Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2008; 40(1): 25-26
DOI: 10.1055/s-2008-1044048
Forschung
Neues aus der Onkologie
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Krebstherapie mit Ionenbeschleuniger

Wie ein physikalisches Forschungsinstitut zum Wegbereiter der neuen Ionenstrahlen-Krebstherapie wurde
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Publication Date:
02 April 2008 (online)

Krebstherapie mit Ionenbeschleuniger

Wie ein physikalisches Forschungsinstitut zum Wegbereiter der neuen Ionenstrahlen-Krebstherapie wurde

Vor zehn Jahren startete die Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt mit Radiologen der Uniklinik Heidelberg das Pilotprojekt „Ionenstrahlen-Therapie für Krebskranke.” Inzwischen wurden nahezu 400 Patienten mit einer Erfolgsrate bis 90 % behandelt. Aus dem Pilotprojekt entsteht im Frühjahr 2008 ein neues Ionenstrahlen-Behandlungszentrum an der Uniklinik Heidelberg.

Weltweit bekannt wurden die Darmstädter Physiker des GSI, als sie vor einigen Jahren sechs neue chemische Elemente (Nr. 107-112) entdeckten. Ihre gemeinsam mit Radio-Onkologen unter Leitung von Dr. Jürgen Debus von der Uniklinik Heidelberg, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Forschungszentrum Rossendorf b. Dresden entwickelte Ionenstrahlen-Krebstherapie ist noch beeindruckender: Aus dem 120 m langen Linearbeschleuniger und dem 70 m im Durchmesser großen Kreisbeschleuniger (Synchrotron) am Darmstädter GSI-Institut werden Kohlenstoff- oder Wasserstoff-Ionen auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Mit ca. 180 000 km/sek. dringen sie in den Körper des Patienten ein. Im Gegensatz zu Röntgenstrahlen, deren Wirkung subkutan am stärksten ist und sich mit weiterem Vordringen in den Körper deutlich abschwächt, durchdringen Ionenstrahlen die vor dem Tumor liegenden Gewebeschichten, ohne diese zu schädigen. Erst am Endpunkt ihres programmatisch eingestellten Wegs entfalten sie ihre maximale Wirkung (s. Grafik). Mit dem am GSI entwickelten Rasterscanner wird der Tumor Punkt für Punkt abgerastert und durch die hohe Intensität und biologische Aktivität der Ionenstrahlen völlig zerstört. Das gesunde Gewebe wird nicht belastet, und so entstehen auch keine Nebenwirkungen. Nur hin und wieder sind bei einzelnen Patienten Hautrötungen oder leichte Schleimhautreizungen festzustellen.

Die Ionenstrahlen-Krebstherapie erfolgt ambulant, ein Klinikaufenthalt ist für den Patienten im Allgemeinen nicht erforderlich. Binnen sechs Wochen und nach ca. 20 Bestrahlungen à 20 Min. ist der Tumor in 90 % der Fälle komplett zerstört.

Therapiert werden am GSI in Darmstadt oft inoperable Tumore in der Schädelbasis oder im Halsbereich. Auch in der Nähe sensibler Organe wie des Sehnervs können Ionenstrahlen eingesetzt werden, weil sie mit dem Rasterscanner millimetergenau und auch in der Tiefe steuerbar sind. Der Patient darf sich allerdings nicht bewegen und wird deshalb angeschnallt.

Heilungen von Tumoren in bewegten Organen wie der Lunge sind gegenwärtig mit der Ionenstrahlen-Therapie nicht möglich. Ebenso entfallen Tumore mit Metastasen. Jedoch arbeiten die GSI-Wissenschaftler gegenwärtig an einem Ionenpuls, der mit der regelmäßigen Bewegung des Organs synchronisiert wird. Neue Ionenstrahlen-Therapien wurden für Wirbelsäulen- und Prostatatumore programmatisch als neue Pilotprojekte entwickelt. Hierbei steht die richtige Dosierung für die schnelle, rückstandsfreie Zerstörung des betreffenden Krebsgewebes im Vordergrund.

Grafik: Wirkungsvergleich von Gammastrahlen und Kohlenstoff-Ionenstrahlen subkutan und im Körper: Die biologische Aktivität der Ionenstrahlen ist deutlich höher. (Foto: GSI)

Richard E. Schneider

Tübingen

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