I. Prävention
Regelmäßige körperliche Aktivität und bedarfsgerechte Ernährung zur Erhaltung eines
möglichst normalen Körpergewichts können der Entwicklung von Cholesteringallenblasensteinen
und biliären Symptomen vorbeugen (Statement, III, starker Konsens).
Kommentar:
Diese Leitlinienempfehlung basiert auf der S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie
der Adipositas [1]. Diese Leitlinie weist darauf hin, dass zu der Frage, welche Präventionsmaßnahmen
besonders geeignet und effektiv sind, vergleichsweise wenige valide Untersuchungen
existieren und dass die Studien nicht ausreichend belastbar sind, um konkrete Empfehlungen
zur Art der Präventionsmaßnahmen zu formulieren. Die meisten Studien untersuchen verschiedene
Maßnahmen mit unterschiedlicher Dauer [2]
[3]
[4]
[5]. Körperliche Inaktivität, kalorienreiche und ballaststoffarme Ernährung, Übergewicht
und Adipositas sind etablierte exogene Risikofaktoren für die Bildung von Cholesterinsteinen
in der Gallenblase [6]. Grundsätzlich scheint ein Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung und
bedarfsadäquater Ernährung sinnvoll zu sein, um das Gallensteinrisiko zu senken [7]
[8]
[9]
[10]
[11]. Studienergebnisse zeigen, dass sowohl vermehrte Bewegung, Ernährungsumstellung
als auch Gewichtskontrollen eine Gewichtszunahme effektiv verhindern können. Die Studien
sind jedoch sehr unterschiedlich hinsichtlich des Designs, und die untersuchten Maßnahmen
differieren [12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22].
In mehreren Studien wurde untersucht, wie sich der Verzehr von verschiedenen Lebensmitteln
auf das Gewicht auswirkt. In systematischen Reviews des World Cancer Research Fund
wurde analysiert, welche Auswirkungen verschiedene Nahrungsmittel auf das Gewicht
haben [23]. Der Verzehr von energieärmeren Nahrungsmitteln (z. B. Vollkornprodukte, Getreide,
Obst, Gemüse, Salat) wirkt wahrscheinlich einer Gewichtszunahme, Übergewicht und Adipositas
entgegen. Der Verzehr von energiedichten Nahrungsmitteln (z. B. tierische Fette, andere
Lebensmittel mit hohem Fettanteil, Süßigkeiten) verursacht dagegen wahrscheinlich
eine Gewichtszunahme. Der Verzehr großer Mengen zuckerhaltiger Getränke kann eine
Gewichtszunahme, Übergewicht und Adipositas begünstigen. Weitere systematische Arbeiten
und Einzelstudien zeigen, dass Erwachsene eher ihr Körpergewicht stabil halten, wenn
sie den Konsum von sehr energiereichen Nahrungsmitteln reduzieren und diese durch
eine fettarme, ballaststoffreiche Kost mit mehr Obst, Vollkornprodukten, Gemüse und
Salat ersetzen sowie weniger Süßigkeiten und energiehaltige Getränke verzehren [16]
[17]
[20]
[21]
[24]
[25]. Maßnahmen zur Gewichtskontrolle sollten zudem die Energiedichte der Nahrung berücksichtigen;
diese kann durch einen erhöhten Konsum wasser- und ballaststoffreicher Lebensmittel
wie Gemüse und Obst und einen niedrigen Konsum von Lebensmitteln mit zugesetztem Zucker
bzw. energieliefernden Getränken reduziert werden [1].
Es wurde auch berichtet, dass Obst und Gemüse bei Frauen das Risiko für eine Cholezystektomie
absenken können [26]
[27]. Zudem erhöht eine hohe Kohlenhydratzufuhr, insbesondere aus raffiniertem Zucker,
das Risiko von Gallensteinen [28]
[29]
[30]. Auf der anderen Seite haben große populationsbasierte, prospektive Studien gezeigt,
dass ballaststoffreiche und kalziumreiche Diäten die lithogenen Effekte hydrophober
Gallensäuren reduzieren [31].
Es ist unklar, ob eine vegetarische Ernährung das Steinrisiko positiv oder negativ
beeinflusst [32]
[33]
[34]
[35]
[36]
[37], jedoch können aus dem mit ihr assoziierten niedrigeren BMI [38] und der Verwendung von pflanzlichen Ölen protektive Effekte resultieren [30]. Eine prospektive Kohortenstudie bei französischen Frauen berichtete von einem niedrigeren
Risiko einer Cholezystektomie unter einer Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten
und Olivenöl war [39]. Nüsse könnten auch gegen Gallensteine schützen oder einen Indikator einer gesünderen
Ernährung darstellen [40]. Es konnte auch gezeigt werden, dass mehrfach und einfach ungesättigte Fette [41] protektiv sind, wohingegen eine höhere Aufnahme von gesättigten und trans-Fettsäuren
mit einem erhöhten Risiko von Gallensteinen assoziiert war [42]
[43].
Eine höhere Zufuhr von Vitamin C reduziert wahrscheinlich das Steinrisiko [44]
[45]
[46]
[47]. In einer deutschen Beobachtungsstudie mit 2129 Teilnehmern lag die sonografisch
dokumentierte Prävalenz von Gallensteinen bei 4,7 % bei den 232 Patienten, die regelmäßig
Vitamin C supplementierten, im Vergleich zu 8,2 % bei den 1897 Teilnehmern, die kein
Vitamin C einnahmen [48].
In einer großen prospektiven Studie wurde darüber berichtet, dass die Magnesiumaufnahme
aus Nahrungsquellen bei Männern gegenüber symptomatischen Gallensteinen protektiv
ist [49]. Die Studienlage in Bezug auf Kaffee ist kontrovers [35]
[50]
[51]
[52]
[53]
[54]
[55]
[56]
[57].
Im Hinblick auf den Schutz gegen Gallensteinbildung während der Gewichtsabnahme haben
Diäten mit höherem Fettanteil positive Wirkungen in randomisierten kontrollierten
Studien gezeigt, in denen adipöse Patienten kalorienreduzierte Diäten erhielten [59]
[60]
[61]. Eine randomisierte Studie berichtete von keinen Unterschieden in der Gallensteinbildung
bei adipösen Patienten, die während der Gewichtsabnahme zusätzlich Ballaststoff erhielten,
im Vergleich zu denen, die Ursodeoxycholsäure (UDCA, siehe I.2a) erhielten [62]. Die Wirkung von ω-3-Fettsäuren im Vergleich zu UDCA und Placebo wurde in einer
randomisierten Studie untersucht [63], da eine Abnahme der Cholesterinsättigung der Galle bei Steinträgern berichtet wurde
[64]. Keine der übergewichtigen Frauen entwickelte nach einer sechswöchigen Diät Gallensteine,
jedoch wurde hier keine Abnahme des Cholesterinsättigungsindexes beobachtet. Bei Patienten
mit Hypertriglyzeridämie besserte sich die Hypomotilität der Gallenblase unter einer
Supplementation mit ω-3-Fettsäuren [65].
Die Rolle körperlicher Aktivität wurde auch in einer randomisierten Studie untersucht.
Diese Studie beobachtete eine Steigerung der Gallenblasenmotilität in der Interventionsgruppe
mit moderatem Training, aber diese war nicht höher als in der Kontrollgruppe [66]. Eine Trainingsinterventionsstudie bei schwangeren Patienten fand ebenfalls keinen
Unterschied zwischen den Gruppen in Hinblick auf die Bildung von Sludge oder Gallensteinen
[67].
Aus Querschnittsstudien gibt es Hinweise, dass das Gallensteinrisiko um etwa ein Viertel
abnehmen könnte, wenn die nächtlichen Nüchternperioden kürzer als 12 h sind [58].
Eine generelle pharmakologische Prävention von Gallensteinen wird nicht empfohlen
(Expertenkonsens).
Kommentar:
Obgleich eine generelle pharmakologische Prävention von Gallensteinen nicht empfohlen
wird, gibt es schwache Evidenz für einen steinpräventiven Effekt von Statinen [68]. Daher können diese bei anderer Indikation und gleichzeitigem Vorliegen von lithogenen
Risikofaktoren (z. B. Übergewicht, Bewegungsmangel, positive Familienanamnese) großzügig
eingesetzt werden. Interessanterweise scheint dieser Effekt auch auf Populationsebene
detektierbar zu sein: Bei Statineinnahme wird eine geringere Pankreatitisinzidenz
beobachtet [69], und dieser Effekt ist am ehesten darauf zurückzuführen, dass die Bildung kleiner
Steine verhindert wird [70]. Trotz experimenteller Daten gibt es bisher keinen Nachweis einer steinpräventiven
Wirkung von Ezetimib beim Menschen [71]
[72].
a) Bei hohem Risiko zur Bildung von Gallenblasen-Sludge oder -steinen (z. B. infolge
von Gewichtsreduktion durch Reduktionsdiät oder nach Adipositaschirurgie) wird das
Steinrisiko durch eine zeitlich begrenzte Prophylaxe mit Ursodeoxycholsäure vermindert
(Statement, I, starker Konsens).
Kommentar:
Adipositas per se und insbesondere abdominelle Adipositas prädisponieren zur Gallensteinbildung
und erhöhen das Risiko für eine Cholezystektomie wegen symptomatischer Gallensteine
[73]
[74]
[75], während körperliche Aktivität steinprotektiv ist [7]
[10]
[30]
[44]
[76]. Bei rascher Gewichtsreduktion (> 1,5 kg/Woche) unter Reduktionsdiät steigt das
Steinrisiko signifikant an [77]
[78]
[79]
[80]; Gewichtsschwankungen („Weight cycling“) sind ein unabhängiger Risikofaktor [44]
[81]
[82]. Gallensteine oder Sludge entstehen bei etwa 30 % der Patienten innerhalb von sechs
Monaten nach Magen-Bypass oder biliopankreatischer Diversion [83]
[84], nicht jedoch nach laparoskopischem Magenband [85].
Randomisierte kontrollierte Studien [77]
[84]
[86]
[87]
[88]
[89]
[90] konnten zeigen, dass das Steinrisiko unter Reduktionsdiät mit rascher Gewichtsabnahme
oder nach Magen-Bypass durch die Einnahme von Ursodeoxycholsäure (UDCA) signifikant
um 58 % verringert wird [61].
UDCA soll mit einer Dosis von mindestens 500 mg/Tag über mindestens 4 Monate bis zur
Gewichtsstabilisierung eingenommen werden. Im Gegensatz zur medikamentösen Steinauflösung
wurden in den Studien keine gewichtsbezogenen, sondern fixe UDCA-Dosen gewählt. Die
Metaanalyse zeigte, dass eine UDCA-Dosis von mindestens 500 mg/Tag effektiver ist
als 300 mg, wobei steinprotektive Effekte nach 3 – 4 Monaten, aber auch bereits nach
6 Wochen dokumentiert wurden. Sugerman et al. [84] dokumentierten nach sechsmonatiger UDCA-Therapie bei Patienten mit Magen-Bypass
eine stärkere präventive Wirkung bei einer Dosis von 600 mg (Steininzidenz 2 %) und
1200 mg (6 %) im Vergleich zu 300 mg/Tag (13 %). Eine vergleichbare Wirksamkeit konnten
Shiffman et al. [88] unter forcierter Diät für eine UDCA-Dosis von 600 – 1200 mg UDCA/Tag im Vergleich
mit 300 mg/Tag nachweisen (2 – 3 vs. 8 %). In den Studien, die den Metaanalysen zugrunde
liegen, wurde 4 – 6 Monate behandelt. Da eine postbariatrische Cholezystektomie in
der Regel problemlos durchzuführen ist, wird häufig postoperativ keine prophylaktische
Gabe von UDCA begonnen [91]
[92].
Hinweis zu Interessenkonflikten: Trotz der Klasse Ia-Evidenz (Cochrane-Review) wurde für die Steinprophylaxe mit Ursodeoxycholsäure
(UDCA) keine Empfehlung formuliert, sondern nur das Statement zur Evidenz aufgenommen,
da (1) das Medikament für diese Indikation keine Zulassung besitzt und (2) bei einigen
Teilnehmern der Konsensuskonferenz potenzielle Interessenkonflikte mit Bezug auf einen
Hersteller von UDCA bestehen (Honorare für inhaltlich nicht vorgegebene oder abgestimmte
Fortbildungsvorträge, siehe Anlage I des Leitlinienreports).
b) Bei Auftreten von intrahepatischen Steinen oder rezidivierenden Gallengangsteinen
bei jungen Patienten kann eine genetische Analyse des ABCB4-Gens veranlasst werden; unabhängig davon sollte auch bei klinischer Diagnose eines
Low phospholipid-associated cholelithiasis (LPAC)-Syndroms eine Therapie mit Ursodeoxycholsäure
begonnen werden (Expertenkonsens).
Kommentar:
Die wichtigsten diagnostischen Kriterien des durch Mutationen im Gen des hepatokanalikulären
Phospholipidtransporter ABCB4 bedingten seltenen LPAC-Syndroms sind (1) symptomatische
Cholelithiasis vor dem 40. Lebensjahr, (2) sonografischer Verdacht auf intrahepatische
Mikrolithiasis bzw. Sludge und (3) rezidivierende biliäre Schmerzen nach Cholezystektomie
infolge von intrahepatischen oder Gallengangsteinen [93]
[94]
[95]
[96]. Die genetische Untersuchung erfordert die Sequenzierung des Gens, da keine häufigen
„Hot-spot“-Mutationen vorliegen.
Die Therapie des LPAC-Syndroms mit UDCA sollte bereits nach klinischer Diagnosestellung
begonnen werden (10 – 15 mg/kg Körpergewicht und Tag), da sie unabhängig vom Mutationsnachweis
ist. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind hierzu aber keine kontrollierten
Daten vorhanden.
Hinweis zu Interessenkonflikten: Es wird darauf hingewiesen, dass Mitglieder der Konsensuskonferenz potenzielle Interessenkonflikte
mit Bezug auf einen Hersteller von UDCA angegeben haben (siehe Hinweis zu Empfehlung
I.2a), der Empfehlung I.2b jedoch alle anderen Mitglieder der Konsensuskonferenz einstimmig
zugestimmt haben.
Bei der Nutzen-Risiko-Abwägung einer östrogenbasierten Hormontherapie soll das erhöhte
Risiko für Gallenblasensteine und biliäre Symptome berücksichtigt werden (A, I, starker
Konsens).
Kommentar:
Diese Empfehlung wurde von der S3-Leitlinie zur Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause
adaptiert [97]. Cochrane-Reviews und Metaanalysen kommen zu der Schlussfolgerung, dass eine Hormontherapie
das Risiko für Gallenwegserkrankungen erhöhen kann [98]. Aus pathophysiologischer Sicht ist die Lithogenität jeglicher Östrogen-Exposition
der Gallenblase bekannt [99].
Die Nurses’ Health Study, eine qualitativ gute Kohortenstudie, ergab ein erhöhtes
Cholezystitis-Risiko unter Hormonanwendung [100]. Weitere Kohortenstudien [101]
[102] und Querschnittsuntersuchungen [103]
[104] kommen zu analogen Ergebnissen bezüglich erhöhter Risiken für Erkrankungen der Gallenblase
und Gallenwege. In der HERS-Studie lag nach kombinierter Einnahme von konjugiertem
Östrogen und Gestagen ein erhöhtes Risiko für Cholezystektomien im Vergleich zur Placebo-Gruppe
vor [105]. Das Risiko für Gallenblasenoperationen war um 38 % erhöht, insbesondere bei Patientinnen
mit Übergewicht, Fibrattherapie oder vorausgegangenen Gallenwegserkrankungen ohne
OP. Statingebrauch verringerte das Risiko. Die multizentrische, doppelt verblindete
prospektiv randomisierte WHI-Studie ergab sowohl für eine Östrogen- als auch für eine
kombinierte Östrogen-Progesteron-Therapie postmenopausaler Frauen eine erhöhte Ereigniswahrscheinlichkeit
für jegliche biliäre Erkrankungen, Cholezystitis, Cholelithiasis und Cholezystektomien
im Vergleich zur Placebo-Einnahme. Unter alleiniger Östrogentherapie kam es zu einer
annähernden Verdoppelung des Cholezystektomie-Risikos [106]
[107].
EPIC-Norfolk, eine prospektive Kohortenstudie hoher Qualität, ergab ein erhöhtes Risiko
von symptomatischen Gallensteinen und Komplikationen unter Hormontherapie, abhängig
von der Dauer der Anwendung. Symptomatische Gallensteine traten bei einer von 107 – 320
Frauen pro Jahr Hormontherapie-Anwendung auf [108]. Eine Auswertung der Million Women Study [109] zeigte, dass sich bei Hormontherapie-Anwenderinnen das Risiko einer stationären
Aufnahme wegen einer Gallenblasenerkrankung erhöht. Dabei ist das Risiko unter transdermaler
Therapie geringer als unter oraler Therapie. Die Risiken konjugierter Östrogene sind
geringfügig höher als die von Östradiol, außerdem besteht eine Dosis-Wirkungsbeziehung,
die allerdings relativ flach verläuft. Nach Therapie-Ende sank das Risiko, blieb aber
noch nach zehn Jahren erhöht.
Die begleitende Gestagen-Therapie oder Tibolon-Anwendung änderten das Risiko für stationäre
Aufnahmen durch Gallenblasenerkrankungen nicht wesentlich. Für Cholezystektomien waren
die relativen Risiken annähernd gleich hoch wie für die oben genannten stationären
Aufnahmen. Die Evidenz zur Steigerung des Risikos für Gallenwegserkrankungen bezieht
sich somit insbesondere auf Effekte unter oraler Therapie mit konjugierten Östrogenen
(mit und ohne Gestagen-Zusatz) [97].
Zur medikamentösen Prävention von Gallengangsteinen kann keine Empfehlung ausgesprochen
werden (Expertenkonsens).
Kommentar:
Die Entstehung von Rezidivsteinen im Gallengang wird durch eine bakterielle Besiedelung
der Gallengänge begünstigt. Sie werden bei 5 – 20 % der Patienten nach EPT beobachtet
und können im Regelfall erneut endoskopisch entfernt werden [110]
[111]
[112]
[113]
[114]
[115]
[116]. Genetische Risikofaktoren für Gallensteine wie Mutationen des hepatokanalikulären
Phospholipidtransporters ABCB4 [95]
[96] oder des Cholesterintransporters ABCG5 / G8 begünstigen die Entstehung von Rezidivsteinen
in den Gallengängen [117]. Eine gesicherte prophylaktische Therapie besteht derzeit nicht. UDCA zeigte in
einer Studie bei einer kleinen Patientengruppe und kurzem Follow-up eine leichte Reduktion
der Rezidivrate. Aufgrund pathophysiologischer Überlegungen könnte auch die Kombination
von UDCA und Statin sinnvoll sein, jedoch fehlen hierfür größere Fallserien [118]. Insgesamt ist die Evidenz zu dieser Fragestellung unzureichend, sodass keine Empfehlung
möglich ist.
Zur medikamentösen Prävention der Okklusion von Gallengangstents kann keine Empfehlung
ausgesprochen werden (Expertenkonsens).
Kommentar:
Die Metaanalyse zu dieser Fragestellung [119] basierte auf drei Studien, die keine Evidenz für die Effektivität von UDCA und/oder
Antibiotika zur Prävention einer Stentokklusion ergaben. Zwei Folgestudien konnten
ebenfalls nicht eindeutig die Wirksamkeit dieser Maßnahmen nachweisen: Während eine
Studie unter der Kombination von UDCA mit Levofloxacin eine niedrige Rate an Stentokklusionen
und Cholangitiden fand [120], wurde in einer doppelblinden randomisierten Studie mit Ciprofloxacin bei 94 Patienten
eine grenzwertig signifikante Abnahme der Cholangitishäufigkeit von 42 auf 21 % beobachtet
[121]. Retrospektive infektiologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Patienten
mit biliären Stents, die eine akute Cholangitis entwickeln, eine empirische Antibiotikatherapie,
die Enterokokken und Extended spectrum β-Laktamasen (ESBL) -bildende Enterobakterien
abdeckt, erhalten sollten [122].
II. Diagnostik
Charakteristische Symptome für Gallenblasensteine sind gut erinnerliche Schmerzattacken
von mehr als 15 min Dauer im Epigastrium oder rechten Oberbauch, die auch in den Rücken
und in die rechte Schulter ausstrahlen können, und nicht selten besteht zudem Übelkeit,
gelegentlich auch Erbrechen; abgesehen davon können bei den ersten Symptomen bereits
Komplikationen eines Gallenblasensteinleidens vorliegen (Statement, III, starker Konsens,
NKLM).
Kommentar:
Obwohl die Spezifität biliärer Symptome umstritten ist, gibt es derzeit keine bessere
Definition [123]. Eine Multicenterstudie aus Italien bestätigt das signifikant häufigere Vorkommen
der o. a. Beschwerden bei Gallensteinträgern [124]. Biliäre Symptome werden im Allgemeinen als „kolikartig“ beschrieben. In einer bevölkerungsbasierten
dänischen Studie wurden als häufigste Symptome von Gallensteinen mehrere Stunden anhaltende,
moderate bis starke Schmerzen im Epigastrium, die die Einnahme von Analgetika erforderten,
beobachtet [125]. Dies unterstreicht, dass es bei Symptomen eines Gallensteinleidens keine eindeutig
typische Lokalisation gibt. Für die akute Diagnostik bedeutsam ist, dass die Symptome
(insbesondere bei Komplikationen) überwiegend am späten Abend und in der Nacht beginnen
[125]
[126]. In einer prospektiven Studie in Norwegen [126] waren die biliären Koliken bei der Mehrzahl der Steinpatienten mit funktionellen
abdominiellen Beschwerden assoziiert. Als Begleitsymptome fanden sich in 66 % Zeichen
einer Nahrungsmittelintoleranz, aber nur in 48 % eine Fett-Unverträglichkeit. Dyspepsie
und Blähungen sind jedoch keine steintypischen Beschwerden, da sie mindestens gleich
häufig bei steinfreien oder bei Patienten mit Reizdarmsyndrom auftreten [127]
[128]
[129] und nach Cholezystektomie häufig persistieren [130]. Nach erstmaliger Symptomatik entwickelt mehr als die Hälfte der Patienten im weiteren
Verlauf neuerliche Schmerzattacken [131]
[132]
[133]
[134]. Die Wahrscheinlichkeit, biliäre Symptome zu entwickeln, beträgt 1 – 4 % pro Jahr
[132]
[134]
[135]
[136]
[137]
[138], und Komplikationen treten bei 0, 1 – 0,3 % der Gallensteinträger auf [132]
[134]
[135]
[136]. Multiple Steine gehen mit einem erhöhten Risiko einher, eine akute Cholezystitis
oder symptomatische Gallengangsteine als Komplikationen der Cholelithiasis zu entwickeln
[139]. Dem Patienten mit symptomatischer Cholezystolithiasis wird daher nicht nur zur
Verhinderung neuerlicher Schmerzattacken, sondern auch zur Verhinderung von Komplikationen
zur Cholezystektomie geraten (siehe IIIB.1).
