Pneumologie 2018; 72(11): 766-773
DOI: 10.1055/a-0647-9650
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pneumologische Bewertung und Begutachtung im Spiegel von Beanspruchungskriterien[*]

Konzept: „Last zu Kapazität“Pneumological Assessment with Regard to Performance Demands Concept: “Load to Capacity”
R. F. Kroidl
1   Ehemals Herz-Lungen-Praxis Stade
,
M. J. Fröhlich
2   Medizinische Hochschule Hannover, Pneumologie
,
T. Welte
2   Medizinische Hochschule Hannover, Pneumologie
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. Rolf F. Kroidl
Frommholdstraße 71
21680 Stade

Publication History

eingereicht 14 April 2018

akzeptiert nach Revision18 June 2018

Publication Date:
22 August 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Gutachterliche bzw. bewertende Aussagen zur physischen Leistungsfähigkeit müssen sich zum einen an der (Dauer-) Leistungsfähigkeit des Probanden/des Patienten orientieren, zum andern sind sie in ein Verhältnis zu der erwarteten Last (Arbeit, Sport, operativer Stress) zu setzen. Dieses „Last-Kapazitäts-Konzept“ war bisher zweifellos schon Teil der ärztlichen Gesamtschau, wobei deren Grundlage mehr auf der Erfahrung und persönlichen Einschätzung und weniger auf abrufbaren Daten beruhte.

Die Einschätzung der Arbeitsschwere in der sozialmedizinischen Begutachtung („leicht – leicht bis mittel – mittelschwer – schwer“ – siehe Begutachtungsempfehlungen zur sozialmedizinischen Beurteilung der Deutschen Rentenversicherung, REFA-Klassifikation) kann jetzt durch gut verfügbare und valide Daten aus lebens- und tätigkeitsnahen Messungen ergänzt werden. Auch der Anteil der Dauerleistung in Bezug auf die maximale Leistung (VO2peak) und die Leistung im Bereich des aerob-anaeroben Übergangs (VO2@VT1) ist gut etabliert. Diese Informationen sind über eine Spiroergometrie zu erreichen.

Im Zentrum der Betrachtung steht der O2-Verbrauch (V’O2), der sich als isolierter Messwert (V’O2 in L/min) präsentiert oder in einem komplexen Parameter wie „MET“ oder „kcal“.

Aktuelle Studien profitieren vom technischen Fortschritt bei der Sensorik von Messdaten und deren Präsentation in Grafiken und Tabellen, letztere unter Bezug zu Erwartungswerten/Normwerten. Unbenommen davon findet sich in der Literatur eine große Zahl älterer Daten zu Leistungsanforderungen bei diversen Verrichtungen (siehe Ainsworth et al.). Diese Informationen aus früheren Jahrzehnten sind zur Orientierung geeignet, sie müssten aber nach Möglichkeit mittels der jetzt verfügbaren Techniken (siehe portable Spiroergometrie) validiert werden.

Die Spiroergometrie hat sich bereits in den Empfehlungen bei der Begutachtung im Unfallrecht etabliert. Ihre Möglichkeiten sollten aber auch auf den anderen Rechtsebenen (Rentenrecht u. a.) genutzt werden. Positive Erfahrungen dazu werden aus einer eigenen Studie zu „Arbeitsbelastung bei hauswirtschaftlicher Tätigkeit in Kliniken“ berichtet.


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Abstract

Professional opinions on and assessments of physical performance must be oriented to the individual capacity of the person in question. Moreover, this performance has to be correlated with the expected physical load at work, sports activities or operative stress.

This “Load to Capacity Concept” is already a part of an integrative medical assessment, based on clinical experience and common sense, rather than on diagnostic numerical values.

An evaluation of work intensity in the context of socio-medical assessment (“light – moderate – severe – very severe”, German Statutory Pension Insurance, based on the German REFAClassification) can now be complemented by well accessible and valid data based on measurements of real-life and professional activities. Also the ratio of continuous power in view of the maximal power output (V’O2 peak) and the power at the aerobic-anaerobic threshold (V’O2 at VT1) is well established. This information is gained by ergospirometry (CPET – Cardio Pulmonary Exercise Testing).

