Fang T.
et al.
Stage at which riluzole treatment prolongs survival in patients with amyotrophic lateral
sclerosis: a retrospective analysis of data from a dose-ranging study.
The Lancet Neurology, 2018 doi: 10.1016 / S1474-4422(18)30054-1
Ein Team des Kings College in London untersuchte die klinischen Daten von 959 ALS-Patienten,
die an der ersten Studie zum Dosisbereich von Riluzol teilgenommen hatten. Während
dieser Untersuchung wurden die Patienten randomisiert vier Therapiegruppen zugewiesen:
50 mg (237 Patienten), 100 mg (236 Patienten) oder 200 mg (244 Patienten) Riluzol
täglich bzw. Placebo. Die Studie wurde zwischen 1992 und 1994 durchgeführt, weswegen
die Patienten anhand der heute überholten El-Escorial-Kriterien klassifiziert wurden.
Zur besseren Kategorisierung der Patienten re-analysierte das Team die klinischen
Daten und wandte dazu retrospektiv das King’s Clinical Staging System an. Anhand dieses
Systems wurde die Erkrankung in fünf Stufen eingeteilt, von Stufe 1 (frühes Stadium)
bis Stufe 4 (spätes Stadium), wobei Stufe 5 den Tod des Patienten bedeutet. Berücksichtigt
werden verschiedene motorische Behinderungen, die für das Fortschreiten der ALS typisch
sind, bzw. Ernährungs- und respiratorische Probleme im späten Krankheitsstadium. Basierend
auf diesem Schema wurden 355 Patienten in Stufe 2, 451 Patienten in Stufe 3 und 153
Patienten im Stadium 4 in die Studie aufgenommen. Es wurden keine ALS-Patienten der
Stufe 1 erfasst.
Ergebnisse
Wie die Analyse der Daten ergab, verändert Riluzol nicht signifikant die Krankheitsprogression
im Vergleich zu Placebo bei Patienten der Stadien 2 und 3. Bei Patienten im Stadium
4 jedoch verlängerte sich die Lebenserwartung unter Riluzol signifikant gegenüber
Placebo und zwar vor allem in der Gruppe, die 100 mg Riluzol täglich erhielt. Dort
beobachtete man ein um 45 % reduziertes Sterberisiko im Vergleich zu Placebo.
Eine ähnliche Analyse führten die Autoren mit den klinischen Daten durch, die im Verlauf
der LiCALS Studie erhoben worden waren. Diese Studie schloss 210 ALS Patienten ein,
die randomisiert entweder Lithium oder Placebo erhielten. Wie die Analyse dieser Daten
ergab, verändert eine Behandlung mit Lithium nicht die Zeitdauer, die ein Patient
in einem Stadium verbleibt, verglichen mit Placebo. Das demonstriert, dass der in
der Dosisbereichs-Studie beobachtete Effekt eine spezifische Wirkung des Riluzols
ist und kein statistisches oder analytisches Artefakt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Riluzol die Überlebensrate von ALS Patienten
erhöht, indem es Stadium 4 verlängert. Es hat aber keinen Einfluss auf Stadium 2 oder
3 und verzögert auch nicht generell die Progression der Erkrankung. Laut der Arbeit
zeigt Riluzol dabei keine funktionellen Effekte, führt also bei ALS-Patienten im letzten
Stadium zu einer Verlängerung der Lebenserwartung ohne begleitende Funktionsverbesserung.
Ob die Behandlung mit Riluzol das Stadium 1 der Erkrankung beeinflusst, konnte in
dieser Studie nicht untersucht werden.
Dr. Markus Numberger, Kandel