Der Nachweis oder Ausschluss einer Cholezystolithiasis soll durch eine systematisch
durchgeführte transkutane Sonografie erfolgen (A, II, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die Sonografie ist die Methode der Wahl für die Diagnostik von Gallenblasensteinen
mit einer Sensitivität > 95 % [140]
[141] und einer Spezifität von nahezu 100 %. Die Untersuchung sollte systematisch durchgeführt
und dokumentiert werden. Dies erfordert den Einsatz der aktuellen Gerätetechnik durch
erfahrene ärztliche Untersucher. Unabdingbar ist die komplette Darstellung der Gallenblase
in variablen Schnittebenen und in zumindest zwei Patienten-Lagerungsvarianten, die
um 90° zueinander versetzt sind, um das typische gravitationsabhängige Migrationsverhalten
auch kleinerer Steine zu erfassen. Beurteilt werden sollen neben dem Gallenblaseninhalt
ein durch den Schallkopf über der Gallenblase auslösbarer umschriebener Druckschmerz,
die Größe der Gallenblase, ihre Wandung sowie die intra- und extrahepatischen Gallenwege,
um neben einer Cholezystolithiasis auch bereits bestehende Komplikationen sowie gleichzeitig
bestehende Gallenblasenpolypen oder für ein Gallenblasenkarzinom typische Wandveränderungen
detektieren zu können.
Die Gallenblasenübersichtsaufnahme sowie die orale oder intravenöse Cholangiografie
werden zur Diagnostik von Gallensteinen nicht mehr angewandt. CT, MRT oder Endosonografie
sind zum Nachweis von Gallenblasensteinen nur in seltenen Ausnahmen erforderlich.
Kleine prospektive Studien haben das Potenzial der Endosonografie aufgezeigt, bei
Patienten mit typischer biliärer Symptomatik und negativer Abdomensonografie in einem
hohen Prozentsatz eine Mikrolithiasis der Gallenblase nachzuweisen [142]
[143].
Bei außergewöhnlichen klinischen Konstellationen der Cholelithiasis (wie familiärer
Häufung, Auftreten im Kindes- und Jugendalter, intrahepatischen Steinen, rezidivierender
Choledocholithiasis) sollten weitere Untersuchungen zur Abklärung einer sekundären
Form der Cholelithiasis erfolgen. Hierbei sind insbesondere hämolytische Anämien,
Gallensäureverlustsyndrome, parasitäre und bakterielle Infektionen sowie verschiedene
genetisch bedingte Erkrankungen wie das Low-phospholipid associated cholelithiasis
(LPAC)-Syndrom (ABCB4-Defizienz), Caroli-Syndrom, Gilbert-Meulengracht-Syndrom, Mukoviszidose
und myotone Dystrophien zu berücksichtigen (Expertenkonsens, NKLM).
Kommentar:
In diesen Situationen sind anamnestische Angaben (z. B. Muskelschwäche, Muskelschmerzen,
Katarakt, rezidivierende bronchopulmonale Infekte oder Gedeihstörung), die Familienanamnese
und weitere pathologische Laborparameter richtungweisend. Eine erweiterte Labordiagnostik
kann Aufschlüsse zur Ätiologie der Gallensteine liefern. Die Bildung „schwarzer“ Pigmentsteine
(Calciumbilirubinatsteine) in der Gallenblase kann auf eine zugrundeliegende hämolytische
Anämie oder eine Mukoviszidose hinweisen. Bei hämolytischer Anämie sollte die ethnische
Herkunft des Patienten erfragt werden. Eine Hämoglobinelektrophorese (Sichelzellanämie,
Thalassämie) und eine Testung der osmotischen Resistenz der Erythrozyten sowie ein
Blutausstrich (Sphärozytose, Elliptozytose) führen dann diagnostisch weiter; zusätzlich
sollte an den Glukose-6-phosphatdehydrogenase- und den Pyruvatkinase-Mangel gedacht
werden. Auf die Mukoviszidose, bei der die Gallensteinprävalenz auf 15 – 30 % im Vergleich
zu 5 % bei altersentsprechenden Kontrollen erhöht ist [144], können Diarrhöen und ein Gallensäureverlustsyndrom hinweisen.
Bei symptomatischer Cholelithiasis vor dem 40. Lebensjahr, Auftreten von biliären
Schmerzen nach Cholezystektomie oder sonografischem Verdacht auf intrahepatische Mikrolithiasis
bzw. Sludge kann eine mit einer ABCB4-Defizienz assoziierte Cholelithiasis vorliegen.
Eine positive Familienanamnese kann den Verdacht erhärten, und es besteht ferner eine
Assoziation zur intrahepatischen Schwangerschafts-Cholestase und zu einer geringen
anderweitig nicht erklärten biochemischen Cholestasekonstellation [93]
[94]
[145]. Bei ABCB4-Defizienz ist die Phospholipidkonzentration im Verhältnis zu den Gallensäuren-
und den Cholesterinkonzentrationen in der Galle vermindert [93]. Die Verdachtsdiagnose kann klinisch gestellt werden. Diagnostisch können eine Lipidanalyse
von Leber- oder Duodenalgalle und eine genetische Untersuchung des hepatobiliären
Phospholipidtransporters ABCB4 durchgeführt werden. Bei 25 % junger Patientinnen < 30 Jahre mit Gallensteinen, die
nicht das typische lithogene Risikoprofil aufweisen, wurde in einer kleineren Fallserie
ein LPAC-Syndrom diagnostiziert [146]. Seltene Mutationen im ABCB11-Gen des Gallensäuretransporters können infolge niedriger Gallensäurekonzentrationen
ebenfalls zur Cholesterinsteinbildung führen [147]. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Phosholipidmangel auch beim Caroli-Syndrom eine
ursächliche Rolle spielen kann, das auch in Assoziation mit der autosomal-rezessiven
polyzystischen Nierenerkrankung (ARPKD) auftreten kann.
Generell beträgt die erbliche Komponente bei der Entstehung von Gallenblasensteinen
etwa 25 % [148]
[149]
[150]
[151]. Genetische Studien konnten nachweisen, dass eine häufige Variante des ABCG8-Gens des hepatobiliären Cholesterintransporters (p.D19H) das Risiko, Cholesteringallensteine
zu entwickeln, mehr als verdoppelt [152]
[153]. Eine genetische Diagnostik dieses Gens ist bei Gallensteinträgern nicht erforderlich.
Bei der myotonen Dystrophie Typ 1, für die eine Repeatexpansion am DMPK-Genlocus ursächlich
ist, ist die Familienanamnese zur Erfassung möglicher Symptome (wie Katarakt, Muskelschwäche
oder Tagesmüdigkeit) in den verschiedenen Organsystemen bei den Familienmitgliedern
von großer Bedeutung, wobei ältere Familienmitglieder nur monosymptomatische Verläufe
zeigen können.
Bei Diagnose oder Verdacht einer Cholelithiasis im Rahmen einer genetisch bedingten
Erkrankung soll dem Patienten eine genetische Beratung angeboten werden (Gendiagnostikgesetz
GenDG § 10, Abs. 1). Ist die ursächliche genetische Veränderung bekannt, können weitere
Familienmitglieder genetisch untersucht werden. Hierzu ist nach GenDG § 10, Abs. 2
eine genetische Beratung im Vorfeld erforderlich.
Der Nachweis oder Ausschluss einer akuten Cholezystitis sowie möglicher Komplikationen
soll primär sonografisch in Kombination mit den klinischen Befunden erfolgen: Charakteristisch
ist die Trias von lokalen Entzündungszeichen (Murphy-Zeichen, lokale Abwehrspannung),
systemischen Entzündungszeichen (Fieber, Leukozytose und CRP-Erhöhung) und Wandverdickung
der Gallenblase (A, I, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die Sonografie zeigt in einer Metaanalyse zahlreicher Studien ab 1978 eine Sensitivität
von 81 % und eine Spezifität von 83 % für die Diagnose der akuten Cholezystitis [154]. Gleichzeitig ermöglicht sie einen zuverlässigen Steinnachweis und die Beurteilung
der intra- und extrahepatischen Gallengänge [155]
[156]
[157]. Das sonografische Murphy-Zeichen (umschriebener Schmerz unter direktem Druck mit
dem Schallkopf) soll mitüberprüft werden und kann die Treffsicherheit der Methode
deutlich verbessern [158].
Weitere Zeichen der akuten Cholezystitis können umgebende Flüssigkeit, Gallenblasen-Hydrops,
umgebende Fettgewebsreaktion sowie eine vermehrte Wanddurchblutung sein. Wandverdickungen
über 5 mm und ein umgebendes Exsudat können Hinweis für ein erhöhtes Konversions-
und Komplikationsrisiko sein [159]. Bei der Differenzierung zur chronischen Cholezystitis ist ein vermehrtes Kontrastmittel-Enhancement
(CEUS, KM-CT, KM-MRT) in der Gallenblasenwand oder Umgebung Hinweis für eine akute
Entzündung [160]
[161]
[162]. Es kann bei schweren Erkrankungen, z. B. einer gangränösen Cholezystitis aber auch
fehlen [161]
[162].
CT und MRT erreichen ähnliche Sensitivität und Spezifität wie die Sonografie, sind
aber u. a. aus Gründen des Strahlenschutzes (CT) und der sofortigen Verfügbarkeit
(MRT) in der Regel nicht Methode der ersten Wahl [160]
[163]
[164]
[165]. Bei unklaren Ultraschallbefunden oder Verdacht auf Komplikationen können CT und
MRT aber eine sinnvolle Ergänzung sein. Die hepatobiliäre Funktionsszintigrafie ist
in Deutschland zur Diagnostik der akuten Cholezystitis kein akzeptierter Standard
[166].
Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine frühe Cholezystektomie zumindest für Subgruppen
vorteilhaft ist [167]. Unter diesem Aspekt ist die bildgebende Diagnostik der akuten Cholezystitis zeitnah
verfügbar zu halten. Sonografische Untersuchungen bei Notfallpatienten haben bestätigt,
dass der Nachweis von Gallensteinen wie auch einer Cholezystitis nicht nur durch Radiologen,
sondern auch durch trainierte Fachärzte mit großer Treffsicherheit möglich ist [168]
[169]
[170].
Diffuse Wandverdickungen der Gallenblase können sowohl bei Cholezystitis als auch
bei zahlreichen anderen Erkrankungen auftreten. Eine weitere Abklärung sollte im klinischen
Kontext betrachtet werden und kann die Indikation zur Operation wie auch das operative
Vorgehen beeinflussen (Expertenkonsens).
Kommentar:
Neben der primären, meist Konkrement-bedingten Cholezystitis finden sich entzündliche
Wandverdickungen der Gallenblase auch als Mitreaktion bei Virus-Hepatitis, viralen
Erkrankungen mit Leberbeteiligung und anderen intraabdominellen Infektionen [171]
[172]
[173]. Zum Teil korreliert das Ausmaß der Wandverdickung mit der Schwere der Grunderkrankung
[174]
[175]. Es besteht in der Regel keine Indikation zur Cholezystektomie, sodass die Differenzierung
von der akuten Cholezystitis bedeutsam ist.
Andererseits können auch Flüssigkeitseinlagerungen oft zu einer ödematösen Wandverdickung
beträchtlichen Ausmaßes führen (Leberzirrhose, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz,
Eiweißmangel, Schock).
Bei den hyperplastischen Gallenblasen-Erkrankungen ist die Adenomyomatose mit 2 – 5 %
nicht selten [176]. Sie kann lokalisiert oder diffus auftreten und muss von neoplastischen Veränderungen
abgegrenzt werden, insbesondere vom ebenfalls polypös oder diffus wachsenden Gallenblasenkarzinom.
Die Adenomyomatose wird heute nicht mehr als präkanzeröse Läsion angesehen, sie ist
aber gelegentlich schwierig von neoplastischen Wandverdickungen zu differenzieren.
Neuere Studien zeigen hier eine Überlegenheit der hochauflösenden Sonografie und der
kontrastverstärkten Kernspintomografie mit Magnetresonanz-cholangiopankreatografie
(MRCP) [177]
[178]. Auch ein CT oder die kontrastverstärkte Endosonografie können hilfreich sein [179]
[180]. Die früher zur Diagnose der Adenomyomatose verwendete orale Cholezystografie findet
keine Verwendung mehr.
Vor einer Cholezystektomie sollten eine transkutane Sonografie einschließlich gezielter
Beurteilung der Gallengänge durchgeführt und folgende Laborparameter bestimmt werden:
Cholestase-Parameter (γ-GT, AP), ALT, Bilirubin, Lipase, globale Gerinnungstests und
kleines Blutbild (B, III, starker Konsens, NKLM).
Vor einer elektiven Cholezystektomie bei unkompliziertem Gallensteinleiden sollten
differenzialdiagnostisch andere Ursachen der Beschwerden, z. B. Ulcusleiden, erwogen
werden (B, III, Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die präoperative Sonografie dient dem Nachweis von Gallenblasensteinen mit und ohne
Komplikationen. Die präoperative Bestimmung von Cholestaseenzymen, Transaminasen und
Bilirubin ist notwendig, um den Verdacht auf Gallengangsteine oder eine vorbestehende
Leberkrankheit weitgehend auszuschließen bzw. zu bestätigen [181]
[182]. Im Gegensatz zur Sonografie und den Laboruntersuchungen ist eine routinemäßige
Ösophagogastroduodenoskopie vor der elektiven Cholezystektomie nicht indiziert [183]
[184]. Diese wird in individuellen Fällen durchgeführt werden, wenn eine Ulcusanamnese
besteht, der Patient nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eingenommen hat oder die
klinischen Symptome nicht typisch für eine biliäre Kolik sind.
Bei klinisch-anamnestischen Hinweisen auf das Vorliegen einer Choledocholithiasis
sollen Gesamtbilirubin, γ-GT, AP, ALT (oder AST) und Lipase bestimmt und eine systematisch
durchgeführte transabdominelle Sonografie durchgeführt werden (A, II, starker Konsens,
NKLM).
Kommentar:
In Metaanalysen erwiesen sich vor allem das klinische Bild der Cholangitis, der transkutan-sonografische
Nachweis von Gallengangkonkrementen, Ikterus, Hyperbilirubinämie und in der Sonografie
dilatierte Gallengänge als starke Hinweise auf eine Choledocholithiasis [181]
[185]. Weitere Studien zeigten darüber hinaus auch den prädiktiven Stellenwert einer Erhöhung
der Transaminasen und der Cholestaseenzyme (γ-GT, AP) [186]
[187]
[188]
[189]
[190]
[191]
[192]
[193]
[194]
[195]
[196]
[197]
[198]
[199]
[200]
[201]
[202]
[203]
[204]
[205]
[206]. Die Erhöhung von mindestens einem von fünf biochemischen Markern (Bilirubin, AP,
γ-GT, ALT, AST) hatte in einer retrospektiven Studie eine Sensitivität von 88 % bei
einer Spezifität von lediglich 53 % für das Vorliegen einer Choledocholithiasis [201]. In einer durch MRCP kontrollierten retrospektiven Studie erwiesen sich neben einer
initialen Erhöhung der ALT oder einem pathologischen Ultraschallbefund ein Anstieg
von ALT und AP bzw. die persistierende Erhöhung dieser Parameter als hoch prädiktiv
für das Vorliegen einer Choledocholithiasis [206].
Die Sensitivität des transkutanen Ultraschalls für den Nachweis einer Choledocholithiasis
wird in verschiedenen Studien sehr variabel zwischen 32 und 100 % angegeben. Die Spezifität
ist dagegen so hoch, dass der sonografische Nachweis eines Gallengangsteins als das
Kriterium mit dem höchsten Voraussagewert für eine Choledocholithiasis gilt. Studien
berichten über eine Sensitivität von 82 und 86 % bei einer Spezifität von 88 bzw.
97 % [207]
[208]. Eine Cochrane-Analyse aus dem Jahr 2015 ermittelte für die sonografische Diagnose
einer Choledocholithiasis eine gepoolte Sensitivität und Spezifität von 73 bzw. 91 %
[209]. Bei der Sonografie sollte in einem systematischen Untersuchungsgang sowohl nach
direkten als auch nach indirekten Kriterien für Gallengangsteine gesucht werden. Im
klinischen Alltag gelingt oft keine komplette Gangdarstellung bis zur Papille. Limitationen
für die sonografische Detektion der Choledocholithiasis ergeben sich insbesondere
bei normaler Gangweite [208], unmittelbar präpapillärer Lage von Konkrementen und einer Konkrementgröße < 5 mm.
In einer prospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass erfahrene Untersucher eine
hohe diagnostische Genauigkeit in der sonografischen Detektion von Gallengangsteinen
haben (83 %; Sensitivität 82 %, Spezifität 88 %) und weniger erfahrenen Untersuchern
(Genauigkeit 64 %; Sensitivität 46 %, Spezifität 91 %) signifikant überlegen sind
[207].
Eine Gallengangerweiterung ist ein wichtiges indirektes sonografisches Kriterium für
das Vorliegen einer Choledocholithiasis und hatte in der genannten Metaanalyse eine
gepoolte Sensitivität von 42 % und eine gepoolte Spezifität von 96 % [181]. Mehrere aktuelle prospektive und retrospektive Studien bestätigen den diagnostischen
Stellenwert einer Erweiterung der extra- und intrahepatischen Gallengänge für das
Vorliegen von Gallengangsteinen [196]
[200]
[202]
[203]
[204]
[206]
[210]. Dabei wird in den meisten aktuellen Studien zur Diagnostik der simultanen Choledocholithiasis
und in Leitlinien eine Gallengangerweiterung als Überschreitung eines Durchmessers
des Ductus hepatocholedochus von 6 oder 7 mm definiert [201]
[203]
[204]
[211]
[212]. Im höheren Lebensalter nimmt der Durchmesser der nicht obstruierten extrahepatischen
Gallengänge geringfügig zu, ohne jedoch bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten
die genannten oberen Grenzwerte von 6 oder 7 mm zu überschreiten [213]
[214]
[215]. Eine fehlende Gallengangerweiterung schließt das Vorliegen einer Choledocholithiasis
alleine nicht mit klinisch ausreichender Sicherheit aus [196]
[206]
[210]
[216].
Auch Anzahl und vor allem Größe von Gallenblasensteinen haben prädiktive Bedeutung
für das Vorliegen einer Choledocholithiasis [200]
[217]
[218]. In der prospektiven Studie von Costi et al. [217] wurde gezeigt, dass multiple kleine Gallenblasenkonkremente (Durchmesser ≤ 5 mm)
viermal häufiger mit Gallengangsteinen einhergehen als einzelne oder mehrere größere
Konkremente.
Wenn keiner der aufgeführten klinischen, biochemischen oder sonografischen Indikatoren
für eine Choledocholithiasis vorliegt, hat dies den gleichen negativen prädiktiven
Wert wie eine ERC ohne Steinnachweis [200]
[201]
[204]
[219]
[220].
Bei erhöhter Serumlipase ist bei entsprechender Symptomatik an eine biliäre Pankreatitis
zu denken (siehe II.11).
Mathematische Vorhersagemodelle für Gallengangsteine, die auf den genannten Parametern
basieren, können eine hohe Genauigkeit erreichen, wurden aber nur in wenigen Fällen
in einer unabhängigen Kohorte prospektiv validiert und sind in der klinischen Praxis
kaum anwendbar [182]
[200]
[205]
[221]. Durch Nutzung klinischer Variablen, laborchemischer Parameter und sonografischer
Befunde kann eine in der klinischen Praxis gut anwendbare Kategorisierung in niedrige,
mittlere und hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer simultanen Choledocholithiasis
erfolgen ([Tab. 1]). Zu berücksichtigen ist bei der Risikoklassifikation auch, dass bei Patienten mit
symptomatischer Cholezystolithiasis die Prävalenz simultaner Gallengangsteine mit
dem Alter zunimmt [181]
[186]
[221].
Bei Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Choledocholithiasis
sollte primär die ERC in therapeutischer Intention erfolgen (B, I, starker Konsens).
Bei niedriger oder mittlerer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Choledocholithiasis
soll die ERC nicht zur Diagnose oder zum Ausschluss von Gallengangsteinen eingesetzt
werden (A, I, starker Konsens).
Bei Patienten mit mittlerer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Choledocholithiasis
sollen eine Endosonografie oder eine MRCP durchgeführt und die Entscheidung zur Durchführung
einer ERC in Abhängigkeit vom Ergebnis dieser Untersuchungen getroffen werden (A,
I, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die ERC hat für die Choledocholithiasis eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität
von deutlich über 90 % [197]
[201]
[222]
[223]
[224]
[225]
[226]. Andererseits handelt es sich um eine invasive Methode mit einer Komplikationsrate
von etwa 5 bis 10 %. Die häufigste Komplikation ist die Post-ERC-Pankreatitis [227]. Da die Prävalenz von Gallengangsteinen bei Patienten mit Cholezystolithiasis altersabhängig
zwischen 5 und 15 % liegt [228]
[229], würde eine generelle Empfehlung zum Ausschluss von Gallengangsteinen vor einer
Cholezystektomie mittels ERC zu viele Patienten unnötig den Risiken dieses Verfahrens
aussetzen. Daher ist ein an das Risiko für eine Choledocholithiasis adaptiertes Vorgehen
sinnvoll [195]
[211]
[230]
[231]
[232].
Bei direktem sonografischen Nachweis von Gallengangsteinen und/oder bei Vorliegen
einer akuten Cholangitis ist primär die ERC indiziert, da sie neben dem Nachweis von
Gallengangsteinen die gleichzeitige therapeutische Intervention erlaubt (biliäre Sphinkterotomie
und Steinextraktion). Die Steinextraktions- und Komplikationsraten sind zwischen der
prä- und der intraoperativen ERC vergleichbar, aber die intraoperative ERC ist mit
einer geringeren Inzidenz von ERC-bedingten Komplikationen und mit einem kürzeren
Krankenhausaufenthalt, jedoch mit höherem logistischen Aufwand verbunden [233]
[234].
Bei hochgradigem Verdacht auf eine Choledocholithiasis ohne direkten bildgebenden
Nachweis von Gallengangsteinen ([Tab. 1]) ist die primäre Durchführung einer ERC vertretbar. Es ist aber zu berücksichtigen,
dass auch in der Hochrisikogruppe die durchschnittliche Prävalenz einer Choledocholithiasis
nur zwischen 35 und 76 % liegt [220]
[235]
[236]
[237]
[238]
[239]
[240]
[241]
[242]
[243]. In dieser Situation können daher im Einzelfall weitere bildgebende Verfahren (insbesondere
Endosonografie und MRCP) sinnvoll sein, um zur Choledocholithiasis alternative mögliche
Ursachen für eine Gallengangerweiterung in Kombination mit der Erhöhung von biochemischen
Leberfunktionsparametern oder rechtsseitigen Oberbauchschmerzen differenzialdiagnostisch
abzugrenzen [244]. In einer prospektiven Studie konnte auch bei Patienten mit Hochrisikokriterien
für das Vorliegen einer Choledocholithiasis nach Durchführung einer Endosonografie
die Anzahl erforderlicher ERC um mehr als die Hälfte reduziert werden [241]. Die Endosonografie ermöglicht Aussagen zur Anzahl und Größe der Konkremente und
kann so zur Planung der ERC beitragen [245]. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass die Endosonografie im Vergleich zum Goldstandard
ERC eine sehr hohe Genauigkeit nicht nur für die Diagnose einer Choledocholithiasis,
sondern auch für die Abklärung einer biliären Obstruktion anderer Ursache hat (gepoolte
Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit: 88, 90 bzw. 97 %) [246].