The focus while interpreting the performance lies on Watt as a physical parameter and on O2-consumption (V’O2 L/min) as the crucial biological correlate. V’O2 is presented as a direct value (L/min) or in complex values like MET (Metabolic Equivalent of Task) and calories (kcal).

Recent studies can take advantage of technical progress in this field: rapid sensory measurement, convenient display in graphs and tables. In earlier literature there is ample information on working demands and energy expenditure, supplemented by V’O2-data and MET (see Ainsworth et al.). These studies are helpful for orientation. However, it has to be kept in mind that these studies were done with technical possibilities available then, mostly in a laboratory setting, not under real-life conditions. Portable ergospirometry was not available at that time. Ergospirometry has already proved to be a useful tool in cases where expert opinion is required on compensation claims or questions of early retirement. Positive results of our study on “Occupational Activity of Cleaning Personnel in Clinics” are also reported here.


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Einleitung und Fragestellung

Die ärztliche Tätigkeit in Praxis und Klinik ist primär von Diagnostik und von Therapiemaßnahmen geprägt. Oft werden jedoch auch Entscheidungen im Sinne von Bewertungen und Begutachtungen gefordert. Diese sozialmedizinische Komponente ist meist weniger bewusst, fließt aber durchaus in den alltäglichen Arbeitsprozess ein, z. B. Krankschreibungen. Auch bei der Frage einer Sport- oder Reha-Fähigkeit oder vor Operationen ist bewertend zu entscheiden.

Vertiefende Bewertungen und Begutachtungen sind u. a. Aufgaben

  • des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) (z. B. Bestimmung des Pflegegrads).

  • der Versorgungsämter (Grad der Behinderung [GdB], Grad der Schädigung [GdS]).

  • des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit.

  • der von Berufsgenossenschaften oder von Sozialgerichten bestimmten Gutachter.

  • der von der Rentenversicherung beauftragten Gutachter. Hier fließen auch die Abschlussberichte spezialisierter Kliniken nach Rehabilitation mit ein.

Stets gilt es dabei, die zutreffende Rechtsgrundlage [1] [2] zu beachten. Auf allen Rechtsebenen ist jedoch ärztliche Kompetenz insofern gefordert, als der verbliebene Grad der Leistungsfähigkeit (Fachterminus „Funktionsfähigkeit“ bzw. dessen Negativ-Pendant „Behinderung“) zu bestimmen ist.

Im Wesentlichen sind zunächst 2 Fragen zu beantworten:

  1. Welche Leistungsfähigkeit hat der Proband bzw. der Patient? (Wobei weniger die maximale Leistung als v. a. die Dauerleistung gefragt ist.)

  2. Wie hoch ist die zu erwartende physische Belastung z. B. bei der geplanten Arbeit, bei sportlicher Betätigung, bei einer größeren Operation?

Die eindimensionale Betrachtung „Leistung des Probanden“ ist zu ergänzen durch die Abschätzung der zu bewältigenden Belastung. Dieses Konzept „Last zu Kapazität“ ist in der Pneumologie auch bekannt, z. B. bei der Messung der Atemkraft (P0.1 zu PImax.).

Zweidimensionale Betrachtung „Last zu Kapazität“ (geforderte Arbeitsschwere) zu verfügbarer (Dauer-)Leistung


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Bestimmung der Leistungsfähigkeit

1. Maximale Leistung

Eine konventionelle und bewährte Methode, die maximale Leistung zu ermitteln, ist die erschöpfende Belastung, in Deutschland meist am Fahrradergometer bestimmt (Belastungs-EKG). In der Sportmedizin wird meist das Laufband genutzt, in angelsächsischen Ländern u. a. auch der Stufentest. Der „Endpunkt“ der Belastung ist klinisch definiert (Abbruch bei Erschöpfung). Sofern ein Fahrradergometer genutzt wird, ist die erreichte Wattzahl bestimmbar. Umrechnungen der Laufbandbelastung auf Watt sind unsicher und haben sich nicht bewährt. Da bei Laufbandbelastungen zusätzliche Muskelgruppen rekrutiert werden und man das Gewicht „selber“ tragen muss, ist die Laufbandbelastung höher als die Belastung am Fahrradergometer (allgemeiner Konsens + 15 %).

