Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Eine Cheilitis nach asiatischer Küche wurde beschreiben. Das Allergen wurde vermutet
in einer Speise mit Sojasauce mit Namen „shoyu“, einem traditionellen japanischen
Gericht. Pricktestung auf Soja und Weizen und die spezifischen IgE-Bestimmungen waren
negativ. Die Hauttestung mit der Soße des Gerichts zeigte Rötung und Quaddeln [1]. Während des Herstellungsprozesses entwickeln Sojasaucen vermehrt Histamin. Es sind
insbesondere die dunklen Soßen, die einen hohen Histamingehalt bei den Messungen aufwiesen.
Shoyu wird durch Kochen von Soja mit Salz, Alkohol, Aminosäuren, Glukose und Zucker
hergestellt. Shoyu-Flavone entstehen während der Fermentierung. Sie inhibieren Histidin-Decarboxylase,
was dazu führt, dass freigesetztes Histamin nicht mehr abgebaut wird. Eine Soja-Allergie
konnte ausgeschlossen werden, da sowohl der Prick-Test auf Soja als auch die spezifische
IgE-Bestimmung negativ verliefen [1]. Dieser Fall stellt eine Differenzialdiagnose zu einem T-Zell-vermittelten Kontaktekzem
der Lippen dar.
Das biogene Amin Histamin wird durch Decarboxylierung der Aminosäure Histidin synthetisiert.
Der Vorgang wird durch L-Histidindecarboxylase katabolisiert. Histamin kann metabolisiert
werden durch ein extrazelluläres oxidatives Entfernen der primären Aminogruppe durch
Diamonoxidase (DAO) oder durch intrazelluläre Methylierung des Imidazolrings durch
Histamin-N-Methyltransferase (HNMT). Daher führt eine insuffiziente Enzymaktivität
entweder durch Enzymmangel oder Inhibition zu einer Akkumulation des Histamins. Beide
Enzyme können durch ihr Reaktionsprodukt in einem negativen Feedback gehemmt werden.
N-Metyhlhistamin wird oxidativ deaminiert zu N-Metyhlimidazolaldehyd durch Monoaminooxidase
B (MAO-B) oder durch DAO. Da der Methylierungsweg im Zytosol der Zelle stattfindet,
geht man davon aus, dass MAO-B diese Reaktion katalysiert [2].
Die Symptomatik einer Histaminunverträglichkeit [3] besteht in Flush-Symptomatik, Juckreiz, Rötungen am gesamten Körper, üblicherweise
kein Brennen und kein Juckreiz an Mundschleimhaut und Lippen – aber dann eben doch
bei Haut-/Schleimhautkontakt wie bei der eben dargestellten Kasuistik [1]. Zusätzlich können Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe und abdominale Schmerzen auftreten.
Etwas seltener, aber möglich, ist eine Reaktion mit respiratorischen und kardiovaskulären
Symptomen mit Blutdruckabfall, Schwindel und Tachykardie. Entsprechend sind als Differenzialdiagnosen
entzündliche Darmerkrankungen, Kohlenhydratverwertungsstörungen, Zöliakie oder „echte“
Nahrungsmittelallergien auszuschließen. Histaminkonzentrationen über 1000 mg können
schwere Intoxikationen auslösen, z. B. nach Verzehr von verdorbenem Fisch (Scrombridae:
Thunfisch, Makrele) [3]. In der Diagnostik werden der Plasmahistaminspiegel, die Methylhistaminkonzentration
im Urin und die DAO-Aktivität im Serum gemessen. Dabei ist zu beachten, dass Methylhistamin
auch nach proteinreicher Nahrung ansteigt und tageszeitlichen Schwankungen unterliegt.
In der aktualisierten Fassung der Leitlinie [4] wird als Ursache für die Histaminintoleranz eine Erniedrigung der HNMT in geschädigtem
Kolongewebe diskutiert. Es existiert bisher kein objektiver Parameter für den Nachweis
einer Unverträglichkeit gegenüber exogen zugeführtem Histamin. Als Ursache unspezifischer
Gesundheitsstörungen ist eine Unverträglichkeit gegenüber exogen zugeführtem Histamin
aktuell „in“. Ein Therapieversuch wird üblicherweise mit H1/H2-Blockern unternommen,
einige Betroffene schwören auf die Substitution von DAO. Um Fehlernährungen zu vermeiden,
müssen die Differenzialdiagnosen ausgeschlossen und eine Sicherung über die dreistufige
Ernährungsumstellung erreicht werden.
Eine Nachweismethode ist die orale Provokation, üblicherweise mit 0,75 mg/kgKG Histaminhydrochlorid
– aber bei dieser Dosis hatten auch gesunde Probanden reagiert. Die Leitlinie empfiehlt
daher eine dreistufige Ernährungsumstellung mit Karenz (histaminarme Kost), dann Testphase
(histaminreiche Nahrungsmittel nacheinander einführen und individuelle Verträglichkeit
erarbeiten) und dann Dauerernährung (individuelle Ernährungsempfehlungen mit bedarfsdeckender
Nährstoffzufuhr). Die individuelle Empfindlichkeit schwankt stark, abhängig von Alkoholgenuss,
Hormonstatus, entzündlichen Darmerkrankungen und der Einnahme von Medikamenten (ASS,
NSAIDs). Auch der Histamingehalt in Nahrungsmitteln schwankt stark. So hat Emmentaler
Käse einen Histamingehalt zwischen 0,1 – 2000 mg/KG und geräucherte Makrele zwischen
0,1 – 1788 mg/KG Histamin. Histaminreiche Nahrungsmittel sind Fisch (Makrele, Hering,
Sardine, Thunfisch), Käse (Gouda, Camembert, Cheddar, Emmentaler, Schweizer, Parmesan),
Fleisch (geräucherte Würste, Salami, geräucherter Schinken), Gemüse (Sauerkraut, Spinat,
Tomatenketchup) und Rotweinessig. Diätpläne finden sie bei Reese et al. [5]. Eine histaminarme Kost beinhaltet prinzipiell den Verzicht auf Alkoholika, alle
geräucherten Fisch-, Fleisch oder Käseprodukte, Thunfisch, Makrelen und Rohmilchkäse.
Champagner und im Fass gereifter Rotwein entwickeln einen höheren Histamingehalt als
Weißweine aus dem Stahltank [6]. Ein Pommery Champagne Brut hat einen Histamingehalt von über 1000 µg/l, ein Lanson
Champagne Black Label Brut um 360 µg/l und ein Schlumberger Sparkling Brut 7,4 µg/l.
Christiane Bayerl, Wiesbaden