Das völlige Fehlen klinischer, biochemischer und sonografischer Prädiktoren schließt
das Vorliegen einer Choledocholithiasis mit einer der ERC und der intraoperativen
Cholangiografie vergleichbaren Sicherheit aus [200]
[201]
[204]
[219]. Daher sind vor einer Cholezystektomie im Regelfall weder weiterführende bildgebende
Verfahren noch eine ERC erforderlich.
Um die Indikation zu einer therapeutischen ERC beurteilen zu können, ist bei Patienten
mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit für eine Choledocholithiasis ([Tab. 1]) die weitere diagnostische Abklärung sinnvoll [195]
[231]
[244]
[247]
[248]
[249]
[250].
Von den dafür verfügbaren Methoden weist die Endosonografie die höchste Sensitivität
für die Detektion von Steinen im Ductus hepatocholedochus auf. Sie ist risikoärmer
als die diagnostische ERC [251] und besitzt bei entsprechender Untersuchererfahrung eine nahezu 100 %ige Sensitivität
sowie eine hohe Spezifität (> 93 %) zum Nachweis bzw. Ausschluss von Gallengangsteinen,
insbesondere auch für kleinere (< 5 mm) und präpapilläre Konkremente [142]
[143]
[194]
[222]
[223]
[231]
[235]
[244]
[245]
[247]
[248]
[249]
[252]
[253]
[254]
[255]
[256]
[257]
[258]
[259]
[260]
[261]
[262]
[263]
[264]
[265]
[266]
[267]
[268]. In einer 2008 publizierten Metaanalyse, die 27 Studien mit insgesamt 2673 Patienten
mit Verdacht auf Choledocholithiasis einschloss, wurde für die Endosonografie eine
gepoolte Sensitivität und Spezifität von 94 bzw. 97 % ermittelt [269]. Die Ergebnisse der Endosonografie sind von der Steingröße und dem Gallengangdurchmesser
unabhängig. In einer prospektiven Studie erwies sich die Endosonografie der ERC bei
der Entdeckung von Steinen < 4 mm als überlegen [249]. Die mit longitudinalen Echoendoskopen sowie mit extraduktal eingesetzten radialen
Minisonden erreichten diagnostischen Ergebnisse sind vergleichbar mit den für radiale
Echoendoskope berichteten [143]
[260]
[270]
[271]
[272]
[273]
[274]
[275]
[276]. Diagnostische Limitationen ergeben sich insbesondere bei postoperativ veränderter
Anatomie oder bei Stenosen des oberen Verdauungstraktes. Bei Patienten mit intermediärer
Wahrscheinlichkeit von Gallengangsteinen kann durch den routinemäßigen Einsatz der
Endosonografie (EUS first-Strategie) die Anzahl der erforderlichen ERC um etwa 2/3
reduziert werden [241]
[247]
[248]
[249]
[250]
[277].
Die MRCP weist insgesamt eine mit der Endosonografie vergleichbare mediane Sensitivität
(77 – 100 %) und Spezifität (73 – 100 %) auf, wobei ihre Aussagefähigkeit für Konkremente
< 5 mm und damit die Beurteilung einer Mikrolithiasis eingeschränkt ist [185]
[226]
[231]
[244]
[256]
[258]
[262]
[263]
[268]
[278]
[279]
[280]
[281]
[282]
[283]
[284]
[285]
[286]
[287]
[288]
[289]
[290]
[291]
[292]
[293]
[294]
[295]
[296]
[297]
[298]
[299]
[300]
[301]
[302]
[303]
[304]
[305]
[306]
[307]
[308]
[309]. Weitere Einschränkungen betreffen Verfügbarkeit, Kosten und patientenindividuelle
Faktoren. Ein systematisches Review (25 Studien, 2310 Patienten) kalkulierte eine
gepoolte Sensitivität und Spezifität der MRCP von 90 bzw. 95 % [310]. Mit einer MRCP-first-Strategie bei Verdacht auf Choledocholithiasis können mindestens
50 % der präoperativen ERC vermieden werden [311]
[312]. Eine Metaanalyse [306] von fünf prospektiv-vergleichenden Studien [231]
[244]
[256]
[258]
[263] mit insgesamt 301 Patienten fand zwischen Endosonografie und MRCP keine signifikanten
Unterschiede hinsichtlich der Sensitivität (93 vs. 85 %) und Spezifität (96 vs. 93 %)
für die Diagnose von Gallengangsteinen. Auch ein Cochrane-Review, das insgesamt 18
Studien (darunter nur zwei direkt vergleichende) einbezog, konstatierte Gleichwertigkeit
beider Methoden [268], während ein weiteres systematisches Review acht vergleichende Studien analysierte
und für gleiche Prätest-Wahrscheinlichkeiten eine höhere Nachweis- und Ausschluss-Wahrscheinlichkeit
der Endosonografie für das Vorliegen einer Choledocholithiasis ermittelte [309]. In einer prospektiv kontrollierten Studie wurde auch über eine tendenziell höhere
Spezifität der Endosonografie (95 %) im Vergleich zur MRCP (73 %) berichtet [256]. Eine jüngst publizierte Metaanalyse von 5 direkt vergleichenden prospektiven Kohortenstudien
ermittelte dagegen bei gleicher Spezifität beider Methoden (90 vs. 92 %) eine signifikant
höhere Sensitivität und diagnostische Odds Ratio (97 bzw. 162,5 %) für die Endosonografie
im Vergleich zur MRCP (87 bzw. 79 %) [313].
Die Spiral-Computertomografie weist eine Sensitivität von 65 – 92 % und eine Spezifität
von 73 – 97 % für die Diagnose einer Choledocholithiasis auf [277]
[289]
[314]
[315]. Eine höhere und annähernd der MRCP vergleichbare Genauigkeit für die Detektion
von Gallengangsteinen hat die CT-Cholangiografie [257]
[263]
[289]
[316]. Wobei falsch negative Fälle insbesondere bei Gallengangsteinen < 5 mm beschrieben
worden sind [263]
[277]. Aufgrund der damit verbundenen Strahlenexposition sowie der hohen Rate an Nebenwirkungen
bezüglich der Leber-, Nieren- und Herz-Kreislauffunktion bei gleichzeitig vorhandenen
besseren und nebenwirkungsärmeren Verfahren wie Endosonografie und MRCP hat die CT-Cholangiografie
mit intravenöser Kurzinfusion heute jedoch keinen klinischen Stellenwert für die Diagnostik
bei Verdacht auf Choledocholithiasis.
Zur Darstellung der Anatomie und/oder zum Nachweis von Gallengangsteinen können auch
die intraoperative Cholangiografie und die laparoskopische Sonografie durchgeführt
werden [317]
[318]
[319]. In einer Metaanalyse, in die 11 vergleichende Studien eingeschlossen wurden, hatten
die intraoperative Cholangiografie als auch die laparoskopische Sonografie jeweils
eine gepoolte Sensitivität von 87 % sowie eine gepoolte Spezifität von 99 bzw. 100 %
[320]. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit und Expertise und des damit verbundenen zeitlichen
und logistischen Aufwandes wird der selektive Einsatz beider Methoden in Deutschland
derzeit nicht empfohlen [321]
[322]
[323]
[324].
Für die Diagnostik von symptomatischen Patienten nach Cholezystektomie und für die
Patientenselektion zur ERC durch Anwendung weniger invasiver Methoden liegen kaum
valide Daten vor. Nach Cholezystektomie wird ohne Vorliegen von Gangsteinen oder anderer
biliärer Pathologien eine geringe Zunahme der Gallengangweite beschrieben [212]
[213]
[325]
[326]
[327]
[328]. Da nur in einem sehr geringen Prozentsatz der untersuchten cholezystektomierten
Patienten der für Patienten mit in situ befindlicher Gallenblase allgemein akzeptierte
obere Grenzwert für die Gallengangweite von 7 mm überschritten wird, kann dieser auch
auf die postoperative Situation übertragen werden [214]
[215]
[328]. Allerdings ist bei Patienten mit einer Gallengangweite bis 10 mm nach Cholezystektomie
das Vorliegen einer Choledocholithiasis wenig wahrscheinlich, wenn keine weiteren
klinischen oder laborchemischen Kriterien vorliegen. Sowohl die Endosonografie als
auch die MRCP sind bei Patienten mit Cholezystektomie und biliären Beschwerden geeignet,
mit hoher Genauigkeit eine Choledocholithiasis oder alternative biliopankreatische
Ursachen zu detektieren bzw. auszuschließen [255]
[329]
[330]
[331]
[332]. Insofern kann das für Patienten mit Gallenblase in situ und Verdacht auf Choledocholithiasis
empfohlene risikoadaptierte Vorgehen grundsätzlich auch auf cholezystektomierte Patienten
übertragen werden.
Bei Verdacht auf eine akute Cholangitis sollen
-
klinische Symptome einer systemischen Inflammation (Fieber, Schüttelfrost) und laborchemische
Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) evaluiert,
-
Cholestase-Parameter (Bilirubin, AP, γ-GT und Transaminasen) bestimmt werden und
-
transabdominell-sonografisch die Gallengänge (Gallengangweite > 7 mm oder Nachweis
eines Konkrementes oder eines anderen Abflusshindernisses) abgeklärt werden.
Bei Vorliegen pathologischer Befunde aller drei diagnostischen Kategorien (a + b +
c) liegt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine obstruktive Cholangitis vor (A, II,
starker Konsens).
Lassen sich sonografisch weder eine Gallengangerweiterung noch ein Gallengangkonkrement
oder ein anderes Abflusshindernis nachweisen (Kriterium c), sollten eine Endosonografie
oder MRCP durchgeführt werden (B, I, starker Konsens).
Kommentar:
Die akute Cholangitis ist wegen der erhöhten Letalitätsrate (in seit dem Jahr 2000
publizierten Studien zwischen 3 – 10 % [333]) eine gefürchtete Komplikation der Choledocholithiasis. Sie entsteht als Resultat
einer biliären Abflussstörung und einer Infektion. Häufigste Ursache der biliären
Abflussstörung ist mit 28 – 70 % der Fälle die Choledocholithiasis, gefolgt von malignen
Stenosen, benignen Stenosen und selteneren Ursachen wie intraduktalen Parasiten [333]. Die klinische Präsentation der akuten Cholangitis ist nicht immer typisch. Eine
Charcot-Trias wurde in verschiedenen Studien in nur 16 bis maximal 72 % der Fälle
beobachtet [334]
[335]
[336]
[337]
[338]
[339]. Nach den Diagnosekriterien der Tokyo-Leitlinie 2018 ist die Diagnose der Cholangitis
gesichert, wenn systemische Infektionszeichen (klinisch Fieber; laborchemisch: Leukozytose
oder Leukozytopenie, CRP-Erhöhung), ein Verschlussikterus oder erhöhte Cholestase-Parameter
im Blut sowie sonografisch ein erweiterter Gallengang bzw. eine Cholangiolithiasis
oder ein anderer pathologischer Befund an den Gallengängen (z. B. Stenose oder Stent)
vorliegen [339]. Ein Verdacht auf Cholangitis ergibt sich, wenn neben den systemischen Infektzeichen
noch ein zweiter Parameter erfüllt ist (entweder Verschlussikterus bzw. erhöhte Cholestase-Parameter
oder ein erweiterter Gallengang bzw. pathologischer Gallengangbefund) [336]
[339]. Diese Diagnosekriterien erreichten in zwei retrospektiven asiatischen Studien eine
hohe diagnostische Genauigkeit und erwiesen sich im Vergleich zur Charcot-Trias als
signifikant überlegen [337]
[339].
Die transabdominelle Sonografie stellt bei Patienten mit dem Verdacht auf eine akute
Cholangitis das primäre bildgebende Verfahren dar und sollte aufgrund ihrer flächendeckenden
bettseitigen Verfügbarkeit, fehlenden Strahlenbelastung und Wiederholbarkeit bei allen
Patienten mit dieser Verdachtsdiagnose bei der primären Präsentation und im Verlauf
eingesetzt werden [340]
[341]
[342]. Die transabdominelle Sonografie hat in diesem Zusammenhang auch bei notfallmäßiger
Durchführung eine hohe Aussagekraft [343]
[344]. Trotz Limitationen in der Detektion kleiner Cholesterolkonkremente kann auch die
Computertomografie zur Diagnose einer akuten Cholangitis beitragen. Computertomografische
Cholangitiskriterien sind ein transientes inhomogenes Enhancement des Leberparenchyms
in der arteriellen Phase und ein peribiliäres Ödem [336]
[339]
[340]
[345]
[346]
[347]
[348]
[349]. Bei der bildgebenden Abklärung des Verdachts auf eine akute Cholangitis sollten
das Vorliegen einer Obstruktion mit konsekutiver Gallengangerweiterung, die Höhe der
Obstruktion innerhalb des Gangsystems, eine Aerobilie, eine mögliche Wandverdickung
des extrahepatischen Gallengangs, ein peribiliäres Ödem, sowie die Ursache der Obstruktion
wie Gallen(gang)steine oder Strikturen evaluiert und beschrieben werden. Nach möglichen
Komplikationen wie Leberabszessen oder Pfortaderthrombosen sollte gezielt gesucht
werden [340]
[341]
[349]
[350].
Endosonografie und MRCP können bei nicht konklusivem Sonografiebefund vor Durchführung
einer ERC bei akuter Cholangitis zur Klärung der Ätiologie eingesetzt werden, dürfen
aber nicht eine dringliche ERC verzögern. Auf den hohen Stellenwert beider Methoden
zur Diagnostik einer Choledocholithiasis und zur Klärung der Ursache einer biliären
Obstruktion wurde bereits unter II.9 hingewiesen. Typische endosonografische Kriterien
einer akuten Cholangitis sind eine diffuse konzentrische Wandverdickung, ein echoarmer
peribiliärer Randsaum von mehr als 15 mm Länge sowie der Nachweis heterogenen, nicht
echofreien Ganginhalts ohne Schallschatten [351]. Als magnetresonanztomografische Kriterien einer akuten Cholangitis wurden eine
erhöhte periduktale Signalintensität im T2-gewichteten Bild, eine transiente periduktale
Signalabschwächung sowie eine Wandverdickung der extrahepatischen Gallengänge beschrieben
[352]. Eine dringlich erforderliche ERC darf durch diese diagnostischen Maßnahmen nicht
verzögert werden. Bei mäßig schwerer und bei schwerer Cholangitis verschlechtert die
Verzögerung einer dringlichen ERC die Prognose und erhöht die Kosten [353]
[354].
Der Schweregrad einer akuten Cholangitis sollte bei Erstkontakt und abhängig vom Krankheitsverlauf
(zumindest ein weiteres Mal innerhalb der ersten 24 Stunden) beurteilt und dokumentiert
werden.
Zur Beurteilung des Schweregrads der akuten Cholangitis sollten neben der allgemeinen
klinischen Einschätzung Bewusstseinslage, Kreislaufparameter (Herzfrequenz und Blutdruck),
Sauerstoffsättigung und Laborparameter (insbesondere Thrombozyten, Kreatinin/glomeruläre
Filtrationsrate, Quick/INR, Albumin) herangezogen werden (B, III, starker Konsens).
Kommentar:
Der Schweregrad der akuten Cholangitis bestimmt maßgeblich die Indikation zur intensivmedizinischen
Therapie sowie Notwendigkeit und Zeitpunkt einer frühzeitigen biliären Drainage [342]. In den aktuellen Tokyo-Leitlinien [339] wird der Schweregrad der Cholangitis in drei Grade eingeteilt. Der höchste Schweregrad
(Grad III) ist bei Schock mit Katecholamin-Pflichtigkeit, Bewusstseinstrübung oder
Versagen von Lunge, Niere, Leber oder Gerinnung gegeben. Für die Diagnose einer mäßig
schweren Verlaufsform (Grad II) ist der Nachweis von mindestens zwei der folgenden
Kriterien erforderlich: (1) Leukozytose > 12 G/l oder Leukopenie < 4 G/l, (2) Fieber
≥ 39° C, (3) Alter ≥ 75 Jahre, (4) Gesamtbilirubin ≥ 5 mg/dl (103 μmol/l) und (5)
Albumin < 25 g/l [333]
[339]. Sie kann sich insbesondere bei unzureichender biliärer Drainage zu einer schweren
Verlaufsform mit ungünstiger Prognose entwickeln. Neben einer verzögerten oder ineffektiven
interventionellen Therapie wurden in Studien als Risikofaktoren für die Entwicklung
eines schweren Verlaufes identifiziert: hohes Alter, schwere Komorbidität, andere
Ätiologie als Gallengangsteine bzw. maligne Gallengangobstruktion, Cholangitis mit
Leberabszess, Leberzirrhose, hiläre und intrahepatische Gallengangobstruktion, Antibiotikaresistenz
der Erreger bzw. nicht adäquate kalkulierte Antibiotikabehandlung [337]
[355]
[356]
[357]
[358]
[359].
Bei Patienten mit akuter Pankreatitis, bei denen in der primären Bildgebung Gallengangsteine
nachgewiesen werden oder komplizierend ein Gallengangverschluss oder eine Cholangitis
vorliegen, soll primär eine ERC mit therapeutischer Zielstellung erfolgen.
In allen anderen Fällen sollen primär eine Endosonografie oder eine MRCP durchgeführt
werden, um die Indikation zur ERC zu klären (selektive ERC-Strategie) (A, II, starker
Konsens, NKLM).
Kommentar:
In westlichen Industriestaaten wird bei 35 bis 60 % der Patienten mit akuter Pankreatitis
eine biliäre Ursache nachgewiesen. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer,
und die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter an [360]
[361]
[362]
[363]
[364]. Neben dem Fehlen anamnestischer und klinischer Hinweise auf eine alternative Genese
(insbesondere Alkoholabusus), sind die Anamnese einer Cholezystektomie, der Nachweis
von Gallenblasensteinen und/oder Gallengangsteinen im transabdominellen Ultraschall,
eines (transienten) Anstiegs der ALT oder AST auf das 2 – 3-fache der oberen Norm
sowie eine primäre Erhöhung bzw. ein Anstieg des Serumbilirubins im Verlauf starke
Prädiktoren für die biliäre Genese einer akuten Pankreatitis. Der Nachweis von Gallenblasensteinen
oder Sludge in Kombination mit einer Erhöhung von Leberfunktionsparametern hat einen
sehr hohen positiven Voraussagewert für die biliäre Genese einer akuten Pankreatitis.
Insbesondere der Nachweis zahlreicher kleiner Gallenblasensteine spricht für eine
biliäre Pankreatitis [365]. Darüber hinaus steigt die Wahrscheinlichkeit für eine biliäre Ursache mit zunehmendem
Lebensalter und ist bei Frauen deutlich höher als bei Männern [366]
[367]
[368]
[369]
[370]
[371]
[372]
[373]
[374]
[375]
[376]
[377]
[378]
[379]. Allerdings demonstrierte eine prospektive Studie, dass bei 12 % aller Patienten
mit akuter biliärer Pankreatitis die ALT normal sein kann und bei weiteren 17 % die
Erhöhung geringer als auf das 3-fache der Norm ausfallen kann [380]. Eine prospektiv-multizentrische, ERC-kontrollierte Studie zeigte auf, dass in der
frühen Phase einer biliären Pankreatitis biochemische und sonografische Prädiktoren
keinen (sonografischer Nachweis von Gallengangsteinen oder Gangerweiterung; Erhöhung
von Bilirubin oder Transaminasen) oder nur einen geringen (Erhöhung von AP oder γ-GT)
Voraussagewert für das Vorliegen von Gallengangsteinen hatten [216]. Wenngleich Studien zeigen konnten, dass bei akuter alkoholtoxischer Pankreatitis
das Verhältnis von Serumlipase zu Serumamylase signifikant höher war als bei nicht-alkoholischer
und biliärer Genese [381]
[382]
[383], erlaubt die Lipase-Amylase-Ratio keine ausreichend sichere Differenzierung zwischen
akuter biliärer und alkoholischer Pankreatitis [384]
[385].
Normal weite Gallengänge und der fehlende Nachweis von Gallengangsteinen in der transabdominellen
Sonografie schließen die biliäre Genese einer akuten Pankreatitis nicht aus [223]
[226]
[376]
[379]
[386]
[387]. Der Spontanabgang von Konkrementen im frühen Verlauf einer akuten biliären Pankreatitis
ist häufig. Nur in etwa 18 – 45 % der Fälle werden persistierende Gallengangsteine
durch Endosonografie, MRCP oder ERC nachgewiesen [197]
[223]
[374]
[378]
[386]
[387]
[388]
[389]
[390]
[391]. Ein Anstieg von Transaminasen und Pankreasenzymen im Serum, die Persistenz erhöhter
Werte und ein erhöhtes Serumbilirubin am zweiten Krankenhaustag wurden als Kriterien
für die Persistenz von Gallengangsteinen identifiziert, während ein Abfall Hinweis
auf eine Steinpassage ist [374]
[388]
[392].
Die diagnostische Genauigkeit des transabdominellen Ultraschalls und der CT zur Detektion
von persistierenden Gallengangsteinen bei akuter biliärer Pankreatitis ist limitiert
[223]
[226]
[386]
[387]. Eine kurzfristige Wiederholung der transabdominellen Sonografie ist sinnvoll und
kann deren Genauigkeit signifikant steigern [393].
Ist durch transabdominelle Sonografie eine definitive Klärung nicht möglich, kann
diese durch MRCP und Endosonografie erfolgen. Welches der beiden Verfahren zum Einsatz
kommt, soll unter Berücksichtigung von Verfügbarkeit, lokaler Expertise und patientenindividuellen
Faktoren entschieden werden. Beide Methoden sind bei deutlich geringerer Invasivität
ähnlich sensitiv und spezifisch wie die ERC [197]
[222]
[223]
[226]
[378]
[387]
[389]
[390]
[394]
[395]
[396]
[397]
Ein systematisches Review der Daten von Patienten mit Verdacht auf biliäre Pankreatitis
aus sechs prospektiven [197]
[222]
[223]
[389]
[396]
[397] und einer retrospektiven Studie [398] machte deutlich, dass durch endosonografische Selektion von Patienten mit Choledocholithiasis
zur therapeutischen ERC in den Studienkollektiven kumulativ 71 % aller sonst erforderlichen
ERC einschließlich der damit verbundenen Komplikationen vermieden werden konnten [399]. Ähnliche Raten vermiedener ERC wurden für den primären Einsatz der MRCP bei biliärer
Pankreatitis kalkuliert [400]
[401]. Studien, die die Effektivität von Endosonografie und MRCP bei akuter biliärer Pankreatitis
vergleichen, sind nicht verfügbar. Indirekte Evidenz spricht für eine etwas höhere
Effektivität der Endosonografie. In einer retrospektiven Studie, in die 223 Patienten
mit einer milden akuten biliären Pankreatitis eingeschlossen waren, konnte in 14 von
33 (42 %) Fällen mit negativem Ergebnis der konventionellen radiologischen Bildgebung
(transabdominelle Sonografie, CT, in fast 50 % der Fälle auch MRCP) erst eine zusätzliche
Endosonografie die biliäre Ursache detektieren [402]. Zwei weitere retrospektive Analysen zeigten eine mit jeweils 62 % relativ geringe
diagnostische Sensitivität der MRCP bei akuter biliärer Pankreatitis [391]
[393].
