Handchirurgie Scan 2018; 07(03): 196-197
DOI: 10.1055/a-0644-8894
Aktuell
Mittelhand
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Mittelhandfrakturen: Ist postoperativ eine alleinige Übungstherapie zu Hause sinnvoll?

Gülke J. et al.
Postoperative treatment of metacarpal fractures - Classical physical therapy compared with a home exercise program.

J Hand Ther 2018;
31: 20-28
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Publication Date:
15 January 2019 (online)

 

    Metakarpalefrakturen machen etwa ein Drittel aller Frakturen an der Hand aus und betreffen v. a. junge Erwachsene. Die Ansprüche an die weitere Funktionsfähigkeit der Hand sind daher meistens hoch, sodass die schnelle Rehabilitation nach einer operativen Versorgung bedeutsam ist.


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    Klassischerweise erfolgt die postoperative Übungsbehandlung aber durch allgemeine Physiotherapeuten, die meist nicht auf Handtherapie spezialisiert sind. Darüber hinaus können für die Patienten Fahrten zum Therapeuten und Wartezeiten auf Termine und in der Praxis aufwendig sein. Kann ein anderer Ansatz weiterhelfen?

    Ein Team aus Ulm, dem neben Chirurgen auch eine Physiotherapeutin angehörte, hat ein Übungsprogramm entwickelt, das die Patienten zu Hause selbstständig durchführen können. Das Programm ist in einer ausführlichen Broschüre enthalten, die die einzelnen Übungen für die jeweilige postoperative Woche beschreibt und im Bild darstellt. Ebenso sind die optimale Intensität, Anzahl von Wiederholungen der Übung und Dauer von dazwischen geschalteten Ruhepausen dokumentiert. Jeden Tag sollten 3 Trainingszyklen durchgeführt werden (am Morgen, Mittag und Abend), der einzelne Zyklus besteht aus 4 – 6 Übungen und dauert etwa 20 – 30 min. Anhand einer Checkliste dokumentieren die Patienten die absolvierten Übungen, angehängt ist außerdem ein wöchentliches Tagebuch, in dem auffällige Befunde notiert werden können.

    Die Wissenschaftler prüften die Ergebnisse dieses Programms zwischen 2009 und 2014 an 60 Patienten (Durchschnittsalter 32 Jahre), bei denen eine Metakarpalefraktur der Finger 2 – 5 operativ übungsstabil versorgt wurde. Ausschlusskriterien umfassten ein Alter > 60 Jahre, Frakturen mit Gelenkbeteiligung, Trümmerfrakturen und für die Handfunktion relevante Begleitverletzungen, z. B. Wundinfektionen und Sehnenverletzungen. Jeweils 30 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einer von 2 Gruppen zugewiesen:

    • Bei der klassischen postoperativen Rehabilitation erfolgten bei einem allgemeinen Physiotherapeuten für 6 Wochen 12 Sitzungen über jeweils 30 min. Darüber hinaus sollte der Patient zu Hause nach Vorgaben des Therapeuten selbstständig üben (Gruppe 1).

    • Bei der häuslichen Rehabilitation erfolgten die Übungen wie oben beschrieben zu Hause und ohne Physiotherapeuten, nachdem die Patienten in der Klinik ausführlich instruiert worden waren (Gruppe 2).

    In beiden Gruppen begann die Übungstherapie 2 Wochen nach der Operation und wurde bis Woche 8 fortgesetzt. Für die Auswertung beurteilten die Wissenschaftler den Bewegungsumfang in allen 3 Gelenken des betroffenen Fingers (Woche 2, 6 und 12 postoperativ) und die grobe Kraft der Hand (Woche 6 und 12). Die Patienten bewerteten die Funktionsfähigkeit anhand des DASH-Fragebogens (DASH: Disabilities of the Arm, Shoulder, and Hand) (Woche 6 und 12).

    Dabei zeigten sich im Vergleich von Gruppe 1 mit Gruppe 2

    • in Woche 2 in beiden Gruppen eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit im Fingergrundgelenk (Bewegungsumfang 42,5° in Gruppe 1 und 46,5° in Gruppe 2), aber

    • in Woche 6 eine signifikant bessere Beweglichkeit im Fingergrundgelenk bei den Patienten der Gruppe 2,

      • mit 68,5° gegenüber 61,7° in Gruppe 1.

    • Bis Woche 12 blieb dieser Unterschied erhalten,

      • mit 82,2° gegenüber 73,3°, und

      • einem Gesamtbewegungsumfang des Fingers von 256° gegenüber 245°.

    • Die Beweglichkeit der Fingermittel- und -endgelenke war zu allen Zeitpunkten gut und ohne wesentlichen Unterschied zwischen den Gruppen.

    Die grobe Kraft war ebenfalls zwischen den Gruppen vergleichbar und betrug bei der letzten Nachuntersuchung 91 % der gesunden Hand in Gruppe 1 und 93 % in Gruppe 2. Die Funktionsfähigkeit der Hand laut DASH lag in Woche 12 im Normalbereich und war in beiden Gruppen ähnlich (16 Punkte in Gruppe 1 und 14 Punkte in Gruppe 2).

    Die Compliance mit der häuslichen Übungstherapie war zufriedenstellend, 23 der 29 auswertbaren Patienten gaben ihr Übungsbuch mit den dokumentierten Maßnahmen zurück.

    Fazit

    Für die Nachbehandlung bei operativ stabilisierten Metakarpalefrakturen können Handchirurgen und spezialisierte Physiotherapeuten ein sinnvolles Rehabilitationsprogramm mit zu Hause durchführbaren Übungen entwickeln, so die Autoren. Die funktionellen Ergebnisse sind damit ähnlich wie bei einer konventionellen Nachbehandlung, das eigenständige Übungsprogramm erlaubt den Patienten aber eine höhere Flexibilität. Eine engmaschige Nachbetreuung muss jedoch gewährleistet sein, um eventuelle Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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