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DOI: 10.1055/a-0584-5311
Die ketogene Diät – was sie kann, wie sie wirkt und wie sie gelingt
Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
16. April 2018 (online)
- Zusammenfassung
- Einführung
- Was steckt hinter der ketogenen Diät?
- Indikationen
- Wie wirkt die ketogene Diät?
- Unerwünschte Wirkungen
- Kontraindikationen
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
Ketogene Diät bedeutet Kohlenhydratverzicht. Bei Epilepsie ist sie seit 100 Jahren etabliert. Bei Diabetes Typ 2 kann sie eine echte Alternative sein, da sie schnell zur Gewichtsreduktion führt, der Blutzucker konstant bleibt und Insulinspitzen vermieden werden. Vielversprechende Ergebnisse haben aktuelle Forschungsarbeiten ergeben bei Multipler Sklerose, Alzheimer und Krebs als begleitende Therapiemaßnahme.
Die Autoren geben einen überblick zu den möglichen Wirkmechanismen, den Indikationen sowie zur Umsetzung in der Praxis.
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Stoffwechselumstellung durch Kohlenhydratverzicht — Die aktuelle klinische Forschung hat neue Behandlungsfelder für die ketogene Diät eröffnet etwa bei Diabetes Typ 2 oder um kardiovaskuläre Risikofaktoren einzudämmen
Einführung
Die ketogene Diät, unter Laien auch in unterschiedlichen Varianten als „Anti-Krebs-Diät“, „anabole Diät“, „Atkins-Diät“ oder „Low Carb Diät“ bekannt, ist eine extrem fettreiche und kohlenhydratarme Ernährungsform, von der Therapieerfolge bei zahlreichen Krankheitsbildern berichtet werden. Das Spektrum der Erkrankungen reicht von Epilepsie, Alzheimer, Multiple Sklerose, Parkinson, Amyotrophe Lateralsklerose über Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen bis hin zu Krebs [1], [2]. Gleichzeitig wird diese spezielle Ernährungsform oft mit Skepsis betrachtet. Die Bedenken könnten auf einem falschen Verständnis von den involvierten physiologischen Prozessen basieren. Ketogene Diäten induzieren einen metabolischen Zustand, der erstmals von Hans Krebs als „physiologische Ketose“ beschrieben wurde. Diese wird oft mit der pathologischen Ketoazidose in Verbindung gebracht, wie sie z. B. bei Personen mit gestörter Insulinsekretion auftreten kann [3].
Ketogene Diät bedeutet Kohlenhydratverzicht. Bei Epilepsie ist sie seit 100 Jahren etabliert. Bei Diabetes Typ 2 kann sie eine echte Alternative sein, da sie schnell zur Gewichtsreduktion führt, der Blutzucker konstant bleibt und Insulinspitzen vermieden werden. Vielversprechende Ergebnisse haben aktuelle Forschungsarbeiten auch bei Multipler Sklerose, Alzheimer und Krebs als begleitende Therapiemaßnahme ergeben.
Die Autoren geben einen überblick zu den möglichen Wirkmechanismen, den Indikationen sowie zur Umsetzung in der Praxis.
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Was steckt hinter der ketogenen Diät?
Ketogene Diät bedeutet Kohlenhydratverzicht.
Während einer ketogenen Diät kann der Körper, genauso wie beim Fasten, seinen Energiebedarf nicht mehr decken und beginnt eigene Kohlenhydratspeicher aus Muskel- und Leberglykogen zu entleeren. Dies ist notwendig, da es Organe gibt, die rein auf Kohlenhydrate bzw. deren kleinsten Baustein Glukose angewiesen sind. Eines dieser Organe ist das Gehirn. Obwohl es nur 2 % unseres Körpergewichts ausmacht, braucht es 20 % der zugeführten Energie. Der Stoffwechsel ist unter Kohlenhydratverzicht gezwungen sich umzustellen, um das Gehirn weiter adäquat mit Energie zu versorgen. Es kommt zur Glukoseneubildung (Gluconeogenese) u. a. aus körpereigenen Aminosäuren. Hält der Kohlenhydratverzicht an, kommt es schließlich zur Bildung der Ketonkörper ß-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton in der Leber. Dies kann als wichtiger Überlebensmechanismus betrachtet werden, um auch bei längeren Fastenzeiten die adäquate Energieversorgung des Gehirns aufrechtzuerhalten. Der Glukosebedarf des Gehirns sinkt von ca. 130 g auf 40 g am Tag und der Großteil wird nun durch Ketonkörper abgedeckt. Die ketogene Diät ist eine Möglichkeit von Effekten des Fastens langfristig zu profitieren ohne einer Kalorienrestriktion ausgesetzt zu sein.
