Aktuelle Dermatologie 2008; 34(11): 437-441
DOI: 10.1055/s-2008-1077711
Von den Wurzeln unseres Fachs

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Haut und Kultur

Auch ein Gang des GeistesSkin in Cultural Studies to Trace the Spirits WayE.  G.  Jung
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Publication Date:
03 November 2008 (online)

Einleitung

Die Haut mit ihren Anhangsgebilden ist das größte Organ des Menschen und sie sticht dem Betrachter ganz vordergründig ins Auge. Sie prägt unsere äußere Erscheinung, dient der Selbstdarstellung und erlaubt individuelles Erkennen. Bei allen Formen menschlichen Erkennens ist unsere Haut „mit von der Partie”. Sie ist unmittelbar beteiligt bei der Erfassung eines Menschen im Bild, also in Malerei, Fotografie und Film, und sie dient maßgeblich der literarischen Schilderung eines solchen in Wort und Schrift.

So finden sich in der Malerei, aber auch in der Literatur, über Dekaden hinweg Hautveränderungen und Krankheiten an der Haut dargestellt, wobei es dahingestellt sein mag, oder exakter Analyse bedarf, ob der Maler solches gezielt und willentlich darstellte, ob ihm dies im Zuge exakten Porträtierens unterlief oder ob er hervorhebend und karikierend wirken mochte.

Die medizingeschichtliche und dermatologische Literatur ist reichlich bestückt mit Einzeldarstellungen und Gruppenbildern einschlägiger Hautbefunde. Diese sind naturgemäß oft im Gesicht. Zusammenfassende Darstellungen liegen in deutscher Sprache aus Ost [1] und aus West [2] vor und dokumentieren meisterlich die enorme Vielfalt. Es ist schwierig und oft müßig, anhand der Bilder exakte dermatologische Diagnosen zu wagen. Dieses begreifliche und doch meist sehr fragwürdige Unterfangen wird nicht wesentlich bestärkt, wenn in einzelnen Fällen zeitgenössische Informationen und Kenntnisse über die dargestellten Personen zu Hilfe genommen werden können. Man kann davon ausgehen, dass die Künstler nur in seltenen Fällen explizit Hautkrankheiten darstellen wollten. Die Malerei unterscheidet sich damit eindeutig und entscheidend von allen Formen der Bilddokumentation in medizinischen und besonders in dermatologischen Lehrbüchern, und ebenso von den Anliegen der Moulagensammlungen [3]. Damit ist den fachspezifischen Darstellungen keineswegs genommen, dass sie sehr ansprechend sind und zuweilen auch künstlerischen Ansprüchen genügen. Medizinhistorische Kollegen und entsprechende Exponenten der klinischen Fachrichtungen sind sich weitgehend einig, dass retrograde, oft über Jahrhunderte zurückblickende Diagnostik anhand von Bildern kaum je modernen diagnostischen Ansprüchen genügen kann.

Literatur

  • 1 Scholz A. Patient und Krankheit in der Kunst. Sammlung der Gustav Carus TU Dresden. Dresden; 2002
  • 2 Wagner G, Müller W J. Dermatologie in der Kunst. Biberach a. d. Riss; Basotherm GmbH 1970
  • 3 Stoiber E. Chronik der Moulagen-Sammlung des Universitätsspitals Zürich. Zollikon bei Zürich; Fröhlich Druck AG 1993
  • 4 Anzieu D. Das Haut-Ich. Frankfurt; Suhrkamp 1991
  • 5 Condrau G, Schipperges H. Unsere Haut. Zürich; Kreuz 1994
  • 6 Mittag H. Die Haut im medizinischen und kulturgeschichtlichen Kontext. Marburg; Völker & Ritter 2001
  • 7 Benthien C. Haut. Literaturgeschichte, Körperbilder, Grenzdiskurse. Reinbek; Rowohlt TB 1999
  • 8 Schipperges H. Kleine Kulturgeschichte der Haut.  Ruperto Carola. 1968;  20 3-10
  • 9 Jung E G. Kleine Kulturgeschichte der Haut. Darmstadt; Steinkopff 2007
  • 10 Burg G, Geiges M L. Die Haut, in der wir leben. Zürich; Rüffer & Rub 2001
  • 11 Burg G, Geiges M L. Rundum Haut. Zürich; Rüffer & Rub 2006
  • 12 Gschnait F, Exel W. Haut und Seele. Wien; Ueberreuter 2002
  • 13 Eco U. Die Geschichte der Schönheit. München; Hanser 2004
  • 14 Eco U. Die Geschichte der Hässlichkeit. München; Hanser 2007
  • 15 Staudinger U M, Häfner H. (Hrsg) .Was ist Alter(n)? Neue Antworten auf eine scheinbar einfache Frage. Heidelberg; Springer 2008
  • 16 Scholz A, Oehmichen F. Das Alter in der Kunst. Katalog. Technische Universität Dresden 2006
  • 17 Thane P. (Hrsg) .Das Alter. Eine Kulturgeschichte. Darmstadt; Primus 2005
  • 18 Jung E G. Kutane Lymphome in der Malerei.  Akt Dermatol. 2007;  33 481-484
  • 19 Hollein M. (Hrsg) .Die Launen des Olymp. Der Mythos von Athena, Marsyas und Apoll. Liebighaus Skulpturen, Frankfurt. Petersberg; Katalog M. Imhof 2008
  • 20 Reitz M. Kunst und ärztliche Diagnose. Expedition in die Wissenschaft. Bd. 1. Weinheim; Wiley-VCH 2006
  • 21 Dequeker J. Der Künstler und der Arzt. Ein anderer Blick auf Gemälde. Leuven; Davidsfonds NV 2006
  • 22 Charlier P. Les monstres humaines dans l’Antiquité. Paris; Fayard 2008

Prof. Ernst G. Jung

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69120 Heidelberg

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