Der Klinikarzt 2008; 37(4): 209
DOI: 10.1055/s-2008-1077133
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Invasive Candidainfektionen auf dem Vormarsch - Schwere Grunderkrankungen ebnen Mykosen den Weg

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Publication Date:
08 May 2008 (online)

 

Mit einem Anteil von 70-90% sind Candidainfektionen bei Patienten mit schweren Grunderkrankungen eine der häufigsten pilzbedingten Komplikationen mit letalem Verlauf. Nach bisherigen Erkenntnissen bietet jedoch eine frühzeitige und gezielte Therapie gute Erfolgschancen - beispielsweise mit Echinocandinen wie Anidulafungin (Ecalta®) mit seinem günstigen Interaktionsprofil. Die frühzeitige Therapie senkt die Letalitätsrate der Patienten erheblich, schon die ersten Stunden sind entscheidend für den Verlauf der Candidainfektion. Am Rande des KIT 2008, des diesjährigen Kongresses für Infektions- und Tropenmedizin in Innsbruck, fragten wir Professor José A. Vazquez vom Henry-Ford-Hospital, Detroit (USA), nach seinen Erfahrungen mit der neuen Antimykotikageneration.

José A. Vazquez

? Nur wenn die Intensivmediziner bei Patienten mit schweren Grunderkrankungen eine mögliche Pilzinfektion in Erwägung ziehen und dies diagnostisch überprüfen, ist überhaupt eine frühzeitige und effektive Therapie möglich. Wie könnte man ihrer Meinung nach eine höhere "Antifungal Awareness" in den Kliniken und vor allem auf den Intensivstationen schaffen?

Prof. José A. Vazquez: Im internationalen Überblick hat sich in allen Krankenhäusern der Welt in den letzten zehn Jahren Candida zum dritthäufigsten Pathogen entwickelt, das aus Blutkulturen isoliert wurde. In einigen großen Universitätskliniken haben wir in Bezug auf Candidämien eine Steigerung von 500 % festgestellt. Aber auch in kleineren Krankenhäusern sind Zuwachsraten der durch Candida verursachten Infektionen um 100 % zu verzeichnen. Candidasepsis und pilzbedingter septischer Schock treten um rund 200 % häufiger auf. All dies hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgespielt und ist zu einem großen Problem geworden.

Teilweise sind die Kliniker zum Thema Mykosen nicht ausreichend ausgebildet und informiert - und unterschätzen daher die Bedeutung, die Häufigkeit von Pilzinfektionen und vor allem die Bedrohlichkeit, die von ihnen ausgeht. Diese mangelnde Ausbildung und Aufmerksamkeit sind derzeit das größte Therapiehindernis. Blutkulturen allein beispielsweise sind keine zuverlässige diagnostische Methode. Nur maximal 60 % der Blutkulturen zeigen ein richtiges Ergebnis. Im Umkehrschluss heißt dies, dass 40 % der Patienten an einer Candidämie sterben können, weil sie unentdeckt bleibt.

Deshalb empfehle ich bei allen Risikopatienten eine frühe präemptive Therapie, die bereits startet, noch bevor die Laborergebnisse vorliegen. In unserem Haus entscheiden wir uns für eine antimykotische Behandlung, wenn wir an mindestens zwei Körperstellen Candida nachweisen. Sobald wir also beispielsweise im Sputum und im Urin oder in einer Wunde und am Katheter Candida finden, setzen wir ein Antimykotikum ein. Denn in diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Patient hoch kolonisiert und damit das Mykoserisiko groß ist.

? Wie wichtig ist ein frühzeitiger Therapiebeginn?

Vazquez: Besonders dramatisch ist die Situation bei Patienten mit septischem Schock aufgrund einer Candidainfektion. Jede Verzögerung der Therapie von nur einer Stunde erhöht die Mortalitätsrate um 7%. Nach zwölf Stunden sind nahezu 90% erreicht [2].

? Hat Anidulafungin besondere Vorteile im Vergleich zu anderen Echinocandinen?

Vazquez: Der wichtigste Unterschied ist, dass Anidulafungin nicht über die Leber metabolisiert wird. Interaktionen mit anderen Arzneistoffen sind daher unwahrscheinlich. Im Vergleich zu anderen Echinocandinen weist Anidulafungin außerdem die geringsten Nebenwirkungen auf, wie die Arbeit von Cappelletty und Eiselstein-McKitrick aus dem letzten Jahr belegt [1].

? Wird Anidulafungin langfristig die Rolle von Fluconazol einnehmen und damit zum Standardantimykotikum bei Candidainfektionen avancieren?

Vazquez: Dazu ist die Substanz zweifellos in der Lage, das haben die Daten der Reboli-Studie [3] bereits gezeigt. Doch nicht nur die klinischen Daten, sondern auch die In-vitro-Ergebnisse sind überzeugend: Denn Anidulafungin wirkt nicht fungistatisch wie Fluconazol, sondern fungizid. Darüber hinaus ist Anidulafungin in der Anwendung ebenso unproblematisch und sicher wie Fluconazol, weist jedoch ein geringeres Interaktionspotenzial und weniger Nebenwirkungen auf - Argumente, die meines Erachtens die Antimykotikatherapie erheblich erleichtern.

? Bei allen noch so guten Therapieoptionen steht immer die Frage nach den Kosten im Hintergrund. Gibt es eine Vorgehensweise, die allen Interessen gerecht wird?

Vazquez: Wir haben eine Therapiestrategie entwickelt, welche die Effektivität der Behandlung sicherstellt und dennoch kostengünstig ist. Bereits nach fünf Tagen stellen wir unsere Patienten von der i.v.- auf die orale Applikation um. Nach initialer Gabe von Anidulafungin geben wir - je nachdem, welche Erreger nachgewiesen wurden - entweder Fluconazol (400mg/d) oder bei fluconazolresistenten Keimen wie Candida glabrata oder Candida krusei Voriconazol. Auf dieses Weise sparen wir im Schnitt zwei Krankenhaustage ein - allein dies ist bereits eine enorme Ersparnis.

? Herr Professor Vazquez, vielen Dank für dieses Gespräch!

Literatur

  • 01 Cappelletty D . Eiselstein-McKitrick K . The echinocandines.  Pharmacotherapy. 2007;  27 (3) 369-388
  • 02 Kumar et al. The high mortality of Candida septic shock is explained by excessive delays in initiation of antifungal therapy. ICAAC 2007; Abstract K-2174. 
  • 03 Reboli AC . Rotstein C . Pappas PG . et al . Anidulafungin versus fluconazole for invasive candidiasis.  N Engl J Med. 2007;  356 (24) 2572-2582