Schlüsselwörter
periphere arterielle Verschlusskrankheit - koronare Herzerkrankung - LDL-Cholesterin
- PCSK9-Inhibitor
Key words
peripheral arterial disease - coronary heart disease - LDL cholesterol - PCSK9 inhibitors
Einleitung
Laut der aktuellen „S3-Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren
arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK)“ ist die PAVK als eine Einschränkung der Durchblutung
der die Extremitäten versorgenden Arterien bzw. seltener der Aorta definiert [1]. Insbesondere wegen der demografischen Entwicklung zählt sie zu den häufigsten Erkrankungen
unserer Zeit. In etwa 95 % der Fälle wird die PAVK durch eine Arteriosklerose und/oder
Atherothrombose bedingt und stellt einen komplexen Krankheitsprozess dar, der alle
arteriellen Gefäßregionen des Körpers betreffen kann. Herzinfarkt, Schlaganfall und
PAVK sind lediglich unterschiedliche Manifestationsformen derselben Erkrankung [2]. Die schwerste Form der PAVK ist die kritische Extremitätenischämie mit Entwicklung
ischämischer Läsionen mit drohender Amputation der betroffenen Extremität.
Die Koinzidenz einer PAVK mit einer koronaren Herzerkrankung (KHK) ist häufig und
wird durch eine kardio-pulmonal limitierte Gehstrecke infolge Angina pectoris oder
Dyspnoe leicht übersehen. Sie verschlechtert die Prognose gegenüber dem singulären
Auftreten beider Erkrankungen erheblich [3]. Eine französische Querschnittsstudie in hausärztlichem Patientengut (IPSILON-Studie)
detektierte mittels ABI in 26,6 % von 1340 Patienten mit koronarer Herzkrankheit ohne
weitere bekannte Atherosklerose-Manifestation eine PAVK [4]. Eine Untersuchung mit simultaner peripherer und koronarer Angiografie bei Patienten
mit intermittierender Claudicatio oder kritischer Extremitätenischämie fand eine prävalente
koronare Herzkrankheit (≥ 50 %ige Koronarstenose in der Koronarangiografie) bei 67
von 107 Patienten (62 %) [5]. Das Vorhandensein eines Diabetes mellitus erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer
koinzidenten KHK und insbesondere einer koronaren Mehrgefäßerkrankung bei Patienten
mit PAVK weiter [5]
[6]. Tödliche und nichttödliche kardiovaskuläre Ereignisse nach einem Jahr Verlaufsbeobachtung
bei Patienten aus dem REACH-Register (Reduction of Atherothrombosis for Continued
Health) stiegen von 13 % bei alleiniger KHK auf 23,1 % bei Patienten mit koinzidenter
KHK und PAVK an [7]. Eine andere Arbeit konnte zudem zeigen, dass das mittelfristige Überleben von Patienten,
welche wegen einer symptomatischen PAVK erstmals revaskularisiert wurden, signifikant
schlechter ist (Hazard Ratio 1,6 – 2,1) als das von Patienten, die wegen einer symptomatischen
KHK interventionell behandelt wurden [8]. Das Therapieziel aller Facharztgruppen, die sich mit PAVK-Patienten beschäftigen,
muss es daher sein, die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu senken und die
Funktion und den Erhalt der Extremität zu sichern.
Der Nachweis einer PAVK geht mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität
einher.
