Schlüsselwörter
Gastroenteritis - Diarrhö - Isolierung
Einleitung
Die akute infektiöse Gastroenteritis (iGE) ist ein häufiges, meist ambulant erworbenes
Krankheitsbild, das mit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Bauchschmerzen einhergeht
und nicht selten zur stationären Aufnahme führt.
Geschätzt erfolgen jährlich etwa 3 300 000 medizinische Konsultationen aufgrund ambulant
erworbener iGE (modifiziert nach [1]). Etwa 254 000 Patienten befanden sich 2017 mit der Hauptdiagnose einer iGE in stationärer
Behandlung (abgerufen über das Statistische Bundesamt, [2]). Von diesen waren ungefähr 4000 Patienten im Krankenhaus gestorben (d. h. die iGE
ist nicht zwingend Todesursache).
Obwohl die Ursachen vielgestaltig und die Charakteristika der verursachenden Viren
und Bakterien heterogen sind, werden aus pragmatischen Gründen homogene krankenhaushygienische
Maßnahmenpakete empfohlen, da der verursachende Erreger zum Aufnahmezeitpunkt oft
noch nicht bekannt ist. Durch die so indizierte Isolierung der betroffenen Patienten
über unterschiedliche Dauer werden erhebliche ökonomische Ressourcen beansprucht und
parallel möglicherweise stigmatisierende Einschränkungen der betroffenen Patienten
in Kauf genommen, um nachvollziehbar ein nosokomiales Ausbruchsszenario zu verhindern.
Definition
Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird das Absetzen von 3 oder mehr flüssigen
Stuhlgängen pro Tag als Diarrhö bezeichnet [3]. Ausgehend von der Symptomdauer lassen sich die akute (< 14 Tage), die persistierende
(14 – 29 Tage) und die chronische Diarrhö (≥ 30 Tage) unterscheiden [4].
Im klinischen Alltag hat sich die Einteilung in ambulant und nosokomial erworbene
iGE bewährt: Bei Auftreten einer iGE nach mehr als 3 Tagen stationären Aufenthalts
wird zunächst eine nosokomiale Genese vermutet [5].
Hintergrund
In Deutschland wird durch das Infektionsschutzgesetz ein duales Meldesystem vorgegeben:
In § 6 werden meldepflichtige Erkrankungen (einschließlich des Krankheitsverdachts
sowie des Versterbens an den jeweiligen Krankheitsbildern) definiert, welche durch
den Behandelnden an das Gesundheitsamt zu melden sind (im Folgenden mit „Arztmeldepflicht“
bezeichnet).
Der Arztmeldepflicht unterliegen auch der Verdacht und die Erkrankung an einer iGE,
wenn
-
Personen betroffen sind, welche an der Herstellung und Zubereitung von Lebensmitteln
beteiligt und in Küchen von Gaststätten und Einrichtungen zur Gemeinschaftsversorgung
beschäftigt sind, oder
-
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang
vermutet wird.
Im Unterschied hierzu definiert § 7 des IfSG Erreger, deren laborgestützter Nachweis
durch die jeweiligen diagnostischen Einrichtungen ebenfalls an das Gesundheitsamt
zu melden ist (im Folgenden mit „Labormeldepflicht“ bezeichnet).
Das IfSG regelt in § 42, Abs. 1 das Tätigkeitsverbot für Personen mit iGE bei der
(kommerziellen) Herstellung und Zubereitung von Lebensmitteln und bei Beschäftigung
in Küchen von Gaststätten und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung.
Epidemiologie
Die iGE ist ein weltweites Gesundheitsproblem und belegt gemäß der Global Burden of
Disease-Study 2016 (GBD-Study) Platz 8 der Todesursachen über alle Altersgruppen –
v. a. in Entwicklungsländern [6]. In den Industriestaaten besteht eine deutlich geringere Inzidenz und Mortalität
an iGE. Hier bedingt CDAD (Clostridium difficile associated disease) die meisten Todesfälle über alle Altersgruppen hinweg [6].
Ein verlässliches Abschätzen von Inzidenz und Ätiologie der iGE ist nur bedingt möglich:
Aufgrund der meist milden und selbstlimitierenden Symptomatik nimmt schätzungsweise
nur einer von 14 Betroffenen das Gesundheitssystem in Anspruch [7]. Stärkster Prädiktor für eine ärztliche Konsultation ist dabei die Schwere der Erkrankung,
daneben scheint aber auch eine Korrelation mit Reiseanamnese und niedrigerem sozioökonomischem
Status zu bestehen [5], [8]. In [Tab. 1] werden die Ergebnisse verschiedener Studien zur Inzidenz der iGE dargestellt, um
die Dimension dieses Gesundheitsproblems in Deutschland grob zu umreißen.
Tab. 1 Untersuchungen zur Inzidenz der iGE in Deutschland.
|
Untersuchung
|
Inzidenz
|
|
Jahresinzidenz der iGE in D (Erwachsene, 2009) [9]
|
ca. 64 900 000 Fälle
|
|
ambulante Konsultationen (modifiziert nach [1])
|
ca. 3 300 000 Fälle
|
|
stationär behandelte Patienten mit der Hauptdiagnose einer iGE (ICD-10-A00-04, -A06 – 09,
2017) [2]
|
ca. 254 000 Fälle
|
|
Während des stationären Aufenthalts Verstorbene mit der Hauptdiagnose einer iGE (ICD-10-A00-04,
-A06 – 09, 2017) [2] (d. h. die iGE ist nicht zwingend Todesursache)
|
ca. 4 000 Fälle
|
Es ist nachvollziehbar, dass die statistische Auswertung des Robert Koch-Instituts
(RKI) bezüglich der Erreger von iGE anhand der meldepflichtigen Erregernachweise nach
§ 7 IfSG nur die „Spitze des Eisberges“ abzubilden vermag:
Für 2017 waren gemäß Infektionsepidemiologischem Jahrbuch Noroviren mit mehr als 73 000
gemeldeten Fällen die häufigsten Gastroenteritiserreger, gefolgt von der Campylobacter-Enteritis
mit mehr als 69 000 Fällen. Hierbei wurden nur Patienten erfasst, die sich ärztlich
vorstellten und bei denen ein mikrobiologischer bzw. virologischer Erregernachweis
erfolgreich durchgeführt wurde, sodass die tatsächliche Anzahl deutlich höher angesiedelt
werden darf. Darüber hinaus gibt die Statistik Auskunft über den Anteil der hospitalisierten
Patienten:
-
23% bzw. 24% der gemeldeten Fälle mit Campylobacter-Enteritis oder Shigellose befanden
sich in stationärer Behandlung,
-
38% mit Salmonellose und
-
jeweils 56 bzw. 51% der Patienten mit Noro- oder Rotavirus-Gastroenteritis [10].
Insgesamt wurden 188 670 meldepflichtige iGE-Erregernachweise beim RKI registriert,
die mit Angaben zur Hospitalisierung versehen waren. Auf dieser Grundlage ergibt sich
eine durchschnittliche Hospitalisierungsrate von 41,8% (78 971 Fälle). Die klinisch-epidemiologisch
bestätigten Fälle sind hierbei allerdings nicht berücksichtigt.
Ausgehend von jährlich 64,9 Mio. Fällen einer iGE in der Bevölkerung, wird nur etwa
1 Fall pro 343 Erkrankten durch Nachweis eines meldepflichtigen Erregers in der zentralen
Statistik des RKI erfasst. Für das Vereinigte Königreich fand eine prospektive Studie,
dass schätzungsweise nur einer von ca. 150 ambulanten iGE-Fällen an die nationalen
Behörden übermittelt wurde [5].
Klinische Symptomatik
Gastroenteritiden können sich durch zahlreiche Symptome präsentieren:
-
Übelkeit und Erbrechen
-
Diarrhö (wässrig oder blutig)
-
abdominelle Krämpfe und Schmerzen
-
Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit
Bereits durch Anamnese und klinische Untersuchung soll eine (vorläufige) ätiologische
Einordnung ermöglicht und die Notwendigkeit für eine stationäre Therapie bzw. eine
Diagnostik eruiert werden. Meist wird die Schwere des Krankheitsbildes durch das Ausmaß
der Flüssigkeits- und Elektrolytverluste bestimmt, deren Ausgleich ein zentrales Therapieziel
ist.
Das klinische Bild ergibt sich aus der Funktionsstörung der intestinalen Schleimhäute:
Während eine primär wässrige Diarrhö meist Folge einer viralen iGE ist, deutet das
Bild einer febrilen Systemerkrankung mit blutig-schleimigen Stühlen eher auf eine
bakterielle bzw. parasitäre Genese hin. Durch Scoring-Systeme kann man versuchen,
eine rasche Differenzierung zwischen viralen und bakteriellen GE-Erregern vorzunehmen.
Eine bakterielle Genese ist bei Kindern mit höheren Konzentrationen des C-reaktiven
Proteins (CRP) assoziiert [11]. Dennoch ist mit diesen Hilfsmitteln eine sichere ätiologische Zuordnung nicht immer
möglich.
Die ausführliche Anamnese beinhaltet
-
Dauer und Charakteristika der klinischen Symptomatik im Verlauf,
-
vorangegangene Medikationen (z. B. Antiinfektiva, Immunsuppressiva, Protonenpumpeninhibitoren),
-
vor Kurzem erfolgte Auslandsaufenthalte,
-
aber auch Hinweise auf eine Häufung analoger Krankheitsbilder in der Umgebung des
entsprechenden Indexpatienten als Indiz einer gemeinsamen Infektionsquelle bzw. einer
Infektionskette.
Die obigen Informationen sind besonders wichtig, um nichtinfektiöse Ursachen einer
Durchfallsymptomatik zu identifizieren, wie diese durchaus häufig im stationären Kontext
als Folge einer enteralen Sondenernährung, durch Laxanzien und als unerwünschte Arzneimittelwirkung
imponieren können und ein gänzlich anderes Vorgehen bedingen [12].
Ätiologie und Erreger
Auf eine umfassende Darstellung aller denkbaren Erreger wird an dieser Stelle verzichtet.
Neben den häufigsten infrage kommenden bakteriellen und viralen Pathogenen können
auch Parasiten ursächlich sein, in Deutschland beispielsweise Lamblien (Giardia lamblia) und Kryptosporidien. Exemplarisch sollen im Folgenden die 3 häufigsten bakteriellen
Enteritis-Erreger kurz charakterisiert werden: C. difficile, Campylobacter und Enteritis-Salmonellen.
Clostridium difficile
Clostridium difficile ist ein obligat anaerobes, sporenbildendes, grampositives Stäbchenbakterium. Durch
die Ausbildung von Sporen (Sporulation) wird eine Toleranz gegen Umwelteinflüsse,
einschließlich alkoholischer Desinfektionsmittel vermittelt. Das klinische Bild wird
durch die Produktion von Toxinen vermittelt (Enterotoxin A und Zytotoxin B), welche
die Epithelzellen der Dickdarmmukosa schädigen. Stämme, die keine Toxine produzieren
können, gelten als apathogen.
Clostridium difficile ist ubiquitär verbreitet und kolonisiert bis zu 60% der Neugeborenen, ohne eine Infektion
hervorzurufen. Ab dem 2. Lebensjahr gleicht sich die Kolonisationsrate an die der
erwachsenen Bevölkerung mit bis zu 5% an. Bei hospitalisierten Patienten werden hohe
Kolonisationsraten zwischen 20 – 40% beschrieben. Neben den wichtigsten Risikofaktoren
wie Exposition gegenüber Antiinfektiva und höheres Lebensalter wurden in den letzten
Jahren viele Konditionen beschrieben, die für CDAD prädisponieren können ([Tab. 2]).
Merke
Grundsätzlich ist jede Antibiotikagabe mit einem erhöhten Risiko für CDAD verbunden
– unter Umständen sogar durch Antiinfektiva, die für die Therapie einer CDAD eingesetzt
werden [13].
