Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2008; 2(3): 145-160
DOI: 10.1055/s-2008-1067336
Organische psychische Störungen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychische Störungen bei Epilepsie

Hermann  Stefan, Elisabeth  Pauli
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Publikationsdatum:
29. April 2008 (online)

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Kernaussagen

Häufigkeit und Charakteristika

  • Angststörungen stellen die häufigste psychische Störung bei Epilepsien dar.

  • Die eingehende Anamnese erlaubt die Differenzialdiagnose von Panikattacken und epileptischer Angstaura: Die Angstaura dauert einige Sekunden und ist u. U. mit anderen Auren (epigastrische Auren, Déjà-vu-Erlebnis etc.) kombiniert oder mit komplex-fokalen sowie sekundär generalisierten Anfällen. Die Panikattacke ist oft eingebettet in eine generalisierte Angststörung und dauert Minuten bis Stunden.

  • Affektstörungen kommen bei Epilepsie sowohl interiktal, präiktal als auch iktal oder postiktal vor. Sie können Sekunden bis Tage anhalten.

  • Deppressive Episoden finden sich besonders bei fokalen (limbischen) Epilepsien. Bipolare Störungen kommen weniger häufig vor, werden aber auch deutlich seltener erkannt.

  • Empirische Untersuchungen konnten die Assoziation einer „epilepsie- oder temporallappenepilepsietypischen Persönlichkeitsstörung” (Geschwind-Syndrom) mit einer epileptischen Anfallsgenese im limbischen System nicht stützen, dennoch weisen Patienten mitunter einzelne Aspekte der postulierten Verhaltensaufälligkeiten auf.

  • Psychosen treten bei Epilepsien im Vergleich zu affektiven Störungen eher selten auf. Bei 60-70 % dieser Psychosen handelt es sich um postiktale Psychosen.

Therapie

  • Bei Angststörungen sind die Antiepileptika Gabapentin und Pregabalin einsetzbar, ansonsten stehen neben Benzodiazepinen Antidepressiva (SSRI) im Vordergrund.

  • Bei Depressionen und Epilepsien sollten depressiogene Antiepileptika vermieden werden und stimmungsstabilisierende Substanzen, wie z. B. Lamotrigin, Oxcarbazepin oder Valproat, eingesetzt werden.

  • Bei agitierten Depressionen können als Kombinationstherapie Citalopram und bei sonstigen Depressionen bevorzugt andere SSRI (Venlafaxin, Satralin) eingesetzt werden. Die Dosierung dieser Antidepressiva sollte vorsichtig allmählich aufgebaut werden. Die Zieldosis beträgt zunächst die Hälfte der sonstigen Dosis bei Depressionen.

  • In der Behandlung Epilepsiekranker mit Psychosen müssen Antikonvulsiva, die selbst Psychosen auslösen können wie Phenytoin, Suximide, Phenobarbital etc. vermieden werden. Je nach psychopathologischem Kernsymptom ist eine Neuroleptika-, Antidepressiva- oder Tranquilizertherapie angebracht, wobei das prokonvulsive Risiko der Neuroleptika beachtet werden muss. Melperon ist hinsichtlich des Anfallsrisikos günstig.

Literatur

Prof. Dr. med. Hermann Stefan

Epilepsiezentrum Erlangen

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

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