Therapie der PAVK
Die Leitlinienempfehlung umfasst die konservative und medikamentöse Therapie, die
interventionelle und chirurgische Behandlung der akuten und chronischen PAVK im asymptomatischen
Stadium (PAVK I nach Fontaine, Rutherford I) und den Stadien der Claudicatio intermittens
(Stadium II nach Fontaine, Rutherford II und III) sowie der kritischen Extremitätenischämie
(Stadium III und IV nach Fontaine, Rutherford IV-VI, critical limb ischemia) [1]. Die Säulen der Behandlung der PAVK sind die Behandlung der vaskulären Risikofaktoren
sowie der Begleiterkrankungen unter besonderer Berücksichtigung der KHK und der zerebrovaskulären
Gefäßerkrankungen und die Verbesserung des peripheren Blutflusses bei symptomatischen
Patienten. Als Behandlungsziele definieren die aktuelle Leitlinie [1] und die neue Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society
of Cardiology = ESC) [9] daher:
-
die Hemmung der Progression der PAVK
-
die Risikoreduktion peripherer vaskulärer Ereignisse
-
die Reduktion kardiovaskulärer und zerebrovaskulärer Ereignisse
-
die Reduktion von Schmerzen
-
die Verbesserung von Belastbarkeit, Gehleistung und Lebensqualität
-
die Vermeidung von Amputationen
Ein Behandlungsziel ist auch die Reduktion weiterer Gefäßeingriffe (arterielle Rekonstruktionen)
im klinischen Verlauf der Erkrankung. Die Basisbehandlung umfasst das Gehtraining
bei Claudicatio intermittens, die Gewichtsreduktion bei Übergewicht, die Nikotinkarenz
bei Rauchern sowie die Behandlung der arteriellen Hypertonie, der Hypercholesterinämie
und des Diabetes mellitus.
Betrachtet man die Stadien der PAVK, sind die Behandlungsziele im Stadium I – IV die
Risikoreduktion aller vaskulären Komplikationen, im Stadium II Besserung der Gehleistung,
der Mobilität und der Lebensqualität, und im Stadium III und IV Extremitätenerhalt,
Schmerzreduktion und Erhalt der Lebensqualität.
Die Therapie der PAVK umfasst eine Behandlung der vaskulären Risikofaktoren.
PAVK und Dyslipidämie
Die aktuelle S3-Leitlinie zur PAVK hält fest, dass erhöhte Gesamtcholesterinkonzentrationen,
erhöhte LDL-Cholesterinspiegel, Erhöhung der Triglyzeride und von Lipoprotein (a)
sowie erniedrigte HDL-Spiegel unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten der PAVK
sind [1]. Zwischen der Höhe des LDL-Cholesterinspiegels und dem Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial-index,
ABI) bei Patienten mit einer neu diagnostizierten PAVK wurde eine inverse Korrelation
nachgewiesen [10]. In der Heart Protection Study konnte Simvastatin bei Patienten mit einer PAVK,
unabhängig vom Vorliegen einer KHK bei Studienbeginn, die Gesamtmortalität und die
vaskuläre und kardiale Ereignisrate signifikant senken [11]. Dies galt auch für Patienten mit normalen Cholesterinwerten. Es ließ sich kein
Cholesterinschwellenwert nachweisen, unterhalb dessen kein Nutzen mehr nachweisbar
war. Simvastatin reduzierte in der 4S-Studie die Inzidenz von Schlaganfällen und Claudicatio
intermittens [12]
[13]. Bei Patienten mit Claudicatio ergaben Studien mit unterschiedlichen Dosierungen
von Atorvastatin bzw. Simvastatin eine signifikant verbesserte schmerzfreie oder absolute
Gehstrecke im Vergleich zu Placebo nach 3, 6 oder 12 Monaten. Die Studien untersuchten
zwar zum Teil nur kleine Patientenkollektive, zeigen aber einen homogenen, reproduzierbaren
Effekt unabhängig von der Beobachtungsdauer für beide Substanzen [14]
[15]
[16]. Bei Patienten mit kritischer Extremitätenischämie nach Venenbypassoperation verbesserten
Statine im Rahmen der PREVENT-III-Studie (Project of Ex-Vivo vein graft Engineering
via Transfection III) das Überleben nach einem Jahr signifikant [17]. In einer niederländischen Studie wurde eine aggressive Lipidsenkung mit einer niedrig
dosierten Statintherapie (Atorvastatin 80 mg/Tag vs. Simvastatin 20 – 40 mg/Tag) bei
8888 post-myokardialen Infarktpatienten verglichen [18]. Während einer medianen Nachuntersuchung von 4,8 Jahren entwickelten 94 Patienten
(2,2 %) in der Atorvastatin- und 135 Patienten (3,2 %) in der Simvastatingruppe eine
PAVK (HR = 0,70, 95 %-KI 0,53 – 0,91, p = 0,007). Bei Patienten mit bekannter peripherer
arterieller Verschlusskrankheit reduziert eine Statintherapie die Notwendigkeit peripherer
Revaskularisation (von 21,7 auf 18,2 %) und von Amputationen (von 5,6 auf 3,8 %) im
4-Jahresverlauf [19]. In der Subgruppe der Patienten mit kritischer Extremitätenischämie wird durch eine
Statintherapie die Amputationsrate sogar um 32 % reduziert [20].
