Key words
SUDEP - sudden unexpected death in epilepsy - generalized tonic-clonic seizure - seizure
control
Schlüsselwörter
SUDEP - plötzlicher - unerwarteter Tod bei Epilepsie - generalisierter tonisch-klonischer
Anfall - Anfallskontrolle
Definition und Epidemiologie
Definition und Epidemiologie
SUDEP bezeichnet den Tod von Menschen mit Epilepsie, der – beobachtet oder unbeobachtet
– plötzlich und unerwartet auftritt und für den eine Autopsie keine alternative strukturelle
oder toxikologische Erklärung aufzeigen kann [1].
Ein epileptischer Anfall kann SUDEP unmittelbar vorausgehen, stellt aber kein zwingendes
Kriterium dar. Ein dokumentierter Status epilepticus über mindestens 30 Min Dauer
schließt einen SUDEP jedoch aus [1]. SUDEP verursacht wahrscheinlich zwischen 5 und 30% aller vorzeitigen Todesfälle
von Epilepsiepatienten. [2] Die Inzidenz für Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre wird derzeit auf 0,22 je 1000
Patientenjahre und für Erwachsene auf 1,2 je 1000 Patientenjahre geschätzt, was einer
Gesamtinzidenz von 0,58 je 1000 Patientenjahre entspricht [3]. Als Risikofaktoren wurden identifiziert:
-
fokale Epilepsien mit frühem Beginn und schlechtem Ansprechen auf die Therapie,
-
das häufige Auftreten generalisierter tonisch-klonischer sowie nächtlicher Anfälle,
-
männliches Geschlecht sowie
-
junges Lebensalter [4]
[5]
[6]
[7].
Schwer behandelbare Epilepsien gehen dabei in der Regel mit einer Polypharmatherapie
einher, die zeitweise auch als unabhängiger Risikofaktor für SUDEP diskutiert wurde
[5]. Mangelnde Compliance bezüglich der Medikamenteneinnahme begünstigt wahrscheinlich
das Auftreten von SUDEP. Der Grund für diese Annahme ist, dass in der Mehrzahl der
SUDEP-Fälle unzureichende Serumspiegel der Antikonvulsiva festgestellt wurden [8]
[9]. SUDEP tritt meist unbeobachtet auf – die Patienten werden in der Regel am Morgen
tot in ihrem Bett aufgefunden [10]. Vereinzelte Studien führen als schwache protektive Faktoren eine positive Anamnese
für zerebrovaskuläre Erkrankungen oder Asthma Bronchiale an [2]
[11], jedoch ist nicht auszuschließen, dass diese Effekte auf Stichprobenverzerrungen
basieren. Abgesehen von SUDEP besteht bei Epilepsiepatienten auch ein erhöhtes Risiko,
frühzeitig an Pneumonien, vaskulären Erkrankungen oder tödlichen Unfällen, z. B. durch
Ertrinken, zu versterben [12]
[13].
Das SUDEP-Risiko ist altersabhängig: vor allem Patienten mit Epilepsie im Alter von
20 bis 40 Jahren, die etwa 50 % aller SUDEP-Fälle ausmachen, haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung
ein ca. 24-fach erhöhtes Risiko für einen plötzlichen und unerwarteten Tod [14]
[15].
Ein 20-jähriger, alleinlebender Mann wird am Morgen von einem befreundeten Nachbarn
leblos in seinem Bett aufgefunden. Er befindet sich in Bauchlage, das Gesicht liegt
auf einem großen Kissen. Der hinzugerufene Notarzt kann nur noch den Tod feststellen.
Die Eltern des Mannes berichten über eine Epilepsieerkrankung bei ihrem Sohn. Zuletzt
habe er die Medikamente nur noch unregelmäßig eingenommen, da ihn die Nebenwirkungen
beeinträchtigten und es ausschließlich nachts zu „großen Anfällen“ gekommen sei, die
aber stets nach wenigen Minuten von selbst aufgehört hätten.
