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DOI: 10.1055/a-0621-4915
Hypnotherapie – Schritt für Schritt
- Einleitung
- Benennung und Ziele der Technik
- Erklärungsmodelle
- Indikationen und Techniken
- Ablauf einer Hypnosetherapiesitzung
- Wirksamkeit
- Literatur
Immer noch begegnet man im Zusammenhang mit Hypnose der Vorstellung, Menschen mit hoher Suggestivkraft könnten mittels Induktion empfänglich gemachte Individuen durch suggestives Einreden „programmieren“. Wie der Zulauf bei Hypnoseshows zeigt, ist die Fantasie, willenlos zu sein, attraktiv. Nichtsdestotrotz löst das Wort Hypnose ambivalente Gefühle aus. Überzogene Heilerwartungen stehen auf der einen, Ängste bezüglich eines Kontrollverlusts auf der anderen Seite. Tatsächlich hat Showhypnose nichts mit Hypnotherapie zu tun und seriös arbeitende Therapeuten grenzen sich von solchen Veranstaltungen ab.
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Einleitung
Klassische versus moderne Hypnose Die um die Jahrhundertwende viel praktizierte klassische Hypnose unterscheidet sich von der seit den 1940er-Jahren durch den Psychiater Milton H. Erickson (1901 – 1980) entwickelten Form dadurch, dass bei Erickson der Fokus nicht auf der „Macht“ des Hypnotherapeuten, Patienten zu beeinflussen, liegt, sondern auf dem leichteren Zugang zu deren Fähigkeiten, Ressourcen und Emotionen. Weitere Unterschiede sind die Verwendung direkter Suggestionen mit Befehlscharakter bei der klassischen Hypnose, während moderne Verfahren indirekte, als Vorschläge formulierte Suggestionen bevorzugen. Die klassische Methode arbeitet zudem symptomorientiert – Symptome sollen „ausgeredet“ werden –, während bei Erickson seelische Zusammenhänge, positive Aspekte des Symptoms, deren Utilisation und individuelle Lösungen im Vordergrund stehen.
Angewendet wird die direktive Methode heute jedoch noch erfolgreich bei der akuten Schmerzbehandlung: Wer beim Zahnarzt unter Schmerzen leidet und eine chemische Anästhesie nicht verträgt, wünscht oftmals keine Wahl-, sondern Schmerzfreiheit und ist gewillt, autoritären Anweisungen Folge zu leisten – auch wenn dies in anderen Kontexten unserer modernen Gesellschaft auf Widerstand stoßen würde.
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Benennung und Ziele der Technik
Begriffsklärung
Hypnotherapie Therapeutisches Verfahren, bei dem der Klient in einen Bewusstseinszustand versetzt wird, in dem es besser als im Alltagsbewusstsein gelingt, eigene Ressourcen zu nutzen.
Hypnose, Trancehypnose ist die Rahmenbedingung, die es erleichtert, Beschränkungen des Alltags zu verlassen, um neue Lösungen zu erproben. Der so erreichte Bewusstseinszustand wird als Trance bezeichnet: Durch die veränderte mentale Verarbeitung haben logische Kategorien eine geringere Bedeutung, die äußere Realität verliert an Wichtigkeit, während die Fähigkeit zunimmt, innere Realitäten intensiv zu erleben.
Trancephänomene, Trancezeichen Subjektiv führt die Trance zu Trancephänomenen: körperliche Entspannung bei mentaler Wachheit, lebhafte Vorstellungen, Verringerung der externen Wahrnehmung, Analgesie, Immobilität, Zeitverzerrung und unter Umständen Amnesie für Tranceinhalte.
Anhand bestimmter Trancezeichen lässt sich ablesen, ob jemand sich in Trance befindet. Dazu gehören Absenkung von Tonus, Herzrate und Blutdruck (glatteres Gesicht, Darm- und Magengeräusche), Gefäßdilatation (Veränderung der Hautfarbe), tiefere Atmung, Immobilität und „Sprechfaulheit“, ideomotorische Reaktionen, veränderte Muskelinnervation (Levitation, Katalepsie), Lidschluss oder defokussierter Blick (Revenstorf u. Peter 2009 [28]).
