Zusammenfassung
Sehbehinderung und Blindheit nehmen in Deutschland zu. Neben dem damit verbundenen
menschlichen Leid steigen auch die sozialen Kosten für die Gesellschaft. Es ist deswegen
notwendig, Maßnahmen (Prävention, Rehabilitation), die dieser Entwicklung entgegenwirken,
neu zu überdenken. Ausgehend von dieser Problemstellung möchte die vorgestellte Arbeit
einen Einblick in soziale Kosten von Sehbehinderung und Blindheit geben, sowie den
Bedarf und das Angebot an Rehabilitationsmaßnahmen bei Augenleiden darstellen.
Material und Methoden: Umfangreiches Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes, des Statistischen Landesamtes
Bayern, der Rentenversicherungsträger u.a. wurde zur Darstellung der sozialen Kostenlast
durch Augenleiden und der bei diesen Leiden durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen
ausgewertet. Die Ausführungen beziehen sich nur auf die ”alten Bundesländer“.
Ergebnisse: 1. soziale Kosten: Direkte Lasten durch Blindheit entstehen durch die Zahlung von Blindenpflegegeld.
Hochgerechnet aufgrund bayerischer Zahlen ergibt sich, dass bundesweit derzeit jährlich
etwa eine Milliarde DM am Blindengeld gezahlt wird. Die jährliche Steigerungsrate
des Blindengeldes liegt in Bayern bei ca. 6%. Durch Frühberentung von Sehbehinderten
entstehen indirekte soziale Kosten. Ein Prozent (ca. 2000) aller frühberenteten Arbeitnehmer
werden wegen Augenleiden aus dem Arbeitsprozeß genommen.
2. Rehabilitation: Der großen Zahl von neuen Erblindungen (≈ 17000) und Sehbehinderungen (≈ 50000) jährlich
steht nur eine vergleichsweise geringe Zahl von ca. 12000 (jährlich) durchgeführten
Rehabilitationsmaßnahmen bei Augenerkrankungen gegenüber. Für alte Sehbehinderte und
Blinde (über 65 Jahre), die über 60% der Betroffenen stellen, wird Rehabilitation
fast nicht angeboten: nur 800 Maßnahmen entfallen auf diese Gruppe. Die Versorgung
Sehbehinderter mit vergrößernden Sehhilfen erscheint noch lückenhaft. Nur etwa 60%
der bayerischen Augenärzte passen solche Hilfmittel nach Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen
Vereinigung an. Anhand von Gutachtenmaterial der eigenen Klinik konnte festgestellt
werden, dass die außerhalb (meist von Optikern) angepassten Hilfsmittel in etwa der
Hälfte der Fälle nicht befürwortet werden konnten. Besonders häfig wurde em zu stark
vergrö ßerndes Hilfsmittel gewählt.
Schlußfolgerungen: Die steigende Zahl an blinden und sehbehinderten (alten) Menschen erfordert vermehrte
Anstrengungen zur Rehabilitation der Betroffenen. In der Augenheilkunde bedürfen die
vergrößernden Sehhilfen vermehrter Aufmerksamkeit; im Hinblick auf die Kassen wäre
eine leistungsgerechtere Honorierung der Anpassung vergrößernder Sehhilfen wünschenswert.
Summary
The number of blind and partially sighted persons in Germany is growing. Increasing
social cost and human suffering are related. Measures to counteract this development
(e.g. prevention, rehabilitation) are needed. This work gives an overview of the social
cost of visual impairment; rehabilitation efforts and needs for eye diseases are considered.
Materials and methods: Data from several sources have been analysed in regard to social cost of blindness
and rehabilitation efforts for eye diseases: e.g. from the Bavarian and Federal statistical
agencies (number of blind and partially sighted), form the German veterans administations
(number of early retierd) etc. The results relate to the former Federal Republic of
Germany before unification; data from the five new states are not yet available.
Results: 1. social cost: The funds needed for blindness compensation payments increased steadily; new figures
from Bavaria indicate that in Germany a total of 1000000 DM is needed. As a trend
the yearly rise over the last 10 years was 6% in Bavaria. Indirect social cost ist
caused by early retirement of blind or visually handicapped people; yearly 1% (2000
cases) of all early retirement is due to eye diseases.
2. rehabilitation efforts: For the annual incidence of blind and partially sighted - an estimated 17000 blind
and 50000 partially sighted - only 12000 rehabilitation measures are provided in Germany.
For the age group over 65 years (which makes up to 60% of all visually impaired) only
800 rehabilitation measures are being completed yearly. In the ophthalmology sector
the provision of low vision aids to visually handicapped people is incomplete. A maximum
of 60% of all practising ophthalmologists in Bavaria provide this service. On the
basis of own data (and from the medical service of medical assistance insurances)
it is obvious that 20-50% of the prescribed low vision aids do not fit the requirements
of the visually handicapped. In general too high a magnification is prescribed.
Conclusions: More visual rehabilitation services are needed to cope with the growing demand, expecially
for low vision aids. A prerequisit for a higher coveragewith low vision aids is a
better reimbursement of the prescribing ophthalmologist by medical assistance insurances.