Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(1): 3
DOI: 10.1055/s-2008-1076774
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Versorgungsforschung in der Flugmedizin?

Helmut Landgraf
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. April 2008 (online)

Wie alle anderen medizinischen Bereiche auch, muss sich die Flugmedizin dem Anspruch stellen, evidenzbasierte Medizin zu betreiben. Dies gilt sowohl für flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen wie auch für die Flugreisemedizin. Voraussetzung für eine evidenzbasierte Medizin aber ist eine systematische, wissenschaftliche Aufarbeitung unklarer Fragestellungen bzw. Probleme. Viele Jahre und Jahrzehnte waren flugphysiologische bzw. -pathophysiologische Veränderungen Gegenstand der flugmedizinischen Forschung. Heute bilden diese Arbeiten die Grundlage der Flugmedizin.

Aktuelle Probleme, die sich heute in der zivilen Flugmedizin stellen, wie die Frage, welche Gesundheitsanforderungen an fliegerisches Personal zu stellen sind, aber auch viele flugreisemedizinischen Fragestellungen sind bis heute nicht oder nur unzureichend beantwortet.

Offensichtlich wird dieses Problem in der aktuellen Diskussion um die neuen europäischen Tauglichkeitsrichtlinien (siehe auch Beitrag Siedenburg, Seite 10-13). Diese sind - etwas vereinfacht ausgedrückt - der gemeinsame Nenner, auf den sich die Teilnehmerstaaten der JAA („Joint Aviation Authorities”) einigen konnten und liegen damit zum Teil deutlich unter den Anforderungen, die bis 2003 für nationale Vorschriften galten. Ob dieses System mehr oder weniger Sicherheit generiert als bisherige Tauglichkeitsanforderungen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Ob dies überhaupt jemals möglich ist, ist in Anbetracht der Tatsache, dass eine begleitende Forschung zu diesem Thema nicht stattfindet, aber zumindest fraglich.

Die Forderung kann also nur sein, die Diskussion um Standards bei flugmedizinischen Untersuchungen auf eine argumentativ sichere Ebene zu führen, was wiederum nur durch eine systematische Forschung möglich ist. Hierzu gehört zum einen die Erforschung der Auswirkung von Tauglichkeitsrichtlinien auf die Flugsicherheit, zum anderen die wissenschaftliche Erarbeitung von Kriterien, die es ermöglichen, diese Richtlinien auf eine sichere Basis zu stellen. Dies muss nicht immer mit Interventionsstudien prospektiv, randomisiert und doppelblind geschehen, sondern kann durchaus - wie dies in der Versorgungsforschung üblich ist - im Rahmen von Registerstudien stattfinden.

In Anbetracht der vielen tausend jährlich in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Fliegertauglichkeitsuntersuchungen und auch der vielen erteilten Sondergenehmigungen nach Überprüfungsverfahren gibt es hier sicher gute Möglichkeiten, die uns interessierenden und für uns wichtigen Fragen zu stellen und zu beantworten. Voraussetzung dafür ist die Einsicht aller in der Flugmedizin Tätigen in die Notwendigkeit einer übergreifenden Zusammenarbeit und natürlich auch die Bereitschaft, an derartigen Untersuchungen teilzunehmen. Eine solche Entwicklung wäre für die gesamte Flugmedizin von Vorteil, nicht zuletzt weil Diskussionen um Tauglichkeitsrichtlinien auch auf europäischer Ebene viel besser geführt werden könnten.

Mit der Flugmedizin Tropenmedizin Reisemedizin sind wir auch in der glücklichen Lage, über ein wertvolles Publikationsorgan zu verfügen. Auch wenn derzeit die Veröffentlichung von Originalarbeiten hier (noch) nicht vorgesehen ist, können über diese Plattform alle interessierten Leser angesprochen und informiert werden. Ich habe daher die große Hoffnung, dass wir in einiger Zeit über gemeinsame wissenschaftliche Aktivitäten an dieser Stelle werden berichten können.

Korrespondenz

Prof. Dr. Helmut Landgraf

Berlin

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