Die aktuelle ESC-Leitlinie zum Management der Dyslipidämie [21] unterscheidet Patienten mit einem geringen, erhöhten und stark erhöhten Risiko,
innerhalb der nächsten 10 Jahre an einer kardiovaskulären Erkrankung (Myokardinfarkt,
Schlaganfall oder andere gefäßverschließende Erkrankungen und plötzlichem Herztod)
zu versterben. Für die Gruppe mit stark erhöhtem Risiko liegt dieses bei über 10 %.
Das Risiko kann bei Menschen ohne manifeste Gefäßerkrankung mit dem SCORE-Modell [22] abgeschätzt werden oder wird durch die klinische Manifestation einer Gefäßerkrankung
definiert. Zur klinischen Manifestation einer Gefäßerkrankung gehört die PAVK ebenso
wie die koronare Herzerkrankung oder zerebrovaskuläre Erkrankung. Vor diesem Hintergrund
formulierten die Mitglieder der Leitlinienkommission der ESC folgende Empfehlung mit
dem Empfehlungsgrad I und dem Evidenzniveau B:
Der Nutzen einer LDL-senkenden Therapie betrifft sowohl die kardialen als auch die
peripheren Ereignisse. Eine systematische Überprüfung von 18 Studien mit mehr als
10 000 Patienten mit normalem bis erhöhtem Cholesterinspiegel berichtet, dass eine
lipidsenkende Therapie bei Patienten, die von Atherosklerose der unteren Extremität
betroffen sind, mit einer 20 %igen Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse und einer
nicht signifikanten 14 %igen Reduktion der Gesamtmortalität verbunden ist [23]. Im REACH-Register war eine Statintherapie mit einer um 18 % niedrigeren Ereignisrate,
bezogen auf eine Verschlechterung der Extremität verbunden (Verschlechterung der Claudicatio,
Verschlechterung hin zur kritischen Ischämie, perkutane oder offene Revaskularisation,
Amputation) [19]. Selbst bei fortgeschrittener PAVK im Stadium der kritischen Extremitätenischämie
verbesserte eine Statintherapie die 1-Jahres-Mortalität und die Chance des amputationsfreien
Überlebens [20]. Diese Analysen führen dazu, dass die Leitlinienkommission speziell für die Patienten
mit einer PAVK eine Empfehlung mit dem Empfehlungsgrad I und dem Evidenzniveau A ausspricht:
Trotz dieser eindeutigen Empfehlung erhalten längst nicht alle Patienten mit einer
PAVK eine lipidsenkende Therapie. Eine Analyse der Optum-Research-Datenbank (n = 1055 932
Personen) in den USA ergab, dass zwar 62 % der Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom,
52 % aller Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung, aber nur 36 % aller Patienten
mit einer PAVK eine lipidsenkende Therapie erhielten [24]. In der PACE-PAD-Studie (Patient Care Evaluation – Peripheral Arterial Disease),
einer multizentrischen, prospektiven Beobachtungsstudie mit 5099 Patienten mit PAVK
aus Deutschland lag der Anteil von Patienten, die eine Therapie ihrer Hypercholesterinämie
erhielten, immerhin bei 83,3 % [25]. Über die Qualität der Einstellung wurde allerdings nichts berichtet. Eine andere
amerikanische Analyse kommt zu dem Schluss, dass Patienten mit einer PAVK eine Leitlinien-gerechte
lipidsenkende Therapie nur zu 75 % erhalten [26]. Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung erhielten diese zu 92,2 %. Die Autoren
bemängeln, dass viele PAVK-Patienten zwar eine lipidsenkende Therapie erhielten, die
LDL-Cholesterinwerte aber weiterhin oberhalb des 2013 geltenden Zielbereichs von < 100 mg/dl
lägen.