Tab. 2 Risikofaktoren für CDAD [14].
|
Patientenfaktoren
|
Sporenexposition
|
Störung der Darmflora
|
|
Alter > 65 Lebensjahre
|
Krankenhausaufenthalt
|
Antibiotikatherapie in den letzten 3 Monaten
|
|
Immunsuppression
|
mangelhafte Handhygiene
|
Medikamente (Zytostatika)
|
|
Multimorbidität
|
sporentragende Zimmernachbarn
|
Protonenpumpeninhibitoren
|
|
vorangegangene Infektion mit C. difficile
|
abdominelle Operationen
|
|
|
intestinale Ernährungssonden
|
Eine Inkubationszeit lässt sich nur schwer angeben, zumal sich eine CDAD aus einer
asymptomatischen Kolonisation entwickeln kann. Das höchste Risiko zur Infektion im
Zusammenhang mit einer antiinfektiven Therapie besteht während und im ersten Monat
nach Antibiotikagabe [13].
Clostridium difficile wird meist durch direkten und indirekten Kontakt übertragen. Im stationären Bereich
geschieht dies v. a. über die Hände von Patienten und medizinischem Personal sowie
über kontaminierte Oberflächen. Bereits in einem Zimmer zu liegen, in dem zuvor ein
Patient mit C. difficile lag, wurde als Risikofaktor für eine Übertragung von C. difficile beschrieben, scheint jedoch von deutlich geringerer Relevanz zu sein [13].
Hervorzuheben ist die Gefahr eines Rezidivs nach initial erfolgreicher Therapie. So
wurden wiederholte Erkrankungen von ca. 25% der Patienten mit stattgehabter C.-difficile-Infektion beschrieben [13]. Klinisch ist hierbei nicht zu unterscheiden, ob es sich hierbei um eine Reinfektion
mit dem vormals ursächlichen Stamm oder eine Neuinfektion handelt.
Schwere Verläufe einer Infektion mit C. difficile (CDAD) sind seit 2016 nach § 6 des IfSG meldepflichtig. Die zugrunde liegenden Definitionen
hierfür sind:
-
Notwendigkeit der stationären Aufnahme zur Behandlung einer ambulant erworbenen CDAD
-
Verlegung auf eine Intensivtherapiestation aufgrund der CDAD oder der hieraus resultierenden
Komplikationen
-
Notwendigkeit einer operativen Versorgung von z. B. eines Megakolons, einer Perforation
oder einer refraktären Kolitis
-
Versterben des Patienten 30 Tage nach Feststellen der CDAD und wenn die Infektion
als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wird.
Auf dieser Grundlage wurden für 2017 2803 Erkrankungen durch C. difficile mit schwerem Verlauf an das RKI übermittelt.
Merke
Im Gegensatz zu anderen iGE-Erregern unterliegt der Labornachweis von C. difficile bzw. eines entsprechenden Toxins nicht der Meldepflicht nach § 7 IfSG.
Campylobacter
Die beiden humanmedizinisch bedeutsamsten Spezies der Gattung Campylobacter sind C. jejuni und C. coli. Es handelt sich um spiralförmig gewundene, gramnegative Stäbchenbakterien. Sie sind
weltweit (mit tierischem Erregerreservoir) ubiquitär verbreitet. Zwar können sich
Campylobacter nicht in Lebensmitteln vermehren, trotzdem sind Infektionen überwiegend
lebensmittelbedingt, v. a. durch Hühnerfleisch, nicht pasteurisierte Milch und kontaminiertes
Wasser. Die Inkubationszeit beträgt etwa 2 – 5 Tage.
Für C. jejuni wird eine niedrige Infektionsdosis beschrieben, trotzdem spielen Übertragungen von
Mensch zu Mensch nur eine untergeordnete Rolle. Campylobacter-Infektionen werden vermehrt
in der warmen Jahreszeit beobachtet. Für 2017 wurden 69 414 Fälle an das RKI übermittelt.
Neben reaktiven Arthritiden wird auch das Guillain-Barré-Syndrom mit einer Inzidenz
von ca. 1/1000 als Folge einer Campylobacter-Infektion beschrieben.
Salmonellen
Salmonellen sind gramnegative Stäbchenbakterien aus der Familie der Enterobacteriaceae. Es lassen sich 3 verschiedene Spezies mit mehreren Subspezies und unterschiedlichen
Serovaren unterscheiden. Humanmedizinisch relevant sind die typhösen und nicht typhösen
Serovare, die allesamt zur Subspezies S. enterica subsp. enterica gehören.
Merke
Salmonella Typhi und S. Paratyphi (A/B/C) verursachen das Krankheitsbild des Typhus bzw. Paratyphus, einer zyklischen
Systeminfektion mit Fieber, Bakteriämie und verschiedenen Organmanifestationen. Die
typischen „erbsbreiartigen“ Durchfälle treten dabei erst nach einigen Tagen, typischerweise
nach anfänglicher Obstipation auf. Die Diagnose lässt sich initial oft erfolgreich
über Blutkulturen stellen.
Die Gruppe der nicht typhösen Serovare bilden die sog. Enteritis-Salmonellen, die
v. a. lebensmittelbedingte iGE verursachen. Die Serovare S. Enteritidis und S. Typhimurium sind am weitesten verbreitet. Die iGE durch Salmonellen nimmt meist einen selbstlimitierenden
Verlauf und betrifft häufig Kleinkinder < 5 Jahren. Altersabhängig (im 1. Lebensjahr
bzw. > 60 Jahren) und bei Patienten mit geschwächter Immunabwehr sind auch septische
Organabsiedlungen häufiger.
Die Inkubationszeit beträgt 12 – 72 h. Abhängig von der Prädisposition der Patienten
werden Infektionsdosen von 104–106 Erregern bei Immunkompetenten oder auch lediglich 102 Erregern bei kompromittierter Immunabwehr beschrieben.