Zusätzliche und wichtige Informationen bietet die Spiroergometrie. Der formale Ablauf der Untersuchung entspricht dem des Belastungs-EKGs. Bei der Spiroergometrie steht zusätzlich zur Wattzahl (falls die Fahrradbelastung gewählt wurde) ein weiterer und entscheidender Parameter zur Verfügung, nämlich die Sauerstoffaufnahme (V’O2) mit der Dimension Liter / Minute, bezeichnet als V’O2 peak oder auch als V’O2max [3]. Dieser biologische Parameter (V’O2) wäre auch bei Laufband-Belastungen verfügbar. Die O2-Aufnahme bzw. der O2-Verbrauch ist der originäre Messparameter der Belastung.

  • Eine maximale Belastbarkeit wird notiert mit dem Leistungsparameter „Watt“ und dem biologischen Parameter „O2-Verbrauch (VO2 in L/min)“.

Spiroergometrisch ist der Wert der O2-Aufnahme nicht nur zum Zeitpunkt der maximalen Belastung (bei Abbruch V’O2 peak), sondern über die vollständige Belastungszeit verfügbar, beginnend mit der Ruhephase, der Phase des „Leertretens“ und der nachfolgenden Belastungs- und Erholungsphase. Parallel zur Messung des benötigten O2 wird auch das aus dem Stoffwechsel vermehrt entstehende CO2 gemessen (V’CO2 [L/min]). Aus dem Verhältnis der unter Belastung ermittelten beiden Atemgase (V’O2 zu V’CO2) lässt sich der ventilatorische aerob-anaerob Übergang (AT = Anaerobic Threshold, jetzt als VT1 = Ventilatory Threshold bezeichnet) bestimmen.

(„Threshold“ = Schwelle; der Begriff „aerob-anaerobe Schwelle“ ist geläufig, physiologisch liegt jedoch keine Schwelle vor, sondern ein Übergangsbereich).

Wenn auch die Bestimmung und das Verhältnis der beiden Atemgase im Vordergrund stehen, so sind weitere verfügbare Informationen gleichfalls bedeutsam ([Tab. 1]).

Tab. 1

Spiroergometrische Parameter zur Einschätzung der Belastbarkeit.

Parameter

Erläuterung

Kommentar und klinischer Nutzen

V’O2 [L/min]

notiert in absoluten Werten und in % zu Sollwerten

entscheidender biologischer Leistungsparameter
Auch die Angabe „MET“ (Metabolisches Äquivalent) wird verwendet.
zu MET s. u.

Parallel zur Wattzahl ist V’O2 der Messwert der maximalen Leistung.
V’O2 und Watt gehen bis VT1 parallel.

V’O2 zu V’CO2
V’O2 @ VT1

aerob-anaerobe Schwelle [VT1]

respiratorische Austauschrate
(RER = Respiratory Exchange Rate)

Ein bei submaximaler Belastung erhobener Wert, weitgehend kooperationsunabhängig.
Eine Dauerleistung liegt < VT1.

V’Emax [L/min]

maximale Ventilation (L/min)

Hinweise auf die ventilatorische Leistung und die Atemreserve

BR [%]

Breathing reserve (Atemreserve),
in Prozent von V’Emax

sollte bei Belastungsende physiologischerweise noch nicht aufgebraucht sein (> 20 %)

Fluss-Volumen-Kurven unter Belastung

Formanalyse der Fluss-Volumen-Kurve unter Last
(Intrabreath-Kurven)

Fluss-Limitationen sind bei COPD/Emphysem oft die führende ventilatorische Beschränkung.