In der ESC-Leitlinie wird gefolgert, dass in den fortgeschrittenen Krankheitsstadien
eine Statintherapie mit einer Reduktion der 1-Jahres-Mortalitätsraten und schwere
unerwünschte Ereignisse assoziiert ist. Trotz dieser vorliegenden Studiendaten und
Empfehlungen muss man allerdings festhalten, dass es bis heute keine prospektive randomisierte
Interventionsstudie zur Cholesterinsenkung bei PAVK-Patienten gibt, die eine hinreichende
Evidenz für einen LDL-Ziel- oder Schwellenwert beschreibt. Deshalb kommt der FOURIER-Studie
bei PAVK-Patienten eine besondere Bedeutung zu.
Ein erhöhtes LDL-Cholesterin ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten der
PAVK.
PAVK und PCSK9-Hemmer
PCSK9 ist ein sezerniertes Protein, welches u. a. die intrazelluläre Degradation des
LDL-Rezeptors und damit indirekt dessen Expression auf der Zelloberfläche und dessen
Fähigkeit zur Bindung von im Blut zirkulierenden LDL-Partikeln und deren intrazellulären
Abbau reguliert. PCSK9 bindet an der Zelloberfläche an den Komplex von LDL-Rezeptor
und LDL-Partikel und lenkt diesen Komplex nach intrazellulärer Translokalisation zum
gemeinsamen lysosomalen Abbau. Dadurch werden beide Bestandteile dieses Komplexes
degradiert. Bei Fehlen von PCSK9 kann der LDL-Rezeptor weiterhin LDL-Partikel mit
seinem Cholesterin-Anteil binden und in die Zelle internalisieren. Interzelluläre
dissoziiert jedoch der Komplex, das LDL-Partikel wird lysosomal abgebaut und somit
Cholesterin aus der Zirkulation entfernt, der LDL-Rezeptor entgeht jedoch dem lysosomalen
Abbau und wird an die Zelloberfläche recycelt. Dadurch steigt die Dichte an LDL-Rezeptoren
an der Zelloberfläche an, wodurch mehr LDL-Partikel gebunden werden können und die
Plasmakonzentration an LDL-Cholesterin sinkt. Pharmakologisch kann die zirkulierende
Konzentration von PCSK9 durch monoklonale Antikörper gegen PCSK9 inaktiviert werden.
Derzeit sind die beiden PCSK9-Inhibitoren Evolocumab (Repatha®) und Alirocumab (Praluent®) zur Behandlung der Hypercholesterinämie/Dyslipidämie zugelassen. Es gibt bisher
zwei große Endpunkt-Studien zur Wirkung von PCSK9-Hemmern bei Patienten mit kardiovaskulären,
arteriosklerotischen Erkrankungen. Die ODYSSEY-outcome-Studie (Evaluation of Cardiovascular
Outcomes After an Acute Coronary Syndrome During Treatment With Alirocumab) mit 18 942
Patienten mit akutem Koronarsyndrom liegt bisher nur als Kongressbericht vor und hat
eine signifikant niedrigere Rate an kardiovaskulären Endpunkten in der Gruppe mit
Alirocumab gezeigt (9,5 vs. 11,1 %, HR 0,85, 95 %-KI 0,78 – 0,93, p = 0,0003) (ACC
Orlando, Florida, USA, March 10, 2018). Die FOURIER-Studie (Further Cardiovascular
Outcomes Research with PCSK9 Inhibition in Subjects with Elevated Risk) mit Evolocumab
ist eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie mit 27 564 Patienten
mit atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung und einem LDL-Cholesterinspiegel
von 70 mg/dl oder höher [27]
[28]. Die Patienten erhielten eine Statintherapie und wurden zusätzlich randomisiert
einer Therapie mit Evolocumab (entweder 140 mg alle 2 Wochen oder 420 mg monatlich)
oder mit einem passenden Placebo als subkutane Injektionen zugewiesen. Dadurch konnten
die LDL-Cholesterinwerte von einem Median von 92 mg/dl (Breite 80 – 109) auf einen
Median von 30 mg/dl (Breite 19 – 46) gesenkt werden. Der primäre Wirksamkeitsnachweis
erfolgte über den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt von Herz-Kreislauf-Tod, Myokardinfarkt,
Schlaganfall, Krankenhausaufenthalt für instabile Angina pectoris oder koronare Revaskularisation
(MACE = major adverse cardiovascular events). Die mediane Dauer des Follow-up betrug
2,2 Jahre. In dieser Studie wiesen 13,5 % der Patienten in der Evolocumab-Gruppe und
12,9 % in der Placebo-Gruppe als qualifizierendes Ereignis eine PAVK auf. Diese Patienten
mit einer PAVK (13,3 % vs. 16,8 %, RR = 0,79; 95 %-KI 0,66 – 0,94; p = 0,0098) zeigten
eine deutlich höhere relative Risikoreduktion (RR) als die Gesamtpopulation (9,8 vs.
