Dtsch Med Wochenschr 1984; 109(28/29): 1101-1105
DOI: 10.1055/s-2008-1069330
Originalien

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Risiken und Perspektiven der Drogenabhängigkeit: Katamnese-Ergebnisse bei 100 Opiatabhängigen der Zugangsjahre 1969-1974

Risks and perspectives of drug addictionF. Bschor, H.-G. Schommer, J. Wessel
  • Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin
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Publication Date:
25 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Bei 100 jungen Drogenabhängigen des Opiattyps (72 männlich, 28 weiblich), die in gerichtlichem oder polizeilichem Auftrag 1969-1974 ärztlich begutachtet worden waren, wurde der Verlauf über 10-15 Jahre verfolgt. Bis Ende 1983 waren 20 Klienten gestorben, 14 Männer und 6 Frauen. Der Zustand der Überlebenden wurde unter Berücksichtigung des Drogenaspekts, des Delinquenzstatus und der Art der Existenzsicherung in fünf Kategorien aufgegliedert. Frei von Spritzdrogen waren 39 Klienten; die Abstinenzquote war bei Männern und Frauen gleich hoch. Der größere Anteil dieser Abstinenten war voll rehabilitiert, seit Jahren drogenfrei, ohne Delinquenz und beruflich integriert, ein kleinerer Anteil auf Fremdhilfe angewiesen. Bei drei Klienten lag Erwerbsunfähigkeit vor. Die Hälfte der 80 Überlebenden war noch als gefährdet einzustufen. Im internationalen Vergleich ergibt sich, daß die erhöhte Sterberate Opiatabhängiger in den westlichen Industrieländern nur geringe Unterschiede aufweist. Auch die Perspektiven der Überlebenden sind ähnlich. Trotz unterschiedlicher Therapie- und Interventionsstrategien nähert sich die Abstinenzquote nach dem 30. Lebensjahr dem Wert von 40 %, bei steigender Tendenz mit zunehmendem Alter. Da unsere nun schon älteren Klienten stationären Maßnahmen meist ablehnend gegenüberstehen, wohl aber rehabilitationsförderliche ambulante Hilfen suchen und zu nutzen verstehen (»Versorgungspfad«), ist der Ausbau außerstationärer Betreuungsmöglichkeiten unter maßgeblicher Mitwirkung von Ärzten dringend erforderlich.

Abstract

The further development of 100 young drug addicts of the opiate type (72 males, 28 females) who had been medically assessed by court or police order between 1969 and 1974 was evaluated over 10 to 15 years. Until the end of 1983 20 clients had died, 14 males and 6 females. The state of the survivors was separated into 5 categories according to drug dependency, rate of delinquency and assurance of income. 39 clients were free from injectable drugs. The abstinence rate was equal in males and females. The major part of these abstinent clients was fully rehabilitated, drug-independent for years, not delinquent and integrated into work. A minor part depended on external help. Three clients were not able to earn a living. Half of the 80 survivors had to be considered at risk. International comparison shows that the increased mortality among opiate addicts is only slightly different among western industrial nations. Perspectives of survivors are also similar. Despite different treatment and intervention strategies the abstinence ratio approaches 40 % after the 30th year of life with an increasing tendency with increase of age. As the now already older clients usually decline in-patient care, however accept out-patient help promoting rehabilitation successfully (»path of rehabilitation«), promotion of ambulatory care decisively involving doctors is urgently required.