Einleitung
Die lineare IgA-Dermatose ist eine sehr seltene, chronische, autoimmunbedingte, blasenbildende Dermatose mit linearer IgA- und C3-Ablagerung an der dermo-epidermalen Junktionszone, die zu den Pemphigoid-Erkrankungen gezählt wird. Die Erkrankung kann idiopathisch oder medikamentös induziert sein. Klinisch zeigen sich stark juckende, pralle Blasen und Bläschen. Die Inzidenz für Deutschland und Frankreich beträgt ca. 0,02 – 0,05/100 000 Einwohner/Jahr [4]. Die Erkrankung hat eine bimodale Altersprädilektion und tritt v. a. bei Kindern zwischen 6 Monaten und 10 Jahren auf, selten persistiert sie nach der Pubertät. Erwachsene neigen dazu, viel seltener und v. a. nach dem 60. Lebensjahr betroffen zu sein [4]. Zu den potenziellen medikamentösen Auslösern zählen unter anderem Antibiotika (v. a. Vancomycin), Antihypertensiva und nichtsteroidale entzündungshemmende Mittel (v. a. Diclofenac) [10]. Im Erwachsenenalter überwiegt jedoch die idiopathische Variante. Darüber hinaus wurden Assoziationen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, lymphoproliferativen Erkrankungen, Infektionen und systemischem Lupus erythematodes berichtet [11]. Colitis ulcerosa ist die am häufigsten beobachtete systemische Erkrankung im Zusammenhang mit der linearen IgA-Dermatose [1]. Pathogenetisch hierfür könnte eine humorale Immunantwort auf Antigene sein, die die entzündete Darmschleimhaut durchdringen, was zu einer Produktion von kreuzreaktiven IgA-Auto-Antikörpern gegen kutane Antigene führt [1].
Die Diagnose der linearen IgA-Dermatose kann durch klinische, histopathologische und immunologische Daten unterstützt werden. Klinisch finden sich pralle, mit klarer oder hämorrhagischer Flüssigkeit gefüllte Blasen auf erythematösem oder urtikariellem Grund. Sie variieren in der Größe und sind häufig ringförmig oder kreisförmig angeordnet. Bei Kindern befinden sich die Läsionen oft am Unterbauch, perineal und an den Oberschenkelinnenseiten. Gesicht, Hände und Füße sind selten beteiligt. Bei Erwachsenen entstehen die Blasen hauptsächlich an den Streckseiten der Extremitäten, am Rumpf, am Gesäß und im Gesicht. Schleimhäute können auch beteiligt sein. Histologisch zeigt sich eine subepidermale Blasenbildung mit einem superfiziellen, häufig neutrophilenreichen Infiltrat. Gelegentlich finden sich mononukleäre Zellen und Eosinophile. Mithilfe der direkten Immunfluoreszenz können lineare IgA-Ablagerungen entlang der Basalmembran, im Bereich der Spaltbildung am Blasendach, dargestellt werden. Das Biopsat für die direkte Immunfluoreszenz darf nicht in Formalin gelagert werden [5].
Die Erkrankung in der Kindheit ist meist selbstlimitierend, bei Erwachsenen sind chronische Verläufe möglich. Die Behandlung hängt von der Ausprägung und der Identifizierung von Auslösefaktoren ab. Mittel der 1. Wahl bei Kindern ist DADPS in einer gewichtsadaptierten Dosierung von initial 0,5 mg/kg tgl. Mittel der Wahl bei Erwachsenen ist eine ausschleichende Prednisolon-Gabe in Kombination mit Azathioprin. Weitere Therapieoptionen sind Tetrazykline und Cyclophosphamid [5].
Kasuistik
Anamnese
Wir berichten über den Fall eines 56-jährigen Patienten mit seit ca. 2 Monaten bestehenden, stark juckenden, prallen Blasen nahezu am gesamten Integument. Es wurden keine ähnlichen Hauterscheinungen in der Vergangenheit angegeben. Dem Patienten waren keine schwerwiegenden Vorerkrankungen, v. a. keine Tumorerkrankungen oder Darmerkrankungen bekannt. Er hatte in letzter Zeit keine Dauer- oder Bedarfsmedikation eingenommen.
Dermatologischer Befund
Am Stamm und an den Extremitäten zeigten sich stark juckende, elevierte Erytheme ([Abb. 1], [Abb. 2]) sowie kleine, pralle Blasen mit klarer Flüssigkeit, die teilweise anulär, teilweise collerette- oder rosettenartig angeordnet waren ([Abb. 3]). Es bestand keine Schleimhaut- oder Konjunktivenbeteiligung.
Abb. 1 Am Stamm und an den Extremitäten stark juckende, elevierte Erytheme mit kleinen, prallen Blasen mit klarer Flüssigkeit.
Abb. 2 Kleine, pralle Blasen mit klarer Flüssigkeit, die teilweise anulär, teilweise juwelen- und rosettenartig angeordnet sind.
Abb. 3 Histologie (HE-Färbung, 100-fach und 200-fach) mit superfizieller, perivaskulärer, lymphozytärer sowie eosinophilen- und neutrophilenhaltiger Dermatitis mit subepidermaler Blasenbildung.
Als Differenzialdiagnosen kamen bullöses Pemphigoid, lineare IgA-Dermatose, Dermatitis herpetiformis Duhring, Epidermolysis bullosa acquisita und Erythema exsudativum multiforme infrage.
Histopathologischer Befund
Histopathologisch zeigte sich eine superfizielle, perivaskuläre, lymphozytäre sowie eosinophilen- und neutrophilenhaltige Dermatitis mit subepidermaler Spaltbildung ([Abb. 3]). Die Veränderungen waren mit einer autoimmun-blasenbildenden Dermatose gut vereinbar. Ein bullöses Pemphigoid, eine lineare IgA-Dermatose sowie eine Epidermolysis bullosa acquisita waren konventionell-histologisch voneinander nicht abzugrenzen. Die direkte Immunfluorezenz in der Biopsie der Haut des Patienten war unauffällig. Zur weiteren Differenzierung erfolgte eine indirekte Immunfluoreszenz-Testung auf NaCl-separierter humaner Spalthaut. Es konnten im Patientenserum zirkulierende IgA-Auto-Antikörper nachgewiesen werden, die an das Dach der artifiziellen Blase banden ([Abb. 4]). Dieses Ergebnis unterstützte die Diagnosestellung einer linearen IgA-Dermatose.
Abb. 4 Indirekte Immunofluoreszenz auf mit NaCl separierter humaner Spalthaut. Immunfluoreszenzoptisch sind die im Patientenserum enthaltenen IgA-Antikörper gut am Blasendach zu erkennen.
Therapie und Verlauf
Zu Beginn erfolgte die perorale Gabe von Prednisolon 1 mg/kg KG unter Magenschutz und engmaschiger Kontrolle der Blutzucker-Werte. Im Verlauf konnte die Steroiddosis langsam und schrittweise reduziert werden. Zusätzlich erfolgte initial die Gabe von Tetrazyklin 500 mg 3 × tgl. p. o. und, nach normwertiger Bestimmung der Thiopurin-Methyltransferase, von Azathioprin 100 – 150 mg tgl. p. o. Symptomatisch wurden Antihistaminika in angepasster Wirkstärke verabreicht. Topisch kam eine Fusidinsäure- und Bethametasonvalerat-haltige Creme 2 × tgl. zur Anwendung.
Es erfolgte eine ausführliche Tumorsuche mittels laborchemischen Untersuchungen, konsiliarischen Vorstellungen und bildgebenden Verfahren, die keine pathologischen Befunde erbrachten. Mittels Koloskopie und Entnahmen von Probebiopsien von der Darmschleimhaut erfolgte der Ausschluss einer entzündlichen Darmerkrankung. Unter der Therapie kam es zur deutlichen Besserung des Hautbefundes.
Diskussion
Polyzyklische, gruppierte Bläschen, die auf erythematöser Haut auftreten und als „Juwelenhaufen“ oder „Perlenkette“ beschrieben werden, sind das charakteristischste klinische Merkmal der linearen IgA-Dermatose. Diese ist eine autoimmun bedingte Hauterkrankung, die durch die Ausbildung subepidermaler Blasen gekennzeichnet ist. Sie kann entweder idiopathisch oder medikamenteninduziert auftreten, wobei Vancomycin häufigster medikamentöser Auslöser ist [12]. Das klinische Bild, sowohl der idiopathischen als auch der medikamenteninduzierten Form, ist variabel und kann andere blasenbildende Erkrankungen nachahmen. Die klinische Diagnose ist aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum bullösen Pemphigoid und der Dermatitis herpetiformis Duhring schwierig, lässt sich jedoch durch Immunfluoreszenz-Untersuchungen differenzieren.
Während bei der idiopathischen linearen IgA-Dermatose üblicherweise im Serum zirkulierende IgA-Antikörper nachweisbar sind, können diese bei der medikamentös induzierten Variante fehlen. Eine indirekte Immunfluoreszenz bleibt in diesem Fall negativ, was die Diagnose erschwert.
Die medikamentös-induzierten Formen zeigen häufiger ein positives Nikolski-Phänomen und sind i. d. R. klinisch stärker ausgeprägt [8].
Die verbesserten Diagnoseverfahren und die Alterung der Bevölkerung haben in den letzten 10 Jahren in Deutschland zu einer Verdopplung der Inzidenz bullöser Autoimmundermatosen (ca. 25 Neuerkrankungen/1 Mio. Einwohner/Jahr) geführt [9]. Das bullöse Pemphigoid ist die häufigste subepidermal-blasenbildende Autoimmundermatose in Zentraleuropa. Die lineare IgA-Dermatose ist deutlich seltener. Die Häufigkeit dieser Erkrankung wird in verschiedenen Ländern zwischen weniger als 0,5 und 2,3 Fällen pro Million Einwohner pro Jahr angegeben [12]. Eine umfangreiche Untersuchung aus dem Iran über autoimmunbedingte blasenbildende Dermatosen über einen Zeitraum von 10 Jahren beschreibt das Auftreten der linearen IgA-Dermatose bei nur 0,3 % des beobachteten Patientenkollektivs [3]. Eine Studie aus Dänemark beschreibt eine Inzidenz der linearen IgA-Dermatose von 0,67 /Million Einwohner/Jahr [6]. Eine Prädilektion der linearen IgA-Dermatose bei bestimmten Populationen oder bei den Geschlechtern ist nicht bekannt [12]. Erwachsene entwickeln sie häufig in den späteren Lebensjahren, v. a. nach dem 60. Lebensjahr [12]. Bei Kindern tritt die Krankheit gewöhnlich im Alter zwischen 6 Monaten und 10 Jahren auf. Selten sind Neugeborene betroffen [13].
Bei den meisten Patienten mit linearer IgA-Dermatose können keine auslösenden Faktoren gefunden werden. Die idiopathische lineare IgA-Dermatose persistiert typischerweise Monate bis Jahre, kann allerdings auch spontan abheilen. Bei den meisten Kindern klingen die Hautveränderungen vor der Pubertät ab [7]. Allerdings kann die Krankheit auch über mehrere Jahre hinweg bestehen oder nach langer Remission wieder auftreten [7]. Im Gegensatz dazu sistiert bei der medikamenteninduzierten linearen IgA-Dermatose die Bildung neuer Läsionen typischerweise innerhalb von ca. drei Tagen nach Absetzen des auslösenden Anreizmittels [12]. Die Dauer der Behandlung der idiopathischen Form ist variabel. Die Therapie wird gewöhnlich für mehrere Wochen fortgesetzt, bis eine vollständige Remission erreicht wurde. Tritt nach Absetzen der Therapie ein Rückfall auf, sollte die Behandlung erneut eingeleitet werden [7]. Obwohl die kutanen Läsionen i. d. R. ohne permanente Narben heilen, können Patienten mit Schleimhautbefall funktionelle Einschränkungen aufgrund der Bildung von Strikturen oder Bindehaut- und Hornhautnarben erleiden.
Nur eine korrekte Diagnose der linearen IgA-Dermatose kann eine gezielte Behandlung ermöglichen. Die direkte und indirekte Immunfluoreszenz sind in Verbindung mit der Histopathologie entscheidend für die Diagnosefindung.
Fazit für die Praxis
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Die lineare IgA-Dermatose ist eine seltene, autoimmunbedingte, blasenbildende Erkrankung, die sich i. d. R. mit dem plötzlichen Auftreten von prallen Blasen und Bläschen auf geröteter Haut zeigt. Kinder und Erwachsene können betroffen sein.
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Die lineare IgA-Dermatose tritt meist idiopathisch auf. Die Erkrankung kann jedoch auch arzneimittelinduziert sein. Vancomycin ist der bekannteste Auslöser.
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Kinder entwickeln häufig ausgedehnte, ringförmig angeordnete Blasen, die häufig in der Leistengegend, am unteren Abdomen auftreten. Bei Erwachsenen werden die ringförmigen Läsionen weniger häufig beobachtet und befinden sich typischerweise an Rumpf und Extremitäten. Pruritus ist ein häufiges Symptom.
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Der Goldstandard für die Diagnosestellung ist der Nachweis linearer IgA-Ablagerungen mittels direkter, ggf. auch indirekter Immunfluoreszenzmikroskopie.
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Für Kinder wird in erster Linie die Therapie mit Dapson empfohlen, bei Erwachsenen Glukokortikoide und Azathioprin.