Klinische Neurophysiologie 1981; 12(1): 45-49
DOI: 10.1055/s-2008-1061090
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychopathometrische Studien zum Verlauf epileptischer Absenzen

Results of a psychopathometric study concerning the nature of absences. Is there a modal shape in the reaction curve corresponding to attention shifts with absences?U. Mallin, H. Stefan, H. Penin
  • Universitäts-Nervenklinik - Epileptologie - Bonn
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

Absences are commonly defined to be correlated of generalized epileptical brain discharges. They imply the momentary loss or at least the interference with psychic or intellectual functions. The nature of this kind of brain dysfunction is yet hardly known. The experimental psychopathometric method discribed here may cast some new light on the change of attention level with absences along the time axis.

Ictual and interictual reaction time data were compared. An EEG-frequency- and amplitude-filter triggered an acoustic signal to which the patient had to react by pressing a telegraphic key as quickly as possible. A variable signal-delay device made it possible to gain reaction behavior data of the onset-phase of the sw-paroxysm. EEG, EMG of the key pressing hand and reaction time data were recorded and simultaneously with close-up views of hand and face documented on video tape. This experimental design facilitated the control of irrelevant data.

A modal reaction curve for absences was found. According to this finding two components of attention impairment with absences can be assumed:

First, a general increase in reaction latency from about 4 s before the onset of the sw-paroxysm up to about 3 s after the decline of the sw-paroxysm. Second, an additional increase in reaction latency sharply at the onset and at the end of the sw-paroxysm. This „off” and „on” effect of the attention level hints to critical phases in attention shift with absences that are marked by the abrupt onset and the same abrupt end of a sw-paroxysm.

Zusammenfassung

Epileptischen Absenzen sind im EEG generalisierte Spike wave-Entladungen zugeordnet. Klinisch handelt es sich dabei um den vorübergehenden Verlust oder die Beeinträchtigung von psychischen, insbesondere intellektuellen Funktionen. Damit verbunden sind unter anderem Aufmerksamkeitsstörungen, über deren Verlauf und Umfang oder Schweregrad es eine Fülle von sich widersprechenden und oft sehr vagen Beobachtungen gibt. In der vorliegenden Arbeit wird über eine psychopathometrische Untersuchungsmethode berichtet, mit der neue Erkenntnisse zum Verlauf von Absenzen gewonnen werden konnten. Patienten mit häufig auftretenden Absenzen mußten auf akustische Signale reagieren. Iktuale Reaktionen wurden hinsichtlich ihrer Fehlerhaftigkeit mit interiktualen Reaktionen verglichen. Da besonders das Reaktionsverhalten bei dem meist abrupten Beginn eines Spike wave-Paroxysmus interessierte, wurde ein Spike wave-Detektor entwickelt, der beim ersten charakteristischen Spike wave-Komplex, das heißt zu Beginn des Paroxysmus, ein Signal auslöste und danach in Intervallen von 0,5 s das Signal fortlaufend darbieten konnte. Sowohl EEG als auch EMG der Arbeitshand und Reaktionsdaten wurden auf Papier aufgezeichnet und nach der Methode der Simultan-Doppelbild-Aufzeichnung (SDA) videodokumentiert.

Es läßt sich eine modale Verlaufsform der Absenze (methodisch-experimentell am Reaktionsverhalten dargestellt) aufzeigen. Zwei Komponenten der Aufmerksamkeitsminderung heben sich voneinander ab:

Komponente I: Ein Anstieg fehlerhafter Reaktionen bereits kurz vor dem Beginn des Spike wave-Paroxysmus durchgehend bis zu einigen Sekunden nach Ende des Spike wave-Paroxysmus.

Komponente II: Ein zusätzlicher Anstieg fehlerhafter Reaktionen genau zu Beginn und zu Ende eines Spike wave-Paroxysmus.

Dieser „Umschalt-Effekt” der Aufmerksamkeit weist auf kritische Phasen der Aufmerksamkeitsleistung während Absenzen hin, die im EEG durch den abrupten Anfang und das ebenso abrupte Ende eines Spike wave-Paroxysmus markiert werden.