11,3 %, RR = 0,85; 0,79 – 0,92; p < 0,001) und auch als Patienten, die bei Studieneinschluss
einen Myokardinfarkt aufwiesen (9,6 vs. 10,8 %, RR = 0,88; 0,80 – 0,96). Am besten
schnitten die Patienten mit einer PAVK ab, die bei Studieneinschluss weder einen Myokardinfarkt
noch einen Apoplex erlitten hatten (7,7 vs. 12,6 %, RR = 0,67; 0,47 – 0,96; p = 0,0283).
In der FOURIER-Studie wurden als sekundäre Endpunkte auch Ereignisse erfasst, die
die periphere Strombahn betreffen. Diese wurde als sogenannte MALE (major adverse
limb events) im Sinne eines kombinierten Endpunktes bestehend aus akuter Extremitätenischämie,
Major-Amputation oder notfallmäßiger peripherer Revaskularisation bei Ischämie zusammengefasst
und auch einzeln berichtet. Dieser beinbezogene kombinierte Endpunkt konnte sowohl
in der Gesamtpopulation (0,27 vs. 0,45 %, RR = 0,58; 0,38 – 0,88; p = 0,0093) als
auch in der PAVK-Gruppe (1,5 vs. 2,4 %, RR = 0,63; 0,39 – 1,03; p = 0,063) in der
Evolocumab-Gruppe reduziert werden. Die besten Ergebnisse zeigten sich erneut für
die Gruppe der PAVK-Patienten, die bisher anamnestisch weder einen Myokardinfarkt
noch einen Apoplex hatten. In dieser Gruppe lag die RR des kombinierten peripheren
Endpunkts bei 0,43 (1,3 vs. 2,6 %, RR = 0,19 – 0,99; p = 0,042). Auch wenn im Vergleich
zu den kardiovaskulären die peripher-vaskulären Ereignisse deutlich seltener auftraten,
ist ihre Prävention gerade für die Patienten mit einer PAVK ein wichtiges therapeutisches
Ziel. Die Anzahl zu behandelnder Patienten, um ein MACE oder MALE zu verhindern (number
needed to treat) lag in dieser Gruppe bei 16. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass
in die FOURIER-Studie nur Patienten mit einer relativ stabilen PAVK im Stadium der
Claudicatio und pathologischem Knöchel-Arm-Index eingeschlossen wurden, jedoch keine
Patienten mit einer chronisch kritischen Extremitätenischämie.
Patienten mit einer PAVK haben in der Fourier-Studie mit einem PCSK9-Inhibitor bzgl.
kardiovaskulärer und peripherer Endpunkte besonders gut abgeschnitten.