Suggestibilität Hierunter wird die Neigung verstanden, Vorschläge in die eigene Realitätskonstruktion zu übernehmen, also die eigene Welt durch die Brille bestimmter Suggestionen zu betrachten. Das Ausmaß dieser Neigung ist keine stabile Persönlichkeitseigenschaft, sondern variiert von Situation zu Situation. Je mehr sich eine Person in einer unklaren oder beunruhigenden Situation befindet, desto mehr neigt sie dazu, Suggestionen in das eigene Konzept der Situation zu integrieren, um wieder den Eindruck von Kontrolle und Orientierung zu erlangen.
Hypnotisierbarkeit Fähigkeit, hypnotisiert zu werden und eine bestimmte Trancetiefe zu erreichen. Die Hypnotisierbarkeit eines Menschen ist beeinflussbar, beispielsweise durch den Grad der Motivationen eines Hypnotisanden, durch das Prestige des Hypnotherapeuten, durch die Definition des Kontextes als „Hypnose“. Hypnoseskalen zur Messung der Hypnotisierbarkeit beinhalten Items zur Erfassung von Suggestibilität, aber auch Items zur Erfassung weiterer Tranceaspekte wie Amnesie, ideomotorische Veränderungen und Imaginationsfähigkeit. In der klinischen Praxis finden diese Skalen kaum Verwendung, obwohl niedriger hypnotisierbare Personen von Maßnahmen zur Erhöhung der Empfänglichkeit profitieren könnten.
Die empirischen Befunde zum Zusammenhang von Hypnotisierbarkeit und Therapieerfolg sind bislang inkonsistent, wobei sich häufiger ein positiver Zusammenhang zeigt (vgl. Krause 2009 [19]).
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Ziele
Aus den beschriebenen Trancephänomenen lassen sich die Ziele der Hypnotherapie ableiten (Revenstorf u. Peter 2009 [28]): Die sich einstellenden Entspannungsreaktionen führen zur Harmonisierung somatischer Prozesse: Stressreaktionen werden abgebaut, somatische Heilungsprozesse werden gefördert, und das Immunsystem wird gestärkt. Durch die Fokussierung auf das momentane Erleben steigt der emotionale Gehalt der Tranceerlebnisse an. Diese emotionale Involviertheit bewirkt ein hohes Maß an Evidenzerleben für die gefundenen Problemlösungen.
Das gesteigerte visuelle Vorstellungsvermögen kann genutzt werden, um somatische Heilungsprozesse zu fördern. Klienten, die zur Therapie kommen, haben oft ihren Fundus an rational begründeten Strategien erfolglos zur Problemlösung eingesetzt. Unwillkürliche Suchprozesse und Körperreaktionen wie die Handlevitation ergänzen das bewusste Potenzial durch verborgene Ressourcen und stilles Wissen.
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Erklärungsmodelle
Die von Grawe (2004 [13]) benannten allgemeinen Wirkfaktoren der Psychotherapie (Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, Problembewältigung, motivationale Klärung) gelten auch für die Hypnotherapie. Hypnotischen Trancezuständen kommt dabei zupass, dass Störreize leichter ausgeblendet werden können, der Abruf von Gedächtnisinhalten verbessert und aufgrund erhöhter Bildhaftigkeit ganz allgemein erleichtert ist.
Hypnotherapie kann als mentale Konstruktion von Realitäten auf allen Sinneskanälen verstanden werden. Somit können Ressourcen durch hypnotische Zustände besonders erfahrbar und verhaltenswirksam werden, mentale Problemaktualisierungen können gezielter vorgenommen und gesteuert werden, Problembewältigungen können leichter erdacht und – bereits vor der Ausführung – lebhaft in sensu erfahren werden. Darüber hinaus begünstigt Hypnose die implizite Informationsverarbeitung (vgl. Revenstorf 2006 [26], S. 49 ff).
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Indikationen und Techniken
Anwendungsfelder
Die Anwendungsfelder der Hypnotherapie sind breit gefächert. So lassen sich verschiedenste Arten von psychosomatischen Störungsfeldern nennen (beispielsweise Reizdarmsyndrom, Arthritis, Warzen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen), die eher somatischen Erkrankungen (Karzinome, Immunerkrankungen, Tinnitus, ZNS-Probleme) sowie die typischen Felder psychotherapeutischer Intervention (Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Depression, Persönlichkeitsstörungen sowie Psychosen).