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Indikationen
Gewichtsreduktion und Diabetes Typ 2
Aufgrund der Entleerung von Glykogenspeichern, niedrigem Insulinspiegel und einem schnelleren Sättigungsgefühl während der ketogenen Diät, kommt es anfangs schnell zu einer Gewichtsreduktion. Niedrige Insulinspiegel erhöhen zudem den Fettabbau. Auch die Gluconeogenese fordert hohe metabolische Kosten und trägt zum Abnehmen bei [4]. Während ketogene Diäten für den Autoimmuntyp Diabetes Typ 1 absolut ungeeignet sind, sind sie für Diabetes Typ 2 eine echte Option. Der Blutzucker bleibt konstant, Insulinspitzen werden vermieden. Erste Studien zeigen, dass eine ketogene Diät zu einer normalisierten Nahrungsaufnahme bei übergewichtigen Diabetes-Typ-2-Patienten führen kann. Weiterhin verbesserten sich Blutzucker, Insulinsensitivität, HbA1c sowie Blutfette und Triglyceride [5].
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Epilepsie und Störungen des zerebralen Energiestoffwechsels
Seit 100 Jahren ist die ketogene Diät in der Epilepsiebehandlung etabliert. Hier wird sie bei pharmakoresistenten (bei Nichtansprechen von mindestens zwei Antiepileptika) Anfallserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen als relativ nebenwirkungsarme Alternative angewandt. In vielen Studien konnte die Anwendung der ketogenen Diät ein signifikantes Herabsetzen der Anfallsfrequenz bewirken [6]. Die Wirksamkeit ketogener Diäten in der Prävention von Anfällen ist noch nicht komplett verstanden. Vermutet wird eine Regulierung der Neurotransmitter durch Ketonkörper [7] sowie eine Hemmung des mTOR-Signalwegs, der eine wichtige Rolle in der Epileptogenese spielt [8]. In einem großen Cochrane Review konnte im Vergleich zu Kontrollen eine 30–40 %ige Reduktion der Anfälle beschrieben werden. Die Wirksamkeit sei vergleichbar mit antiepileptischen Medikamenten [6]. Problematisch sei jedoch die Compliance. Einer ketogenen Diät strikt zu folgen ist anspruchsvoll und bedarf ausgereifter Planung, ernährungstherapeutischer Beratung und Begleitung. Es gibt keine „Cheat days“ – bei Nichteinhalten der Diät drohen erneute Anfälle.
Trotzdem stellt die ketogene Diät aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit und der vergleichsweise geringen Nebenwirkungen eine außerordentlich bedeutsame Alternative dar. Oft kann die Diät nach 2 Jahren ausgeschlichen werden und die Anfallsfreiheit bleibt erhalten [10].
Auch für Störungen des Neurometabolismus, wie dem GLUT1-Defekt und dem Pyruvatdehydrogenasemangel, ist die ketogene Diät die Therapie erster Wahl und führt zu einer raschen Anfallskontrolle [10]. Bei diesen Störungen kann Glukose nicht transportiert (GLUT1-Defekt) oder verwertet werden (Pyruvatdehydrogenasemangel). Ketonkörper können hier als alternative Energiequelle den zerebralen Stoffwechsel aufrechterhalten.
Für die Wirksamkeit ketogener Diäten bezüglich Gewichtsreduktion, Diabetes Typ 2, Epilepsie und Störungen des zerebralen Energiestoffwechsels besteht eine wissenschaftlich fundierte Evidenz [1], [10]. Doch auch für die folgenden Krankheitsbilder wächst die Datenlage.
