Was hat Allergie-Prävention mit glücklichen Kühen zu tun?

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Die Welt ist ein kleines bisschen einfacher geworden für Nahrungsmittelallergiker. Die vierzehn häufigsten Allergene werden seit 2014 deklariert und können auch in Gaststätten nachgefragt werden. Es sind Eier, Erdnüsse, Fisch, Gluten, Schalentiere, Lupine, Milch, Nüsse, Sulfite, Sellerie, Senf, Sesam, Soja und Weichtiere wie Muscheln und die jeweils daraus hergestellten Produkte [1].

Nun treffen aber ganz neue Slogans unser Ohr wie „glückliche“ Kühe geben Milch, die vor Allergien schützt“. Die Prävalenz einer Milchallergie bei Kleinkindern liegt bei fast 3 %. Die Milchallergie ist abzugrenzen von der Laktose-Intoleranz, bei der das Enzym zur Milchspaltung in unterschiedlichen Ausprägungen reduziert ist und ggf. substituiert werden kann. Milch besteht zu 80 % aus Kasein und zu 20 % aus Molke. Die Allergenkomponenten in Kuhmilch sind die hitzelabilen Bos d 4 α-Lactoglobulin, Bos d 5 β-Lactoglobulin, Bos d 6-Serumalbumin (auch in Rindfleisch), Bos d-Lactoferrin und das hitzestabile Protein Bos d 8-Kasein.

Der Mechanismus der Milchsensibilisierung ist immer noch unklar und es wurde kürzlich dazu publiziert. Das Hauptallergen Bos d 5 gehört zur Lipocalin-Familie und kann verschiedene Liganden transportieren, so wird z. B. Eisen über Flavonoide (Quercetin, Myricetin, Luteolin) transportiert, die als Siderophoren dem Eisentransport dienen. Die Anlagerung wird holo-Bos d 5 genannt, wirkt antientzündlich, fördert Apoptose und wirkt immunsuppressiv. Die nicht gebundene apo-Form des Bos d 5 fördert Th2-Zellen und damit Entzündung; dann werden auch IL-13 und IFN-γ-Spiegel erhöht gemessen [3].

Auch Retinoic Acid (Vitamin-A-Säure) wird in die Bindungsstelle von Bos d 5 eingelagert [2]. So verhindert Retinoic Acid (RA) die Immunogenität von Bos d 5 über Bindung an immundominante T-Zell-Epitope [2]. Der aktive Vitamin-A-Metabolit, Retinoic Acid, bindet an dieser Stelle, und lädt Bos d 5 auf, wodurch holo-Bos d 5 entsteht. Die Immunogenität von Milch wird durch diese Bindung reduziert und ein gesundes, verträgliches Nahrungsmittel entsteht. Dazu muss die Kuh aber Zugang zu einer Weide haben, auf der sie Zugang zu RA über die Futteraufnahme hat.

Bindung von RA in der „Tasche“ des Milchallergens induziert Immuntoleranz im Sinne der Prävention. Also noch mehr gute Nachrichten vom Bauernhof, jedoch nur bei Kühen, die organisches Futter erhalten oder auf der Weide sind. Die Milch von „Turbo Cows“ hat den gegenteiligen, nämlich einen Th2-Zellen- und damit Allergie-fördernden Effekt. Das spezifische IgE auf Milchbestandteile wird jedoch auch durch die RA-beladene Milch nicht geblockt, d. h. bereits bestehende Allergien werden nicht beeinflusst. Es geht um einen präventiven Ansatz.

Christiane Bayerl, Wiesbaden

• Literatur

• 1 Audicana Berasategui MT, Barasona Villarejo MJ, Cocominas Sánchez M. et al. Potential hypersensitivity due to the food or food additive content of medicinal products in Spain. J Investig Allergol Clin Immunol 2011; 821: 496-506
• 2 Hufnagl K, Ghosh D, Wagner S. et al. Retinoid acid prevents immunogenicity of milk lipocalin Bos d 5 through binding to its immunodominant T-cell epitope. Sci Rep 2018; 8: 1598
• 3 Roth-Walter F, Pacios LF, Gomez-Casado C. The major cow milk allergen Bos D 5 manipulates T-helper cells depending on its load with siderophore-bound iron. PLoS one 2014; 9: e103803