Die MORTEMUS-Studie
Der klinische Ablauf des SUDEP blieb über viele Jahrzehnte ungeklärt. Erst im Jahr
2013 charakterisierten die Autoren einer multizentrischen Studie mehrere beobachtete
SUDEP- und beinahe-SUDEP- Fälle in Epilepsie-Monitoring-Einheiten (Mortality in Epilepsy
Monitoring Unit Study [16]). Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie können im Rahmen eines Epilepsie-Monitorings
ihre Anfälle in spezialisierten Zentren aufzeichnen lassen, um die Möglichkeit einer
epilepsiechirurgischen Therapie zu überprüfen. Hierbei werden die Patienten über mehrere
Tage mittels Video sowie konstanter EEG-Ableitung überwacht. Zudem werden Kreislaufparameter
wie Herzfrequenz, EKG und in manchen Zentren auch die Sauerstoffsättigung des Blutes
erfasst. Damit in einem absehbaren Zeitrahmen eine ausreichende Anfallsaufzeichnung
gelingen kann, werden die antiepileptischen Medikamente der Patienten während des
Epilepsie-Monitorings in der Regel reduziert und teilweise sogar komplett abgesetzt.
Ergebnisse der MORTEMUS-Studie
Alle der 16 beobachteten SUDEP- und 7 der 9 beobachteten beinahe-SUDEP-Fälle in der
MORTEMUS-Studie traten im unmittelbaren Anschluss an einen generalisierten tonisch-klonischen
Anfall auf [16].
Bei 10 der in der MORTEMUS-Studie aufgezeichneten SUDEP-Fälle konnte die zeitliche
Sequenz der relevanten respiratorischen und kardialen Parameter bis zum Eintritt des
Todes quantifiziert werden. Hierbei fand sich zu Beginn der postiktalen Phase zunächst
eine Hyperpnoe mit 18 bis 50 Atemzügen pro Minute, gefolgt von Apnoeperioden, die
25–180 s postiktal einsetzten. Innerhalb der ersten drei Minuten kam es zu einer frühen
kardialen Dysfunktion (15–140 s postiktal), die als Bradykardie begann und bei 9 von
10 Patienten 20–190 s postiktal in eine Asystolie mündete. Nach Anfallsende flachten
die Amplituden im EEG jeweils ab – ein möglicher Ausdruck einer generalisierten Suppression
der Hirnaktivität. Im zeitlichen Ablauf ereignete sich die terminale Apnoe stets vor
der terminalen Asystolie. Während bei 3–4 der Patienten bereits die frühe kardiale
Dysfunktion zum Tod führte, zeigten die übrigen Patienten zunächst eine kurzzeitige
Erholung von Atmung und Herzfunktion. Nach wenigen Minuten trat aber auch bei ihnen
ein vollständiger Kreislaufstillstand ein. In 2 von 5 aufgezeichneten beinahe-SUDEP-Fällen
zeigte sich ein ähnlicher Ablauf (generalisierter Anfall gefolgt von Apnoe und Asystolie).
Die Autoren der MORTEMUS-Studie bezeichneten dieses Muster als frühen postiktalen
neurovegetativen Zusammenbruch („early postictal neurovegetative breakdown“), der
entweder unmittelbar oder verzögert zum Tod führt ([Abb. 1]). Interessant: in 2 der in der MORTEMUS-Studie beschriebenen beinahe-SUDEP-Fälle
ist der postiktale neurovegetative Zusammenbruch nach fokalen Anfällen ohne sekundäre
Generalisierung aufgetreten. Während tatsächlicher SUDEP meistens nachts auftrat,
ist es zu beinahe-SUDEP-Fällen häufiger tagsüber gekommen [16].
Abb. 1 Ablauf des postikalen vegetativen Zusammenbruchs (Schema).
Atmungsregulation und anfallsassoziierte respiratorische Dysfunktion
Atmungsregulation und anfallsassoziierte respiratorische Dysfunktion
Die anfallsassoziierte respiratorische Funktionsstörung scheint eine zentrale Rolle
beim SUDEP zu spielen. Vermutlich führt die Propagation einer langsamen Depolarisationswelle
zum Hirnstamm während eines Anfalls zu einer Dysregulation primär der Atmung und sekundär
der Herzaktivität führt [10]
[17]
[18].
Eine Autopsie von an SUDEP-verstorbenen Patienten hat in 62% der Fälle pulmonale Ödeme
nachgewiesen [19]. Vorübergehende zentrale Apnoen kommen bei unterschiedlichen Anfallstypen auch unabhängig
von SUDEP in einer Häufigkeit von 33 bis 43% der Fälle vor [20]
[21]. Pulmonale Ödeme nach massiver Katecholamin-Freisetzung wurden ebenfalls im Anschluss
an generalisierte Anfälle beobachtet, die nicht in einen SUDEP mündeten [10]
[22]
[23]. Zudem wurde in einer Studie bei 33% der aufgezeichneten fokalen Anfälle ein relevanter
Anstieg des endtidalen CO2-Gehalts gemessen [24]. In der MORTEMUS-Studie wurden Patienten, die an einem SUDEP verstorben sind, überdurchschnittlich
häufig in Bauchlage vorgefunden, was möglicherweise die ineffektive postiktale Atmung
weiter erschwerte [16].
In der Autopsie findet sich ein Zungenbiss und ein pulmonales Ödem, was auf einen
abgelaufenen generalisierten tonisch-klonischen Anfall hindeutet. Die Serumspiegel
der Antiepileptika liegen deutlich unterhalb des typischen Referenzbereichs. Es ergeben
sich keine Hinweise auf eine Todesursache durch Intoxikation oder Trauma. Auch findet
sich kein Hinweis auf eine über die Epilepsie hinausgehende Erkrankung.
Postiktale EEG-Suppression
Postiktale EEG-Suppression
Bei den in der MORTEMUS-Studie aufgezeichneten SUDEP-Fällen zeigte sich postiktal
eine generalisierte EEG-Suppression (PGES) mit Amplituden nicht größer als 10 µV [16]
[25]. Ein derartiges EEG-Phänomen wird allerdings häufig auch nach generalisierten Anfällen
beobachtet, die nicht zum Tode führen. Daher handelt es sich zunächst nicht um ein
SUDEP-spezifisches Merkmal ([Abb. 2])[16]. Allerdings konnte gezeigt werden, dass es insbesondere nachts, also zu der für
SUDEP typischen Zeit, nach generalisierten Anfällen häufiger zu PGES kommt [26]
[27]. Es ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob eine besonders lange Dauer der
postiktalen EEG-Suppression als Prädiktor eines künftigen für SUDEP angesehen werden
kann [17]
[27]
[28].
Abb. 2 Das EEG zum Ende eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls zeigt neben Bewegungsartefakten
eine postiktale generalisierte EEG-Suppression (PGES).
Kardiovaskuläre Dysfunktion
Kardiovaskuläre Dysfunktion
Die aufgezeichneten SUDEP-Patienten der MORTEMUS-Studie zeigten innerhalb der ersten
3 min postiktal eine kardiale Dysfunktion, die insbesondere durch eine sekundäre Bradykardie
mit weniger als 45 Schlägen/Minute gekennzeichnet war, bevor direkt oder nach einer
kurzen Erholung eine Asystolie einsetzte [16].
In weiteren veröffentlichten SUDEP- oder beinahe-SUDEP-Fällen konnten als seltene
aber schwerwiegende Anfallsfolge teilweise kardiale Arrhythmien festgestellt werden
[29]
[30]
[31]. In dieser Hinsicht wird im Rahmen der SUDEP-Pathogenese eine autonome Dysfunktion
diskutiert [31]
[32]. Epilepsiepatienten weisen insgesamt eine erniedrigte Herzfrequenzvariabilität und
somit eine verminderte vagale bzw. eine erhöhte sympathische Aktivität auf, was auf
ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hindeutet [32]. In einem Fall wurde bei einem SUDEP-Patienten eine verkürzte QT-Zeit beobachtet,
während es bei epileptischen Anfällen im Allgemeinen häufiger zu QT-Verlängerungen
kommt, vor allem bei einer Anfallsgenese im linken Temporallappen [31]
[33]. Unabhängig von SUDEP sind epileptische Anfälle häufig mit iktalen Tachykardien
und seltener auch mit iktalen Bradykardien und Asystolien vergesellschaftet [10]
[34]
[35]. Möglicherweise führen wiederholte Anfälle dazu, dass es bei länger andauernder
Erkrankung zu strukturellen Änderungen von autonomen Zentren und damit zu interiktalen
Änderungen der Herzfrequenz kommt [36]. Zudem können im Zuge einer durch generalisierte Anfälle ausgelösten Katecholaminfreisetzung
auch Tako-Tsubo-Kardiomyopathien entstehen [37]. Insgesamt ist das Verhältnis von kardialen Erkrankungen und Epilepsien sehr komplex
und reicht über Fragen der Pathophysiologie des SUDEP weit hinaus [38].
Arterieller Blutdruck
Die Regulation des arteriellen Blutdrucks im epileptischen Anfall ist wenig untersucht.
Eine klinische Studie zeigte zumindest, dass der arterielle Blutdruck regelhaft mit
fokalen und generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ansteigt und kurze Zeit nach
Anfallsende wieder auf die Ausgangswerte abfällt [39]. In diesem Zusammenhang ist eine Kasuistik erwähnenswert, bei der nach einem generalisierten
tonisch-klonischen Anfall eine relevante arterielle Hypotension aufgetreten ist. Diese
wurde als mögliche SUDEP-Ursache diskutiert [40]. Eine vorübergehende Verminderung des Baroreflexes nach generalisierten tonisch
klonischen Anfällen könnte das Auftreten einer relevanten Hypotension begünstigen
[41].
Risikoeinschätzung für SUDEP
Risikoeinschätzung für SUDEP
Auch wenn im Laufe der Zeit immer mehr pathophysiologische und klinische Details des
SUDEP beschrieben wurden, fehlen verlässliche Biomarker zur individuellen Risikoabschätzung.
Erschwerend kommt hinzu, dass SUDEP wahrscheinlich verschiedene Ursachen hat.
Obwohl die überwiegende Anzahl von SUDEP-Fällen mit Anfällen bei schwer behandelbarer
Epilepsie auftritt, wurde SUDEP auch in Abwesenheit von Anfällen beschrieben. Deshalb
kann eine Fokussierung auf (peri-)iktale Mechanismen nicht das gesamte Spektrum von
SUDEP-Fällen erklären [42]
[43].
Die Suche nach verlässlichen Biomarkern
Die meisten pathophysiologischen Erklärungsansätze liegen derzeit für den anfallsassoziierten
SUDEP vor. So konnten auf genetischer Ebene im Tiermodell bei einer Serotoninrezeptor-Knockout-Maus
(5-HT2C) epileptische Anfälle beobachtet werden, die in einen tödlichen Atemstillstand
mündeten [44]. Weitere Tierexperimente zeigten in Mäusen mit bestimmten genetischen Ausstattungen
(DBA/1 und DBA/2) einen Zusammenhang von verminderter Serotoninproduktion und -transmission
mit tonischen Anfällen. Die Anfälle führten zunächst zu einem Atemstillstand und im
Verlauf zu einer terminalen Asystolie [45]
[46]
[47]
[48]. Eine weitere im Tiermodell generierte Theorie sieht in einer anfallsassoziiert-erhöhten
Adenosinkonzentration einen wichtigen Faktor, der nachfolgende Apnoen und Asystolien
auslösen kann [49]. Darüber hinaus scheinen endogene Opioide eine wichtige Rolle bei der zentralen
iktalen Aktivität zu spielen, sodass auch hier ein Zusammenhang mit der SUDEP-Entstehung
diskutiert wird [50]. Aufgrund der Vergesellschaftung von epileptischen Anfällen mit teilweise tödlichen
kardialen Ereignissen wurden auch genetische Loci untersucht, denen eine doppelte
Rolle in Bezug auf neuronale und kardiale Funktionen zukommt [51]. In der strukturellen Neurobildgebung mittels Magnetresonanztomografie konnten ebenfalls
erste Ergebnisse erzielt werden, die die Ermittlung von SUDEP-spezifischen Biomarkern
in diesem Bereich in Zukunft möglich erscheinen lassen. SUDEP-assoziierte Phänomene
waren z. B. eine volumetrische Zunahme der grauen Substanz in rechtsseitigen mesiotemporalen
Strukturen mit gleichzeitiger Abnahme im posterioren Thalamus sowie spezifische Atrophiemuster
des Hirnstamms [52]
[53].
Vorbeugung
Anfallsreduktion als wichtigste Präventionsmaßnahme
SUDEP tritt in den meisten Fällen wahrscheinlich nach generalisierten, tonischklonischen
Anfällen auf. Bereits Patienten mit 1–2 generalisierten tonisch-klonischen Anfällen
pro Jahr haben ein etwa 5-fach erhöhtes Risiko für SUDEP gegenüber Patienten ohne
generalisierte tonisch-klonische Anfälle [54]. Daher ist die Prävention gerade dieses Anfallstyps derzeit der vielversprechendste
Ansatz zur Verhinderung des SUDEP. Dies kann insbesondere durch eine adäquate antiepileptische
Pharmatherapie erreicht werden, wobei der Compliance des Patienten eine wichtige Rolle
zukommt [55]. Wichtige Faktoren für eine regelmäßige Einnahme der antiepileptischen Medikation
sind der sozioökonomische Status und eine tolerable Belastung durch Nebenwirkungen
[56]. Durch medikamentöse Therapie kann bei ca. 2/3 aller Epilepsiepatienten vollständige
Anfallsfreiheit erzielt werden [57]. Bei den verbleibenden schwer behandelbaren Epilepsien kann für geeignete Kandidaten
durch einen erfolgreichen epilepsiechirurgischen Eingriff das Risiko für epileptische
Anfälle und für SUDEP relevant vermindert werden [58]. Zudem wurde gezeigt, dass auch eine neuromodulatorische Therapie mittels Vagusnerv-Stimulation
das SUDEP-Risiko reduzieren kann [59].