Kontaktübertragungen (direkt und indirekt) sind beschrieben worden, besonders im Kontext
mangelhafter Hygiene bei der Versorgung pädiatrischer Patienten. Trotzdem bleibt die
Infektion durch Lebensmittel der hauptsächliche Transmissionsmodus. Hierbei sind v. a.
unzureichend erhitzte Fleischerzeugnisse oder Rohei-Produkte ursächlich. Auch durch
kontaminiertes Gemüse kann die Infektion übertragen werden. Eine Zunahme von Salmonellen-Enteritiden
wird regelhaft in den Sommermonaten beobachtet. Für 2017 wurden 14 269 Fälle an das
RKI übermittelt.
Selten kann nach durchgemachter Salmonellen-Enteritis eine reaktive Arthritis als
immunvermittelte Folgekrankheit auftreten.
Weitere Erreger einer iGE
In den folgenden Tabellen werden einige weitere bakterielle ([Tab. 3]), parasitäre ([Tab. 4]) und virale ([Tab. 5]) Erreger kurz aufgeführt. Für alle besteht eine Labormeldepflicht nach IfSG.
Für eine ausführliche und detaillierte Beschreibung der Viren, die eine iGE auslösen
können, wird auf einen 2018 in der Krankenhaushygiene up2date erschienenen Artikel
von Kleines verwiesen [15].
Tab. 3 Weitere bakterielle iGE-Erreger.
|
Erreger
|
Bemerkungen
|
|
Shigellen (S. dysenteriae, S. flexneri, S. boydii, S. sonnei)
|
|
Inkubationszeit
|
12 – 96 h
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
437
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
1 – 4 Wochen
|
|
Yersinien (Y. enterocolitica)
|
|
Inkubationszeit
|
3 – 7 Tage
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
2586
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
2 – 3 Wochen
|
Tab. 4 Parasitäre iGE-Erreger.
|
Erreger
|
Bemerkungen
|
|
Lamblien (Giardia lamblia)
|
|
Inkubationszeit
|
12 – 20 Tage
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
3338
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
mehrere Monate
|
|
Kryptosporidien (Cryptosporidium parvum, Cryptosporidium hominis)
|
|
Inkubationszeit
|
7 – 10 (1 – 12) Tage
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
1707
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
mehrere Wochen
|
Tab. 5 Virale iGE-Erreger.
|
Erreger
|
Bemerkungen
|
|
Noroviren
|
|
Inkubationszeit
|
6 – 50 h
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
73 273
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
7 – 14 Tage
|
|
Rotaviren
|
|
Inkubationszeit
|
1 – 3 Tage
|
|
Meldepflicht
|
|
|
gemeldete Fälle (Erregernachweise) an das RKI in 2017
|
38 251
|
|
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
|
8 Tage
|
Diagnostik
Da nicht jede Durchfallepisode Ausdruck einer iGE ist, soll erst nach ausführlicher
Anamnese und klinischer Untersuchung eine Erregerdiagnostik aus einer Stuhlprobe und
das Ausmaß derselben indiziert werden. Eine routinemäßige Diagnostik auf alle theoretisch
möglichen Erreger ist weder kosteneffizient noch praktikabel [16].
Merke
Die mikrobiologische Diagnostik bei der Abklärung einer chronischen Diarrhö steht
nicht an erster Stelle.
Sinnvolle Indikationen zur mikrobiologischen Diagnostik sind in der Box aufgeführt.
Bei klinischem Hinweis auf einen septischen Verlauf sollten zudem Blutkulturen gewonnen
werden.
Zusatzinfo
Indikationen für die Stuhldiagnostik (modifiziert nach [17])
Mögliche Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf
Gefahr der Erregerverbreitung
-
mehrere Erkrankte mit Verdacht auf einen epidemiologischen Zusammenhang
-
Patienten, die in lebensmittelverarbeitenden Einrichtungen beschäftigt sind
Darüber hinaus kann der erfolgreiche Erregernachweis im Rahmen eines stationären Aufenthalts
für die Abrechnung nach dem DRG-System in nicht unwesentlichem Maße erlösrelevant
sein.
Stuhlkultur
Für bakterielle Erreger ist der kulturelle Nachweis aus Stuhl weiterhin als der Goldstandard
anzusehen. Mit kulturellen Nachweisverfahren werden Salmonellen, Shigellen, Campylobacter
und Yersinien routinemäßig nachgewiesen. Hierfür sollten Stuhlproben idealerweise
innerhalb von 2 h in das mikrobiologische Labor gebracht und auf Kulturmedien angelegt
werden. Eine längere Transportzeit (bis 24 h) kann durch Verwendung spezieller Probenröhrchen
überbrückt werden, die ein sog. Transportmedium enthalten. Häufig wird hierfür Cary-Blair-Medium
verwendet. Allerdings können derartige Zusätze, neben der erwünschten Erhaltung vitaler
Bakterien, nichtkulturelle Verfahren (z. B. Antigennachweise) ungünstig beeinflussen.
Ist eine Zwischenlagerung unvermeidbar, sollte diese bei 4 °C erfolgen [18]. Durch kulturelle Anzucht besteht die Möglichkeit weiterführender Untersuchungen
wie molekulare Typisierung bei epidemiologischen Fragestellungen und Bestimmung des
Resistogramms zur gezielten Therapie. Ein Nachteil der kulturellen Anlage besteht
in der zeitlichen Latenz bis zum Erregernachweis von mindestens 24 h oder mehreren
Tagen. Eine Resistenzbestimmung erfordert weitere 24 h nach erfolgreicher Anzucht
des Erregers. Die Bestimmung sollte bei Nachweis von typhösen Salmonellen, Shigellen,
Vibrio cholerae oder klinisch schweren Verläufen erfolgen [18]. Weiterführende Untersuchungen im Sinne einer Stufendiagnostik erfolgen nur auf
explizite Anforderung. Dies gilt z. B. für die Diagnostik darmpathogener E. coli oder Cholera-Vibrionen. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, mit dem beauftragten Labor
Rücksprache zu halten.