Daneben wird Hypnotherapie auch bei Notfallsituationen eingesetzt (chirurgische Eingriffe, Verbrennungen) sowie bei schwierigen diagnostischen Untersuchungen oder Eingriffen (Magen-Darm-Spiegelungen, zahnärztliche Untersuchungen/Eingriffe).
Für das Kindes- und Jugendalter existieren zahlreiche Berichte und Studien über die Behandlung von Angst- und Schmerzstörungen (Olness u. Cohen 1996 [23]).
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Techniken der modernen Hypnotherapie
Erickson entwickelte einen unvollständigen Sprachstil, der beim Klienten Suchprozesse auslöst und die Tendenz fördert, eigene Inhalte zu ergänzen. Hierfür werden folgende Hilfsmittel genutzt (Revenstorf u. Peter 2009 [28]):
Nominalisierungen Ein Sachverhalt wird angesprochen, ohne dass sich der Zuhörer angesprochen fühlen muss („Die Entspannung wahrzunehmen, kann guttun“).
Vieldeutigkeiten Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, können so verwendet werden, dass ihr vordergründiger Inhalt den Zugang zu einer zweiten Bedeutung bahnt.
Analoges Markieren Eingebettete Aufträge werden über Veränderung von Stimmlage oder Lautstärke artikuliert.
Generalisierungen „Jeder weiß, was dem eigenen Körper wirklich guttut.“
Wahlfreiheit „Sie können in Trance gehen, wenn Sie möchten.“
Komparative Die Verwendung von Steigerungsformen, bei denen der Vergleich fehlt, evoziert keinen Widerspruch.
Pseudokonkretismus Es wird konkret von Dingen gesprochen, ohne die Bedeutung festzulegen, und damit die Realisation eigener Vorstellung erleichtert.
Scheinalternativen Veränderungsalternativen werden so aufgezählt, als gäbe es keine anderen Möglichkeiten: „Ich weiß nicht, ob Sie in Trance gehen, indem Sie diesen Punkt fixieren oder die Augen schließen.“
Pseudokausalität Ein realer Tatbestand wird mit bestimmten Suggestionen verknüpft.
Einkreisung Ein Thema wird angesprochen, indem damit zusammenhängende Szenen beschrieben werden. So kann zum Beispiel durch Beschreibung von Kindheitsbildern in eine Altersregression geführt werden.
Einstreuungen Dies sind ursprünglich direkte Suggestionen, die durch eine sprachliche Mehrdeutigkeit indirekt wirksam werden. Dabei kann die sprachliche Doppeldeutigkeit des Personalpronomens „Sie“ als Plural beziehungsweise Anredeform genutzt werden.
Stellvertretertechnik Häufig wird gleichzeitig die Stellvertretertechnik verwendet: Die Darstellung des Problems, der Lösung oder des Klienten selbst durch einen Stellvertreter, etwa im Rahmen einer Metapher, umgeht Ängste und erlaubt die projektive Bearbeitung.
Weitere wichtige Techniken Hierzu zählen die Nutzung dissoziativer Prozesse – beispielsweise, um in der Schmerzbehandlung oder Traumatherapie innere Distanz zum schmerzlichen Erleben zu schaffen, und die Konfusion, die es ermöglicht, alte, wenig hilfreiche Muster nach einer vorübergehenden Phase der Verwirrung durch neue zu ersetzen.
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Ablauf einer Hypnosetherapiesitzung
Wie in jeder therapeutischen Beziehung ist der Aufbau eines guten Rapports zwischen Klient und Therapeut auch hier unverzichtbarer Bestandteil der Therapie. Besonderes Augenmerk wird dabei zunächst den hypnosespezifischen Fragen und Ängsten des Klienten gelten, die sich aber auch durch eine zügige erste Tranceerfahrung, beispielsweise im Rahmen einer Entspannungsinduktion, ausräumen lassen.
Der Klient kann dabei sitzen oder liegen, die Augen geöffnet oder geschlossen haben. Zu Beginn wird die Fokussierung der Aufmerksamkeit angestrebt, beispielsweise durch das Fixieren eines Punktes an der Wand. Im weiteren Verlauf wird die Trance vertieft, indem zum Beispiel das Hinabsteigen auf einer Treppe beschrieben, von 1 – 10 gezählt und dabei Einstreuungen zum Thema Ruhe und Entspannung gegeben werden oder einfach auf die ruhiger werdende Atmung fokussiert wird.
