Handchirurgie Scan 2018; 07(03): 203
DOI: 10.1055/a-0644-8688
Aktuell
Nervenverletzungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geburtstraumatische Plexus-brachialis-Läsion: Bewegungsumfang im 10-Jahres-Verlauf

Bains R. et al.
Active Range of Motion Over Time in Patients With Obstetrical Brachial Plexus Palsy: A 10-Year Analysis.

J Hand Surg Am 2018;
43: 386.e1-386.e7
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 January 2019 (online)

 

    Die Häufigkeit von geburtshilflich bedingten Plexus-brachialis-Läsionen liegt zwischen 0,42 und 5,0 pro 1000 Geburten. Dabei ist am häufigsten der obere Anteil des Plexus betroffen (Wurzeln C5 und C6, ggf. auch C7): Diese Erb’schen Lähmungen machen 70 – 85 % aller Läsionen aus. Die Behandlung kann, je nach Ausmaß der Schädigung und Wunsch der Eltern, operativ oder konservativ erfolgen.


    #

    Unabhängig von der Art der Therapie bleibt aber bei bis zu 15 % der Betroffenen eine dauerhafte (Teil-)Einschränkung bestehen und gelegentlich besteht der Eindruck, dass die Funktionsfähigkeit im Lauf der Zeit sogar wieder abnimmt. Es gibt jedoch bislang nur wenige Informationen zum Langzeitverlauf. Bains et al. legen nun eine Analyse vor.

    Die Wissenschaftler der University of Toronto haben dazu Daten von insgesamt 139 Patienten in eine retrospektive Studie aufgenommen. Die Kinder waren zwischen 1991 und 2000 zur Welt gekommen und nach der Geburt wurde eine Schädigung des Plexus brachialis diagnostiziert.

    • Bei 42 Kindern war eine ausschließlich konservative Behandlung mittels Ergotherapie- und Physiotherapie erfolgt,

    • bei 97 ein primärer oder sekundärer operativer Eingriff zur Exploration und ggf. Therapie (Exzision von Neuromen, Nerventransplantation, Nerventransfers und/oder Injektion von Botulinumtoxin).

    Bei allen Patienten war im 2. Lebensjahr, zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr, zwischen dem 9. und 11. Lebensjahr und bei einer Abschlussuntersuchung die Beweglichkeit der betroffenen oberen Extremität (15 Gelenke) mithilfe der Active Movement Scale (AMS) untersucht worden. Auf der AMS bedeuten 0 Punkte keinerlei nachweisbare Muskelkontraktionen und 7 Punkte eine volle Beweglichkeit auch gegen die Schwerkraft.

    Robert Bains und seine Kollegen haben nun Veränderungen der AMS-Punktwerte im zeitlichen Verlauf analysiert. Dabei zeigte sich eine deutliche Besserung der Bewegungsfähigkeit in den ersten 2 – 3 Lebensjahren, danach wurde ein Plateau erreicht. Diese Plateauwerte blieben dann im Wesentlichen bis zum 10. Lebensjahr erhalten; eine darauf folgende geringfügige Abnahme der Werte war klinisch nicht relevant.

    Die stärksten Verbesserungen fanden sich bei der Anteversion im Schultergelenk (ca. 5 – 6 AMS-Punkte im Alter von 3 Jahren) und bei der Flexion im Ellenbogengelenk (ca. 6 – 7 Punkte im Alter von 3 Jahren). Keine Veränderungen (weder Verbesserungen noch Verschlechterungen gegenüber den Werten in Jahr 1) zeigten sich bei der Adduktion und Innenrotation in der Schulter und bei der Flexion von Handgelenk und Fingern.

    Fazit

    Nach einer geburtstraumatischen Läsion des Plexus brachialis kann eine Behandlung die Funktion der oberen Extremität bis zum 3. Lebensjahr deutlich verbessern. Und diese Besserung bleibt nach Jahr 3 ohne wesentliche klinische Verschlechterung erhalten, so die Autoren. Als Einschränkung gilt, dass die AMS keine Aussage zum exakten Bewegungsumfang und zur Kraftentfaltung erlaubt. Darüber hinaus variierten in der hier untersuchten Gruppe das Ausmaß der Läsionen und die Art der Behandlung.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


    #