Es gibt keine „Cheat days” – bei Nichteinhalten der ketogenen Diät drohen erneute epileptische Anfälle.
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Neurologische Erkrankungen
Die Hinweise für potenzielle Therapiemöglichkeiten mit ketogener Diät abseits von Epilepsie für Erkrankungen des Gehirns, die durch Neurodegeneration charakterisiert sind, verdichten sich. Dazu gehören Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose (MS) und Hirntumore [1]. Diese Erkrankungen scheinen eine gemeinsame metabolische Basis zu haben. Bei Alzheimer, Parkinson und MS ist dies eine gestörte Glukoseaufnahme bzw. -verwertung (Glukose-Hypometabolismus) [11]–[13].
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Alzheimer
Aufgrund eines ausgeprägten zerebralen Glukose-Hypometabolismus und einer Insulinresistenz wird Alzheimer gelegentlich auch als Diabetes Typ 3 bezeichnet [14]. Bei Alzheimer-Patienten ist die Glukoseaufnahme im Gehirn gestört. Die Ketonkörperaufnahme unterscheidet sich hingegen nicht im Vergleich mit gesunden Kontrollen [12]. Obwohl eine fettreiche Ernährung mit der Entstehung von Alzheimer in Zusammenhang steht [15], kann eine ketogene Diät, die fettreich und gleichzeitig kohlenhydratreduziert ist, im Alzheimer-Tiermodell schädigende Eiweißablagerungen (Amyloid) reduzieren [16]. Da eine selbstständige Umsetzung der ketogenen Diät für Alzheimer-Betroffene in fortgeschrittenen Stadien nur eingeschränkt möglich erscheint, wird der Einsatz von oralen oder intravenösen Ketonsupplementen diskutiert. Mehrere klinische Studien zeigten bereits kognitive Verbesserungen nach Gabe von Ketonsupplementen oder ketogenen MCT-Fetten (mittelkettige Fettsäuren) [17], [18].
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Multiple Sklerose
Lange stand der entzündliche Charakter der Multiplen Sklerose (MS) im Fokus, sodass alle derzeit zugelassenen Standardtherapien immunmodulatorisch wirken. Die neurodegenerative Komponente, die ebenfalls einen großen Anteil zum Krankheitsprogress beiträgt, wurde lange Zeit vernachlässigt. Der Zustand der Mitochondrien hat einen großen Einfluss darauf, ob ein bereits vorgeschädigtes Axon überlebt oder degeneriert. Dabei scheint oxidativer Stress Mitochondrien besonders zu schädigen und einen zerebralen Hypometabolismus zu begünstigen [19]. Studien am Tiermodell der MS (experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis) zeigen unter ketogener Diät einen Abbau reaktiver Sauerstoffspezies sowie Verbesserungen von motorischen Behinderungen und Gedächtnisleistung [20]. In einer weiteren Tierstudie konnte die Krankheitsschwere durch eine ketogene Diät abgemildert werden [21]. In einer Pilotstudie der Berliner Charité mit MS-Patienten konnte eine Verbesserung der Lebensqualität sowie der Blutfette erzielt werden. Zudem konnte die Machbarkeit und Sicherheit ketogener Diäten für einen Zeitraum von 6 Monaten bei 60 Patienten belegt werden [22]. Derzeit läuft die 18-monatige Nachfolge-Studie, die auch die Auswirkungen der Diät auf den Krankheitsverlauf und zahlreiche MS-Symptome untersucht.
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Krebs
Tumorzellen zeigen eine bis zu 200-fach erhöhte Glykolyse-Tätigkeit. Erstmals wurde diese Auffälligkeit 1924 von Otto Warburg beschrieben und ist daher auch als Warburg-Effekt bekannt [1], [23]. So entwickelte sich die Idee durch den Entzug von Glukose den Tumormetabolismus zu stören. Ein 2017 veröffentlichtes Review analysierte 13 Tierstudien und leitete daraus unter ketogener Diät eine erhöhte Überlebensrate sowie ein verzögertes Tumorwachstum ab bei Pankreas-, Magen-, Lungen- und Prostatakrebs sowie bei Hirntumoren [24]. Mutmaßliche Wirkmechanismen sind insulinvermittelt ein vermindertes Zell- und Blutgefäßwachstum sowie der Entzug der Hauptenergiequelle Glukose. Die Kombination mit Standardtherapien verspricht in einer Vielzahl präklinischer Daten synergistische Effekte. So könnte zum Beispiel ein Tumor besser auf eine Radiochemotherapie ansprechen. Klinische Studien zeigen bisher bei geringen Fallzahlen keine eindeutigen Ergebnisse [25], [26]. Ein 2016 veröffentlichtes Review fasste zusammen, dass sich die ketogene Diät nicht als Monotherapie eignet. Dennoch scheint es einen „messbaren Einfluss auf den Tumorzellstoffwechsel zu geben, wie in FDG-PET-Studien und anhand von intratumoralen Lactatmessungen bei HNO-Tumoren gezeigt werden konnte“ [27]. Eine verbesserte Lebensqualität wurde weiterhin in einigen Studien beschrieben. Die ketogene Diät bleibt mit dem Fasten die einzige therapeutische Ernährungsform, die am Tumormetabolismus ansetzen könnte, gleichzeitig Entzündungen hemmen und die Angiogenese herabsetzen könnte [28].
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Wie wirkt die ketogene Diät?
Die Stoffwechselumstellung durch Kohlenhydratverzicht wirkt auf verschiedene Stoffwechselhormone wie Insulin, Leptin und Ghrelin.
Im Zell- und Tierversuch konnten weitere potenzielle Wirkmechanismen erarbeitet werden, von denen einige hier dargestellt werden.
Ketonkörper als Reserve-Brennstoff für das Gehirn bei Glukose-Hypometabolismus
Einige neurologische Erkrankungen wie MS und Alzheimer werden von einem Glukose-Hypometabolismus begleitet [11], [12]. Dieser kann durch eine Verwertungsstörung, Transportstörung, Insulinresistenz oder oxidativen Stress verursacht werden. Es scheint naheliegend, dass bei einer bestehenden Glukoseunterversorgung, Ketonkörper zu einer effizienteren Energiebereitstellung beitragen, indem sie über eigene Transporter in den Zitratzyklus eintreten ([ Abb. 2 ]), leichter die Bluthirnschranke überwinden und so oxidativem Stress entgegenwirken [19], [29].
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Ketonkörper und oxidativer Stress bei neurologischen Erkrankungen und Krebs
Der Abbau von oxidativem Stress ist ein vielversprechender Angriffspunkt für Ketonkörper.
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können reaktive Sauerstoffspezies reduzieren, indem sie „uncoupling Proteine“ unterstützen [43]
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verursachen eine kurzweilige Erhöhung von oxidativem Stress, was zu einer Aktivierung des Nrf2-Signalwegs führt und folgend zu einer dauerhaften Reduktion von oxidativem Stress sogar unter gemessenem Baseline-Level [44]
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inhibieren Histon-Deacetylasen > Hochregulation der Transkription von antioxidativen Genen [42]
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unterdrücken proinflammatorische Zytokine, was zumindest teilweise auf die Inhibition des NRLP3-Inflammasoms zurückzuführen ist [45]
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verhindern die Bildung von mitochondrialen Permeabilitäts-Transitions-Poren > Prävention vermehrter Durchlässigkeit der Mitochondrienmembran > zu starke Durchlässigkeit könnte ein Anschwellen und daraus folgend den Zelltod fördern [41]
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inhibieren den proinflammatorischen Transkriptionsfaktor NF-κB > antiinflammtorische Wirkung [40]
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setzen inhibitorische Transmitter wie GABA frei [46]
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hemmen den mTOR-Signalweg [8]
β-Hydroxybutyrat kann die Produktion von Entzündungsstoffen reduzieren und zahlreiche Gene hochregulieren, die am Schutz vor oxidativem Stress beteiligt sind [30]. Bei MS-Patienten kann oxidativer Stress im Vergleich zu gesunden Kontrollen erhöht sein [31]. Folge von vermehrtem oxidativen Stress ist vermutlich eine mitochondriale Dysfunktion, die den Glukosestoffwechsel negativ beeinflusst [19]. Dies könnte auch die zum Teil erhöhten Serumlactatspiegel von MS-Patienten erklären [32].
