Gülke J.
et al.
Postoperative treatment of metacarpal fractures - Classical physical therapy compared
with a home exercise program.
J Hand Ther 2018;
31: 20-28
Klassischerweise erfolgt die postoperative Übungsbehandlung aber durch allgemeine
Physiotherapeuten, die meist nicht auf Handtherapie spezialisiert sind. Darüber hinaus
können für die Patienten Fahrten zum Therapeuten und Wartezeiten auf Termine und in
der Praxis aufwendig sein. Kann ein anderer Ansatz weiterhelfen?
Ein Team aus Ulm, dem neben Chirurgen auch eine Physiotherapeutin angehörte, hat ein
Übungsprogramm entwickelt, das die Patienten zu Hause selbstständig durchführen können.
Das Programm ist in einer ausführlichen Broschüre enthalten, die die einzelnen Übungen
für die jeweilige postoperative Woche beschreibt und im Bild darstellt. Ebenso sind
die optimale Intensität, Anzahl von Wiederholungen der Übung und Dauer von dazwischen
geschalteten Ruhepausen dokumentiert. Jeden Tag sollten 3 Trainingszyklen durchgeführt
werden (am Morgen, Mittag und Abend), der einzelne Zyklus besteht aus 4 – 6 Übungen
und dauert etwa 20 – 30 min. Anhand einer Checkliste dokumentieren die Patienten die
absolvierten Übungen, angehängt ist außerdem ein wöchentliches Tagebuch, in dem auffällige
Befunde notiert werden können.
Die Wissenschaftler prüften die Ergebnisse dieses Programms zwischen 2009 und 2014
an 60 Patienten (Durchschnittsalter 32 Jahre), bei denen eine Metakarpalefraktur der
Finger 2 – 5 operativ übungsstabil versorgt wurde. Ausschlusskriterien umfassten ein
Alter > 60 Jahre, Frakturen mit Gelenkbeteiligung, Trümmerfrakturen und für die Handfunktion
relevante Begleitverletzungen, z. B. Wundinfektionen und Sehnenverletzungen. Jeweils
30 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:
-
Bei der klassischen postoperativen Rehabilitation erfolgten bei einem allgemeinen
Physiotherapeuten für 6 Wochen 12 Sitzungen über jeweils 30 min. Darüber hinaus sollte
der Patient zu Hause nach Vorgaben des Therapeuten selbstständig üben (Gruppe 1).
-
Bei der häuslichen Rehabilitation erfolgten die Übungen wie oben beschrieben zu Hause
und ohne Physiotherapeuten, nachdem die Patienten in der Klinik ausführlich instruiert
worden waren (Gruppe 2).
In beiden Gruppen begann die Übungstherapie 2 Wochen nach der Operation und wurde
bis Woche 8 fortgesetzt. Für die Auswertung beurteilten die Wissenschaftler den Bewegungsumfang
in allen 3 Gelenken des betroffenen Fingers (Woche 2, 6 und 12 postoperativ) und die
grobe Kraft der Hand (Woche 6 und 12). Die Patienten bewerteten die Funktionsfähigkeit
anhand des DASH-Fragebogens (DASH: Disabilities of the Arm, Shoulder, and Hand) (Woche
6 und 12).
Dabei zeigten sich im Vergleich von Gruppe 1 mit Gruppe 2
-
in Woche 2 in beiden Gruppen eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im Fingergrundgelenk
(Bewegungsumfang 42,5° in Gruppe 1 und 46,5° in Gruppe 2), aber
-
in Woche 6 eine signifikant bessere Beweglichkeit im Fingergrundgelenk bei den Patienten
der Gruppe 2,
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Bis Woche 12 blieb dieser Unterschied erhalten,
-
mit 82,2° gegenüber 73,3°, und
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einem Gesamtbewegungsumfang des Fingers von 256° gegenüber 245°.
-
Die Beweglichkeit der Fingermittel- und -endgelenke war zu allen Zeitpunkten gut und
ohne wesentlichen Unterschied zwischen den Gruppen.
Die grobe Kraft war ebenfalls zwischen den Gruppen vergleichbar und betrug bei der
letzten Nachuntersuchung 91 % der gesunden Hand in Gruppe 1 und 93 % in Gruppe 2.
Die Funktionsfähigkeit der Hand laut DASH lag in Woche 12 im Normalbereich und war
in beiden Gruppen ähnlich (16 Punkte in Gruppe 1 und 14 Punkte in Gruppe 2).
Die Compliance mit der häuslichen Übungstherapie war zufriedenstellend, 23 der 29
auswertbaren Patienten gaben ihr Übungsbuch mit den dokumentierten Maßnahmen zurück.
Für die Nachbehandlung bei operativ stabilisierten Metakarpalefrakturen können Handchirurgen
und spezialisierte Physiotherapeuten ein sinnvolles Rehabilitationsprogramm mit zu
Hause durchführbaren Übungen entwickeln, so die Autoren. Die funktionellen Ergebnisse
sind damit ähnlich wie bei einer konventionellen Nachbehandlung, das eigenständige
Übungsprogramm erlaubt den Patienten aber eine höhere Flexibilität. Eine engmaschige
Nachbetreuung muss jedoch gewährleistet sein, um eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig
zu erkennen.
Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim