Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(06): 561-562
DOI: 10.1055/a-0632-0676
DGGG
Mitteilungen aus der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Berlin, 18.05.2018 – Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zum Thema D16-01 Nichtinvasive Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors zur Vermeidung einer mütterlichen Rhesus-Sensibilisierung

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. Juni 2018 (online)

Wir stimmen den wesentlichen Aussagen des Vorberichts des IQWIG zu. Wie die Autoren herausstellten, liegen derzeit keine vergleichenden Interventionsstudien vor, in denen die nichtinvasive Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors zur gezielten Anti-D-Prophylaxe untersucht wurde. Daher ist die Evidenz ausstehend, inwiefern sich aus der Einführung einer gezielten Anti-D-Prophylaxe ein patientenrelevanter Nutzen oder Schaden ergeben könnte. Es liegen jedoch zahlreiche aktuelle Berichte aus Ländern vor, die regional oder national das NIPT-Rhesus-Screening etabliert haben. Folgende Punkte sind aus unserer Sicht nicht ausreichend im Bericht gewürdigt:

  1. Die Ergebnisse der nichtinvasiven Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors aus mütterlichem Blut beruhen auf Studien. Diese reflektieren möglicherweise nicht die in der Praxis tatsächlich erzielbare Sensitivität und Spezifität der nichtinvasiven Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors, insbesondere da diese vom Gestationsalter abhängig ist. Es konnte gezeigt werden, dass nach der 11. SSW die Resultate sehr valide sind.

  2. In Dänemark wurde 2010 landesweit das Screening von rhesusnegativen, nicht immunisierten Schwangeren in der 25. SSW bezüglich des fetalen Rhesusfaktors aus maternalem Blut eingeführt. Ein 2-jähriges Follow-up ergab eine falsch positive Rate von 0,087% (95%-KI: 0,04 – 0,16%) (Banch-Clausen F et al. Prenatal Diagn 2014). Auch in den Niederlanden wurde das NIPT-RHD-Ergebnis mit dem serologisch ermittelten RhD-Status des Neugeborenen verglichen. Es wurden 8 falsch negative Testergebnisse auf 25 000 Untersuchungen (0,03%) beschrieben. Die Autoren des IQWIG-Vorberichts gehen von einer mittleren falsch positiven Rate von 0,2% aus, wodurch eine deutlich höhere Rate an Immunisierungen folgen könnte.

  3. Das Risiko einer zusätzlichen Immunisierung nach Einführung des NIPT-Rhesus-Screenings durch falsch negative Resultate wird im Bericht überbewertet. Durch die Durchführung von zusätzlichen Kontrollreaktionen im Labor kann die Rate von falsch negativen Befunden weiter reduziert werden (Legler TJ. Transfusionsmed 2014). Chitty et al. beziffern das Risiko einer zusätzlichen Rhesusimmunisierung nach Einführung des NIPT-Rhesus-Screenings auf 0,07 auf 100 000 Geburten (Chitty LS et al. BMJ 2014). Eine schwedische Beobachtungsstudie konnte zeigen, dass nach der regionalen Einführung der gezielten Anti-D-Prophylaxe die Immunisierungsrate postnatal sogar signifikant reduziert wurde im Vergleich zur historischen Kohorte (Tiblad E et al. PLoS One 2013).

  4. Solange keine Methode zum routinemäßigen Nachweis fetaler DNA bei der nichtinvasiven Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors existiert, ist eine flächendeckende Anwendung des Tests in Deutschland routinemäßig kritisch zu bewerten. Dennoch geht der IQWIG-Vorbericht nicht auf die Möglichkeit ein, dass wie in bestimmten Ländern (Österreich, Schweiz, Belgien oder Frankreich) regional die Option der pränatalen Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors aus maternalem Blut angeboten werden kann.

  5. Hinsichtlich Mehrlingsschwangerschaften ist die Datenlage gering, sodass alle Aussagen bezüglich der NIPT-Untersuchung bezüglich des fetalen Rhesusfaktors ausschließlich für Einlinge gelten können.

  6. In Deutschland ist derzeit in den Mutterschaftsrichtlinien festgelegt, dass alle rhesusnegativen Schwangeren eine präpartale und bei der Geburt eines rhesuspositiven Kindes auch eine postnatale Anti-D-Prophylaxe erhalten sollen. Einige Länder haben nur die postnatale Anti-D-Prophylaxe eingeführt. Dieser Punkt kann kritisch diskutiert werden, ist jedoch nicht Teil der Untersuchung. Daher ist die Aussage im IQWIG-Vorbericht auf Seite 9, dass es keine Evidenz gibt, ob eine zusätzliche präpartale Anti-D-Prophylaxe das Auftreten hämolytischer Anämien reduzieren kann, nicht relevant.

  7. Die für die Gewinnung des Anti-D erforderliche Immunisierung gesunder Spender sowie die Tatsache, dass in Deutschland kein Anti-D-Immunglobulin hergestellt wird (ethischer Aspekt bei nicht indizierter präpartaler Anti-D-Prophylaxe sowie mangelnde Selbstversorgung mit Blut- und Blutprodukten wie gemäß Transfusionsgesetz gefordert), wurde nur teilweise bzw. gar nicht berücksichtigt.

  8. Der Stellenwert einer erythrozytären Alloimmunisierung für zukünftige Transfusionen (Probleme bei der Versorgung mit Erythrozytenkonzentraten sowie die Gefahr einer hämolytischen Transfusionsreaktion) sowohl der Spender des Anti-D als auch der Schwangeren, die durch eine nicht durchgeführte Prophylaxe immunisiert werden, wurde nicht berücksichtigt.

  9. Die Risikobetrachtung des Vorberichts, falls das Ergebnis des präpartalen Tests als Ersatz für die postnatale Bestimmung des Rhesusfaktors herangezogen wird, ist rein hypothetisch und entspricht nicht der aktuellen Praxis. Ein solches Vorgehen („Pränataltest ersetzt bisherigen Postnataltest“) ist ferner nicht in Übereinstimmung mit der aktuell gültigen Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer (Gesamtnovelle 2017). Diese sieht eine Bestimmung des Rhesusfaktors D nach der Geburt, vorzugsweise aus Nabelschnurblut, vor. Ferner kann laut Richtlinie Hämotherapie eine Rhesusprophylaxe entfallen, wenn der Fetus mit einem validierten Verfahren RhD-negativ bestimmt wurde. Die entsprechenden Abschnitte des Vorberichts sollten daher nur unter Berücksichtigung der Vorgaben der Richtlinie Hämotherapie formuliert und neu diskutiert werden.

Verfasser

Die Stellungnahme wurde von

Prof. Dr. A. Salama, Institut für Transfusionsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Dr. B. Mayer, Institut für Transfusionsmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin

und

PD Dr. C. Bamberg, OA Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

verfasst.

Herzliche kollegiale Grüße

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Prof. Dr. Birgit Seelbach-Göbel

Präsidentin der DGGG e. V.

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Prof. Dr. Matthias W. Beckmann

Stellungnahmebeauftragter der DGGG e. V.