Im Hauptteil der Trance werden die zu bearbeitenden Themen unter Nutzung der oben beschriebenen Techniken eingebracht. Anschließend an die Reorientierung des Klienten kann eine kurze Nachbesprechung stattfinden unter dem Aspekt: „Was war neu, was war hilfreich?“ Die eigentliche Trancearbeit nimmt dabei in der Regel nur einen Teil der Sitzung ein und kommt auch nicht immer jedes Mal zum Einsatz, sondern wird eingebettet in die jeweilige Ausrichtung des Therapeuten, zum Beispiel Verhaltenstherapie, systemische oder tiefenpsychologisch fundierte Therapie, wie unten beschrieben.
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Wirksamkeit
Insgesamt kann bezüglich der Wirksamkeit von Hypnotherapie auf eine Vielzahl von Einzelfalldarstellungen verwiesen werden (z. B. Schlarb u. Gulewitsch 2011 [29]). In den letzten Jahren entstanden einige Übersichtsarbeiten. Revenstorf (2008 [27]) gibt etwa 200 Studien zur Wirksamkeit von Hypnotherapie an, wovon mindestens 60 den allgemeinen Wirksamkeitskriterien genügen.
Barnardy et al. (2011 [5]) untersuchten in ihrer Überblicksarbeit Hypnotherapie bei Fibromyalgie. Hypnose reduzierte den Schmerz in größerem Ausmaß verglichen mit der Kontrollbedingung.
Diverse Arbeiten untersuchten die Effektivität von Hypnose in einem randomisierten Design bei chronischen Schmerzen. Hypnose war im Vergleich mit anderen Verfahren ähnlich wirksam (Dillworth u Jensen 2011 [7], Elkins et al. 2007 [8], Jensen u. Patterson 2006 [17], Peter 2005 [24]).
Zum Thema Reizdarm und Hypnotherapie liegen diverse Reviews über randomisiertes kontrolliertes Design vor. Auch bei diesen zeigte sich Hypnotherapie auch langfristig als effektiv (Gholamrezaei et al. 2006 [10], Hefner et al. 2009 [15], Miller u. Whorwhell 2010 [21], Wilson et al. 2006 [31]).
Die Wirksamkeit von Hypnose bei Asthma diskutiert Brown (2007 [6]). Er summiert, dass Hypnotherapie zwar sinnvoll und effektiv sei, jedoch weitere randomisierte kontrollierte Studien notwendig seien.
Zur Anwendung von Hypnotherapie bei Krebspatienten wurden 27 kontrollierte Studien gefunden. Hypnotherapie wurde wirksam zur Reduktion der Schmerzen, Ängste sowie Depression eingesetzt (Rajasekaran et al. 2005 [25]).
Barnes et al. berichteten, dass Hypnotherapie zwar häufig zur Raucherentwöhnung eingesetzt werde und auch positive Effekte zeige, jedoch weitere randomisierte kontrollierte Studien notwendig seien (Barnes et al. 2010 [4]).
Hypnotherapie bei Schlafstörungen zeigt sich ebenfalls in den bisherigen Studien als wirksam (Graci et al. 2007 [12]).
Baker et al. (2009 [3]) verfassten ein Review zum Thema Prüfungsangst und fanden insgesamt 176 Studien zum Einsatz von Hypnotherapie, von denen fünf randomisierte kontrollierte Studien mit Wartelisten-Kontrollgruppen-Design darstellten. Hypnose reduzierte die Prüfungsangst signifikant.
Insgesamt ist festzuhalten, dass zur Hypnotherapie zahlreiche Studien vorliegen, die meisten jedoch Einzelfalldarstellungen sind, die vielversprechende Ergebnisse aufweisen. Es fehlen jedoch kontrollierte sowie methodisch hochwertige Studien für einige Störungsbilder (Godoy 1999 [11], Revenstorf 2008 [27]).
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Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: Senf W, Broda M, Wilms B. Techniken der Psychotherapie. Stuttgart: Thieme; 2013.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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Literatur
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