Die Maskeneinleitung spielt für viele eine zentrale Rolle in der Kinderanästhesie und vielerorts werden sogar fast alle Kinder primär mit der Maske eingeleitet [1]; für andere Anästhesisten hingegen ist die Maskeneinleitung die große Ausnahme, potentiell gefährlich und nur für Fälle reserviert, wo der Venenzugang nicht gelingt [2]. Wie soll nun diese Studie, die bei Kindern mit hohem Risiko mehr Komplikationen bei der Maskeneinleitung zeigt, die bisher weltweit sehr divergierende Praxis in Zukunft beeinflussen?
Folgende Faktoren sind zu berücksichtigen Die Untersuchung stammt aus einer Institution, die eine sehr hohe pädiatrische Expertise hat; nicht überall wird der Anästhesist gleich erfolgreich auf Anhieb Venen punktieren und so zuverlässig beim Eintreten der Apnoe mit der Maske beatmen können. Am Princess Margaret Hospital for Children in Perth wird auch im Alltag eine intravenöse Einleitung der Maskeneinleitung vorgezogen, was zu einer hohen Vertrautheit mit diesem Vorgehen führt. Man kann die Dinge besonders gut, die man jeden Tag macht.
Bei der intravenösen Einleitung werden oberflächliche Anästhesiestadien rasch durchlaufen und schnell wird eine Anästhesietiefe erreicht, die das Platzieren einer Larynxmaske erlaubt. Dies kann das seltenere Auftreten eines Laryngospasmus zwangslos erklären. Andererseits wäre bei der inhalativen Einleitung der venöse Zugang nicht zwingend vor dem Platzieren der Larynxmaske erforderlich, eine bewährte Praxis am Kinderspital Luzern, was die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Anästhesisten auf den Atemweg ermöglicht und den Ablauf beschleunigen kann.
Schwieriger zu erklären ist, weshalb auch im weiteren Verlauf die intravenöse Einleitung „die Nase vorne hat“. Der Schreibende zweifelt persönlich, dass medikamentöse Faktoren oder eine andere inflammatorische Antwort alle Unterschiede erklären können, und vermutet, dass eher prolongierte Phasen spontaner Atmung mit Atelektasebildung und Sekret eine mögliche Ursache sind. Vielleicht würden bei der Verwendung eines Kreissystems die Unterschiede etwas geringer ausfallen, da es in den Händen des Schreibenden besser ermöglicht, konstant einen positiven Atemwegsdruck aufrechtzuerhalten.
Diese Vorteile der intravenösen Einleitung fanden sich bei Kindern mit besonders hohem Risiko [3], was nicht zwangslos bedeutet, dass diese Befunde verallgemeinert werden können.
Auch die Maskeneinleitung hat Vorteile Mit der Maske kann ohne liegenden Venenzugang eingeleitet werden; ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist. Selbst in Kinderkliniken gelingt bei Kindern unter einem Jahr der Venenzugang in rund der Hälfte der Fälle nicht auf Anhieb [4]. Auch in der vorliegenden Studie, wo alle Kinder vom zuständigen Anästhesisten als "geeignet" für eine Randomisierung beurteilt wurden, wurde bei 10 % der Kinder wegen logistischen oder technischen Problemen von der geplanten intravenösen Einleitung abgesehen.
Die intravenöse Einleitung mit Propofol und Opioid bewirkt immediat einen Atemstopp, d. h. der Anästhesist steht sofort unter Handlungszwang und muss das Kind beatmen können, insbesondere, wenn vorher nur Raumluft geatmet wird. Bei der inhalativen Einleitung hingegen bleibt die spontane Atmung lang erhalten, die Veränderungen erfolgen graduell und auch bei der Verwendung von Lachgas wird immer mit mindestens 40 % Sauerstoff präoxygeniert bevor die Wirkung der Anästhetika eintritt.
Zusammenfassend, die inhalative und die intravenöse Einleitung haben beide einen Platz in der Kinderanästhesie. Aufgrund dieser Daten wird sich aber der Anästhesist bei Kindern mit hohem Risiko wohl eher für eine intravenöse Einleitung entscheiden, wenn der Venenzugang einfach gelingt. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass intravenöses Einleiten mit zelotischem Eifer, als alleinige Maßnahme, alle Probleme des klinischen Alltags lösen kann.
Autorinnen/Autoren
Dr. med. Martin Jöhr, ehemals Co-Chefarzt, Klinik für Anästhesie, Rettungsmedizin und Schmerztherapie, Luzerner Kantonsspital, Schweiz
Literatur
[1] Fesseau R, Alacoque X, Larcher C et al. An ADARPEF survey on respiratory management in pediatric anesthesia. Paediatr Anaesth 2014; 24: 1099 – 1105
[2] Jöhr M. Inhalative und intravenöse Anästhesie bei Kindern. Anaesthesist 2016; 65: 415 – 422
[3] von Ungern-Sternberg BS, Boda K, Chambers NA et al. Risk assessment for respiratory complications in paediatric anaesthesia: a prospective cohort study. Lancet 2010; 376: 773 – 783
[4] Cuper NJ, de Graaff JC, van Dijk AT et al. Predictive factors for difficult intravenous cannulation in pediatric patients at a tertiary pediatric hospital. Paediatr Anaesth 2012; 22: 223 – 229