Weitere Möglichkeiten der Vorbeugung
Eine vollständige Anfallsfreiheit ist bei einem Teil der Epilepsiepatienten nicht
erreichbar. Daher kann in einem zweiten Schritt versucht werden, in der SUDEP-spezifischen
fatalen Kaskade anzusetzen, die postiktal zunächst zu respiratorischen und dann zu
kardialen Ausfällen führt. In Mausmodellen konnte bereits durch Gabe von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern
(SSRI) einer postiktalen zentralen Apnoe erfolgreich entgegengewirkt – die SUDEP-Rate
sank. In den entsprechenden Studien wurden Mäuse der Linien DBA/1 und DBA/2 verwendet.
Diese zeigten nach audiogenen Anfällen einen respiratorischen Arrest zeigten, wobei
der Ablauf durch serotonerge Mechanismen modulierbar war [46]
[60]. Hier könnten präventive Strategien auch beim Menschen ansetzen, bspw. im Sinne
einer prophylaktischen Gabe von SSRI bei Patienten mit erhöhtem SUDEP-Risiko. Erste
pharmakologische Studien zeigten eine ausreichende Sicherheit vor Nebenwirkungen und
erbrachten teilweise sogar Hinweise auf ein mögliches antiepileptisches Potential
dieser Substanzklasse [61]
[62]
[63]
[64]. Zudem konnte in einer retrospektiven Studie gezeigt werden, dass es bei Epilepsiepatienten
unter SSRI-Medikation seltener zu relevanten respiratorischen Dysfunktionen nach fokalen
Anfällen gekommen war als bei Patienten einer gleichaltrigen Vergleichsgruppe [65]. Eine prospektive, kontrollierte Prüfung steht jedoch noch aus.
Ein weiterer, noch weitgehend spekulativer Ansatzpunkt ist das Adenosinsystem. Dieses
ist nicht nur pharmakologisch, z. B. durch Koffein als Adenosinrezeptorantagonist,
sondern auch durch Lebensstilfaktoren wie Diät, Schlaf und Sport beeinflussbar. Einer
möglicherweise durch Opioide mitvermittelte Atemdepression könnte im akuten Fall ggf.
durch Antagonisten wie Naloxon oder Naltrexon vorgebeugt werden [66]
[67]. Daneben stellt auch die Organisation und technische Ausstattung von Epilepsie-Monitor-Einheiten
einen wichtigen Ansatzpunkt dar, da die Patienten hier aufgrund der häufig stattfindenden
pharmakologischen Abdosierung besonders gefährdet sind. In der MORTEMUS-Studie zeigte
sich, dass der postiktale neurovegetative Zusammenbruch im Rahmen des SUDEP innerhalb
der ersten drei Minuten abläuft. Patienten, bei denen Wiederbelebungsmaßnahmen in
diesem Zeitfenster begonnen wurden, konnten erfolgreich reanimiert werden [16]. Ein früher Beginn lebenserhaltender Sofortmaßnahmen stellt also eine wichtige Strategie
dar, sofern es bereits zur Initiierung des neurovegetativen Zusammenbruchs gekommen
ist. Da es insbesondere nachts zu SUDEP-Fällen kommt, sollte die permanente Besetzung
von EEG-Monitoreinheiten mit in Wiederbelebungsmaßnahmen geschultem Personal gewährleistet
sein [6].
Es konnte gezeigt werden, dass nächtliche Überwachung auch in häuslicher Umgebung
einen positiven Beitrag zur Verhinderung von SUDEP leisten kann, sei es durch technische
Vorrichtungen oder durch das Schlafen einer weiteren Person im Raum des Patienten
[11]. Eventuell kann zudem durch Gebrauch eines kleinen, harten Schlafkissens (Anti-Asphyxie-Kissen)
einer postiktalen Hypoxie relevant entgegengewirkt werden [68].
Aufklärung über SUDEP
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Aufklärung über SUDEP als mögliche Komplikation
einer Epilepsie. Das Wissen über SUDEP ist bei Epilepsiepatienten gering ausgeprägt,
wie 2 kürzlich erschienene Studien übereinstimmend in einem tertiären Epilepsiezentrum
in Australien (14%) und in Deutschland (13%) festgestellt haben [69]
[70].