Eine Entscheidungsbaumanalyse verglich eine durch MRCP oder Endosonografie gesteuerte
Selektion von Patienten mit akuter biliärer Pankreatitis zur therapeutischen ERC mit
einer selektiven ERC-Strategie (primär konservatives Vorgehen bei milder Pankreatitis,
primäre ERC mit Sphinkterotomie bei schwerer Pankreatitis). Das endosonografisch gesteuerte
Vorgehen erwies sich insbesondere bei schwerer akuter Pankreatitis in Bezug auf Kosten,
Vermeidung von ERC und Komplikationen als die vorteilhafteste Strategie [403]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine weitere Entscheidungsbaumanalyse: Bei akuter
biliärer Pankreatitis mit einer Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Gallengangsteinen
von 7 – 45 % ist die Endosonografie gefolgt von einer therapeutischen ERC bei Nachweis
von Gallengangsteinen oder bei biliärer Sepsis die kosteneffektivste Strategie. Bei
einer höheren Wahrscheinlichkeit ist dagegen die primäre Durchführung einer ERC sinnvoll
[230]. Dies betrifft insbesondere Patienten mit Cholangitis oder einer persistierenden
Cholestasekonstellation, d. h. Verschlussikterus, persistierender Erhöhung von Cholestase-Enzymen
und/oder Erweiterung intra- und extrahepatischer Gallengänge [404]. Bei Patienten mit akuter biliärer Pankreatitis und begleitender Cholangitis reduziert
die frühe Durchführung einer ERC nach den Ergebnissen einer Cochrane-Analyse signifikant
sowohl die lokalen und systemischen Pankreatitiskomplikationen als auch die Letalität.
Auch bei Patienten mit begleitender biliärer Obstruktion scheint die frühe ERC die
Pankreatitiskomplikationen zu reduzieren, ohne allerdings Einfluss auf die Letalität
zu haben [405]. Metaanalysen und Leitlinien ergeben kein einheitliches Bild zum Stellenwert der
ERC bei voraussichtlich schwerem Verlauf einer akuten biliären Pankreatitis, während
bei voraussichtlich mildem Verlauf 7 von 8 Metaanalysen gegen die Durchführung einer
primären ERC sprechen [404]
[405].
Ist nach Anamnese, klinischer Untersuchung, Labordiagnostik und transabdominellem
Ultraschall die Ursache einer akuten Pankreatitis nicht zu klären, sollen eine Endosonografie
oder alternativ eine MRCP erfolgen (A, II, starker Konsens).
Kommentar:
Die Ätiologie der akuten Pankreatitis kann in der Mehrheit der Fälle geklärt werden.
Gallengangsteine und Alkoholabusus sind die häufigsten Ursachen, in einigen epidemiologischen
Studien wird aber über einen hohen, tendenziell abnehmenden Anteil an idiopathischer
Pankreatitis berichtet [361]
[362]
[364]. Die relative Häufigkeit ätiologisch unklarer Pankreatitiden hängt von der Intensität
der primären Diagnostik ab. Nach primärer klinisch-anamnestischer, laborchemischer
(Leberfunktionsparameter, Serumkalzium, Triglyzeride) und bildgebender (Abdomensonografie
und/oder Computertomografie) Diagnostik bleiben etwa 10 – 30 % aller akuten Pankreatitisfälle
ätiologisch unklar. Rezidive sind bei Patienten mit ätiologisch unklarer Pankreatitis
häufig (20 – 50 %) und gehen mit einer relevanten Letalität einher [406]
[407]
[408]
[409]. Eine gezielte und intensive Diagnostik vermag bis zu 80 % aller initial ätiologisch
unklaren Fälle zu klären und ermöglicht durch gezielte Therapie die Verminderung der
Rezidivrate [410]
[411]
[412]
[413]
[414]. Die häufigsten Ursachen sind biliärer Natur (Mikrolithiasis bzw. Sludge der Gallenblase,
Choledocholithiasis, andere benigne und maligne biliopankreatische Abflussstörungen,
biliopankreatische Ganganomalien). Daher hat die ERC ggf. in Kombination mit einer
Galleaspiration bei idiopathischer akuter Pankreatitis einen hohen diagnostischen
Ertrag [410]
[413]
[415]
[416], allerdings um den Preis einer signifikanten Komplikationsrate. In der größten publizierten
Serie wurden Komplikationen eines ERC-gestützten Vorgehens in 11,5 % der 1241 Fälle
beschrieben [416]. Daher wurden weniger invasive Strategien unter Einschluss der transabdominellen
Sonografie, der Endosonografie und der MRCP evaluiert.
Die transabdominelle Sonografie vermag Sludge und Mikrolithen (d. h. Konkremente bis
maximal 3 mm) in der Gallenblase nur mit mäßiger Sensitivität zu verifizieren. Die
Sensitivität lässt sich durch Einsatz von Harmonic imaging verbessern [417]
[418]
[419]. Bei Patienten mit einer operativ bestätigten Mikrolithiasis, die transabdominell
sonografisch nicht detektierbar war, konnte in mehreren Untersuchungen eine sehr hohe
Sensitivität und Spezifität der Endosonografie nachgewiesen werden [142]
[378]
[420]
[421]. Der diagnostische Ertrag der Endosonografie bei idiopathischer akuter Pankreatitis
(einschließlich von Fällen mit rezidivierender idiopathischer Pankreatitis) wird in
Studien zwischen 41 und 84 % angegeben. Dabei stehen der Nachweis von Sludge und Mikrolithiasis
von Gallenblase und Gallengängen ganz im Vordergrund (14 – 61 %), gefolgt von pankreatobiliären
Neoplasien (0 – 16 %) und Ganganomalien (0 – 7 %). Relativ häufig finden sich bei
diesen Patienten auch endosonografische Kriterien der chronischen Pankreatitis (2 – 45 %).
Der diagnostische Ertrag der Endosonografie ist deutlich höher bei Patienten mit Gallenblase
in situ als bei Zustand nach Cholezystektomie [411]
[414]
[422]
[423]
[424]
[425]
[426]
[427]
[428]
[429]
[430]
[431].
Durch MRCP ohne oder mit Sekretinstimulation können insbesondere funktionelle oder
morphologische Abflussstörungen der Major- und Minorpapille sowie pankreatobiliäre
Ganganomalien als mögliche Ursachen einer idiopathischen akuten Pankreatitis identifiziert
werden [414]
[426]
[429]
[432].
Welches der beiden Verfahren (Endosonografie vs. MRCP) primär zum Einsatz kommt, soll
unter Berücksichtigung von Verfügbarkeit, lokaler Expertise und patientenindividuellen
Faktoren entschieden werden. Wenngleich in vergleichenden Studien der diagnostische
Ertrag der MRCP jeweils geringer war als der der Endosonografie, wurde dennoch durch
MRCP jeweils ein geringer diagnostischer Zusatzgewinn zum Ergebnis der Endosonografie
erzielt [414]
[426]
[429]. Daher bietet sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse eines systematischen Reviews
[433] nach ergebnisloser ätiologischer Primärdiagnostik bei Patienten mit idiopathischer
akuter Pankreatitis zunächst die Durchführung einer Endosonografie an, die bei negativem
Ergebnis durch eine MRCP ergänzt wird. Weitere spezielle diagnostische Verfahren (genetische
Testung, sekretinstimulierte Endosonografie, intraduktale Sonografie) bleiben Einzelfällen
vorbehalten [413]
[426]
[434].
Zur medikamentösen Prophylaxe einer post-ERC-Pankreatitis soll 100 mg Diclofenac
oder 100 mg Indometacin rektal als Suppositorium vor oder unmittelbar nach der ERC
appliziert werden (A, I, Konsens).
Bei erhöhtem Risiko für eine PEP sollte zusätzlich zu dieser Prophylaxe die passagere
Einlage eines Pankreasgangstents in Erwägung gezogen werden (B, I, Konsens).
Kommentar:
Die Empfehlung wurde von der S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen
Endoskopie übernommen [435]. Zur medikamentösen Prophylaxe einer PEP ist die rektale Gabe von Diclofenac oder
Indomethacin in vergleichenden Studien evidenzbasiert [436]
[437]
[438]
[439]
[440]
[441]. Die rektale Applikation von 100 mg Diclofenac oder Indometacin unmittelbar vor
oder nach der ERC mit Papillotomie reduzierte die Inzidenz der PEP signifikant und
soll daher standardgemäß angewandt werden. In der europäischen Leitlinie [442] wird auf der Basis von Metaanalysen weiterer prospektiv-randomisierter Studien [443]
[444]
[445]
[446]
[447]
[448] die routinemäßige Anwendung der o. g. NSAR bei allen ERC von Patienten ohne Kontraindikationen
dringend empfohlen. Die Number needed to treat (NNT) liegt dabei zwischen 11 und 20.
Weitere Maßnahmen zur Reduktion des Pankreatitisrisikos sind die drahtgeführte Kanülierungstechnik,
die Vermeidung der Kontrastmittelfüllung des Pankreasgangs und die passagere Einlage
eines Pankreasgangstents [435]. Bezüglich der Einlage eines prophylaktischen Pankreasgangstents bei erhöhtem Risiko
für PEP zeigten Metaanalysen eine signifikante Reduktion der PEP durch das prophylaktische
Pankreasgangstenting mit einer NNT von 8 [449]
[450]
[451]. Diese Technik führte bei Patienten mit hohem wie mittlerem Risiko zu einer Reduktion
der PEP (RR 0,32, 95 % Konfidenzintervall 0,19 – 0,52, P < 0,001) [450]. Die Subgruppenanalyse der Studien von Elmunzer et al. [444] zur PEP-Prophylaxe mittels Indometacin ergab bei einer Stratifizierung der Patienten
nach zusätzlichem Pankreasgangstent vs. kein Stent keinen additiven Effekt über die
NSAR-Gabe hinaus an. Dies bestätigt auch eine andere Analyse [452]. Die Implantation einer Pankreasgangprothese zur PEP-Prophylaxe sollte bei Risikokonstellationen
wie langwierigen Papillenkanülierungen, Precut-Sphinkterotomie oder Kanülierung des
Gallengangs über einen einliegenden Draht im Pankreasgang erfolgen [453]. Zu beachten sind die Verwendung kleinlumiger Pankreasgangstents und die frühzeitige
Entfernung des Stents nach 3 – 5 Tagen, um Pankreasgangschäden zu vermeiden [453]
[454]
[455]. Der Pankreasgangstent sollte mindestens 12 – 24 h in situ bleiben [442]. Studien zeigen, dass 5 Fr-Plastikstents effektiver als 3 Fr-Stents sind [456].
Bei biliärer Indikation können Endosonografie und ERC unmittelbar nacheinander erfolgen,
sofern eine endoskopische Therapie indiziert ist (0, III, Konsens).
Kommentar:
Mehrere Studien haben zeigen können, dass die Durchführung von Endosonografie und
ERC in einer Sitzung ohne ein höheres Komplikationsrisiko möglich und kosteneffektiv
ist [457]
[458]
[459]
[460]
[461]
[462]
[463]
[464]
[465]. In einer retrospektiven Studie konnten biliäre Komplikationen im Intervall zwischen
Endosonografie und ERC durch die kombinierte Durchführung in einer Sitzung (0 %) im
Vergleich zur getrennten Durchführung (14 %) effektiv vermieden werden [463].
Erfolgt aufgrund logistischer Gegebenheiten oder patientenindividueller Faktoren eine
Durchführung in getrennten Sitzungen, sollte zur Vermeidung biliopankreatischer Komplikationen
das Intervall zwischen beiden Prozeduren so kurz wie möglich sein, da die Wahrscheinlichkeit
einer Cholangitis und eines Pankreatitisrezidivs mit zunehmendem Intervall zwischen
Diagnose und endoskopischer Gangsanierung sowie Cholezystektomie ansteigt [466]
[467]
[468]
[469]
[470]. Studien zu verschieden langen Zeitintervallen liegen jedoch nicht vor, sodass der
Einsatz der Verfahren im klinischen Alltag nach deren Verfügbarkeit variiert. Erste
Erfahrungen zeigen darüber hinaus, dass nach Scheitern einer therapeutischen ERC in
gleicher Sitzung eine Endosonografie-gestützte Gallengangintervention effektiv und
sicher durchgeführt werden kann [471]
[472]. Die mögliche Kombination von Endosonografie und endoskopischer Gallengangintervention
in einer Sitzung sollte bei der Patientenaufklärung berücksichtigt werden.
Bei Verdacht auf intrahepatische Gallensteine ist die transkutane Sonografie die diagnostische
Methode der ersten und die MRCP die Methode der zweiten Wahl (0, III, Konsens).
Kommentar:
Die Sonografie hat gegenüber der diagnostisch intendierten ERC Vorteile, da bei dieser
lithogene Abbrüche der intrahepatischen Gallengänge durch die meist nicht kalzifizierten
Konkremente in aller Regel nicht in Erscheinung treten. Darüber hinaus birgt die ERC
die Gefahr der Cholangitisinduktion, sodass nicht invasive Verfahren zur Diagnostik
vorzuziehen sind. Die Sonografie erlaubt zuverlässig die Darstellung der Steine und
die Diagnose prästenotischer Erweiterungen der Gallengänge. Die MRCP ist ebenfalls
der ERC bei der Diagnostik der intrahepatischen Steine überlegen (Sensitivität 97
vs. 59 %); auch intrahepatische biliäre Strikturen werden zuverlässig entdeckt (Spezifität
97 %, Sensitivität 93 %) [298]
[473]
[474]. Dabei konnte eine zusätzlich zur Standard-MRCP durchgeführte T1-gewichtete Untersuchung
die Detektion und Differenzierung von Hepatolithiasis verbessern [475].
Mittels CT können dilatierte Gänge und Strikturen sowie Leberabszesse dargestellt
werden, obgleich die Steine häufig nicht direkt zur Darstellung kommen [474]. Trotz dieser bekannten Limitationen der CT ist sie in einer aktuellen japanischen
Studie, die die Erfahrungen über einen Zeitraum von 40 Jahren in Japan zusammenfasst,
das mit 61 % am häufigsten eingesetzte bildgebende Verfahren [476].
Die ERC und PTC haben ihre primäre Bedeutung für die anschließende Therapieplanung.
Asymptomatische intrahepatische Steine werden im Verlauf von 15 Jahren nur bei 11,5 %
der Patienten im Mittel nach 3,4 Jahren symptomatisch. Die häufigsten Symptome sind
dann Koliken, Cholangitis und Leberabszess [477]. Aus diesem Grund ist das abwartende Verhalten gerechtfertigt. Bei symptomatischen
Steinen ist die interdisziplinäre Therapieplanung sinnvoll [478]. Der Langzeiterfolg der Chirurgie ist insbesondere dann gegeben, wenn der Befall
auf einzelne periphere Lebersegmente und einen Leberlappen begrenzt ist [479]. Bei diffuser Verteilung der intrahepatischen Steine sind modifizierte perkutan-transhepatische
cholangioskopische Verfahren mit Lithotripsie und Gallengangdilatationen sinnvoll
[474]
[480]
[481]
[482]
[483].
III. Therapie
IIIA. Konservative Therapie
Die medikamentöse Litholyse mit Ursodeoxycholsäure soll nur in Einzelfällen bei symptomatischen
Patienten mit kleinen, mutmaßlich aus Cholesterin bestehenden Steinen oder Gallenblasen-Sludge
durchgeführt werden; zuvor soll über die Möglichkeit der kurativen Cholezystektomie
aufgeklärt werden (A, I, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Der Patient muss vor der medikamentösen Litholyse auf das hohe Rezidivsteinrisiko
aufmerksam gemacht werden. Die Metaanalyse von Studien zur Litholyse mit UDCA [484] ergab akzeptable Therapieerfolge (Steinfreiheit bis zu 60 % nach 6 Monaten) vor
allem bei Patienten mit einer funktionstüchtigen Gallenblase und multiplen kleinen
nicht kalkhaltigen (röntgen-negativen) Cholesterinsteinen < 5 (- 10) mm.
Eine funktionstüchtige Gallenblase mit durchgängigem Ductus cysticus ist die Voraussetzung
für die medikamentöse Litholyse [485]. Dies kann durch eine Sonografie mit Reizmahlzeit (Ejektionsfraktion ≥ 60 %) geprüft
werden [486]. Als UDCA-Dosis werden mindestens 10 mg/kg/Tag empfohlen [487]. Die Therapie sollte nach sonografisch verifizierter Steinfreiheit noch für 3 Monate
fortgesetzt werden. Bei neuerlichen Symptomen nach erfolgreicher Therapie wird eine
Sonografie durchgeführt. Bei symptomatischem Steinrezidiv ist in der Regel die Cholezystektomie
indiziert. Bei asymptomatischen Patienten ist der Nutzen von Kontrolluntersuchungen
nicht belegt.
Die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) von Gallenblasensteinen wird nicht
empfohlen (A, II, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die Negativempfehlung resultiert aus dem hohen Rezidivsteinrisiko. Mehrere Studien
belegen die hohe Rezidivrate im Langzeitverlauf (25 – 64 % nach 5 Jahren und 54 – 80 %
nach 10 Jahren) [101]
[488]
[489]
[490]
[491]
[492]
[493]
[494]
[495]
[496]
[497]. Gute Gallenblasenkontraktilität, BMI < 25 kg/m2 und UDCA-Prophylaxe verzögern die Rezidivsteinbildung, verhindern sie jedoch nicht;
Patienten mit Solitärsteinen bekommen seltener Rezidive [488]
[489]
[490]
[491]
[492]
[498]
[499]
[500]
[501]. Die Mehrzahl der Rezidivsteine ist symptomatisch und ein Drittel der Patienten
muss im Mittel nach 3 Jahren cholezystektomiert werden [502].
Die direkte Litholyse mit Methyl-Ter-Butyl-Ether (MTBE) nach Punktion der Gallenblase
ist obsolet.
Die medikamentöse Therapie der biliären Kolik sollte mit nichtsteroidalen Antiphlogistika
(z. B. Diclofenac, Indometacin) erfolgen (B, I, starker Konsens). Zusätzlich können
Spasmolytika (z. B. N-Butylscopolamin) oder Nitroglyzerin und bei starken Schmerzen
Opioide (z. B. Buprenorphin, Pethidin) eingesetzt werden (0, IV, starker Konsens,
NKLM).
Kommentar:
Bei der Behandlung der akuten Gallenkolik muss zwischen der unmittelbar erforderlichen
medikamentösen Schmerztherapie und der kausalen Therapie (siehe IIIB.1) unterschieden
werden. Allgemein ist zur Hemmung der Motilität der Gallenwege zunächst Nahrungskarenz
indiziert. Zur analgetischen Therapie der biliären Kolik werden Spasmolytika in Kombination
mit Analgetika eingesetzt. Schwächer wirksame Analgetika, z. B. Metamizol [503] oder Paracetamol, können ausreichen, oder aber es werden stärker analgetisch wirksame
Opiatderivate wie Pethidin oder Buprenorphin, die den Sphincter Oddi relativ wenig
kontrahieren [504]
[505]
[506] nötig. Außer mit den angegebenen Medikamenten sind Gallenkoliken aber auch mit Nitroglyzerin
erfolgreich behandelt worden [507].
Es ist gezeigt worden, dass NSAR wie Diclofenac (z. B. 75 mg i. m.) [508]
[509] oder Indometacin (z. B. 50 mg i. v. oder 2-mal 75 mg Supp.) [510]
[511] bei der biliären Kolik eine gute analgetische Wirksamkeit haben. Randomisierte kontrollierte
Studien zeigen, dass durch die Gabe von NSAR in der o. a. Dosis auch die Wahrscheinlichkeit,
im Verlauf einer biliären Kolik eine akute Cholezystitis zu entwickeln, gesenkt werden
kann [509]
[512]. Ob die „traditionelle“ Behandlung der biliären Kolik oder die Therapie mit NSAR
zu einer effizienteren Schmerzlinderung führen, kann gegenwärtig aufgrund fehlender
vergleichender Studien nicht entschieden werden. Die Wertigkeit verschiedener Medikamentenkombinationen
wurde bisher ebenfalls nicht ausreichend untersucht.
Bei akuter Cholezystitis mit Zeichen der Sepsis, Cholangitis, Abszess oder Perforation
sollen unverzüglich Antibiotika verabreicht werden (A, II, starker Konsens, NKLM).
Zur Antibiotikatherapie bei unkomplizierter Cholezystitis liegt keine Evidenz vor
(Statement, V, starker Konsens).
Kommentar:
Die Therapie der akuten Cholezystitis erfolgt in der Regel chirurgisch mittels Cholezystektomie.
Es gibt wenige Daten zur medikamentösen Therapie der akuten Cholezystitis. Neuere
Studien stellen bei der leichtgradigen akuten Cholezystitis (keine Organdysfunktion,
milde lokale Entzündungszeichen, Fieber ≤ 39 °C, Leukozyten ≤ 18 G/L) den Nutzen der
Antibiotika in Frage, da sich Komplikationen und Krankenhausverweildauer in einer
kleinen randomisierten Studie bei 84 Patienten nicht unterschieden [513]. In den Tokyo-Leitlinien werden in dieser Situation keine Antibiotika empfohlen,
wenn zudem die ASA-Risikoklasse ≤ II ist und nur wenige Komorbiditäten vorliegen (Charlson
Comorbidity Index ≤ 5) [514]
[515]. Generell kann früh von intravenöser auf orale Gabe umgestellt werden [516]. Eine große randomisierte kontrollierte Studie hat nachgewiesen, dass bei Patienten
mit akuter leicht- bis mittelgradiger Cholezystitis (d. h. ohne kritische Faktoren
wie Schock, Bewusstseinsstörung oder Organversagen) [514] die Antibiose postoperativ nicht fortgeführt werden muss [517]. Die gleichzeitige Gabe von NSAR wirkt nicht nur schmerzlindernd, sondern könnte
die Progression der Cholezystitis vermeiden, möglicherweise weil es sich initial häufig
um eine abakterielle Entzündung handelt [509].
Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft hat in ihren aktualisierten Empfehlungen zur kalkulierten
Initialtherapie bei Erwachsenen mit sekundärer Entzündung der Gallengänge eine kurze
3- bis 5-tägige Therapie [518] mit Ampicillin+Sulbactam, Moxifloxacin und Kombinationstherapien von Fluorochinolonen
der Gruppe 2/3 (Ciprofloxacin/Levofloxacin) bzw. Cephalosporinen der Gruppe 3a/4 (Ceftriaxon/Cefepim)
mit Metronidazol empfohlen [519]. Piperacillin + Tazobactam oder Carbapeneme Gruppe 1/2 werden bei Vorliegen weiterer
Risikofaktoren eingesetzt. Insgesamt basieren alle diese Empfehlungen im Wesentlichen
auf Expertenmeinungen; größere kontrollierte vergleichende Studien fehlen. Üblicherweise
liegt eine Mischflora mit der Dominanz von gramnegativen Erregern (E. coli, Enterobacter,
Klebsiellen), aber auch grampositiven Erregern (Enterokokken, Staphylokokken) vor.
Anaerobier werden bei Infektionen der Gallengänge in 5 – 10 % der Fälle nachgewiesen.
Kontrollierte Studien, die für die empirische Therapie den Einsatz von Metronidazol
z. B. in Kombination mit Cephalosporinen begründen, liegen nicht vor. Studien zeigen,
dass z. B. die 30-Tage-Letalität bei durch ESBL-bildende Enterokokken verursachter
Cholangitis deutlich über der Letalität von Patienten mit Nicht-ESBL-Bildnern, die
von Carbapenem erfasst werden, liegt (14 vs. 3 %). Diese erhöhte Letalität ist insbesondere
durch die Verzögerung in der Einleitung einer effektiven antibiotischen Therapie begründet.
Bei Sepsis ist die Antibiotikatherapie ohne Verzögerung einzuleiten.
IIIB. Chirurgische Therapie
Bei unkomplizierter Cholezystolithiasis mit charakteristischen biliären Schmerzen
sollte eine Cholezystektomie erfolgen (B, I, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
-
Die Therapieziele der Cholezystektomie bestehen in:
-
Verhinderung oder Verminderung erneuter biliärer Schmerzen
-
Verhinderung späterer oder Beseitigung bestehender Komplikationen der Cholezystolithiasis
-
Prävention des Gallenblasenkarzinoms bei Patienten mit hohem Risiko (siehe IIIB.4 – 6)
Patienten mit charakteristischen biliären Schmerzen und unkomplizierter Cholezystolithiasis
haben abhängig von Intensität und Anzahl der symptomatischen Episoden ein erhöhtes
Risiko neuerliche Koliken zu bekommen [520]. Das Risiko, Komplikationen zu entwickeln, beträgt 1 – 3 % pro Jahr [132]
[134]
[135]
[521]. Allgemeine Kontraindikationen gegen eine Operation oder ein dezidierter Patientenwunsch
können dem entgegenstehen. Die randomisierte National Cooperative Gallstone Study
[131] bot die Möglichkeit, den natürlichen Spontanverlauf bei Patienten zu beobachten,
die keine Litholyse mit Chenodeoxycholsäure erhielten. Von diesen Patienten entwickelten
69 % innerhalb von zwei Jahren erneut biliäre Symptome, und 4 % der Patienten mussten
akut cholezystektomiert [131] werden.
Während die Cholezystektomie die Komplikationen der Gallenblasensteine verhindert,
lässt sich das Komplikationsrisiko von in den Gallengang übergetretenen Steinen, insbesondere
das der biliären Pankreatitis, auch durch die endoskopische Papillotomie (EPT) verhindern.
Falls die Gallenblase in dieser Situation funktionstüchtig und steinfrei ist, muss
nicht cholezystektomiert werden. Nach einer Cholezystektomie können abdominelle Beschwerden
mit meist unspezifischem Charakter bei jedem dritten bis vierten Patienten persistieren
[130]
[522]
[523]
[524]
[525]
[526]
[527]
[528].
Die Routinegabe einer Antibiotikaprophylaxe ist bei der elektiven laparoskopischen
Cholezystektomie bei „low-risk“-Patienten nicht notwendig (A, I, starker Konsens).
Kommentar:
Die elektive laparoskopische Cholezystektomie ist ein weit verbreiteter Eingriff.
Die perioperative Antibiotikaprophylaxe wurde bisher kontrovers diskutiert, und ein
Vorteil konnte bisher nicht eindeutig belegt werden.
Die niedrige Rate an Wundinfektionen und potenziellen systemischen Infektionen bei
Patienten ohne wesentlich erhöhtes Risiko erklärt, dass kontrollierte Studien zur
Klärung der Evidenz eines Vorteils oder nicht vorhandenen Vorteils einer hohen Anzahl
von Patienten bedürfen [529]
[530]
[531]
[532]
[533]
[534]
[535]. Insofern werden Metaanalysen herangezogen [536]
[537]
[538]. Die meisten kontrollierten Studien liegen für Patienten mit niedrigem Risiko vor,
bei denen wenige Komorbiditäten wie Diabetes mellitus oder Immunsuppression vorliegen,
infektiöse Komplikationen und eine Konversion zur offenen Cholezystektomie nicht zu
erwarten sind und das Narkoserisiko niedrig ist [537]. Die Metaanalysen sagen aus, dass eine perioperative Antibiotikaprophylaxe im Rahmen
einer elektiven laparoskopischen Cholezystektomie bei diesen Patienten nicht notwendig
ist [537]
[538]. Ein Cochrane-Review schließt 11 randomisierte Studien mit „low-risk“-Patienten
ein. Die Wundinfektionsrate war über alle Studien sehr ähnlich (24/900 bzw. 2,7 %;
in der Prophylaxe-Gruppe; 25/764 bzw. 3,3 % in der Nicht-Prophylaxe-Gruppe). Die systemische
Infektionsrate unterschied sich ebenfalls nicht. Die Autoren schließen, dass die Evidenz,
eine Antibiotika-Prophylaxe abzulehnen oder zu empfehlen, nicht ausreicht [536]. Schwedische Registerdaten [539] bei 13 911 Patienten zeigten in einer multivariaten Analyse keinen Nutzen einer
Antibiotikaprophylaxe. Eine Antibiotikaprophylaxe war bei 68 % des Gesamtkollektivs
durchgeführt worden. Im Anschluss an die beiden Metaanalysen wurden zwei weitere randomisierte
Studien veröffentlicht. Eine monozentrische Studie fand bei „low-risk“-Patienten keinen
Effekt einer einmaligen Cefuroxim-Gabe (4,5 % Wundinfektionsrate) im Vergleich zur
Kontrollgruppe (4,0 %) [540]. Die andere Studie bei über 1000 japanischen Patienten fand eine Gesamtinfektionsrate
von 0,8 % in der Antibiotikagruppe und 3,7 % in der Kontrollgruppe (P = 0,001). Die
Daten sind kritisch zu sehen, weil es sich nicht um eine Antibiotikaprophylaxe handelt
(stattdessen 1-mal intraoperativ, 1-mal nach 12 h und 1-mal nach 24 h). Die Gesamtinfektionsrate
von 3,7 % in der Kontrollgruppe erscheint relativ hoch [541]. Registerdaten aus Bayern an über 25 000 Cholezystektomien berichten lediglich Infektionsraten
von 1,2 – 1,4 %. Insgesamt zeigt sich, dass bei der elektiven laparoskopischen Cholezystektomie
lokale und systemische Infektionen selten sind. Nach den publizierten Daten ist die
Antibiotikaprophylaxe daher nicht generell notwendig.
Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft sieht allerdings eine Indikation zur Antibiotikaprophylaxe
bei akuter Cholezystitis, Eingriffen am Ductus choledochus und Notfalloperationen
[542]. Als weitere Risiken, bei denen eine Antibiotikaprophylaxe in Erwägung gezogen werden
sollte, gelten die intraoperativ eröffnete Gallenblase, die Laparotomie bzw. offene
Cholezystektomie sowie die Konversion vom laparoskopischen zum offenen Vorgehen. Als
generelle Risikofaktoren für postoperative Wundinfektionen gelten die allgemeinen
Risikofaktoren wie von Wacha et al. [542] beschrieben. Obwohl es für die Gruppe der sogenannten „high-risk“-Patienten bei
laparoskopischer Cholezystektomie keine randomisiert kontrollierten Daten gibt, wird
eine risikoadaptierte und individualisierte Antibiotikaprophylaxe durchgeführt [543]. Das Risiko beginnt mit dem Eingriff. Ein wirksamer Antibiotikaspiegel ist für die
Dauer der Risikoperiode sicherzustellen. Eine perioperative Antibiotikagabe sollte
im besten Fall eine Stunde vor bis zu zwei Stunden nach der geplanten Operation erfolgen,
spätestens jedoch vor Wundverschluss. Hierfür sind die entsprechenden Antibiotika
und Dosierungen zu berücksichtigen ([Tab. 2]). Als geeignetes Antibiotikum gelten ein Aminopenicillin mit Betalactamasehemmer
oder ein Cephalosporin der 1. und 2. Generation. Die Fortführung der perioperativen
Prophylaxe über die Operation hinaus als präventive Therapie bedarf einer besonderen
Indikation [543]
[544]
[545]
[546].
Tab. 1
Kriterien für eine simultane Choledocholithiasis bei Cholezystolithiasis.
hohe Wahrscheinlichkeit einer simultanen Choledocholithiasis (> 50 %)
|
|
|
|
mittlere Wahrscheinlichkeit einer simultanen Choledocholithiasis (5 – 50 %)
|
|
niedrige Wahrscheinlichkeit einer simultanen Choledocholithiasis (< 5 %)
|
|
|
|
Der Effekt einer Antibiotikaprophylaxe muss abgewogen werden gegen mögliche Nebenwirkungen,
Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen und Kosten [535]
[547].
Die asymptomatische Cholezystolithiasis ist in der Regel keine Indikation zur Cholezystektomie
(Statement, III, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Weder umfangreiche klinische Beobachtungen noch detaillierte Analysen prospektiver
Studien zum klinischen Verlauf der asymptomatischen Cholezystolithiasis belegen den
Nutzen der Cholezystektomie bei asymptomatischen Steinträgern. Zum natürlichen Verlauf
der asymptomatischen Gallensteinerkrankung gibt es acht Studien, in denen insgesamt
1403 Patienten über einen Zeitraum von 2 – 25 Jahren beobachtet wurden. In diesem
Zeitraum blieben 60 – 80 % der Patienten asymptomatisch. Die Wahrscheinlichkeit, biliäre
Symptome zu entwickeln, beträgt in den ersten 5 Jahren 2 – 4 % pro Jahr und halbiert
sich in den folgenden fünf Jahren auf 1 – 2 % pro Jahr [132]
[134]
[135]
[136]
[137]
[138]. Die jährliche Inzidenz von Komplikationen liegt bei 0,1 – 0,3 %, wobei den meisten
Komplikationen biliäre Koliken vorausgehen [132]
[134]
[135]
[136]. Für die offene Cholezystektomie wurde nachgewiesen, dass die Operation bei asymptomatischen
Gallensteinträgern deren Lebenserwartung nicht erhöht [133]
[548]. Darüber hinaus sind die Kosten geringer, wenn man sich bei asymptomatischen Gallensteinträgern
abwartend verhält und keine prophylaktische Cholezystektomie durchführt. In Ländern
mit niedriger Gallenblasenkarzinom-Prävalenz [549] rechtfertigt das leicht erhöhte, aber immer noch sehr niedrige Gallenblasenkarzinom-Risiko
bei der asymptomatischen Cholezystolithiasis nicht den Eingriff [550]
[551]. Auch Diabetiker bedürfen keiner prophylaktischen Therapie [552]
[553].
Hinweis: Diese Leitlinien-Empfehlung wurde für die „Klug entscheiden“-Initiative der
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ausgewählt [554].
Asymptomatische Patienten mit einer Porzellangallenblase sollten cholezystektomiert
werden (B, III, starker Konsens).
Kommentar:
Die Porzellangallenblase wird in der Literatur immer noch als Risikofaktor für die
Entstehung des Gallenblasenkarzinoms beschrieben. Gemäß der Literatur wird die Entartungsrate
bei einer Porzellangallenblase bis 62 % angegeben, wenngleich aktuelle Serien geringere
Raten angeben. Auch die stippchenartige, multiple partielle Kalzifizierung der Gallenblasenwand
ist mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Hier ist eine prophylaktische Cholezystektomie
weiterhin unverändert anzuraten. Neuere Studien bezüglich Porzellangallenblasen aus
westlichen Ländern liefern niedrigere Entartungsraten, aber können auch nur mit sehr
kleinen Fallzahlen dienen, sodass die Prozentangaben hier nicht als repräsentativ
angesehen werden können [555]
[556]
[557]
[558]
[559].
Bei asymptomatischen Patienten mit Gallenblasensteinen > 3 cm Durchmesser sollte eine
Cholezystektomie erwogen werden (B, II, starker Konsens).
Kommentar:
Gallensteine ab einer Größe > 3 cm werden in der Literatur immer noch als Risikofaktoren
in der Entstehung des Gallenblasenkarzinoms beschrieben. Gemäß der Literatur verzehnfacht
sich das Risiko bei Steinen > 3 cm. Cariati et al. [557] haben sich umfassend mit der Histologie und der Entartung des Gallenblasenkarzinoms
befasst und beschreiben den Stein > 3 cm als Risikofaktor. Gerade bei adenosquamösen
und squamösen (Plattenepithel-) Karzinomen sind lange bestehende Cholesterinsteine
oder gemischte Steine bereits ab 1,5 cm ein Risikofaktor [557]
[558]
[560].
Patienten mit Cholezystolithiasis und Gallenblasenpolypen ≥ 1 cm sollten unabhängig
von der Symptomatik cholezystektomiert werden (B, II, starker Konsens).
Kommentar:
Die Prävalenz von Gallenblasenpolypen liegt zwischen 1 und 7 % [561]
[562]
[563]
[564], in Deutschland beträgt sie bis zu 6 % [565]
[566]. Die Adenom-Prävalenz liegt unter 5 % [563]
[566]. In mehreren großen Studien [557]
[563]
[564]
[567]
[568]
[569]
[570] hatten solitäre Polypen ≥ 1 cm Durchmesser eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit,
neoplastischer Genese (Adenome) zu sein, und in bis zu 50 % das Risiko, ein Karzinom
zu tragen [563]
[564]
[567]
[568]
[569]
[570]
[571], sodass diese Patienten cholezystektomiert werden sollten. Bei Polypen < 1 cm Durchmesser
war das Karzinomrisiko deutlich geringer [572]
[573]
[574]
[575]
[576], eine Polypengröße ≤ 4,15 mm schloss in einem systematischen Review Malignität aus
[576]. Falls die Patienten jedoch gleichzeitig biliäre Symptome oder weitere Risikofaktoren
für eine Adenomentwicklung (Alter > 50 Jahre, Größenzunahme des Polypen, Gallensteine,
fokale Gallenblasenwandverdickung) haben, kann auch in diesen Fällen eine Cholezystektomie
durchgeführt werden [563]
[569]
[574]
[575]
[576]
[577]
[578]
[579]
[580]
[581]. Bei Polypen > 18 – 20 mm kann wegen des signifikanten Malignitätsrisikos primär
eine offene Cholezystektomie geplant werden [570]
[577]
[582]
[583]
[584]. In Kliniken mit entsprechender Expertise kann bei Polypen > 18 – 20 mm die Cholezystektomie
auch komplett laparoskopisch durchgeführt werden [585]
[586].
Bei Polypen < 1 cm, die nicht operiert werden, werden sonografische Verlaufskontrollen
empfohlen: zunächst nach 6 Monaten, dann jährlich, wenn keine Größenzunahme vorliegt,
über 5 Jahre [564]
[570]
[581]. Während der Sonografie sind Gallenblasenpolypen durch Umlagern des Patienten von
Gallenblasensteinen zu differenzieren. Das Vorliegen von mehr als einem Polypen spricht
gegen ein Adenom und für das Vorliegen von Cholesterolpolypen. Wenn der Polyp im Follow-up
nicht mehr nachweisbar ist, handelte es sich wahrscheinlich um einen Pseudopolypen
und weitere Kontrollen sind nicht indiziert [581]. Gallenblasenpolypen können mit der Endosonografie präziser als mit der transkutanen
Sonografie erfasst werden (80 – 97 % vs. 52 – 76 %) [587]
[588]
[589]. Bei Gallenblasenpolypen > 5 mm, die in der transkutanen Sonografie suspekt sind,
kann die Endosonografie zur Abgrenzung von einem Gallenblasenkarzinom hilfreich sein
[179]
[590]
[591].
Die Situation von polypoiden Gallenblasenveränderungen ohne gleichzeitige Cholezystolithiasis
wurde im Konsensus nicht berücksichtigt.
Im Rahmen onkologisch resezierender Eingriffe am Magen und Ösophagus mit systematischer
Lymphadenektomie sollte eine simultane Cholezystektomie durchgeführt werden (B, I,
starker Konsens).
Die Cholezystektomie im Rahmen der Adipositaschirurgie sollte ausschließlich bei symptomatischen
Steinträgern erfolgen (B, II, starker Konsens).
Im Rahmen größerer malresorptiver Eingriffe am Dünndarm kann eine simultane Cholezystektomie
bei asymptomatischen Patienten erfolgen (0, III, starker Konsens).
Kommentar:
Das Auftreten von Gallensteinen und Sludge ist bei Patienten nach Gastrektomie höher
als in der Gesamtbevölkerung [592]. Diese höhere Inzidenz ist wahrscheinlich auf die chirurgische Präparation des N.
vagus und dessen Ramus hepaticus [593] sowie die durchgeführte Magen-Darm-Rekonstruktion zurückzuführen [594]. Daher präferieren einige Chirurgen routinemäßig die simultane Cholezystektomie.
Das Auftreten von Gallensteinen nach resezierenden Eingriffen am Magen oder Ösophagus
wurde im Rahmen einer Metaanalyse aus 16 Studien mit 17,5 % beziffert, was 2- bis
4-fach höher als in einem nach Alter und Geschlecht gematchten Vergleichskollektiv
war. Die weitaus größte Zahl der eingeschlossenen Studien hat jedoch retrospektiven
Charakter. Die Operationsverfahren unterscheiden sich stark. Bei 12 der eingeschlossenen
Studien wurden Angaben zur Ausbildung einer symptomatischen Cholezystolithiasis im
Verlauf gemacht. Bei 4,7 % der operierten Patienten war im Verlauf eine Cholezystektomie
erforderlich. Da die zusätzliche Morbidität (0,95 %) einer simultan durchgeführten
Cholezystektomie höher war als die der nachfolgenden Cholezystektomie (0,45 %) – die
nach den Angaben der Autoren in der Mehrheit auch laparoskopisch durchgeführt werden
kann – besteht laut den Autoren keine Notwendigkeit zur simultanen Cholezystektomie.
Demgegenüber steht aber die Tatsache, dass die Steinbildung nach onkologischer Gastrektomie
mit dem Ausmaß der Lymphadenektomie steigt. Daten aus einer monozentrisch retrospektiven
Studie zeigen, dass im Mittel 25 % aller Patienten nach onkologischer Gastrektomie
im Verlauf Gallensteine entwickeln. Im Rahmen der erweiterten Lymphadenektomie lagen
die Daten über 40 %.
Weiterhin belegen Daten aus einer japanischen Registerstudie (n = 14 006), dass im
Rahmen einer laparoskopischen onkologischen Magenresektion weder die Laparoskopie-assoziierten
Komplikationen noch die Dauer des stationären Aufenthaltes durch eine zusätzlich durchgeführte
Cholezystektomie (n = 1484) anstiegen.
Die CHOLEGAS-Studie [595] ist die einzige Studie, die multizentrisch und prospektiv randomisiert den Effekt
einer simultanen Cholezystektomie im Rahmen der onkologischen Gastrektomie untersucht.
Nach Einschluss von 65 Patienten in jedem Studienarm zeigen die vorliegenden Daten
[596], dass die simultane Cholezystektomie die hepatobiliären Komplikationen nicht erhöht
und dass die postoperative Letalität gleich ist. Ebenso vergleichbar waren die Operationsdauer,
der geschätzte intraoperative Blutverlust sowie die Dauer des postoperativen stationären
Aufenthaltes. Bei einer nur geringen Rekrutierung von 5 Patienten je Studienzentrum
(n = 9) können Fragen nach der Inzidenz von Gallensteinen nach onkologischer Gastrektomie
sowie deren chirurgische Therapiebedürftigkeit bei einem geplanten Nachbeobachtungszeitraum
von 5 Jahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.
Im Rahmen der metabolischen Chirurgie ist die Rate der simultan durchgeführten Cholezystektomien
in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Gründe hierfür sind die höhere Gesamtmorbidität
und -letalität, die höhere Wiederaufnahmerate sowie eine höhere Re-Interventionsrate
[597]. Im Vergleich der verschiedenen Verfahren ist das Risiko zur postoperativen Gallensteinbildung
nach der laparoskopischen Roux-en-Y-Rekonstruktion im Vergleich zum Gastric banding
und zur Sleeve resection am höchsten [598]. In einer Registerstudie stellen die Autoren fest, dass die simultane Cholezystektomie
nur Patienten mit symptomatischen Gallensteinleiden vorbehalten sein sollte [597]. Dies wird weiterhin durch die Daten einer Metaanalyse untermauert [599]. Das Risiko für eine sekundäre Cholezystektomie nach vorangegangener laparoskopischer
Roux-en-Y-Rekonstruktion betrug 6,8 % insgesamt. Hiervon fielen 5,3 % der symptomatischen
Cholezystolithiasis zu. Die sekundäre Cholezystektomie war in den meisten Fällen (95,5 %)
auch laparoskopisch mit einer geringen Morbidität (1,8 %) durchführbar, sodass als
Fazit die Gelegenheit-Cholezystektomie bei fehlendem Steinnachweis nicht empfohlen
wird und ausschließlich symptomatischen Steinträgern vorbehalten sein soll.
Das Risiko zur Ausbildung von Gallensteinen ist generell beim Vorliegen eines M. Crohn
im Vergleich zur Normalbevölkerung nahezu verdoppelt. Weitere unabhängige Risikofaktoren
sind ein ileokolischer Befall, eine Krankheitsdauer von mehr als 15 Jahren, mehr als
drei Rezidive sowie mehr als 30 cm Dünndarmverlust oder ein Kurzdarmsyndrom mit weniger
als 120 cm verbliebenem Dünndarm [600]
[601]
[602]. Generell scheint die Operationsbedürftigkeit von Gallensteinen durch einen vorliegenden
M. Crohn im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht erhöht zu sein [601], jedoch ist ein M. Crohn als unabhängiger Risikofaktor für postoperative Komplikationen
bei primären Cholezystektomien zu werten [603]. Prospektiv randomisierte Daten zu malresorptiven Operationen am Kolon und Dünndarm
fehlen bis dato gänzlich. Für die Cholezystektomie sprechen ein zu erwartend langer
Krankheitsverlauf mit langem Überleben sowie ein zu erwartendes Kurzdarmsyndrom [600].
Die akute Cholezystitis ist eine Indikation zur frühzeitigen laparoskopischen Cholezystektomie
(A, I, starker Konsens, NKLM).
Diese sollte innerhalb von 24 h nach stationärer Aufnahme erfolgen (B, I, starker
Konsens).