Diskussion
Die Inhibierung des PCSK9 stellt einen neuen pharmakologischen Ansatz zur LDL-C-Senkung
dar. Die bisher zugelassenen PCSK9-Inhibitoren sind hochwirksam und nach derzeitiger
Studienlage sehr sichere Medikamente, die die LDL-C-Werte auf dem Hintergrund einer
Statintherapie im Mittel um weitere 60 % des Ausgangswertes senken können. Sie stellen
damit einerseits eine höchst interessante und innovative Entwicklung in der Behandlung
der Dyslipidämie dar, andererseits stehen einer breiten Anwendung hohe Therapiekosten
entgegen.
Aufgrund der hohen Therapiekosten und der damaligen Datenlage hat der gemeinsame Bundesausschuss
(GBA) mit Beschluss vom 04.08.2016 und Inkraftsetzung am 25.10.2016 eine Verordnungsbeschränkung
für die PCSK9-Inhibitoren zur Behandlung der Hypercholesterinämie und gemischten Dyslipidämie
beschlossen. PCSK9-Inhibitoren sind demzufolge „nicht verordnungsfähig solange sie
mit Mehrkosten im Vergleich mit anderen Lipidsenkern verbunden sind“. Der Beschluss
definiert aber explizit Ausnahmen: Dies gilt nicht für Patienten
-
mit heterozygot familiärer oder nichtfamiliärer Hypercholesterinämie oder gemischter
Dyslipidämie bei therapierefraktären Verläufen, bei denen grundsätzlich trotz einer
über einen Zeitraum von 12 Monaten dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen
lipidsenkenden Therapie (Statine und/oder andere Lipidsenker bei Statin-Kontraindikation)
der LDL-C-Wert nicht ausreichend gesenkt werden kann und daher davon ausgegangen wird,
dass die Indikation zur Durchführung einer LDL-Apherese besteht. Es kommen nur Patienten
mit gesicherter vaskulärer Erkrankung (KHK, cerebro-vaskuläre Manifestation, PAVK)
sowie regelhaft weiteren Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. Diabetes
mellitus, Nierenfunktion GFR unter 60 ml/min) infrage sowie Patienten mit gesicherter
familiärer heterozygoter Hypercholesterinämie unter Berücksichtigung des Gesamtrisikos
familiärer Belastung.
Die Einleitung und Überwachung der Therapie mit Alirocumab muss durch Fachärzte für
Innere Medizin und Kardiologie, Nephrologie, Endokrinologie und Diabetologie, Angiologie
oder an Ambulanzen für Lipidstoffwechselstörungen tätige Fachärzte erfolgen.
Damit sind die PCSK9-Inhibitoren Reservemedikamente, die genutzt werden können, wenn
die Einstellung der LDL-Cholesterinwerte auf den Zielbereich bei manifester arteriosklerotischer
Gefäßerkrankungen von < 70 mg/dl (1,8 mmol/l) über einen Zeitraum von 12 Monaten unter
Ausnutzung maximaler diätetischer und medikamentöser Maßnahmen nicht gelingt. Dies
gilt auch bei einer Statinintoleranz. Diese sollte erst dann diagnostiziert werden,
wenn mindestens 3 verschiedene Statine vom Patienten nicht vertragen wurden.
Fakt ist darüber hinaus aber auch, dass PCSK9-Hemmer auf diesem Hintergrund expressis
verbis für die Behandlung einer Hypercholesterinämie bei Patienten mit einer PAVK
zugelassen sind und zwar unabhängig vom PAVK-Stadium. Ihre Anwendung zielt sowohl
auf eine Reduktion kardialer, zerebrovaskulärer als auch beinbezogener, ischämischer
Ereignisse.
Die aktuelle Leitlinie der ESC zu peripheren Gefäßerkrankungen [21] betont, dass jeder Patient mit einer klinisch manifesten PAVK ein stark erhöhtes
Risiko aufweist, innerhalb der nächsten 10 Jahre ein kardiovaskuläres Ereignis zu
erleiden. Daher sollten bei diesen Patienten durch Lebensstiländerung, Statin- und
Ezetemib-Gabe ein LDL-Cholesterinzielbereich < 70 mg/dL (< 1,8 mmol/L) angestrebt
werden.