Kultivierbare darmpathogene Erreger können zu 87 – 94% in der 1. Stuhlprobe bzw. zu
98% nach 2 Proben nachgewiesen werden, sodass hierfür 2 Proben als ausreichend erachtet
werden können [19], [20]. Rektalabstriche werden für die mikrobiologische Untersuchung bei Erwachsenen nicht
empfohlen, können jedoch bei symptomatischen pädiatrischen Patienten vergleichbare
Nachweisraten erzielen [21]. Die Diagnostik auf C. difficile wird gesondert dargestellt.
Nukleinsäureamplifikationstests (NAT)
Kulturunabhängige molekularbiologische Methoden (meist Polymerase-Kettenreaktion,
polymerase chain reaction, PCR) bieten den Vorteil eines zeitnahen Nachweises innerhalb
weniger Stunden. Kommerzielle Multiplex-Panels untersuchen einzelne Proben auf eine
Vielzahl verschiedener Erreger und können so etwaige Koinfektionen detektieren [21]. Der Nachweis bakterieller Nukleinsäuren erlaubt keine Aussage darüber, ob es sich
um vitale Erreger handelt. Damit ist weder eine sichere Aussage zur Relevanz möglich,
noch eignet sich die Methode für Verlaufskontrollen. Besonders durch die Multiplex-Ansätze
fallen aktuell gegenüber einer gezielten konventionellen Diagnostik erhebliche Mehrkosten
an.
Clostridium difficile
In der Diagnostik einer CDAD wird neben einem passenden klinischen Bild der Nachweis
eines toxigenen C.-difficile-Stamms gefordert, wenn kein pathognomonisches koloskopisches Korrelat vorliegt.
Die Untersuchung auf C. difficile sollte primär nur aus dünnflüssigem Stuhl bei begründetem klinischen Verdacht erfolgen
– andere Konstellationen sind eher selten und können im Einzelfall kommuniziert werden
(z. B. paralytischer Ileus bei toxischem Megakolon).
Der Untersuchungsgang sollte in 2 Schritten verlaufen:
-
Der Nachweis der Glutamat-Dehydrogenase (GDH) mittels Immunadsorption dient hierbei
als sensitiver Marker für C. difficile, toxigener sowie nicht toxigener Stämme. Bei fehlendem Nachweis der GDH ist eine
Besiedlung oder Infektion mit C. difficile unwahrscheinlich, eine einmalige Probenuntersuchung ist hierfür meist ausreichend
[22].
-
Der 2. Schritt der Diagnostik fokussiert toxigene Stämme: Als mögliche Verfahren kommen
Enzymimmunoassays (EIA) oder Nukleinsäureamplifikationstests (NAT) infrage. Durch
die EIA lässt sich das entsprechende Toxin direkt nachweisen, durch die NAT der zuständige
Genabschnitt. Da man im letzteren Fall keine direkte Toxinproduktion, sondern lediglich
die Potenz hierfür nachweisen kann, ist diese Methodik als hypersensitiv zu werten.
An diesem Beispiel wird klar, warum die korrekte Indikation für diese Methode entscheidend
ist.
Merke
Der bloße Trägerstatus (= ohne klinische Symptome) von C. difficile – auch toxigener Stämme – ist kein Krankheitsbild und ist damit weder mit direkten
krankenhaushygienischen noch therapeutischen Konsequenzen verbunden. Da die molekularbiologisch
basierte Diagnostik als hypersensitiv zu werten ist, ist diese Diagnostik ausschließlich
bei Verdacht auf CDAD indiziert – das mikrobiologische Labor sollte daher eine Diagnostik
auf C. difficile aus geformten Stuhlproben ablehnen.
Bei positivem Nachweis von GDH und Toxinproduktion kann bei entsprechender Klinik
eine Infektion mit C. difficile als ursächlich angenommen werden. Eine 2. Probeeinsendung nach positivem Erstbefund
wird nicht empfohlen, ebenso sollte kein Versuch einer Verlaufskontrolle erfolgen
[22].
Aufgrund der regelhaft nachzuweisenden, asymptomatischen Kolonisation von Kindern
mit C. difficile vor dem 2. Lebensjahr sollte man eine Untersuchung hierauf nur nach Ausschluss einer
anderen Ätiologie beauftragen [22].
Virologische Diagnostik
In der Routinediagnostik sind Antigentests (z. B. EIA) und PCR-Verfahren etabliert
und gestatten eine zeitnahe und sensitive Befunderstellung.
Parasitologische Diagnostik
Neben der Möglichkeit, Parasiten meist mithilfe von Spezialfärbungen mikroskopisch
nachzuweisen, existieren kommerzielle antigenbasierte oder molekularbiologische Testsysteme
mit jeweils unterschiedlichen Sensitivitäten, die aufgrund schwankender Erregerausscheidung
die Gewinnung mehrerer Proben indizieren können.
Serologie
Merke
Serologische Untersuchungen eignen sich aufgrund der Latenz von Symptombeginn bis
zum Nachweis spezifischer Antikörper nicht zur Akutdiagnostik einer iGE.
Serologische Untersuchungen auf bakterielle iGE-Erreger haben ihren Stellenwert bei
der Diagnostik postinfektiöser Folgekrankheiten wie reaktiver Arthritis, Erythema
nodosum und Guillain-Barré-Syndrom. Zur Diagnose einer akuten Gastroenteritis sind
sie nicht indiziert.
Diagnostische Algorithmen
Das zu beauftragende Untersuchungsspektrum aus einer Stuhlprobe lässt sich häufig
aus Epidemiologie und klinischem Bild ableiten. Auch die Dauer eines stationären Aufenthalts
vor Auftreten einer iGE ist zu beachten.
Die Basisdiagnostik der ambulant erworbenen iGE mit blutiger Diarrhö sollte Campylobacter spec. und Enteritis-Salmonellen erfassen. Shigellen sind zwar seltener, werden aber häufig
durch die Methoden zur Diagnostik der Salmonellen miterfasst. Bei ausbleibendem Erregernachweis
oder weiteren anamnestisch-klinischen Hinweisen sollte der initiale Untersuchungsauftrag
um toxinproduzierende E. coli (z. B. enterohämorrhagische E. coli: EHEC), Yersinien und ggf. Lamblien erweitert werden.