Kommentar:
Die akute Cholezystitis ist die häufigste Komplikation des Gallensteinleidens. Bei
90 % der Patienten mit akuter Cholezystitis ist die Ursache ein passagerer oder dauerhafter
Verschluss des Ductus cysticus durch einen Gallenstein. In der Regel gilt hier die
laparoskopische Cholezystektomie als Standard.
Eine der wesentlichen Fragen bei der Behandlung der akuten Cholezystitis bestand in
der Vergangenheit darin, den optimalen Zeitpunkt für die laparoskopische Cholezystektomie
zu finden. Es war unklar, ob zunächst eine antibiotische Vorbehandlung des Patienten
und die Operation im symptomfreien Intervall erfolgen sollten, oder ob eine frühe
Operation oder nicht sogar die Operation innerhalb von 24 h der beste Weg für den
Patienten sei. Allein die Definition „frühe Operation“ wurde in der Literatur höchst
unterschiedlich definiert. So wurde in einigen Studien die frühe Operation innerhalb
von 7 Tagen nach Symptombeginn, in anderen Studien innerhalb von 72 h nach Symptombeginn,
definiert. Auch bestand Uneinigkeit darüber, ob der Beginn des Zeitintervalls mit
Beginn der Symptome oder der Vorstellung bzw. der Aufnahme des Patienten in einer
Klinik festgelegt wird [604]
[605]
[606]
[607]
[608]
[609]
[610]
[611].
Die neuesten Untersuchungen sehen klare Vorteile für eine unverzügliche chirurgische
Intervention, einer sogenannten „immediate cholecystectomy“. Dies bedeutet, dass der
Patient mit der Diagnose Akute Cholezystitis innerhalb von 24 h nach Aufnahme laparoskopisch
cholezystektomiert werden soll. Diese klinische Diagnose soll zügig und eindeutig
gestellt werden. Sie basiert auf 3 der 4 folgenden Symptome: Rechtsseitige Oberbauchschmerzen,
Murphy’s-Zeichen, Leukozytose und Fieber. Zusätzlich sollen eine Cholezystolithiasis
(Konkremente oder Sludge) oder sonografische Zeichen der Cholezystitis (verdickte
Gallenblasenwand) vorliegen. Unter Anwendung dieser Kriterien kann die Diagnose „Akute
Cholezystitis“ eindeutig und nachvollziehbar gestellt werden. Steht die Diagnose fest
und liegt eine Operationsfähigkeit des Patienten vor, soll die laparoskopische Cholezystektomie
innerhalb von 24 h nach Aufnahme angestrebt werden, unabhängig davon, wann erstmals
Symptome aufgetreten sind [612]
[613].
In einer Registerstudie wurden insgesamt 4113 Patienten analysiert, die aufgrund einer
akuten Cholezystitis zwischen 1995 und 2006 einer laparoskopischen Cholezystektomie
unterzogen wurden. Die Untersuchung basiert auf dem Register der Swiss Association
of Laparoscopic and Thoracoscopic Surgery. Dabei wurden die Patienten unterschiedlichen
Operationszeitpunkten zugeordnet. Es zeigte sich, dass die Patienten, die innerhalb
von 24 h nach Aufnahme operiert wurden, nur halb so viel postoperative Komplikationen
entwickelten, wie die Patienten, die erst > 6 Tage nach Aufnahme operiert wurden (6
vs. 13 %). Ebenso stieg die Konversionsrate von 12 auf 28 % und die Re-Operationsrate
von 0,9 auf 3,0 % bei der späteren Operation [614].
Die derzeit weltweit größte randomisierte Untersuchung zur akuten Cholezystitis ist
die ACDC-Studie. Es handelt sich um eine interdisziplinäre, multizentrische, prospektiv-randomisierte
Studie, die gemeinsam von Gastroenterologen und Chirurgen durchgeführt wurde. Es zeigen
sich klare Vorteile für eine unverzügliche laparoskopische Cholezystektomie innerhalb
von 24 h nach stationärer Aufnahme der Patienten mit akuter Cholezystitis. Dabei wurden
304 Patienten in eine frühe Gruppe (Cholezystektomie innerhalb von 24 h) und 314 in
eine späte Gruppe (Cholezystektomie zwischen Tag 7 und 45 nach Aufnahme) eingeschlossen.
Bezüglich des primären Endpunktes, Morbidität am Tag 75, gibt es ein eindeutiges Ergebnis
zugunsten der frühen Gruppe: 12 vs. 33 %. Die Hospitalisierungsdauer ist in der frühen
Gruppe halb so lang, die Gesamtkosten des Klinikaufenthaltes unterscheiden sich ebenfalls
signifikant zugunsten der frühen Gruppe. Dagegen gibt es keinen signifikanten Unterschied
zwischen den Gruppen bezüglich der Konversionsrate zur offenen Operation (10 vs. 12 %)
[167].
Eine weitere randomisierte Studie zur akuten Cholezystitis, bei der entweder frühzeitig
72 h nach Symptombeginn oder später (frühestens nach 6 Wochen) operiert wurde, bestätigte
die geringere Morbidität der frühen Cholezystektomie in der deutlich größeren ACDC-Studie
[615], wobei die frühe Cholezystektomie Notfalleingriffe, die sonst bei 23 % der spät
operierten Patienten notwendig wurden, vollständig verhinderte. Der maximale Zeitraum
bis zur frühelektiven Cholezystektomie nach Diagnosestellung bleibt damit noch ungeklärt,
wobei sich 72 h nach Symptombeginn und 24 h nach Aufnahme gegenseitig nicht ausschließen.
Bei Patienten mit Begleiterkrankungen (z. B. akute Pankreatitis, ASA-Risikoklasse
> III; [Tab. 3]), bei denen eine unmittelbare laparoskopische Cholezystektomie nicht sinnvoll erscheint,
wird der Operationszeitpunkt individuell festgelegt. Alternativ bzw. zeitüberbrückend
kann bei Patienten mit akuter Cholezystitis und hohem Operationsrisiko eine perkutane
oder endosonografisch gestützte Drainage der Gallenblase (Cholezystostomie) erfolgen
(siehe IIIC.13). Die rein konservative Therapie der akuten Cholezystitis ist zwar
möglich, allerdings kommt es nach alleiniger konservativer Behandlung bei über einem
Drittel dieser Patienten zu Komplikationen oder Notaufnahmen wegen biliärer Schmerzen,
und bei 30 % wird im weiteren Verlauf eine Cholezystektomie erforderlich. Bei 10 bis
30 % der Patienten mit akuter Cholezystitis treten schwere Komplikationen wie Gallenblasengangrän,
-empyem oder -perforation auf. In diesen Situationen kann ein präoperatives CT hilfreiche
Informationen liefern. Fisteln zwischen der Gallenblase und dem Gastrointestinaltrakt
entwickeln sich bei weniger als 1 % aller Gallensteinpatienten. Klinisch kann sich
eine biliodigestive Fistel im späteren Spontanverlauf durch aszendierende Cholangitis
oder Gallensäureverlustsyndrom manifestieren. In der Regel (60 %) handelt es sich
um cholezystoduodenale Fisteln, die oft asymptomatisch sind. Wenn größere Steine durch
die Fisteln abgehen, kann es zum Bild des Gallensteinileus kommen, insbesondere im
terminalen Ileum. Der Nachweis der Aerobilie ist diagnostisch wegweisend für eine
biliodigestive Fistel; zur weiteren Diagnostik sind Magnetresonanztomografie mit Magnetresonanzcholangiografie
(MRCP) und endoskopische Verfahren geeignet [616]
[617]
[618].
Tab. 2
Dosierung von Antibiotika in der perioperativen Prophylaxe (aus: [542]).
Antibiotikum
|
Dosierung (pro Tag)
|
Ampicillin
|
5 g
|
Ampicillin/Sulbactam
|
2 g/1 g
|
Amoxacillin/Clavulansäure
|
2 g/0,2 g
|
Piperacillin
|
4 g
|
Piperacillin/Tazobactam
|
4 g/0,5 g
|
Mezlocillin
|
4 g
|
Cefazolin
|
2 g
|
Cefuroxim
|
1,5 g
|
Cefotaxim
|
2 g
|
Ceftriaxon
|
2 g
|
Ceftazidim
|
2 g
|
Cefepim
|
2 g
|
Imipenem/Cilastatin
|
0,5 g/0,5 g
|
Meropenem
|
1 g
|
Ertapenem
|
1 g
|
Clindamycin
|
600 mg
|
Metronidazol
|
500 mg
|
Gentamicin
|
240 mg (bis zu 5 mg/kg Körpergewicht)
|
Doxycyclin
|
200 mg
|
Cotrimoxazol
|
960 mg
|
Vancomycin
|
1 g
|
Teicoplanon
|
400 mg
|
Ciprofloxacin
|
400 mg
|
Levofloxacin
|
500 mg
|
Wird postoperativ ein Carcinoma in situ (Tis) oder ein Mukosakarzinom (T1a) festgestellt,
ist die Entfernung der Gallenblase ausreichend (A, II, starker Konsens).
Kommentar:
Gemäß der Daten des deutschen Zentralregisters „Okkultes Gallenblasenkarzinom“ ist
eine einfache Cholezystektomie in Stadien kleiner als T1b, also speziell T1a oder
pTis, ausreichend. Auch die Autoren, die eine radikale Operation ab T1b empfehlen,
sehen grundsätzlich keine Indikation für ein radikales Vorgehen bei Karzinomen mit
niedrigeren T-Stadien als T1b. In der Literatur gibt es somit einen Konsens, dass
Gallenblasenkarzinome < T1b nicht radikal zu resezieren sind.
Es werden auch keine Lymphknotenmetastasen oder lymphatische oder perineurale Infiltration
bei T1a-Tumoren beschrieben. T1a-Karzinome sind somit Tumoren, die üblicherweise weder
einer Leberresektion noch einer Lymphadenektomie bedürfen [619]
[620]
[621]
[622]
[623]
[624]
[625]
[626].
Falls nach Cholezystektomie wegen Cholezystolithiasis postoperativ ein Gallenblasenkarzinom
im Stadium ≥ T1b nachgewiesen wird, soll bei kurativem Ansatz eine onkologische Nachresektion
durchgeführt werden (A, III, starker Konsens).
Kommentar:
Falls nach Cholezystektomie wegen Cholezystolithiasis postoperativ ein Tumor im Stadium
≥ T1b nachgewiesen wird, ist grundsätzlich eine Reoperation mit kurativem Ansatz indiziert.
Dies ist aufgrund der Daten- und Literaturlage zu empfehlen und stellt eine Ausweitung
der bisherigen Leitlinienempfehlung auf das T-Stadium T1b dar. Da diese Empfehlung
Auswirkungen auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten mit Gallenblasenkarzinom
haben kann, wurde trotz Evidenzgrad III von der Konsensuskonferenz der Empfehlungsgrad
A festgelegt.
Die signifikante Prognoseverbesserung der Patienten im Tumorstadium T1b nach radikaler
Leberresektion und Lymphadenektomie wurde mehrfach [622]
[623] und auch an einem Kollektiv von 883 Patienten mit 109 T1b-Karzinomen im deutschen
Zentralregister [626] dokumentiert. Die Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) in
den USA [627] und der European Society for Medical Oncology [628] empfehlen ebenfalls eine solche radikale Resektion bereits ab dem T1b-Gallenblasenkarzinom.
Auch das französische Register (AFC-GBC-2009 Study Group) mit insgesamt 218 inzidentellen
Gallenblasenkarzinomen zeigt eine Verbesserung für die reoperierten T1b-Patienten
[629]
[630]. In einer Studie von D’Angelica et al. [631] wird die radikale Cholezystektomie (Leberresektion + Lymphadenektomie) nach Analyse
der Fälle von 1988 bis 2002 des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center ab einem Tumorstadium
T1b empfohlen. Studien von Yi et al. [632] oder D’Hondt et al. [633] zeigten eine Verbesserung des medianen Überlebens für reoperierte T1b-Karzinome.
Cavallaro et al. [625] geben eine Rezidivrate von bis zu 50 % bei Unterlassung einer RR im Stadium T1b
an. Hari et al. [634] kommen nach Analyse des Surveillance, Epidemiology and End Results Program (SEER)
des National Cancer Institute in den USA mit der größten Studie im Stadium I (AJCC-Stadien
T1a und T1b) mit 2788 Patienten im Stadium I zum Schluss, dass die radikale Resektion
von T1b-Karzinomen zu einem Prognosevorteil führt. Von Hari et al. [634] sowie Andren-Sandberg und Deng [635] wird auf das Problem eines inkompletten Stagings bei Unterlassung einer radikalen
Cholezystektomie hingewiesen.
Die Wedge-Resektion von 2 – 3 cm im Gallenblasenbett scheint bezogen auf die Radikalität
des Resektionsumfangs ausreichend, sofern hiermit die R0-Situation zu erreichen ist.
Bezogen auf die Leberresektionstechniken gibt es allerdings in der Literatur keinen
Konsensus bezüglich des Ausmaßes eines angemessenen Resektionsumfanges für die verschiedenen
T-Stadien. D’Angelica et al. [631] empfehlen eine Segment-IVb/V-Resektion ab einem T1b-Karzinom; hier wurde aber die
Wedge-Resektion nicht in die Evaluation miteinbezogen, sondern nur die Segment-IVb/V-Resektion
gegenüber radikaleren Techniken verglichen. Jayaraman et al. [636] empfehlen für T1b-Karzinome eine Wedge- oder Segment-IVb/V-Resektion, für T2-Karzinome
eine Segment-IVb/V-Resektion und bei T3-Karzinomen eine Hemihepatektomie rechts, stets
kombiniert mit einer Lymphadenektomie. Die Zentralregisterdaten zeigen tendenziell
für die Wedge-Resektionstechnik die besten 5-Jahres-Überlebensraten bei T1b-Karzinomen;
die Segment-IVb/V-Resektionen schneiden schlechter ab [626]. Bei T2-Tumoren zeigen die Daten des Zentralregisters tendenziell für die Segment-IVb/V-Resektion
geringfügig bessere 5-Jahres-Überlebensraten verglichen mit der Wedge-Resektionstechnik,
andere Techniken spielen keine Rolle. Dies ist auch deswegen relevant, da die Leitlinie
bei T2 / T3-Tumoren in weniger als 50 % der Kliniken umgesetzt wird und Kliniken,
die seltener Leberresektionen durchführen, auch seltener die Leitlinie in die Praxis
umsetzen als „High volume“-Kliniken [637]. Nach mehr als 5 Jahren gleichen sich die Daten der Wedge-Resektion und Bisegmentektomie
an. Bei den T3-Karzinomen hingegen sollte aufgrund der Daten des Zentralregisters
mindestens eine Segment-IVb/V-Resektion durchgeführt werden [626]
[638]. Die Kohortenstudie von Ethun et al. [639] bei 449 Patienten mit Gallenblasenkarzinomen – davon 120 Patienten mit T3 / T4-Karzinomen
– weist darauf hin, dass das optimale Zeitintervall für die Nachresektion in dieser
Gruppe bei 4 bis 8 Wochen nach der Cholezystektomie liegen könnte.
Die Angaben, bezogen auf das erforderliche Ausmaß der Leberresektion, sind in der
Literatur uneinheitlich. Kohya et al. [640] beschreiben die Bisegmentektomie gegenüber der Wedge-Resektion bei T2-Karzinomen
als das prognostisch bessere Verfahren. Araida et al. [641] konnten keine Unterschiede für T2- bis T3-Tumoren zwischen der Bisegmentektomie,
Wedge-Resektion und Hepatektomie dokumentieren. Hierbei handelte es sich um eine Multicenterstudie
mit 293 pT2- und 192 pT3-Karzinomen im Rahmen einer Umfrage der Japanese Society of
Biliary Surgery. Es wird hier die Wedge-Resektion empfohlen, sofern hierdurch Tumorfreiheit
(negative Resektionsränder) erreicht werden kann. Horiguchi et al. [642] haben nach Auswertung der Daten des Japan Biliary Cancer Registry von insgesamt
2067 Gallenblasenkarzinomen, darunter 415 T2-Karzinome und hiervon 161 Wedge-Resektion
vs. 54 Segment-IVb/V-Resektionen, keine besseren Ergebnisse für die Segment-IVb/V-Resektion,
jedoch eine höhere Komplikationsrate feststellen können. Auch Pawlik et al. [643] zeigen vergleichbare Ergebnisse für Patienten mit Hepatektomie, Bisegmentektomie
und Wedge-Resektion. Die 5-Jahres-Überlebensraten bei T2-Tumoren im französischen
Register (AFC-GBC-2009 Study Group) nach Wedge-Resektion betrugen 62 %, nach Segment-IVb/V-Resektion
waren sie 59 % [629].
Die laparoskopische Cholezystektomie kann in jedem Trimenon einer Schwangerschaft
bei dringlicher Indikation durchgeführt werden. Patientinnen, die bereits im 1. Trimenon
symptomatisch geworden sind, sollten wegen erheblicher Rezidivgefahr im weiteren Verlauf
ihrer Schwangerschaft früh elektiv operiert werden (B, III, starker Konsens).
Kommentar:
Gallenblasen-Sludge oder Gallensteine bilden sich bei mindestens 5 % der Schwangeren
aus; die Inzidenz gallensteinassoziierter Komplikationen während der Schwangerschaft
liegt unter 1 % [644]. Biliären Symptomen im ersten oder zweiten Trimenon folgt bei mehr als der Hälfte
der betroffenen Schwangeren ein Beschwerderezidiv im weiteren Verlauf der Schwangerschaft
[645]
[646]
[647]. Asymptomatische Steinträgerinnen werden nicht behandelt.
Die medikamentöse Therapie der symptomatischen Cholelithiasis in der Schwangerschaft
basiert auf denselben Therapieprinzipien wie bei Nicht-Schwangeren. Zur Prüfung der
Verträglichkeit und Gefahren von Medikamenten wird die Datenbank Embryotox (htttp://www.embryotox.de/) empfohlen. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) sollten nur bis zur 28. SSW eingenommen
werden; Fluorchinolone (und Imipenem) sollten wegen potenzieller Toxizität vermieden
werden, während Penicilline (± Betalactam-Inhibitor) und Cephalosporine in der Schwangerschaft
sicher sind. Die konservative Behandlung der symptomatischen Cholezystolithiasis führt
bei 38 – 69 % der Patientinnen zu rezidivierenden Symptomen und erhöht das Risiko
für Komplikationen sowie stationäre Krankenhausaufenthalte [648]
[649]
[650]. Die Schwangerschaft ist zu keiner Phase eine Kontraindikation für eine laparoskopische
Cholezystektomie [651]
[652]
[653]
[654]. Das frühelektive operative Vorgehen zur Verhinderung der hohen Rezidivwahrscheinlichkeit
kann bei symptomatischer Cholezystolithiasis empfohlen werden, wohingegen ein zögerliches
Vorgehen biliäre Komplikationen nach sich ziehen und das Kind gefährden kann. Insgesamt
konnte aber kein sicherer prognostischer Unterschied hinsichtlich Frühgeburtlichkeit
und fetaler Mortalität zwischen konservativem und chirurgischem Vorgehen nachgewiesen
werden [655]. Zu beachten sind bei der laparoskopischen Cholezystektomie ein intraabdomineller
Druck von maximal 15 mmHg und ein intraoperatives CO2-Monitoring [656].
Ein konservatives Vorgehen bei symptomatischer Cholezystolithiasis während der Schwangerschaft
führt zu einer über 50 %igen symptombedingten Wiederaufnahmerate der Patientinnen
innerhalb der ersten sechs Monate post partum [650]
[657]. Patientinnen mit gleichzeitig vorliegenden Gallenblasen- und Gallengangsteinen,
die nach der Gallengangsanierung asymptomatisch sind, können post partum (vorzugsweise
ab der 6. Woche) cholezystektomiert werden [657].
Die laparoskopische Cholezystektomie sollte in einer 4-Trokartechnik durchgeführt
werden (B, II, starker Konsens).
Kommentar:
Für die laparoskopische Cholezystektomie ist die 4-Trokartechnik als Standardtechnik
zur Darstellung und Präparation der Strukturen des Calot’schen Dreiecks etabliert
[658]. Operationstechniken mit einer reduzierten Anzahl an Zugängen können derzeit nicht
als Standardtechniken empfohlen werden, sind jedoch bei ausreichender Expertise in
erfahrenen Zentren möglich.
Große randomisierte Studien, die einen eindeutigen Vorteil für die Single-Incision-Techniken
(SILS) oder Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery (NOTES) zeigen, liegen
nicht vor. Es zeigt sich vielmehr, dass die Ergebnisse sehr stark von der Erfahrung
des Operateurs abhängig sind. Sowohl die Operationszeit als auch die Komplikationsrate
dieser Verfahren zeigen eine starke Schwankungsbreite [659]
[660]
[661]
[662]
[663].
Besonders im Bereich der sogenannten Lernkurve können erhebliche Komplikationen auftreten
[663]
[664]. Der postoperative Schmerz wird weder durch NOTES noch Single-Incision-Techniken
klinisch relevant verringert [661]
[665]
[666]
[667].
Ein unter Umständen besseres kosmetisches Ergebnis wird als wesentlicher potenzieller
Vorteil der SILS- und NOTES-Techniken gesehen [659]
[660]
[661]
[663]
[665].
Die postoperative Schmerztherapie nach laparoskopischer Cholezystektomie soll nach
dem dreistufigen WHO-Stufenschema erfolgen (A, I, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Hinsichtlich postoperativer Schmerzen nach laparoskopischer Cholezystektomie zeigt
eine Metaanalyse aus 25 kontrolliert randomisierten Studien [668] keinen Vorteil zugunsten einer bestimmten Wirkstoffklasse (NSAR, Opioidanaloga,
Antikonvulsiva). Alle Wirkstoffklassen reduzieren sowohl früh- als auch spät-postoperativ
die Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala und werden somit gleichermaßen
empfohlen. Die Definition der jeweiligen Studienendpunkte und die Kombination der
untersuchten Wirkstoffklassen ist uneinheitlich, sodass die Empfehlung einer speziellen
Wirkstoffklasse nicht möglich ist und die medikamentöse Schmerztherapie dem WHO-Stufenschema
folgen sollte [668].
Bezüglich der intraperitonealen Gabe von Lokalanästhetika [669] oder der Infiltration der port-sites [670] zeigen die Metaanalysen aus 54 bzw. 19 randomisiert kontrollierten Studien keinen
Vorteil. Die kleinen messbaren Differenzen zur Standard-Schmerztherapie sind klinisch
nicht evident. Weiterhin ist aufgrund der unterschiedlich angewendeten Wirkstoffe
und der unscharf definierten primären Studienendpunkte ein Vergleich der verschiedenen
Studien schwierig. Die Endpunkte zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität oder zur
Wiederaufnahme der Arbeit wurden in keiner der eingeschlossenen Studien berücksichtigt,
sodass keine Empfehlung zur intraperitonealen Gabe von Lokalanästhetika oder Port-site-Infiltration
gegeben werden kann.
Gallenblasen-Sludge ist in der Lage, gleiche Beschwerden wie Gallensteine selbst zu
verursachen (akute Cholezystitis, biliäre Pankreatitis u. a.) und sollte bei Symptomatik
mit einer laparoskopischen Cholezystektomie behandelt werden (B, III, starker Konsens).