Sollte dieses Ziel trotz maximal tolerierbarer Dosen eines Statins und Ezetimib nicht
erreichbar sein, spricht sich die aktuelle Leitlinie der ESC und der Europäischen
Atherosklerosegesellschaft zum Einsatz der PCSK9-Inhibitoren bei arteriosklerotischen
kardiovaskulären Erkrankungen dafür aus, PCSK9-Hemmer vor allem bei den Patienten
in die therapeutischen Überlegungen miteinzubeziehen, bei denen trotz maximaler Statintherapie
mit oder ohne Ezetemib die LDL-Cholesterinwerte deutlich über dem Zielbereich von
> 70 mg/dl liegen und daher durch die Addition eines PCSK9-Hemmers die größtmögliche
absolute Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse zu erwarten ist. Dieser Rahmen
bezieht explizit die hohen Therapiekosten in die Überlegungen mit ein [29].
Konkret definieren die Autoren Algorithmen für den Einsatz von PCSK9-Inhibitoren,
die folgende Patientenkollektive beschreiben:
Patienten mit arteriosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung unter maximaler Statintherapie
-
mit LDL-C > 100 mg/dl und zusätzliche Risiken wie eine familiäre Hypercholesterinämie,
Arteriosklerose in mehreren vaskulären Territorien (polyvaskuläre Erkrankung) oder
ein rasches Fortschreiten der Arteriosklerose.
-
mit einem LDL-C > 140 mg/dl, bei denen daher nur durch eine > 50-%-Senkung des LDL-C
der Grenzwert < 70 mg/dl zu erreichen ist
Patienten mit einer PAVK gehören ohne Zweifel zu der Gruppe von arteriosklerotischen
Erkrankungen mit dem höchsten Risiko für kardiovaskuläre und peripher-vaskuläre Ereignisse.
Ein sinnvoller therapeutischer Einsatz von PCSK9-Hemmern bei PAVK-Patienten ergibt
sich daher in Analogie zu den oben ausgeführten Überlegungen. Betrachtet man die Subgruppe
der PAVK-Patienten in der FOURIER-Studie, so scheint insbesondere die Gruppe der Patienten
mit einer PAVK von der Gabe eines PCSK9-Inhibitors zu profitieren, die bisher noch
keinen Myokardinfarkt oder Apoplex erlitten haben. Da diese Patienten nicht wegen
eines Myokardinfarktes bereits in kardiologischer Betreuung und nicht wegen eines
Apoplexes bereits in neurologischer Betreuung sind, werden sie primär beim Gefäßmediziner
vorstellig. Hier sind es insbesondere die Fachärzte für Angiologie, die bei diesen
Patienten die Indikation für einen PCSK9-Inhibitor erkennen sollten, da diese im GBA-Beschluss
als Verordner speziell genannt sind.
Angiologen dürfen die Indikation für die Verordnung eines PCSK9-Inhibitors stellen
und sollten bei Patienten mit einer PAVK eine Senkung der LDL-Werte in den Zielbereich
anstreben.
-
Die PAVK geht mit einem erhöhten Risiko der kardiovaskulären Mortalität einher.
-
Die Therapie der PAVK umfasst die Behandlung der vaskulären Risikofaktoren sowie der
kardialen und zerebrovaskulären Begleiterkrankungen.
-
Ein erhöhtes LDL-Cholesterin ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten der
PAVK.
-
Patienten mit einer PAVK haben in der Fourier-Studie mit einem PCSK9-Inhibitor bzgl.
kardiovaskulärer und peripherer Endpunkte besonders gut abgeschnitten.
-
Der aktuelle GBA-Beschluss zur Verordnung von PCSK9-Inhibitoren benennt explizit die
Angiologen als Facharztgruppe, die die Indikation für diese Therapie stellen dürfen.
-
Die Therapie mit einem PCSK9-Inhibitor kann bei Patienten mit einer klinisch manifesten
und progredienten PAVK indiziert sein, wenn das LDL-Cholesterin nicht mit anderen
Mitteln in den Zielbereich der aktuellen Leitlinienempfehlungen gesenkt werden kann.