Aus der Bodentheorie des Münchener Professors für Hygiene, Max von Pettenkofer, folgte, dass die beste Choleraprophylaxe im Bau einer Kanalisation besteht. Doch diese Theorie schloss eine Verbreitung über das Trinkwasser aus, was den praktischen Erfahrungen vieler Hygieniker widersprach. In den 1870er-Jahren regte sich daher vermehrt Widerspruch. Sie begannen sich in der Folge für Mikroorganismen zu interessieren, die zu dieser Zeit in der Botanik studiert wurden. Noch vor den entscheidenden Arbeiten Robert Kochs zum Cholera- und Tuberkulose-Erreger fand die Theorie pathogener Mikroorganismen Eingang in das Denken der Hygieniker, insbesondere bei der Wundinfektion und der Diskussion um mögliche Gefahren durch Kanalgase. Kochs bakteriologische Methode wurde zwar von vielen Hygienikern als überzeugend anerkannt, insbesondere, was die Äthiologie der Infektionskrankheiten betraf. Andere Fragen ließ sie jedoch unbeantwortet, etwa diejenige nach der Rolle von Umgebungsfaktoren und persönlicher Disposition sowie der Variation von Virulenz. In einer Übergangsphase versuchten Hygieniker deshalb, die Bakterientheorie in ältere Theoriegebäude einzubauen. Erst nach der letzten schweren Choleraepidemie in Hamburg, die ein überzeugendes praktisches Beispiel für eine Trinkwasserinfektion lieferte, entschieden sich Robert Koch und die Hygieniker dazu, ihre Kräfte im Kampf gegen Infektionskrankheiten zu vereinen.
Literatur
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