Kommentar:
Gallenblasen-Sludge mit typischer Klinik im Sinne kolikartiger Beschwerden im rechten
Oberbauch kann zu biliären Komplikationen wie akuter Cholezystitis, Cholangitis oder
akuter Pankreatitis führen, und daher ist die Cholezystektomie wie bei normaler Cholezysto-/Choledocholithiasis
hier eine Therapieoption. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Langzeituntersuchung
über fast 10 Jahre bei Patienten mit Gallenblasen-Sludge, bei der es zumindest zu
ähnlich häufigen biliären Ereignissen kam wie bei Patienten mit Cholezysto-/ Choledocholithiasis
[671]. Eine kleine randomisierte Studie bei 85 Patienten mit akuter Pankreatitis unklarer
Ätiologie, die jedoch nicht mittels Endosonografie untersucht worden waren, berichtete,
dass die Rezidivrate nach Cholezystektomie mit 10 % signifikant gegenüber 41 % in
der Kontrollgruppe vermindert wurde; bei 60 % der operierten Patienten wurde Sludge
nachgewiesen [672]. Auch weitere retrospektive Untersuchungen und Übersichtsarbeiten kommen zu dem
Schluss, dass Gallenblasen-Sludge mit einer Mikrolithiasis einhergehen bzw. als Vorläufer
von Konkrementen biliäre Komplikationen verursachen kann und durch Cholezystektomie
diese Ereignisse verhindern werden können. Allein der Nachweis von Sludge ohne Beschwerden
stellt aber keine Indikation zur Cholezystektomie dar [671]
[673]
[674].
Gallengangverletzungen bei der Cholezystektomie sollen interdisziplinär von einem
in der hepato-biliären Chirurgie erfahrenen Chirurgen und einem erfahrenen interventionellen
Gastroenterologen behandelt werden (A, II, starker Konsens).
Kommentar:
Die Schwere einer Gallengangverletzung ist von verschiedenen Faktoren abhängig: der
Lokalisation im Verlauf des Gallenganges, wie weit der Gang durchtrennt wurde, ob
die Verletzung zu einem Substanzverlust geführt hat, eine ischämische oder mechanische
Verletzung vorliegt und ob es sich um eine Eröffnung oder Okklusion (z. B. mittels
Clips) handelt [675].
Eine intraoperative Gallengangverletzung tritt in 0,1 – 0,5 % [676]
[677]
[678] der Fälle auf. Hauptgründe für die Gallengangläsion sind mangelnde Erfahrung des
Operateurs, schlechte Übersicht bei entzündlichen Veränderungen mit Blutungsneigung
sowie das Nichterkennen von anatomischen Varianten. Unübersichtliche Darstellung des
Überganges vom Infundibulum zum D. cysticus, exzessive Präparation seiner Einmündungsstelle
in den Hauptgallengang oder blutstillende Maßnahmen bei Blutungen aus der abgerissenen
A. cystica sind weitere Fehler.
Bei der offenen Cholezystektomie wird die Gallengangläsion mit einer Häufigkeit von
0,2 % angegeben [676]
[677]. In einer Metaanalyse über annähernd 80 000 laparoskopische Cholezystektomien kam
es in 0,5 % der Fälle zu Gallengangverletzungen [677]. In anderen prospektiv untersuchten Studien liegt die Rate unter 0,1 % [678].
Zur Vermeidung von intraoperativen Gallengangverletzungen empfiehlt sich ein standardisiertes
Vorgehen des Operateurs bei der Präparation der A. cystica und des Ductus cysticus
mit eindeutiger Identifikation der Strukturen mittels „Critical view of safety“ [679]. Routinemäßig angewandte intraoperative Cholangiografie vermag die Inzidenz von
intraoperativen Gallengangverletzungen nicht zu senken [680]
[681].
Wird intraoperativ eine Gallengangverletzung bemerkt, ist deren Schwere makroskopisch
und mittels intraoperativer Cholangiografie zu bestimmen. Wenn diese nicht sicher
durchgeführt werden kann, ist eine subhepatische Drainage einzulegen und der Patient
sollte einem erfahrenen hepato-biliären Chirurgen vorgestellt werden. Die spezielle
Handhabung von Gallengangverletzungen ist spezialisierten Zentren mit ausreichender
Erfahrung vorbehalten [675].
Geringfügige Gallengangverletzungen, die postoperativ evident werden, können mittels
subhepatisch platzierter Drainage und zunächst konservativem Vorgehen behandelt werden.
Bei unauffälligem klinischen Befund, nicht bestehender Sepsis und Sekretion der liegenden
subhepatischen Drainage über 200 ml pro Tag, ist eine elektive ERC mit Stenteinlage
indiziert [675].
Verletzungen ohne Substanzverlust können durch direkte Naht über ein eingelegtes T-Drain
versorgt werden. Ein durchtrennter Hauptgallengang mit Substanzverlust erfordert eine
biliodigestive Anastomose.
Das symptomatische oder komplizierte Gallensteinleiden bei transplantierten oder immunsupprimierten
Patienten sollte zur frühzeitigen chirurgischen Indikationsstellung führen, da die
klinischen Symptome oftmals nur verzögert auftreten oder durch die Immunsuppression
nicht zur Ausprägung kommen können (B, III, starker Konsens).
Kommentar:
Die Inzidenz von Gallensteinen nach Herztransplantation [682] oder Nierentransplantation [683] ist höher als in der Allgemeinbevölkerung. Morbidität und Letalität sind bei herztransplantierten
Patienten höher, wenn die Cholezystektomie im Falle einer symptomatischen Cholezystolithiasis
offen oder ungeplant durchgeführt wird [684]. Belastbare Daten, die eine Cholezystektomie bei Steinträgern vor der Transplantation
empfehlen, existieren nicht. Die in der Literatur verfügbaren Studien tendieren sowohl
zur Surveillance als auch zur frühzeitigen Indikationsstellung zur Vermeidung des
komplizierten Steinleidens im Sinne einer Cholezystitis [685]
[686].
Zur Nierentransplantation existieren einzelne, nicht randomisierte Studien, deren
Autoren eine prophylaktische Cholezystektomie wegen der möglichen zu erwartenden Komplikationen
nach der Transplantation für sinnvoll erachten [687]
[688]. Prospektive Daten sowie Metaanalysen oder Reviews, auf deren Basis generell eine
prophylaktische Cholezystektomie vor Nierentransplantation zu rechtfertigen wäre,
existieren nicht.
Elektive abdominelle Operationen nach Lungentransplantation werden generell als sicher
betrachtet [689], sodass das eher abwartende und überwachende Management von Gallenblasensteinen
auch hier als sinnvoll erachtet werden kann.
IIIC. Endoskopisch-interventionelle Therapie
Symptomatische Gallengangsteine sollen behandelt werden (B, III, starker Konsens,
NKLM).
Die Therapie asymptomatischer Gallengangsteine sollte erwogen werden (B, II, starker
Konsens).
Kommentar:
Mehr als 50 % der Patienten mit symptomatischen Gallengangsteinen werden innerhalb
eines Jahres erneut symptomatisch und 25 % entwickeln Komplikationen. Aus dieser Datenlage
ergab sich in früheren Leitlinien die Behandlungsindikation, die jedoch auch bis heute
nicht durch prospektive Studien abgesichert ist. Für die zweite Aussage gibt es eine
neue Datenlage, wobei zwei Situationen zu unterscheiden sind:
-
Die Steine sind aus der Gallenblase in den Gallengang gewandert. Die Passage der Gallenblasensteine
in den Ductus hepatocholedochus geschieht bei etwa 10 – 15 % der Patienten. Der natürliche
Verlauf dieser Gallengangsteine ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Man nimmt
an, dass bis zu 50 % der Gallengangsteine asymptomatisch bleiben können. Ein großer
Teil dieser Steine geht entweder asymptomatisch (ca. 20 %) oder mit einer begleitenden
milden, selbst limitierenden Pankreatitis ab. Diese Situation der simultanen Gallenblasen-
und Gallengangsteine wird in Empfehlung IIIC.2 besprochen. Die Situation, dass zufällig
sonografisch simultan asymptomatische Gallenblasensteine und asymptomatische Gallengangsteine
entdeckt werden, ist selten. Zu dieser Situation gibt es keine prospektiven Studien.
Der natürliche Verlauf von zufällig intraoperativ entdeckten und nicht durch therapeutisches
Splitting präoperativ behandelten Gallengangsteinen bei symptomatischen Gallenblasensteinträgern
ist in einer retrospektiven Analyse in der GallRiks-Studie (n = 3828) untersucht worden.
Die Komplikationsrate (Kolik, Cholangitis, Pankreatitis) lag bei 25 %, wenn Steine
nicht entfernt wurden, vs. 13 %, wenn Steine intraoperativ entfernt wurden. Die Odds
Ratio war von der Steingröße abhängig, und das Komplikationsrisiko verdoppelte sich
weiter, wenn die Gallengangsteine > 4 – 8 mm waren (OR 0,52 bei Steingröße < 4 mm,
OR 0,24 bei Steingröße 4 – 8 mm) [690].
-
Bei cholezystektomierten Patienten liegt eine andere Situation vor. In dieser Patientengruppe
entstehen die Gallengangsteine primär im Gallengang, oder es handelt sich um nicht
diagnostizierte vor der Cholezystektomie abgegangene Steine. Die primären Gallengangsteine
werden häufig Infekt-getriggert durch Stase im Gallengang (juxtapapilläres Divertikel,
Stenose) oder durch aufsteigende Infekte bei Z. n. weiter Papillotomie in ihrer Genese
begünstigt. Die klinische Erstmanifestation dieser Gallengangsteine beinhaltet häufig
(bis zu 75 %) Komplikationen wie obstruktiven Ikterus, biliäre Pankreatitis oder Cholangitis
[691]. Aus diesem Grund sollten diese Gallengangsteine ebenfalls extrahiert werden, so
lange sie asymptomatisch sind.
Bei Patienten mit gleichzeitig vorliegenden Gallenblasen- und Gallengangsteinen sollte
ein therapeutisches Splitting (prä- oder intraoperativ) erfolgen (B, I, starker Konsens,
NKLM).
Kommentar:
Die Rechtfertigung eines therapeutischen Splittings mit präoperativer ERC hängt von
der Sicherheit ab, mit der ein Gallengangstein präoperativ diagnostiziert werden kann.
Die besten Verfahren, einen Gallengangstein zu diagnostizieren, sind die MRCP und
die Endosonografie. Zur Indikation des therapeutischen Splittings wird im diagnostischen
Teil Stellung genommen (siehe II.9).
In Deutschland hat sich bei der hohen Dichte des ERC-Angebots das therapeutische Splitting
gut und erfolgreich etabliert. Die ERC kann prä-, intra- oder postoperativ durchgeführt
werden. Die Verfahren sind in Metaanalysen gleichwertig, wobei die Krankenhausverweildauer
bei der prä- und postoperativen ERC etwas länger ist. Retrospektive Studien im schwedischen
Register für Gallenstein-Chirurgie und ERC (GallRiks) zeigen, dass das Pankreatitis-Risiko
bei der intraoperativ durchgeführten ERC geringer zu sein scheint (prä-OP-ERC 3,6 %
vs. intra-OP-ERC 2,2 %, OR 0,5, P = 0,02, Number needed to treat 71) [692]. Allerdings ist die logistische Hürde in den meisten Kliniken aus organisatorischen
Gründen zu hoch, sodass in diesen Kliniken das präoperative Splitting vorgezogen wird.
Bei entsprechender chirurgischer Expertise kann alternativ eine laparoskopische Cholezystektomie
mit laparoskopischer Choledochusrevision durchgeführt werden, da dieses Vorgehen dem
therapeutischen Splitting nicht unterlegen ist [693]
[694]. Letalität, Morbidität und Konversionsraten waren in beiden Gruppen gleich groß.
Daten zu Kosten, Krankenhausverweildauer und Lebensqualität konnten aufgrund fehlender
Daten nicht analysiert werden. Die Steinfreiheitsrate war in der rein chirurgischen
Gruppe zwar höher als bei den Patienten mit therapeutischem Splitting, der Unterschied
war jedoch nicht signifikant (92 vs. 86 %) [694].
Werden die Steine erst intraoperativ entdeckt und ist die laparoskopische Choledochusrevision
nicht möglich, so sollte das therapeutische Splitting durch die postoperative ERC
vervollständigt werden.
Vor endoskopischer transpapillärer Steinextraktion soll eine Papillotomie durchgeführt
werden (A, I, starker Konsens, NKLM).
Zur Erweiterung der Papillotomie kann bei großen Gallengangsteinen zur Verbesserung
der Steinextraktion eine endoskopische papilläre Ballondilatation (EPBD) durchgeführt
werden (0, I, starker Konsens).
Kommentar:
Das Risiko, Gallengangsteine durch eine intakte Papille zu extrahieren, ist inakzeptabel
hoch und daher obsolet [695]. Eine vorherige Papillotomie soll durchgeführt werden. Alternativ zur Papillotomie
wird die Ballondilatation eingesetzt. Der technische Erfolg ist der EPT vergleichbar,
das Blutungsrisiko ist verringert. Allerdings war das Pankreatitis-Risiko in Metaanalysen
um den Faktor 2 – 4 erhöht [696]. Aus diesem Grund ist die alleinige EPBD nur in begründeten Ausnahmefällen (Immundefekte,
Koagulopathien, nicht absetzbare Gerinnungshemmertherapie) zulässig. Vor allem bei
behebbaren Gerinnungstörungen ist die vorherige Anlage eines Stents oder einer nasobiliären
Sonde bis zur Normalisierung der Gerinnungssituation eine sehr gute Alternative.
Aus Beobachtungsstudien wird jedoch ersichtlich, dass in den Jahren nach der Behandlung
die Patienten, die durch Ballondilatation behandelt wurden, seltener Cholangitiden
oder Steinrezidive entwickeln [697]. Dies ist vor allem für die Entwicklung von Steinrezidiven, die sich bei Patienten
mit Steinextraktion nach Ballondilatation beinahe halbiert, signifikant.
Um sowohl das Blutungsrisiko nach EPT zu reduzieren als auch die Pankreatitis-Wahrscheinlichkeit
nach Ballondilatation zu minimieren, wurden Studien zur kombinierten Behandlung mit
Ballondilatation nach vorheriger EPT durchgeführt. Dabei waren bei einer Kombinationsbehandlung
bei vergleichbarer Erfolgsrate sowohl das Pankreatitis-Risiko als auch die Blutungsrate
im Vergleich zur alleinigen EPT signifikant niedriger [698]
[699]. Dieses Ergebnis zeigt sich vor allem bei großen Steinen, die sich nach alleiniger
EPT nur schwer extrahieren ließen. Wichtig war dabei, dass der Ballondurchmesser die
Weite des Gallenganges nicht überschreiten darf, um eine Perforation zu vermeiden.
Die meisten Studien verwendeten unabhängig vom Durchmesser des Gallengangs 8 mm-Ballons,
wobei längere Dilatationszeiten (> 1 – 5 min) sicherer waren [700]. Metaanalysen zeigen, dass die Kombination von EPT + EPBD die Notwendigkeit der
mechanischen Lithotripsie verringert [701]
[702]. Eine einzelne randomisierte kontrollierte Studie berichtete, dass die Kombination
zur Steinextraktion genauso effektiv war wie EPT mit mechanischer Lithotripsie, aber
mit weniger Komplikationen einherging (4,4 vs. 20,0 %, P = 0,049, N = 90) [703], die Ergebnisse sollten aber durch Studien weiter belegt werden.
Zwei randomisierte Studien aus Japan untersuchten, ob das Dormia-Körbchen oder der
Steinballon zur endoskopischen Steinentfernung besser geeignet sind. Für die BasketBall-Studie
wurden multizentrisch insgesamt 184 Patienten mit Gallengangkonkrementen ≤ 11 mm randomisiert
[704]. Das Hauptziel war das komplette Entfernen aller Konkremente aus dem Choledochus
innerhalb von 10 min, das bei 81 % der Patienten mit Körbchen und bei 84 % mit Ballon
erreicht wurde; die Komplikationsrate (Blutung, Pankreatitis, Cholangitis) betrug
6,6 bzw. 11,8 %. Diese Unterschiede waren nicht signifikant. Ishiwatari et al. [705] schlossen multizentrisch 172 Patienten mit Konkrementen ≤ 10 mm ein. Hier wurde
das Hauptzielkriterium, die komplette Konkrementextraktion (ohne Zeitlimit), mit Ballon
bei 92 % und mit Körbchen bei 89 % der Patienten erreicht, sodass der Ballon nicht
signifikant unterlegen war und v. a. bei Patienten mit mehr als 4 Steinen im Gallengang
Vorteile hatte.
Bei Misslingen (auch unter Einsatz der mechanischen Lithotripsie oder der endoskopischen
Ballondilatation) der endoskopischen Steinextraktion sollten als adjuvante Lithotripsieverfahren
extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL), intrakorporale Laserlithotripsie oder
elektrohydraulische Lithotripsie (EHL) eingesetzt werden. Bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis
soll die chirurgische Alternative interdisziplinär besprochen werden (B, III, starker
Konsens, NKLM).
Kommentar:
Sind die Steine trotz mechanischer Lithotripsie oder Einsatz der endoskopischen Ballondilatation
immer noch für die Extraktion zu groß, bieten sich verschiedene Verfahren, wie die
intrakorporale Laserlithotripsie, die elektrohydraulische Lithotripsie sowie die extrakorporale
Stoßwellenlithotripsie (ESWL) der Gallengangsteine – je nach Verfügbarkeit – zur Zerkleinerung
der Steine an. Die intraduktale Lithotripsie erfolgt unter direkter optischer Sicht
durch ein Cholangioskop. Dadurch werden Verletzungen der Gallengangwand vermieden.
Hinsichtlich der Fragmentationseffizienz zeigten kleinere randomisierte kontrollierte
Studien Vorteile der elektrohydraulischen Lithotripsie und der Laserlithotripsie gegenüber
der ESWL [706]
[707]
[708]
[709]
[710]
[711]
[712]
[713]
[714]. Nach Ausschöpfung all dieser Verfahren ist die Steinfreiheit bei deutlich über
95 % der Patienten zu erzielen. Im interdisziplinären Austausch sollte jedoch diese
Indikation bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis mit dem Chirurgen besprochen werden.
Ist die chirurgische Cholezystektomie mit intraoperativer Choledochusrevision möglich,
sollte diese dann vorgezogen werden [694]
[715].
Falls die endoskopische transpapilläre Therapie nicht gelingt und eine chirurgische
Therapie nicht sinnvoll ist, sollte bei symptomatischen Patienten eine perkutan-transhepatische
Gallengangstein-Behandlung durchgeführt werden (B, III, starker Konsens, NKLM).
Bei multimorbiden Patienten kann alternativ die transpapilläre Einlage einer Endoprothese
erfolgen (B, I, starker Konsens).
Kommentar:
Die perkutan-transhepatische Cholangiografie (PTC) und Steinbehandlung kann bei Misslingen
des endoskopisch-retrograden Vorgehens alternativ zum operativen Vorgehen bei Choledocholithiasis
therapeutisch eingesetzt werden [716]
[717]. Die Komplikationsraten (Hämobilie, Pneumothorax, Gallenleck in das Peritoneum)
der interventionell-therapeutisch erweiterten PTC sind höher als die der ERC und EPT.
Bei größeren Steinen müssen auch bei der PTC oft adjuvante Lithotripsieverfahren eingesetzt
werden. Aus diesen Gründen steht die chirurgische Option gleichwertig zur Verfügung.
Bei Patienten mit einem inakzeptabel hohen Risiko ist die Endoprotheseneinlage geeignet,
kurzfristig die steinbedingten Probleme (obstruktive Cholangitis, Verschlussikterus)
sicher zu beseitigen [718]
[719]
[720].
Bei sehr alten Patienten (> 80 Jahre) oder anderen Hochrisiko-Patienten kann die Endoprothese
als Langzeittherapie belassen werden [719]. Die Dauerversorgung mit Endoprothesen sollte allerdings wegen des Risikos der sekundären
Cholangitis bei Stentverschluss und nachfolgender Sepsisgefahr auf Ausnahmen beschränkt
bleiben [718]
[721]. Regelmäßige Stentwechsel (alle 3 Monate) sind dann notwendig.
Nach erfolgreicher endoskopischer Gallengang-Sanierung sollte bei Cholezystolithiasis
möglichst innerhalb von 72 Stunden cholezystektomiert werden. Eine steinfreie funktionstüchtige
Gallenblase kann belassen werden (B, I, starker Konsens).
Kommentar:
Nach erfolgreicher endoskopischer Entfernung der Gallengangsteine bei simultan vorliegenden
Gallenblasensteinen sollte eine Cholezystektomie möglichst bald erfolgen, es sei denn,
sonografisch lassen sich in der normal kontrahierenden Gallenblase keine Steine nachweisen
(siehe IIIB.1 zur sonografischen Prüfung der Gallenblasenfunktion). Das bisher oft
praktizierte Verfahren, diese Patienten nach 4 – 6 Wochen zur elektiven laparoskopischen
Cholezystektomie wieder einzubestellen, beruht auf einer holländischen [722] und einer asiatischen Studie [723]. Beide Studien untersuchten die Fragestellung, ob nach endoskopischer Gallengangsteinentfernung
eine Cholezystektomie notwendig ist. Die Nachbeobachtungszeit betrug in der holländischen
Studie zwei Jahre, in der asiatischen fünf Jahre in der Untersuchungsgruppe ohne Cholezystektomie.
In der Kontrollgruppe wurde in der holländischen Studie die laparoskopische Cholezystektomie
innerhalb von sechs Wochen durchgeführt. Biliäre Ereignisse traten innerhalb dieser
Zeit nicht auf, während in der nicht operierten Gruppe bei 42 % Komplikationen (Koliken
und Cholezystitis) auftraten. In der asiatischen Studie wurde die laparoskopische
Cholezystektomie im Median nach 26 Tagen (1 – 123 Tage) durchgeführt. Biliäre Ereignisse
traten in dieser Gruppe bei 7 % der Patienten auf. In der Beobachtungsgruppe lag die
Häufigkeit der biliären Ereignisse mit 24 % signifikant höher. Kürzlich sind zwei
weitere randomisierte Studien erschienen, die die prophylaktische Cholezystektomie
nach Gallengangsteinentfernung nochmals mit Wait-and-see ohne Cholezystektomie verglichen:
In einer Studie, die nur 90 Patienten umfasste und in der Crossover zwischen beiden
Armen häufig war, reduzierte die OP die Inzidenz einer nachfolgenden Cholezystitis,
aber nicht einer Cholangitis [724]; in der zweiten Studie wurden 162 Patienten, die alle älter als 70 Jahre waren,
randomisiert, wobei auch hier die Zahl der biliären Ereignisse (einschließlich Cholangitis)
durch die elektive Cholezystektomie signifikant reduziert wurde [725].