Ein großer Teil der Epilepsiepatienten und ihrer Angehörigen wünschen, über das individuelle
Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie SUDEP aufgeklärt zu werden, auch wenn
die Eintrittswahrscheinlichkeit gering ist. Hierbei variieren die Studienergebnisse
jedoch hinsichtlich des aufklärungswilligen Patientenanteils beträchtlich (89% der
Patienten in einem australischen gegenüber ca. 50% in einem deutschen Epilepsiezentrum
[69]
[70]). In Großbritannien wird seit einigen Jahren in einer offiziellen Leitlinie empfohlen,
eine bedarfsgerechte Aufklärung über das individuelle SUDEP-Risiko als Teil der Beratung
von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Epilepsie sowie ihren Angehörigen und
Betreuern vorzunehmen [71]. Einer Empfehlung der amerikanischen Epilepsiegesellschaft zufolge sollten Erwachsene
Patienten darüber informiert werden, dass SUDEP ca. 1 von 1000 Epilepsiepatienten
betrifft. Für Kinder mit Epilepsie sollte dementsprechend eine Aufklärung der Angehörigen
darüber erfolgen, dass SUDEP in 1 von 4500 Kindern mit Epilepsie auftritt [3]. Um übertriebenen Ängsten entgegenzuwirken, soll in diesen Zusammenhang darauf hingewiesen
werden, wie viele Patienten statistisch gesehen nicht an SUDEP versterben (999 von
1000 Erwachsenen und 4499 von 4500 Kindern mit Epilepsie) [72]
[73]. Der Empfehlung, Epilepsiepatienten und ihre Angehörigen und Betreuer über SUDEP
aufzuklären, schließen sich die Autoren dieses Artikels ausdrücklich an. Hierbei ist
jedoch anzumerken, dass ein individuelles Risiko anhand der bisherigen Studienlage
nur abgeschätzt, jedoch nicht exakt berechnet werden kann [74].
Als Todesursache wird letztlich ein SUDEP festgestellt. Die Eltern des Patienten erinnern
sich nun daran, dass ihr behandelnder Neurologe sie und ihren Sohn einmal in einem
Nebensatz über diese seltene Komplikation aufgeklärt hat. Aufgrund der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit
für SUDEP habe ihr Sohn sich jedoch weitgehend sicher gefühlt. Zudem habe er nach
dem Auszug aus dem Elternhaus ein selbstbestimmtes Leben führen und die Epilepsieerkrankung
so weit wie möglich vergessen wollen. Die Antiepileptika hätten ihn zuletzt insbesondere
dabei behindert, Gewicht zu verlieren und in der Berufsschule gute Leistungen zu erbringen.
-
Der plötzliche, unerwartete Tod bei Epilepsie (SUDEP) stellt eine seltene, aber gravierende
Gefahr für Epilepsiepatienten dar. Obwohl es sich um eine noch relativ wenig verstandene
Komplikation handelt, konnte gezeigt werden, dass generalisierte tonisch-klonische
Anfälle für das individuelle Risiko und häufig auch für die Pathophysiologie eine
wichtige Rolle spielen.
-
SUDEP-Fälle, die in Video-EEG-Einheiten aufgezeichnet werden konnten, gingen mit einer
drastischen postiktalen, neurovegetativen Funktionsstörung einher, die zunächst zu
einem Atemstillstand und im Verlauf zu einer Asystolie führte.
-
SUDEP tritt häufig nachts auf und junge, männliche Patienten sind etwas häufiger betroffen.
-
Maßnahmen zur Verhinderung von SUDEP betreffen insbesondere die meist pharmakologische
Kontrolle von generalisierten tonisch-klonischen Anfällen sowie eine nächtliche Überwachung
von gefährdeten Patienten.
-
Sudden unexpected death in epilepsy is a rare but severe threat for epilepsy patients.
Although still poorly understood, it was already shown that generalized tonic-clonic
seizures are involved in the pathophysiology and therefore play an important role
as a risk factor.
-
SUDEP cases that were recorded in Video-EEG-Units came along with a postictal neurovegetative
breakdown, leading to primary apnoea and finally to asystole.
-
SUDEP is occurring mostly at night with young, male patients being predominantly at
risk.
-
Measures to prevent SUDEP include the control of generalized tonic-clonic seizures
as well as nocturnal surveillance of patients at higher risk.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist PD Dr. med Rainer Surges, Aachen.