Auch bei Krebspatienten konnte vermehrt oxidativer Stress gezeigt werden [33]. Zudem wird vermutet, dass oxidativer Stress eine Metastasierung fördern kann [34]. Weiterhin ist bei Tumorpatienten Lactat aufgrund des Warburg-Effekts [23] oft erhöht und könnte zusätzlich die Krebsentstehung sowie Metastasierung begünstigen [35]. Lactat ist ein untergeordneter, deutlich weniger effizienter Weg der Energiebereitstellung außerhalb des Mitochondriums und kann Indiz für eine gestörte mitochondriale Funktion sein.
Weitere zelluläre Wirkmechanismen werden im Kasten rechts dargestellt.
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Umsetzung der ketogenen Diät
Es haben sich verschiedene Formen der ketogenen Diät etabliert ([ Abb. 3 ]). Sie definieren sich v. a. durch einen unterschiedlich hohen Fettanteil am Energiebedarf.
Prozentuale Anteile der Makronährstoffe am Energiebedarf für die ketogene Diät mit einem Gewichtsverhältnis 3:1 (3 g Fett + 1 g Kohlenhydrat / Protein):
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86 % Fette: absolute Werte richten sich nach Energiebedarf (Empfehlungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz / DACH – Referenzwerte) unter Berücksichtigung von Gewicht und Aktivität [10].
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6 % Kohlenhydrate: 20–40 g bei Erwachsenen, je nach Energiebedarf (DACH-Referenzwerte).
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8 % Proteine: 0,8–2,5 g / kg Körpergewicht, je nach Alter und Vorbelastung (nach DGE Empfehlung) [10].
Die Ernährungsumstellung sollte stets ärztlich überwacht und ernährungstherapeutisch begleitet werden. Bei Kindern sollte sie stationär eingeleitet werden. Das 4:1- oder 3:1-Verhältnis ist für Kinder und Jugendliche indiziert, die Atkins-Diät für Erwachsene. Je höher der prozentuale Fettanteil, desto höher ist meist die Ketose [10].
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In den ersten 4 Wochen sollten nur 20 g Kohlenhydrate täglich aufgenommen werden, um eine stabile Ketose zu erreichen. Es kann auch mit einem Fasten begonnen werden, dann wird die Ketose meist schneller erreicht. Jedoch steigt auch das Risiko für Nebenwirkungen.
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Jede weitere Woche wird die Kohlenhydratzufuhr um 5 g gesteigert bis 30–40 g / Tag (abhängig von Energiebedarf und Stabilität der Ketose) erreicht werden.
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Der Ketosewert sollte bestimmt werden. Hier sind Messungen im Blut Messungen im Urin vorzuziehen, um die zirkulierende Ketonkörperkonzentration zu erhalten. Gemessen werden sollte immer morgens, nüchtern, ca. 30–60 min nach dem Aufwachen, um hohe Cortisolwerte zu vermeiden, die den Ketosewert beeinflussen.
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Gemessen wird das Kapillarblut aus der Fingerkuppe mit einem Standardmessgerät (Glucometer), wie es auch zur Blutzuckermessung eingesetzt wird.
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Die Konzentration sollte zwischen 1,5–5 mmol / l liegen und 8 mmol / l nicht überschreiten [36].
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Grundvoraussetzung ist eine ausführliche, begleitende Ernährungsberatung. Erste Wochenpläne mit Ernährungsvorschlägen sollten bereitgestellt werden, um Einseitigkeit, Mangel- und Fehlernährung vorzubeugen und die Compliance zu erhöhen.
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Vitamine und Mineralstoffe wie Kalzium sollten ergänzt werden [10].