HR, HRmax und HRR
[≈/min]

Heart rate und
Heart rate reserve

zeigt kardiale Ausbelastung an, HRR ist oftmals ausgeschöpft, Berechnung des O2-Pulses

Sauerstoffpuls
[ml V’O2 pro Puls]

O2-Aufnahme (in ml) pro Herzschlag

Unter der Bedingung einer Ausbelastung geht der O2-Puls dem Herz- Schlagvolumen parallel.

Arbeitspuls

das „Plus“ der Herzfrequenz bei Belastungsende i.V. zum Ruhepuls

Der Arbeitspuls gibt nützliche Informationen zur Dauerleistung.

PET O2 / PET CO2
[mmHg oder kPa]

Partialdruck der endtidalen Werte von O2 und CO2

Die sehr schnelle Analytik der Atemgase (etwa 20 Messwerte pro Sekunde) liefert Information zu O2 und CO2 gegen Ende der Ausatmung.

Diese Werte sind (weitgehend) dem Alveolarbereich zugeordnet. Im Vergleich mit analogen Werten aus der Blutgasanalyse kann auf die Diffusion geschlo ssen werden.

Entwicklung und gesamtheitliche Betrachtung des Kurvenverlaufs unter Belastung

Interpretation der Zahlenwerte und visuelle Beurteilung der Grafik. Eine Übersicht zu den diversen Messparametern liefert die 9-Felder-Grafik (9-FG) nach K. Wasserman.

Die synoptische visuelle Interpretation der Belastungsparameter über die Belastungsphasen bietet weitere sehr verlässliche Hinweise auf die Kooperation.

klinische Beurteilung

Bei Würdigung aller o. g. Messwerte ist die klinische Beurteilung unverzichtbar und führend.
Ergänzung durch Borg-Skala (Luftnot und Erschöpfung)

EKG-Kurvenlauf, Pulsrate, Blutdruck (RR)
Beachtung der Begleitmedikation sowie klinischer Modifikatoren (orthopädisch, neurologisch, funktionell u. a.)

neuer Begriff (s. u.)
VO2@work

O2-Aufnahme bei einer Leistung

Summe aus basalem O2-Bedarf und zusätzlichem O2- Bedarf, um diese Leistung zu bewältigen

Die spiroergometrisch erhobenen Daten liefern eine gute Information zum Leistungsvermögen, in erster Interpretation zur maximalen Leistung.

  • Maximale Leistung: → V’O2 peak und Watt
    (Dauer-) Leistung im Bereich von VT1: → V’O2 bei VT1 (VO2@VT1), HR bei VT1 in % von HRmax

Diese Werte werden in absoluten Zahlen notiert und auf die kollektiven Sollwerte (Geschlecht, Größe, Alter) bezogen (% vom Soll) ([Tab. 2]).

Tab. 2

Spiroergometrische Parameter bei maximaler Leistung.

V’O2 peak

(absoluter Wert in L/min und % zum kollektiven Sollwert)

Watt

(Watt = Maßeinheit für Leistung, notiert als absoluter Wert und in % zum kollektiven Sollwert)

V’O2@VT1

(absoluter Wert und % zu V’O2-Soll)

dazu:

klinische Beurteilung und Beachtung weiterer Parameter (s. [Tab. 1])


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2. Dauerleistung (Begriff „Belastbarkeit“)

Eine maximale Leistung ist nur kurzfristig möglich. Energiereiche Reserven aus dem anaeroben Stoffwechsel reichen für ca. 10 – 12 Sekunden (z. B. 100-Meter-Sprint). Nach dieser kurzen alaktaziden-anaeroben Phase setzt die aerobe Energiegewinnung ein. Die Ausdauerbelastung fordert O2 und nutzt als Energiesubstrat („Kraftstoff“) zunächst v. a. Kohlenhydrate, auf längere Zeit (> 30 Minuten) vorwiegend Fette ([Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1 Arbeits-Zeit-Diagramm.