Bei schwerer wässriger Diarrhö sollten neben Campylobacter spec., Enteritis-Salmonellen/Shigellen auch Noroviren erfasst werden, wobei letztere in
den meisten Fällen mit Erbrechen und Übelkeit einhergehen und vorwiegend in der kalten
Jahreszeit (Oktober – März) auftreten.
Differenzialdiagnostisch ist C. difficile auch bei der ambulant erworbenen iGE, beispielsweise nach vorangegangener Antiinfektivaeinnahme
(letzte 3 Monate), miteinzubeziehen (weitere Risikofaktoren siehe [Tab. 2]).
Eine positive Reiseanamnese in Ausbruchs- oder Endemiegebiete kann Untersuchungen
auf besondere toxinproduzierende E. coli, Entamöben oder Cholera-Vibrionen indizieren.
Nach einem mehrtägigen stationären Aufenthalt ohne initiale gastroenteritische Symptomatik
wird eine iGE meistens durch C. difficile verursacht. Sind mehrere Personen (oft Patienten und Personal) betroffen, sollte
man primär virale Erreger (z. B. Noroviren) vermuten, sofern sich keine Hinweise auf
einen Zusammenhang mit der stationären Verpflegung ergeben. Über derartige Überlegungen
ist es möglich, den Untersuchungsauftrag effektiv einzugrenzen.
Therapie
Symptomatische Therapie
Rehydratation
Unabhängig von der Ätiologie bildet die Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten
den Hauptpfeiler in der Therapie der iGE. Von der WHO wird eine präzise definierte
Lösung zur oralen Rehydrierung empfohlen. Hierdurch ließ sich die Mortalität v. a.
bei Kindern in Entwicklungsländern senken [23], [24].
Für milde und moderate Dehydratation kann primär eine perorale Substitution angestrebt
werden. Bei schweren Flüssigkeitsmängeln mit Kreislaufschock und Bewusstseinsstörungen
sollte man isotonische kristalloide Lösungen wie Ringer-Laktat oder physiologische
Kochsalzlösung intravenös infundieren [25].
Pro- und Präbiotika besitzen aktuell keinen festen Stellenwert in der Therapie und
der Prophylaxe der iGE [16].
Antiinfektive Therapie
Empirische Therapie
Antiinfektiva sind eine kausale Therapieoption – zumindest für bakteriell oder parasitär
bedingte Gastroenteritiden. Bei unkompliziertem Verlauf wird keine empirische Therapie
empfohlen [16]. Dies ist in erster Linie auf die häufig virale Genese der Erkrankung zurückzuführen.
Auch eine persistierende wässrige Diarrhö sollte man nicht ungezielt behandeln. Risiken
und Nutzen einer antiinfektiven Therapie sind stets abzuwägen. Antibiotika können
zu einer durchschnittlich um 1 – 3 Tage verkürzten Symptomdauer bei jedoch verlängerter
Erregerausscheidung führen und bei Infektionen durch enterohämorrhagische E. coli (EHEC) das Krankheitsbild sogar aggravieren, weshalb im letzteren Fall eine antiinfektive
Therapie nicht empfohlen wird.
Eine empirische antiinfektive Therapie kann erwogen werden bei Patienten mit Immunsuppression,
Patienten mit einer blutigen Diarrhö – evtl. hinweisend auf eine Shigellen-Infektion
–, oder bei Zeichen einer systemischen Infektion mit Fieber oder Hinweisen auf extraintestinale
Organmanifestationen [16]. Idealerweise werden vor einer empirischen Therapie klinisch relevante Proben gewonnen.
Als Mittel der Wahl werden Azithromycin 500 mg/d p. o. über 3 Tage oder Ciprofloxacin
1 g/d p. o. bzw. 800 mg/d i. v. über 3 – 5 Tage, empfohlen [16], [25].
Gezielte Therapie
Die Antiinfektiva zur gezielten Therapie bei Nachweis eines bakteriellen Erregers
sind in [Tab. 6] dargestellt. Für die Therapie der CDAD und deren Rezidive wird auf die aktuelle
Leitlinie der amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten (Infectious Diseases
Society of America, IDSA) von 2017 verwiesen [13].
Tab. 6 Gezielte Therapie (modifiziert nach [25]).
|
Mittel der Wahl
|
Alternative
|
|
Campylobacter
|
Azithromycin
|
Ciprofloxacin
|
|
Enteritis-Salmonellen
|
–
|
–
|
|
typhöse Salmonellen
|
Ceftriaxon oder Ciprofloxacin
|
Ampicillin oder Cotrimoxazol oder Azithromycin
|
|
Shigellen
|
Azithromycin oder Ciprofloxacin oder Ceftriaxon
|
Cotrimoxazol oder Ampicillin
|
Prävention
Die meisten iGE sind Folge einer klassischen Schmierinfektion, die sich über die konsequente
Umsetzung einer Händehygiene vermeiden lassen. Zusätzlich kann der Verzehr bereits
kontaminierter Lebensmittel ursächlich sein.
Merke
„Boil it, cook it, peel it or forget it“, dieser Grundsatz der WHO, der sich originär
auf die Ernährung in tropischen und subtropischen Ländern bezieht, verdeutlicht wesentliche
Aspekte der Lebensmittelhygiene. Entsprechende Informationsbroschüren können zur Prävention
der Reisediarrhö wertvoll beitragen [16].
Das IfSG beinhaltet ebenfalls präventive Ansätze: Durch Meldung zusammenhängender
Krankheitsfälle kann ein Beitrag zur Aufklärung von Ausbrüchen, z. B. durch kontaminierte
Lebensmittel, geleistet werden. Hieraus ergibt sich auch der Stellenwert korrekter
Lebensmittelhygiene bei der Herstellung sowie bei der Zubereitung durch den Endverbraucher.
Ein wichtiger, beeinflussbarer Risikofaktor für CDAD ist deren Assoziation mit vorangegangenen
Antibiotikagaben. Antibiotic-Stewardship-Programme (ABS) haben zum Ziel, den Einsatz
von Antiinfektiva rational zu gestalten, wodurch sich im stationären Bereich die Inzidenz
von CDAD reduzieren lässt [26].
Hygienemaßnahmen im Krankenhaus
Unabhängig von der Ätiologie ist eine konsequente Basishygiene die Grundlage der Infektionsprävention.
Wichtige Elemente der Basishygiene:
-
Die Händedesinfektion nach den Indikationen der WHO dient nicht nur dem Eigenschutz,
sondern auch der Vermeidung einer Erregertransmission.
-
Persönliche Schutzausrüstung (PSA):
-
Medizinische Einmalhandschuhe können helfen, Kontaminationen der Hände bei zu erwartendem Kontakt z. B. mit Stuhlgang
zu reduzieren.
-
Durch das Anlegen eines Mund-Nasen-Schutzes lässt sich eine aerogene Erregertransmission (z. B. von Noroviren) während des Erbrechens
vermeiden [27].
-
Schutzkittel verringern die Kontaminationen der Bereichskleidung des Personals bei zu erwartendem
(großflächigen) Patientenkontakt, wie dieser im Rahmen vieler pflegerischer Maßnahmen
möglich ist.
-
Tägliche Flächendesinfektionen der patientennahen Kontaktflächen reduzieren die Erregerlast in der Patientenumgebung,
wobei auch Sanitäreinrichtungen zu berücksichtigen sind.
Der Umfang weiterer krankenhaushygienischer Maßnahmen sollte individuelle Patientenfaktoren
berücksichtigen, wie z. B. die Ausprägung der Durchfallsymptomatik, Erbrechen oder
Inkontinenz und die Ätiologie (und damit die Charakteristika des Erregers), wofür
eine zeitnahe Erregerdiagnostik anzustreben ist.
Einzelunterbringung
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) empfiehlt
eine Einzelunterbringung bei Infektionserregern, die durch Tröpfchen oder aerogen
übertragen werden können oder bei profusen Durchfällen, die das Risiko für eine eher
unkontrollierte Erregerverbreitung erhöhen [28]. Durch Kontaktisolierung in Einzelzimmern soll versucht werden, Übertragungen auf
andere Patienten zu reduzieren. Unter Wahrung der Basishygiene ist eine Kohortierung
bei gleichem Erreger grundsätzlich möglich. Die Dauer der Isolierung wird im Allgemeinen
bis 2 Tage nach Sistieren der Durchfälle empfohlen, da hiernach keine weitere, gesteigerte
Infektiosität angenommen wird. Die amerikanische Society for Healthcare Epidemiology
of America (SHEA) empfiehlt bei bakteriell und parasitär bedingter iGE Isolierungsmaßnahmen
nur bei Inkontinenz, oder um institutionelle Ausbrüche einzudämmen [29].
Das Potenzial von Noroviren, in Gemeinschaftseinrichtungen und Krankenhäusern regelmäßig
Ausbrüche zu verursachen, ist unstrittig und direkte Folge der geringen Infektionsdosis
und hoher Ausscheidung der Virionen bei akut Erkrankten [29]. Barrieremaßnahmen in Form einer Einzelzimmerunterbringung erscheinen daher sinnvoll
[27], [30].
Maßnahmenbündel
Im Ausbruchsfall haben sich Maßnahmenbündel mit dem Ziel bewährt, eine weitere Erregerausbreitung
zu kontrollieren. Unklarheit besteht allerdings über die Effektivität der verschiedenen
Einzelmaßnahmen [31].
Stationsschließung
Das Schließen betroffener Stationen mit Aufnahmestopp wird kontrovers diskutiert und
sollte eher Ultima Ratio sein. So fand eine Studie zwar eine verkürzte Dauer der Ausbrüche
bei zeitnaher Schließung (innerhalb der ersten 3 Tage) im Vergleich zur verzögerten
Stationsschließung (bis zu 7 Tagen) [32]. Allerdings fand sich kein Unterschied in der Ausbruchsdauer zwischen Stationen
mit prompter Sperrung und solchen, die nicht geschlossen wurden [32].
Freistellung
Erkranktes Personal sollte bis 48 h nach Symptomende von der Arbeit freigestellt werden
[27].
Händehygiene
Für die Händehygiene bei Kontakt zu unbehüllten Viren, die eine erhöhte Widerstandsfähigkeit
gegenüber alkoholischen Desinfektionsmitteln zeigen, empfiehlt die KRINKO den Einsatz
viruzider Händedesinfektionsmittel (HDM) – für Noroviren erfüllten demnach auch Desinfektionsmittel
mit der Deklaration „begrenzt viruzid plus“ die geforderte Viruzidie [33]. Der tatsächliche Stellenwert der Viruzidie verwendeter HDM bleibt Gegenstand der
wissenschaftlichen Diskussion. Die amerikanischen Centers for Disease Control and
Prevention (CDC) identifizierten lediglich eine schwache Evidenzlage, ethanolbasierte
HDM (60 – 95%) bevorzugt einzusetzen [27].
Für einzelne Szenarien kommen verschiedene krankenhaushygienische Maßnahmenpakete
in Betracht ([Tab. 7]).
Merke
Die konsequente Umsetzung der Basishygiene ist Voraussetzung für alle zusätzlichen
Schutzmaßnahmen.
Orientiert an der Symptomatik des Patienten – und zwar unabhängig der Kenntnis des
verursachenden Erregers –, sind Schutzhandschuhe, Schutzkittel und die konsequente
Händehygiene bereits Elemente der Basishygiene; deren Indikation ergibt sich nicht
erst aus dem Vorliegen eines mikrobiologischen Erregernachweises. Das Tragen eines
Mund-Nasen-Schutzes reduziert grundsätzlich Einatmen bzw. Ingestion von Aerosol, Tröpfchen
und Verspritzungen, die während eines Erbrechens (unabhängig der Ätiologie) auftreten
können und ist damit ebenfalls ein Element der symptomorientierten Basishygiene.
