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DOI: 10.1055/s-2008-1074801
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Vorsicht: tödliche Darmischämien - Keine Probiotika bei akuter Pankreatitis!
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. April 2008 (online)
Quelle: Besselink MG, van Santvoort HC, Buskens E et al. Probiotic prophylaxis in predicted severe acute pancreatitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2008; 371 (9613): 651-659
Thema: Laut aktuellen tierexperimentellen Studienergebnissen können Probiotika die Mukosabarriere stärken, sodass sich beispielsweise bei Mäusen mit Colitis ulcerosa die Durchfallerscheinungen mildern und sich so Flüssigkeits- und Gewichtsverluste verringern lassen. So weit, so gut. Für Patienten mit akuter Pankreatitis scheint die Gabe von Probiotika jedoch gefährlich zu sein.
Projekt: Auf der Suche nach alternativen Therapiestrategien nach dem Versagen einer Antibiotikatherapie für Patienten mit akuter Pankreatitis, die häufig infektiöse Komplikationen erleiden, setzte ein niederländisches Ärzteteam auf einen Mix aus Lactobazillen und Bifidobakterien. Sie hofften damit über eine Wachstumshemmung der häufigsten pathogenen Keime die akute Infektionsrate von 50 auf 30% reduzieren zu können. Deshalb applizierten die Mediziner 152 Patienten mit akuter Pankreatitis den Probiotikamix zusammen mit einer Sondennahrung 28 Tage lang zweimal täglich. In der Kontrollgruppe war die Sondennahrung frei von Bakterien.
Ergebnis: Nach 90 Tagen zog man Bilanz: Anders als erwartet war die Infektionsrate unter der Probiotikatherapie sogar geringfügig höher als in der Kontrollgruppe (30 versus 28%). Einen deutlichen Unterschied sahen die Mediziner bezüglich der Sterblichkeit: Während im Verumarm 24 Patienten verstarben, waren in der Kontrollgruppe nur neun Todesfälle zu verzeichnen (16 versus 6%). So erlitten neun Patienten nach der Probiotikapplikation eine tödliche Darmischämie - eine Komplikation, die in der Kontrollgruppe nicht auftrat. Die übrigen Patienten verstarben infolge eines Multiorganversagens.
Fazit: Aufgrund dieser Studienergebnisse kann der Einsatz von Probiotika bei Patienten mit akuten Pankreatitiden zurzeit nicht mehr infrage kommen. Unbeantwortet bleibt aber der zugrunde liegende Pathomechanismus, obwohl die Darmischämien für die vermehrten Todesfälle unter der Applikation der Probiotika verantwortlich scheinen.
Der Leiter der Forschergruppe, Prof. Hein G. Goozen, Amsterdam (Niederlande), spekulierte, dass der vorgeschädigte Darm die Gabe von etwa zehn Milliarden Bakterien zusätzlich zur Sondennahrung schlicht "nicht verkraftet" habe, da die Blutgefäße den durch die Verdauung erhöhten Sauerstoffbedarf nicht decken konnten. Möglicherweise hätten die Probiotika auch die entzündlichen Vorgänge in der Mukosa gesteigert, zumindest seien in einigen Autopsieberichten vermehrte Entzündungszeichen vermerkt.
Schlüsselworte: akute Pankreatitis - Probiotika - Darmischämie