Die Nahrungsaufnahme kann mit kostenlosen Apps dokumentiert werden, um die Einhaltung der Diät zusätzlich zu überprüfen. Eine ketogene Diät sollte möglichst folgende Lebensmittel beinhalten:
Fettreichen Fisch, Nüsse, Saatgut, grüne Salate, ballaststoffreiches Gemüse, Gemüsekohl, Milchprodukte, Pflanzenöle (reich an Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren), Beerenobst und fettreiche Früchte wie Avocado. Auf kohlenhydratreduzierte Nudeln, Reis und Eiweißbrot kann zurückgegriffen werden.
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Es zählen die Netto-Kohlenhydrate, d. h. blutzuckerunwirksame Ballaststoffe müssen nicht berechnet werden. Bsp.: 100 g Avocado enthalten 9 g Kohlenhydrate, davon sind 7 g Ballaststoffe. Es müssen also nur 2 g berechnet werden.
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Es sollten Lebensmittel mit einem glykämischen Index < 50 und einer glykämischen Last < 6 verzehrt werden, um den Blutzucker niedrig zu halten. Denn steigt der Blutzucker, wird Insulin ausgeschüttet und die Ketose unterbrochen.
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Ungesüßte Flüssigkeiten können und sollten ad libitum konsumiert werden.
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Erfolge lassen sich frühestens nach ca. 3 Monaten stabiler Ketose beurteilen.
Beispiel Tagesplan ketogene Diät
Mit dem folgenden Tagesplan ist man sogar noch unter 30 g KH am Tag. 40 g sind je nach individueller Ketosestabilität und Energiebedarf erlaubt.
Frühstück
Eiweißbrötchen mit Lachsschinken
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Eiweißbrötchen oder -brot: 3–8 g KH
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15 g Hüttenkäse: 0,5 g KH
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40 g Lachsschinken:
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20 g Cornichons: 0,6 g KH
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2–3 Salatblätter: 0,5 g KH
Joghurt mit Obst
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100 g Joghurt natur: 4 g KH
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50 g Erdbeeren (frisch oder tiefgekühlt): 3 g KH
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½–1 TL Streusüße oder Süßstoff je nach Bedarf
Mittags
Blumenkohl-Hackfleisch Auflauf
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150 g Blumenkohl: 3 g KH
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100 g Ricotta 45 % Fett i. Tr.: 4 g KH
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200 g Hackfleisch
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1 TL Öl
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100 g Hartkäse (z.B. Parmesan, Pecorino, Emmentaler)
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Curry, Chili, Salz
Abends
Ratatouille
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80 g Zucchini: 2 g KH
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20 Zwiebeln: 1 g KH
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100 g gelber Gemüsepaprika: 5 g KH
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80 g Tomaten aus der Konserve: 2 g KH
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200 g Champignons: 1 g KH
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Thymian, frischer Knoblauch
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10 g Öl (ca. 2 TL)
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150 g mageres Rindfleisch
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Salz, Pfeffer
Zwischenmahlzeiten
Beerenobst, Bitterschokolade (ab 85 %), Nussmischungen, Käsesnacks, Salate, Suppen, Gemüsesnacks
KH = Kohlenhydrate
Zur Therapieüberwachung sollte folgende Diagnostik ([ Tab. 1 ]) durchgeführt werden.
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Unerwünschte Wirkungen
Eine Hochfettdiät lässt die Alarmglocken bei Ärzten und Wissenschaftlern klingeln. Schließlich steht der Konsum von tierischen Fetten mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung. Bei gleichzeitigem Verzicht auf Kohlenhydrate und einem erhöhten Konsum von pflanzlichen Fetten scheint es jedoch Regulationsmechanismen zu geben, die einen Anstieg von Blutfetten und Herz-Kreislauf-Parametern zumindest kurzfristig verhindern [37]. Studien zu Langzeitfolgen fehlen.