Aufgrund der Ergebnisse der ersten Studien [722] war die zeitliche Grenze der Cholezystektomie nach ERC bei 4 – 6 Wochen angesetzt
worden. Intention der Studien war jedoch nicht, den optimalen Zeitpunkt der ERC zu
erfassen, sondern die Indikation einer Cholezystektomie nach ERC zu verifizieren.
Mittlerweile wurde in zwei retrospektiven Studien [726]
[727] und in einer prospektiven randomisierten Multicenterstudie [728] der optimale Zeitpunkt der Cholezystektomie nach ERC untersucht. In der randomisierten
kontrollierten Studie mit 94 Patienten traten bei 28 % der Patienten biliäre Koliken
und bei 9 % eine akute Cholezystitis auf, wenn die laparoskopische Cholezystektomie
erst nach 6 – 8 Wochen erfolgte. Wurde die Operation dagegen in weniger als 72 h nach
der ERC mit Steinextraktion durchgeführt, so fand sich kein derartiges Ereignis. Die
Rate an biliären Pankreatitiden lag in beiden Gruppen niedrig bei 2 %. Die Konversionsrate
und OP-Dauer unterschieden sich nicht. In der retrospektiven Studie von Schiphorst
et al. [726] lag die mediane Zeit bis zur Cholezystektomie bei 7 Wochen (1 – 49 Wochen). In diesem
Zeitraum traten bei 20 % Komplikationen in Form von Cholezystitis (11 %), Gallengangsteinrezidiv
(5 %), Cholangitis (2 %) oder Pankreatitis (1 %) auf. Innerhalb von 1 Woche hatten
4 % und nach 3 Wochen bereits 10 % diese Komplikationen entwickelt. Die kürzlich publizierte
retrospektive Studie von Huang et al. [727] fand bei Patienten, die noch während des Erstaufenthaltes mit primär endoskopischer
Therapie eine Cholezystektomie erhielten, im Vergleich zu Patienten mit verzögerter
Cholezystektomie (innerhalb von 60 Tagen nach ERC) und Verzicht auf Cholezystektomie
eine Reduktion des Risikos erneuter biliärer Ereignisse innerhalb eines 60-Tage-Zeitraums
um 92 %.
Wegen dieser Ergebnisse lässt sich die Wartezeit von 4 – 6 Wochen nicht mehr rechtfertigen.
Aufgrund der Daten der prospektiven Studie liegt der optimale Zeitpunkt einer Cholezystektomie
nach ERC innerhalb von 72 h, auf Basis der retrospektiven Studie von Schiphorst et
al. [726] ließe sich auch 1 Woche noch rechtfertigen, vorausgesetzt es liegt keine Pankreatitis
vor.
Bei unkomplizierter biliärer Pankreatitis und abklingender Cholestase/Pankreatitis
sollte auf eine ERC verzichtet werden, wenn Endosonografie oder MRCP keinen Steinnachweis
ergeben haben. Die Cholezystektomie soll dann so bald wie möglich erfolgen (A, I,
starker Konsens).
Kommentar:
Bei der biliären Pankreatitis mit Cholestase/Ikterus und/oder Zeichen einer Cholangitis
soll eine ERC mit Steinextraktion nach Maßgabe der klinischen Dringlichkeit erfolgen
(siehe IIIC.9). Die Behandlung der biliären Pankreatitis ohne Cholangitis richtet
sich nach deren Schweregrad. Die meisten Fälle der biliären Pankreatitis sind mild
und heilen spontan aus. Nach Ablauf einer milden Pankreatitis sollte daher bei noch
vorhandenen Gallenblasensteinen die Cholezystektomie zügig erfolgen [467]
[729]
[730]
[731]. Diese zunächst auf retrospektiven Studien beruhende Empfehlung wurde kürzlich durch
die randomisierte kontrollierte PONCHO-Studie mit 264 Patienten (Alter ≤ 68 Jahre,
ASA-Risikoklasse ≤ 3; [Tab. 3]) in den Niederlanden untermauert [470], die nach milder biliärer Pankreatitis (kein Organversagen nach > 48 h, keine lokalen
Komplikationen wie peripankreatische Nekrosen, CRP < 100 mg/l, orale Ernährungsmöglichkeit
und Fehlen opioider Schmerzmedikamente) die frühelektive Cholezystektomie innerhalb
von 72 h mit der spätelektiven Cholezystektomie innerhalb von 25 – 30 Tagen verglich.
Die frühe Operation senkte die Wiederaufnahmerate bzw. Mortalität signifikant von
17 auf 5 % und das Risiko für eine erneute Pankreatitis von 9 auf 2 % ohne Komplikationsraten,
Konversionsraten oder Krankenhausverweildauer nachteilig zu beeinflussen. Aus diesen
Daten ergibt sich die Empfehlung, dass nach einer milden biliären Pankreatitis die
Cholezystektomie so bald wie möglich erfolgen soll. Dieses Vorgehen war in der PONCHO-Studie
zudem kosteneffektiv [732].
Bei schwerer Pankreatitis mit Steinnachweis im Gallengang ohne Cholangitis sollte
die ERC mit endoskopischer Papillotomie < 72 h nach Symptombeginn erfolgen. Bei gegebener
Indikation zur Cholezystektomie sollte diese nach Abklingen der Pankreatitis durchgeführt
werden (B, II, starker Konsens, NKLM).
Kommentar:
Die Entscheidung, ob eine milde oder schwere Verlaufsform einer Pankreatitis vorliegt,
stellt sich häufig erst nach 48 h heraus. Der Schweregrad der akuten Pankreatitis
wird nach der Atlanta-Klassifikation definiert [733]
[734]. Die schwere Pankreatitis ist assoziiert mit Organversagen, systemischen oder lokalen
Komplikationen, wobei Organversagen, die innerhalb von 48 h reversibel sind, nicht
zwangsläufig als schwere Pankreatitis anzusehen sind ([Tab. 4]). In einer neueren Metaanalyse zum optimalen Zeitpunkt einer ERC (< 24 vs. < 72 h)
bei biliärer Pankreatitis ohne Cholangitis zeigte sich kein Unterschied in der Letalität
[405]. Daher erscheint es vernünftig, den Verlauf des Schweregrads abzuwarten (24 – 48 h)
[735]
[736]. Bei schwerer Pankreatitis ist dann nach Nachweis eines Gallengangsteines durch
endoskopischen Ultraschall die ERC zügig indiziert. Es ist jedoch wichtig, dass bei
gleichzeitig vorliegender Cholangitis die ERC auch bei biliärer Begleitpankreatitis
so rasch wie möglich erfolgen soll.
Tab. 3
ASA-Klassifikation.
ASA I
|
normaler, gesunder Patient
|
ASA II
|
Patient mit leichten Allgemeinerkrankungen
|
ASA III
|
Patient mit schweren Allgemeinerkrankungen und Leistungsminderung
|
ASA IV
|
Patient mit einer inaktivierenden Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung
darstellt
|
ASA V
|
moribunder Patient, von dem nicht erwartet wird, dass er die nächsten 24 h überlebt,
sei es mit oder ohne Intervention
|
Nach einer schweren Pankreatitis sollte die Cholezystektomie erst nach Abklingen der
Pankreatitis erfolgen. Diese Studien sind vor allem bei offenen Cholezystektomien
durchgeführt. Es gibt vereinzelte retrospektive Analysen zur offenen Cholezystektomie
nach schwerer Pankreatitis, in denen beschrieben wird, dass Patienten mit moderater
bis schwerer Pankreatitis mit einem Ranson-Score über 5 Punkte bei der späten Cholezystektomie
nach über 6 Wochen besser abschneiden als die Patienten, die früh operiert werden
[737]
[738]. Dieselben Daten gibt es auch für die laparoskopische Cholezystektomie, wobei in
beiden Verfahren keine prospektiven randomisierten Studien existieren.
Bei der biliären Pankreatitis mit Cholestase/Ikterus und/oder Zeichen einer Cholangitis
soll eine ERC/Papillotomie mit Steinextraktion so rasch wie möglich durchgeführt werden
(A, I, starker Konsens, NKLM).
Bei Cholangitis soll die ERC/Papillotomie innerhalb von 24 h nach Aufnahme erfolgen
(A, I, starker Konsens).
Kommentar:
Beim Vorliegen einer Cholangitis oder schweren biliären Pankreatitis ist der Wert
einer möglichst raschen endoskopischen Intervention gesichert [729]
[739]
[740]
[741]. Die erhöhte Letalität wird durch die Ableitung der Cholangitis gesenkt. In der
Studie von Oria et al. [742], die ebenfalls frühe und elektive ERC verglich, wurden bei 72 % der Patienten im
ERC-Arm Gallengangsteine nachgewiesen und entfernt; Patienten mit Cholangitis waren
ausgeschlossen, und > 90 % der Patienten wurden im Verlauf des stationären Aufenthaltes
cholezystektomiert. Es ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich Organversagen,
Komplikationen und Letalität [742]. Es besteht in Anlehnung an Studien [740]
[743]
[744] Konsens, dass die ERC/EPT innerhalb von 24 h nach Aufnahme erfolgen sollte.
Bei obstruktiver steinbedingter akuter Cholangitis soll unverzüglich eine Antibiotikatherapie
begonnen werden. Eine endoskopische Therapie der Obstruktion (Steinextraktion oder
Drainage) soll in Abhängigkeit von der Dringlichkeit so rasch wie möglich, bei Zeichen
der Sepsis unverzüglich, erfolgen (A, I, Konsens).
Falls das transpapilläre Vorgehen misslingt, sollen alternative interventionelle Verfahren
oder ein chirurgisches Vorgehen erwogen werden (A, II, starker Konsens).
Kommentar:
Bei der Cholangitis zeigte sich in einer randomisierten Studie ein signifikanter Vorteil
des endoskopischen gegenüber dem operativen Vorgehen hinsichtlich der Komplikationen
und der Letalität [743]. Deshalb gilt das endoskopische Vorgehen heute nach wie vor als Therapie der Wahl.
Die endoskopische Therapie erfordert nicht in jedem Fall die Durchführung einer EPT,
jedoch die Einlage einer biliären Drainage [745]. Beim Misslingen der endoskopischen Steintherapie und drohender mechanischer Obstruktion
des biliären Systems sind sofortige Drainagemaßnahmen unerlässlich. Eine systemische
antibiotische Therapie soll sofort angesetzt werden.
Gelingt es auf endoskopischem Weg nicht, die Papilla vateri oder den Gallengang zu
erreichen, ist bei entsprechender Expertise der perkutan-transhepatische Zugang mit
Anlage einer perkutan-transhepatischen Cholangio-Drainage (PTCD) angezeigt. Große
Gallengangsteine können mit den gleichen Fragmentationsmethoden, ggf. unter Zuhilfenahme
der Cholangioskopie, zerkleinert und entfernt werden, wie dies für den transduodenalen
Zugang gilt. Die Erfolgsrate für die Behandlung von Steinen in den Gallengängen mit
perkutan-transhepatischer Cholangioskopie beträgt 90 – 99 %, die Komplikationsrate
ist etwas höher als bei der EPT.
In Fällen, in denen die Papille endoskopisch zwar einstellbar, jedoch nicht intubierbar
ist, kann ein kombiniertes perkutanes oder endosonografisches und endoskopisches Vorgehen
indiziert sein (so genanntes Rendezvous-Verfahren), bei dem ein perkutan oder durch
endosonografische Feinnadelpunktion (EUS-FNP) platzierter Führungsdraht endoskopisch
aufgenommen wird und als Schiene für die weitere, dann endoskopische Intervention
verwendet werden kann. Misslingt die steinbedingte Behebung der Gallengangobstruktion,
muss perkutan-transhepatisch interveniert werden. Steht dieses Verfahren nicht zur
Verfügung, sollte der Patient in ein Zentrum verlegt werden. Eine Alternative zum
perkutan-transhepatischen Vorgehen ist in Expertenhand die endosonografisch gestützte
Gallengangsdrainage [746], die auf verschiedenen Zugangsrouten erfolgen kann und in einer Metaanalyse im Vergleich
zur perkutan-transhepatischen Gallenwegsdrainage eine höhere klinische Effektivität,
weniger Komplikationen und eine geringere Re-Interventionsrate aufwies [747]. Einschränkend muss gesagt werden, dass nach einer anderen Metaanalyse nur etwa
14 % der in Studien eingeschlossenen Patienten benigne Indikationen für die Durchführung
einer endosonografischen Gallengangsdrainage aufwiesen [748].
Bei obstruktiver, steinbedingter, akuter Cholangitis sind neben der unverzüglichen
antibiotischen Therapie und Flüssigkeitssubstitution zur Stabilisierung der Kreislaufsituation
eine rasche Steinentfernung oder eine Drainage mit Stent-Einlage oder Anlage einer
nasobiliären Sonde erforderlich. Der Zeitpunkt der Obstruktionsbehandlung (Steinextraktion
oder Drainage) richtet sich nach dem Schweregrad der Cholangitis.
Bei schwerer akuter Cholangitis Grad III (zur Definition siehe II.10) [342] sind eine Drainage oder Beseitigung des Hindernisses unverzüglich erforderlich;
unverzüglich bedeutet in diesem Kontext alsbaldiges Handeln nach einer angemessenen
Zeit weiterer diagnostischer Überlegungen. Die endoskopische Ableitung ist der chirurgischen
Sanierung deutlich überlegen. Wenn die Steinextraktion misslingt, so sind eine nasobiliäre
Sonde oder ein biliärer Stent zur Ableitung notwendig. Beide Verfahren sind gleich
effektiv. Bei akuter Cholangitis Grad II ist die endoskopische Sanierung innerhalb
von 24 h erforderlich [749]. Treffen Kriterien weder für Grad II noch für Grad III zu, so reicht die endoskopische
Sanierung innerhalb der ersten 72 h aus.
Eine prophylaktische Antibiotikagabe vor ERC ist nicht notwendig (A, I, starker Konsens).
Gelingt die vollständige Obstruktionsbeseitigung (Steinextraktion oder Stent) nicht
im ersten Versuch, sollte eine Antibiotikaprophylaxe erfolgen (B, II, starker Konsens).
Kommentar:
Eine prophylaktische Antibiotikatherapie vor ERC senkt nicht die Letalität und auch
nicht die Cholangitis-Rate, wenn der Stein erfolgreich bei der ersten ERC komplett
entfernt werden kann. Mehrere randomisierte und teilweise Placebo-kontrollierte Studien
untersuchten die Wirksamkeit einer prophylaktischen Antibiose bei unselektierten Patienten
oder bei Patienten mit einer Gallengangobstruktion. Diese Studien wurden in Metaanalysen
[750]
[751] und einer Cochrane-Analyse ausgewertet [752]. Es konnte dabei nicht gezeigt werden, dass durch eine antibiotische prophylaktische
Therapie die Mortalität reduziert werden kann [752]. Es kann aus diesen Daten jedoch abgeleitet werden, dass die Cholangitis-Rate nach
Misserfolg im ersten Versuch unter Antibiotikagabe signifikant um die Hälfte reduziert
werden kann. Bei Patienten mit erfolgreicher Steinentfernung bei der ersten ERC besteht
kein Unterschied zwischen der Cholangitis-Rate mit oder ohne prophylaktische Antibiotikagabe
[752]. Die Dauer der antibiotischen Therapie in prophylaktischer Indikation ist nicht
durch randomisierte Studien abgesichert.
Es sollte eine komplette Drainage aller mit Kontrastmittel dargestellten Gangsysteme
angestrebt werden; zudem sollte nur in die Segmente Kontrastmittel injiziert werden,
die mit einem Führungsdraht sondiert werden können und die damit auch prinzipiell
mittels interventioneller Therapie drainierbar sind.
Eine Cholangioskopie kann die intraduktale Lithotripsie transpapillär oder perkutan
unter Sicht unterstützen (B, III, starker Konsens). Die Cholangioskopie soll unter
Wasserspülung oder CO2-Insufflation durchgeführt werden (GCP, III, starker Konsens).
Kommentar:
Bei der Behandlung der Gallengangsteine kann eine Cholangioskopie die Lithotripsie
unter Sicht unterstützen und die Kontrolle der Steinfreiheit nach Lithotripsie dokumentieren
[753]
[754]. Voraussetzung für die transpapilläre Cholangioskopie sollte eine adäquat weite
Papillotomie sein. Eine periinterventionelle Antibiotikaprophylaxe wird empfohlen.
Die Visualisierung des Gallengangsystems erfolgt meist unter Wasserspülung oder CO2-Insufflation. Im Rahmen der direkten peroralen Cholangioskopie mit Luftinsufflation
wurden schwerwiegende Luftembolien beschrieben [755]
[756].
Mit dem Einsatz ultradünner Endoskope, die primär für die transnasale Endoskopie des
oberen Gastrointestinaltrakts entwickelt wurden, ist auch die direkte perorale Cholangioskopie
mit guter Bildqualität ohne ERC möglich. Nach weiter Papillotomie erfolgt eine direkte
Intubation des Ductus choledochus.
Bei Patienten mit akuter (auch akalkulöser) Cholezystitis und hohem Operationsrisiko
kann eine perkutane Drainage der Gallenblase (Cholezystostomie) erfolgen (0, II, starker
Konsens).
Kommentar:
Bei akuter Cholezystitis bei älteren Patienten (> 65 Jahre) oder erhöhtem Operationsrisiko
(ASA-Risikoklasse ≥ III; [Tab. 3]) kann eine perkutane Drainage der Gallenblase (Cholezystostomie) mit niedrigen Letalitäts-
und hohen Erfolgsraten durchgeführt werden [757]
[758]. Es liegen randomisierte kontrollierte Studien vor, bei denen die Cholezystostomie
mit früher oder später Cholezystektomie [759] bzw. die Cholezystostomie mit der zunächst rein konservativen Therapie verglichen
wurden [760]. Hierbei konnten im systematischen Review der randomisierten kontrollierten Studien
keine Unterschiede hinsichtlich der Letalität in den verschiedenen Armen detektiert
werden [761]. Die Auswertung von retrospektiven Studien konnte eine Gleichwertigkeit von Cholezystektomie
und Cholezystostomie nicht belegen [762]. Ohne Cholezystektomie besteht die Gefahr, dass sich der Zustand der Patienten im
Verlauf wieder verschlechtert [760].
Alternative Verfahren sind die endosonografisch gesteuerte Gallenblasendrainage (EUS-GBD)
[763] und transpapilläre Gallenblasendrainagen [764]
[765], die in randomisierten Studien evaluiert wurden und durch erfahrene Untersucher
in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Die Ergebnisse für die nasobiliäre
Drainage und Stenting der Gallenblase mit 6 – 10 Fr-Stents waren hinsichtlich technischer
und klinischer Erfolgsraten sowie Komplikationen vergleichbar [766]. Für die EUS-GBD bei akuter Cholezystitis wurden zuletzt insbesondere Lumina-aneinanderlegende
Metallstents (LAMS) erfolgreich eingesetzt [767], wobei die Komplikations- und Reinterventionsraten in retrospektiven Serien niedriger
als beim perkutanen Vorgehen waren [768]
[769]
[770]. Die Ergebnisse scheinen der endoskopisch-transpapillären und der perkutanen Gallenblasendrainage
zumindest ebenbürtig zu sein [768]
[769]
[770]
[771]
[772]
[773]. Die aktualisierte japanische Leitlinie empfiehlt bei chirurgischen Hochrisikopatienten
die perkutane Drainage als Standard, sieht jedoch die EUS-GBD durch erfahrene Endoskopiker
als gleichwertig evidenzbasiertes Verfahren an [766]. Es sind weitere ausreichend große Studien zu dieser Fragestellung und auch im Vergleich
mit der subtotalen Cholezystektomie [774] sinnvoll.
Asymptomatische intrahepatische Steine sollten nicht grundsätzlich behandelt werden
(B, III, starker Konsens). Bei symptomatischen intrahepatischen Steinen sollte die
Therapieentscheidung patientenbezogen interdisziplinär getroffen werden (B, IV, starker
Konsens).
Kommentar:
Asymptomatische intrahepatische Steine werden im Verlauf von 15 Jahren nur bei 11,5 %
der Patienten im Mittel nach 3,4 Jahren symptomatisch [477]. Bei inpaktierten intrahepatischen Steinen ist das Risiko, durch die ERC eine Cholangitis
zu induzieren, erhöht. Aus diesem Grund ist das abwartende Verhalten gerechtfertigt.
Bei symptomatischen Steinen ist die interdisziplinäre Therapieplanung sinnvoll. Die
häufigsten Symptome sind Koliken, Cholangitis und Leberabszess, seltener Cholangiokarzinome
[477]. Aus diesem Grund ist das abwartende Verhalten gerechtfertigt. Bei symptomatischen
Steinen ist die interdisziplinäre Therapieplanung sinnvoll [478]. Der Langzeiterfolg der Chirurgie ist insbesondere dann gegeben, wenn der Befall
auf einzelne periphere Lebersegmente und einen Leberlappen begrenzt ist [479]. Bei diffuser Verteilung der intrahepatischen Steine sind perkutan-transhepatische
cholangioskopische Verfahren mit Lithotripsie und Gallengangdilatationen sinnvoll
[474]
[480]
[481]
[482]
[483]
[775]
[776].
Symptomatische Gallengangsteine sollten auch in der Schwangerschaft durch endoskopische
Papillotomie und Steinextraktion therapiert werden (B, III, starker Konsens).
Falls eine Verwendung von Röntgenstrahlen erforderlich ist, stellt diese bei vorherigem
Nachweis von Gallengangsteinen unter Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien auch
im ersten Trimenon keine absolute Kontraindikation dar (Statement, IV, starker Konsens).
Kommentar:
Mehrere Studien haben die Sicherheit der ERC in der Schwangerschaft bei tendenziell
erhöhtem Pankreatitisrisiko nachgewiesen [777]
[778]
[779]
[780]
[781]
[782]
[783]
[784]
[785]
[786]
[787]. Die Untersuchung sollte durch einen erfahrenen Untersucher erfolgen, wobei eine
Ultraschall-geleitete EPT helfen kann, die Strahlenbelastung zu vermeiden [654]
[788]. Zu Risiken und unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Sedativa, Analgetika und
Antibiotika wird auf den Kommentar zur Empfehlung IIIB.11 und die Datenbank Embryotox
(htttp://www.embryotox.de/) verwiesen.
Die Ermittlung der Strahlendosis basiert auf dem 3-Stufen-Konzept, wobei bis 20 mSv
(Stufe I) eine Dosisabschätzung und Protokollierung durch den Arzt ausreichend ist
[789]; die Schwellendosis für Fehlbildungen liegt bei 100 mSv (deterministische Schäden).
Da eine Durchleuchtung bei lateraler Projektion und normaler Konstitution zu einer
Uterusdosis von 32 mSv/min führt, sollten die Durchleuchtungszeiten möglichst kurz
gehalten und keine Röntgenaufnahmen angefertigt werden [789]. Die schwangere Patientin sollte für den Eingriff auf die linke Körperseite gelagert
werden, um eine Okklusion der Vena cava zu vermeiden [654]. Bei der Stromapplikation soll die Neutralelektrode so (rechtsthorakal oder am rechten
Oberarm) platziert werden, dass der Uterus sich nicht zwischen Sphinkterotom und der
Elektrode befindet.