Merke
Die über die Basishygiene hinausgehenden Maßnahmen (z. B. Unterbringung in einem Einzelzimmer)
sollen nicht länger als 48 h nach dem Ende der (Durchfall-)Symptomatik fortgeführt
werden.
Auch wenn die Pathogene noch deutlich länger im Stuhlgang nachzuweisen sind, reduziert
sich das Risiko einer unkontrollierten Verbreitung mit dem Ende des Durchfalls.
Tab. 7 Krankenhaushygienische Maßnahmen bei unterschiedlichen Szenarien.
|
Befundkonstellation
|
krankenhaushygienische Maßnahmen
|
|
* Bei möglicher Eigenkontamination (entsprechend den Empfehlungen der Basishygiene,
tätigkeitsbezogen geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer Kontamination der Bereichskleidung
bzw. Arbeitskleidung einzusetzen: Schutzkittel bzw. Schürze)
** Als Folge der hohen Kontagiosität mag es ratsam sein, die Wischdesinfektion der
Kontaktflächen in deren Frequenz zu intensivieren.
*** Grundsätzlich ist es sinnvoller, Kontaminationen (auch durch gegenüber Alkohol
toleranten Sporen) zuerst abzuwaschen und danach eine Händedesinfektion vorzunehmen,
als diese zuerst über eine Händedesinfektion auf den Händen zu verteilen.
**** Eine adäquate reinigende Wischdesinfektion der Kontaktflächen reduziert C. difficile und auf mechanischem Wege auch deren Sporen; die Desinfektion mit sporiziden Desinfektionsmitteln
kann erwogen werden, besitzt im endemischen Setting allerdings einen niedrigen Evidenzgrad
(„very low quality of evidence“) [34].
|
|
unbekannter Erreger
|
Anpassung der Maßnahmen nach Erregeridentifizierung bzw. entsprechend der klinischen
Symptomatik
|
|
viraler Erreger nachgewiesen oder akuter Brechdurchfall
|
|
|
CDAD
|
-
keine grundsätzliche Isolierung im Einzelzimmer, diese ist zu erwägen bei
-
wenn möglich eigene Toilette
-
Händewaschen, dann Händedesinfektion***
-
Flächendesinfektion****:
|
|
andere bakterielle Erreger
|
-
keine grundsätzliche Isolierung im Einzelzimmer, diese ist zu erwägen bei
-
wenn möglich eigene Toilette
-
Flächendesinfektion****:
|
Einmalhandschuhe
Bei iGE durch C. difficile wurde das Tragen von Einmalhandschuhen bei Patientenkontakt und Betreten des Patientenzimmers
als besonders effektiv beschrieben [13]. Diese Empfehlung beruht nicht zuletzt auf der Beobachtung der ausgeprägten Alkoholtoleranz
der Sporen von C. difficile, die eine verminderte Wirksamkeit der alkoholischen Einreibepräparate zur Händedesinfektion
vermuten lässt. In der Leitlinie zu Infektionen durch C. difficile der IDSA werden dennoch routinemäßig die alkoholische Händedesinfektion oder die
Händewaschung mit Seife empfohlen. Vor dem Hintergrund der fortbestehenden Wirksamkeit
der hygienischen Händedesinfektion gegenüber anderen bakteriellen Erregern scheint
die Kombination beider Verfahren sinnvoll, was mit den KRINKO-Empfehlungen konform
geht [33].
Studienlage
Aufgrund der unzureichenden Datenlage enthält die Leitlinie der IDSA keine Empfehlung
zu Screening und Kontaktisolierung von Patienten, die lediglich mit C. difficile asymptomatisch kolonisiert sind [13]. Die Isolierung von Patienten mit CDAD wird nicht einheitlich gesehen: Die oben
erwähnte Leitlinie der IDSA empfiehlt eine Einzelzimmerisolierung [13]. Eine prospektive Studie in der Schweiz untersuchte die Transmission von C. difficile von Index- auf Kontaktpatienten über 10 Jahre, nachdem die Indikation zur Kontaktisolierung
auf inkontinente Patienten und solche mit hypervirulenten Ribotypen (027 und 078)
von C. difficile beschränkt wurde. Neben der empfohlenen Basishygiene wurde den Patienten lediglich
eine eigene Toilette zugewiesen. Während dieser Zeit wurden keine Ausbrüche von C. difficile festgestellt. Es fanden sich insgesamt 6 Übertragungen von Index- auf Kontaktpatienten,
entsprechend 1,3% der Fälle [35]. Die SHEA diskutiert, eine Einzelfallentscheidung anhand patientenseitiger Risikofaktoren
vorzunehmen [35].
Kernaussagen
-
Die iGE ist eine sehr häufige Erkrankung mit meist mildem, selbstlimitierendem Verlauf.
-
Bei Durchfall und/oder Erbrechen sollte nicht routinemäßig eine mikrobiologische Diagnostik
erfolgen – dies gilt auch für chronische Durchfallerkrankungen.
-
Eine empirische Therapie mit Antiinfektiva sollte nur bei Vorliegen von Risikofaktoren
für einen komplizierten Verlauf erfolgen.
-
Clostridium difficile kann schwerwiegende, rezidivierende Krankheitsverläufe verursachen und bedingt die
erhöhte Mortalität an iGE in Industriestaaten – v. a. bei Patienten über 65 Jahre.
-
Noroviren verursachen die meisten Fälle an iGE. Aufgrund der hohen Kontagiosität kommt
es häufig zu Ausbrüchen.
-
Eine Erregertransmission lässt sich durch konsequente Basishygiene verhindern.
-
Einzelzimmerisolierungen sind nicht grundsätzlich indiziert: Die Entscheidung hierzu
sollte patienten- und erregerspezifische Risikofaktoren berücksichtigen (mutmaßliche
Ätiologie, Inkontinenz, Incompliance, Ausmaß der Symptomatik).
-
Bei Norovirus-Infektionen erscheint aufgrund des epidemischen Potenzials eine Einzelzimmerisolierung
sinnvoll.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Prof. Dr. Sebastian Lemmen, Aachen.