Zeitschrift für Phytotherapie 2008; 29(3): 137
DOI: 10.1055/s-2008-1082553
Praxis
Expertenrat
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Stevia

Wir erhielten eine Kundenanfrage bezüglich Steviablättern. Diese sollen als Süßungsmittel für Diabetiker zum Einsatz kommen, als pflanzliche Alternative zu Süßstoffen. Gibt es Informationen vor allem in Bezug auf eine eventuelle Bedenklichkeit?
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Publication Date:
24 July 2008 (online)

Die getrockneten Blätter von Stevia rebaudiana Bertoni, auch Süßkraut oder Honigkraut genannt, werden aufgrund ihres Gehaltes an Steviosid, das im Vergleich zu Saccharose eine ca. 300-fache Süßkraft besitzt, z.B. in Japan und Brasilien als Süßstoff eingesetzt. Volksmedizinisch wird die Droge bei Hypertonie, Diabetes und zur Schwangerschaftsverhütung angewandt. Die Wirksamkeit der Droge ist nach den gültigen Kriterien für klinische Prüfungen von Arzneimitteln für die beanspruchten Indikationen bislang jedoch nicht belegt ([1], [2]).

In Europa unterliegen Stevia-Produkte (auch der Süßstoff Steviosid) der Novel-Food-Verordnung. Stevia-Produkte dürfen bis zur endgültigen Zulassung durch das Scientific Committee on Food (SCF) der EU nicht als Süßstoffe, Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten angeboten werden ([3], [4]). Am 22. Februar 2000 lehnte die EU-Kommission die Zulassung von Stevia-Produkten ab, da potenzielle Risiken nicht eindeutig entkräftet werden konnten. Vor allem erbgutschädigende, aber auch krebserregende Wirkungen und negative Auswirkungen auf die männliche Fruchtbarkeit werden befürchtet ([3]). Stevia wird im Internet als Samen, Stecklinge, Topfpflanzen oder getrocknete Blätter und Steviosid in Pulver- und Tablettenform angeboten ([5]). Da keine Zulassung nach EU-Recht vorliegt, unterliegen Stevia und Steviosid nicht wie andere Lebensmittel strengen Qualitätskontrollen etwa im Hinblick auf Reinheit, Haltbarkeit, oder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Wer also Stevia illegal zum Verzehr erwirbt, tut dies auf eigene Gefahr ([3]).

Toxikologie ungeklärt: Stevia rebaudiana (Asteraceae)

Gemäß einem aktuellen Dokument des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) sind 1997 (mit entsprechender Ablehnung im Jahr 2000) und 2007 (noch nicht entschieden) Anträge auf Zulassung von Stevia als neuartiges Lebensmittel gestellt worden ([6]). Die amerikanische FDA stufte noch im August 2007 Stevia als bedenklichen Lebensmittelzusatzstoff ein ([7]).

Fazit

Stevia rebaudiana und ihre Inhaltsstoffe sind derzeit als Nahrungsmittel bzw. Süßstoff in der EU nicht zugelassen, da eine Unbedenklichkeit aufgrund unzureichender Daten zur Sicherheit noch nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Damit ist die Verkehrsfähigkeit dieser Produkte in Deutschland nicht gegeben. Die Bayerische Landesapothekerkammer rät daher von Bezug und Abgabe durch die Apotheke ab. Für eine therapeutische Anwendung der Pflanze, z.B. bei Diabetes oder Bluthochdruck, fehlen derzeit ebenfalls ausreichende wissenschaftliche Belege.

Literatur

  • 1 Jänicke C, Grünwald J, Brendler T. Handbuch Phytotherapie. Stuttgart; Wissenschaftl. Verlagsges. 2003
  • 2 Monographie Stevia-rebaudiana-Blätter .HagerROM 2006. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2006
  • 3 aid infodienst .Der Stand des Zulassungsverfahrens (8.8.2006). http://www.was-wir-essen.de/verbraucher/novel_food_6462.php Stand 2008
  • 4 Bundesinstitut für Risikobewertung .Süße und aromatische Blätter von Stevia rebaudiana und dem Chinesischen Brombeerstrauch (2.4.2003). http://www.bfr.bund.de/cm/208/suesse_blaetter_von_stevia_rebaudiana.pdfStand 2008
  • 5 aid infodienst .Der graue Markt für Stevia-Produkte (8.8.2006). http://www.was-wir-essen.de/verbraucher/novel_food_6461.php Stand 2008
  • 6 Bundesinstitut für Risikobewertung .Anträge auf Zulassung neuartiger Lebensmittel (Stand: Februar 2008). http://www.bfr.bund.de/cm/208/080215_antraege_auf_zulassung_neuartiger_lebensmittel_gemaess_artikel_4_der_verordnung_eg_nr_258_97.pdf Stand 2008
  • 7 U.S. Food and Drug Administration .Warning Letter (AUG 17 2007). http://www.fda.gov/foi/warning_letters/s6500c.htm Stand 2008
  • Quelle: Rundschreiben der Bayerischen Landesapothekerkammer

Ulrike Stoye
Dr. Elisabeth Schmutz
Dr. Sabine Krebs
Sonja Koch

Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen

Palmsanlage 3

91054 Erlangen