Auswirkungen auf kardiovaskuläre Risikofaktoren
Eine Schweizer Forschergruppe hat ihre Übersichtsarbeit den Auswirkungen ketogener Diäten auf kardiovaskuläre Risikofaktoren gewidmet. Es wurden Effekte zwischen Tiermodell und Mensch (nur Erwachsene) verglichen und gezeigt, dass sich im Tiermodell kardiovaskuläre Risikofaktoren unter ketogener Diät verschlechterten. Beim Menschen hingegen konnten sie verbessert werden. Gezeigt werden konnte dieser Gegensatz für Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Blutdruck sowie Kurz-und Langzeitblutzuckerspiegel [37].
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Auswirkungen auf Niere und Leber
Es besteht die Gefahr, dass durch eine eingeschränktere Nahrungsmittelauswahl der Verzehr von tierischen Produkten erhöht wird. Hohe Level von Stickstoff durch erhöhten Proteinstoffwechsel könnten zur Hyperfiltration führen [38]. Um Nierensteine und Gicht vorzubeugen, ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr essenziell.
Bei Vorbelastung oder Einnahme von leberbelastenden Medikamenten müssen die Transaminasen überwacht werden. Zumindest im Tierversuch zeigten sich Hinweise auf eine Belastung der Leber durch eine ketogene Diät [37].
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Unerwünschte Wirkungen bei Kindern
Kurzfristige Nebenwirkungen bei Kindern umfassen u. a. exzessive Ketose, Konstipation, Fatigue, Dehydration, Reflux, Hypoglykämie und Übelkeit. Langfristige Nebenwirkungen schließen atherogene Ereignisse ein, Vitamin-D-Mangel, verlangsamtes Wachstum, Hyperlipidämie und Hyperurikämie [10], [39]. Diesen Nebenwirkungen kann bei engmaschiger Überwachung gut entgegengewirkt werden.
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Kontraindikationen
Die ketogene Diät sollte nicht durchgeführt werden bei
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Hyperinsulinismus,
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Pyruvatcarboxylasemangel,
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Fettsäureoxidationsstörungen,
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akuter Porphyrie sowie weiteren seltenen Stoffwechselstörungen, bei denen Ketone nicht auf- und abgebaut werden.
Relative Kontraindikationen sind
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ausgeprägter gastroösophagealer Reflux,
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mangelnde Compliance sowie
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sprachliche Barrieren [10].
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Fazit
Seit über einem Jahrhundert wird die ketogene Ernährung in der Epilepsietherapie angewandt und hat sich als relativ nebenwirkungsarm und tolerabel – sogar bei Kindern – gezeigt. Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2 und um kardiovaskuläre Risikofaktoren einzudämmen kann sie wirksam sein. Sie wird zunehmend als Ergänzung zu Standardtherapien bei Krebs und neurologischen Erkrankungen diskutiert.
Stets sollte ein interdisziplinäres Team aus Ärzten und Ernährungstherapeuten eine ketogene Ernährungsumstellung begleiten. Unter regelmäßiger Überwachung ist eine ambulante Ernährungsumstellung möglich. Durch aktuelle klinische Forschung haben sich neue Behandlungsfelder eröffnet, in denen die ketogene Ernährung Symptome mildern und Krankheitsverläufe beeinflussen könnte. Für eine valide Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit sind weitere kontrollierte klinische Studien mit größeren Fallzahlen nötig.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.
Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/a-0584-5311
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Lina Samira Bahr, M.Sc. troph., Ernährungswissenschaftlerin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
NeuroCure Clinical Research Center
AG Klinische Neuroimmunologie
Sauerbruchweg 5
10117 Berlin
lina.bahr@charite.de
Lina Samira Bahr hat an der Humboldt Universität und in den USA Biologie studiert und anschließend einen Master of Science in Ernährungswissenschaften an der Universität Potsdam abgeschlossen.
Seit Januar 2017 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Charité und arbeitet mit dem Ziel der Promotion hier an der NAMS-Ernährungsstudie. Diese untersucht als eine der ersten weltweit nicht nur den Einfluss ketogener Ernährungsinterventionen auf Symptome der Multiplen Sklerose, sondern auch auf den Krankheitsverlauf. Hier leitet sie die ketogene Ernährungsintervention in Form von Gruppenschulungen.
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