. Dr. Bertold Emmerich

Leiter der Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der Medizinischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München und Sprecher der Projektgruppe „Maligne Lymphome” des Tumorzentrums München von 1988 bis 2007. Mitbegründer der Deutschen CLL-Studiengruppe 1996. Klinische Forschungsschwerpunkte: Therapieoptimierung beim Multiplen Myelom, seit 2007 als Hämato-Onkologe in einer Gemeinschaftspraxis in München niedergelassen

DZO:

Wie hat sich Ihrer Ansicht nach die Betreuung von Lymphompatienten in den letzten Jahren verändert?

Prof. Emmerich:

Die Betreuung von Lymphompatienten hat sich in den letzten 20 Jahren sowohl im Bereich der Diagnostik als auch der Therapie deutlich verbessert. Diagnostische Meilensteine waren der Einsatz von monoklonalen Antikörpern in der durchflusszytometrischen Analyse peripherer mononukleärer Zellen und des Knochenmarks sowie in der Immunhistologie; außerdem die Entwicklung der F.I.S.H.-Technik und die Einführung PCR-basierter molekulargenetischer Nachweisverfahren in den klinischen Alltag. Die bildgebende Diagnostik erfuhr eine kontinuierliche Optimierung bis hin zur Positronenemissionstomographie, die heute eine bessere Responsekontrolle erlaubt. Zu den wesentlichen therapeutischen Fortschritten gehört nicht nur die Einführung neuer effizienter Medikamente wie zellspezifischer Antikörper mit und ohne gekoppelte Radionukleotide, Purinanaloga, Bendamustin sowie das Konzept der Dosisintensivierung mittels hämatopoetischer Wachstumsfaktoren und hämatopoetischer autologer Stammzellen, sondern auch die erfolgreiche Etablierung effektiver klinischer Studiengruppen in Deutschland.

DZO:

Werden Lymphomerkrankungen durch den Einsatz von spezifischen Antikörpern und molekularbiologischen Substanzen nun eher chronisch verlaufen bzw. potenziell sogar heilbar sein? Welche Substanzen sind in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben?

Prof. Emmerich:

Die Heilungsrate bei den aggressiven B-Non-Hodgkin-Lymphomen konnte durch den Einsatz von Rituximab, einem B-Zell-spezifischen monoklonalen Antikörper, signifikant verbessert werden. Das Gleiche gilt für die Heilungsrate des fortgeschrittenen Morbus Hodgkin, die durch die Einführung des dosiseskalierten BEACOPP-Protokolls von 83 auf 91 % angehoben werden konnte.

DZO:

Wie sollte Ihrer Meinung nach die Behandlung von Patienten mit Plasmozytom erfolgen?

Prof. Emmerich:

Die bewährten Bausteine der Therapie des Multiplen Myeloms sind Dexamethason, Melphalan, das in der optimalen Monotherapie von 100-200 mg/m2 nur mit Hilfe autologer Stammzellen verabreicht werden kann, Thalidomid bzw. sein Derivat Lenalidomid sowie Bortezomib. Die optimale Sequenz und Kombination dieser Bausteine werden derzeit in klinischen Studien geprüft.

DZO:

Empfehlen Sie Patienten mit Lymphomen auch komplementärmedizinische Methoden? Und wenn ja, welche?

Prof. Emmerich:

Im letzten Jahr hat die Deutsche Krebsgesellschaft die Komplementärmedizin als neues Forschungsfeld anerkannt. Es ist zu hoffen, dass die wissenschaftliche Evaluierung nun rasch voranschreitet. Konkrete Empfehlungen kann ich derzeit nicht geben.

DZO:

Stichwort rechtzeitige Diagnose durch den niedergelassenen Mediziner. Bei welchen Symptomen sollten Hausärzte aufmerksam werden und differenzialdiagnostisch auch an das Vorliegen eines Lymphoms denken?

Prof. Emmerich:

Es gilt weiterhin die alte Regel, dass eine Lymphknotenschwellung von über 1 cm Durchmesser ohne erkennbare reaktive Ursache, wenn sie vier Wochen anhält, durch Biopsie und Histologie geklärt werden muss.

DZO:

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Prof. Emmerich:

Mein Rezept ist ein erfreuliches Familienleben, ausreichend Schlaf und lange Spaziergänge am Wochenende.

DZO:

Herr Prof. Emmerich, vielen Dank für das Gespräch.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bertold Emmerich

ONKOLOGIE NUSSBAUMSTRASSE

Nußbaumstraße 12

80336 München

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