Eine Dauerleistung ist eine Teilmenge der maximalen Leistung. Was den Begriff „Dauer“ betrifft, so besteht weitgehender Konsens, dass eine Leistung über eine Tagesschicht (i. A. Achtstundentag) nicht höher als 40 % der maximalen Leistung betragen sollte [4] [5]. Für sog. „Engpass-spezifische“ Tätigkeiten (z. B. Rettungsarbeiten im Feuerwehreinsatz) sind Werte von 80 % der maximalen O2-Aufnahme über kurze Zeit (z. B. 10 Min.) akzeptiert. Bei ausreichenden Pausen kann eine Teilmenge von 50 % der peak V’O2-Aufnahme toleriert werden [6].

Eine Dauerleistung kann nicht den aerob-anaeroben Übergangsbereich überschreiten.

Konsens:

  • Leistung über längere Dauer (z. B. 8 Stunden)
    V’O2 < 40 % von V’O2 peak

  • Engpass-spezifische Leistung (z. B. im Rettungsdienst)
    für 2 Stunden  V’O2 ≈ 60 % von V’O2 peak
    für 3 Stunden  V’O2 ≈ 50 % von V’O2 peak

Ergänzend sei auf den Begriff „Belastbarkeit“ eingegangen:

  • Die Belastbarkeit beschreibt die Leistung, die möglich ist, ohne dass die physiologischen Grenzen einer Person überschritten werden.

Beispiel: Ein 55-jähriger Manager erinnert sich an gute Leistungen aus frühen Jahren, er möchte daran anknüpfen und erneut ein Training beginnen. Hochmotiviert leistet er beim Hausarzt auf dem Fahrrad 300 Watt (= sehr gute Leistung), dabei liegt jedoch sein Blutdruck im Bereich von 260/150 mmHg (physiologischer Bereich deutlich überschritten!).

Die Belastbarkeit ist hier deutlich niedriger als die Leistungsfähigkeit!

Zusammenfassend zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit:

  1. Unterscheide: maximale Leistung vs. Dauerleistung (beachte auch Belastbarkeit).

  2. Führende Messparameter sind Watt und V’O2 peak (bzw. V’O2max).
    Es gilt aber, die Gesamtschau aller Messwerte und das Primat der Klinik zu beachten.

  3. Dauerleistung abhängig von der Zeitdauer; bei Arbeitsschicht von ≈ 8 Stunden < 40 % von V’O2 peak, die Dauerleistung verbleibt stets unterhalb VT1.
    Mögliche „Engpass-spezifische“ Phasen sind zu beachten (s. o.).

  4. V’O2@VT1 zu V’O2 Soll: ein solider Wert, bei submaximaler Last erhoben, weitgehend von Kooperation unabhängig.
    Dieser Wert wird auf V’O2 Soll bezogen („Erwartungswert“ ca. 50 – 60 % von V’O2 Soll, bei Trainierten liegt er höher). Eine Verminderung auf weniger als 40 % von V’O2 Soll wird als bedeutender Hinweis auf Leistungsminderung gewertet.
    Die Beziehung auf einen im Vergleichskollektiv ermittelten V’O2-Sollwert ist für Bewertungen und Begutachtungen entscheidend. Es ergibt sich aber der Umstand, dass dabei weniger die individuelle Beanspruchung, und damit die Belastbarkeit, festgestellt wird, sondern „lediglich“ die allgemeine Dauerleistungsfähigkeit des Probanden in Bezug auf das Vergleichskollektiv.

  5. V’O2@VT1 zu V’O2max: Diese Beziehung ermöglicht einen Blick auf die individuelle Dauerleistung, ein Wert, der sich durch Therapie, durch Training oder in der Reha zum Positiven ändern kann.


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Bestimmung der Last (erwartete Arbeitsschwere etc.)

Bisher übliches gutachterliches Vorgehen sowie Empfehlungen und Leitlinien

Die körperliche Arbeitsschwere bezeichnet bei der sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben ausschließlich die körperliche Belastung bei der Ausübung einer Tätigkeit. Die Arbeitsschwere wird unter anderem definiert durch Kraftaufwand, Dauer und Häufigkeit der geforderten Verrichtungen. Unterschieden werden nach der REFA-Klassifizierung zum Beispiel leichte, leichte bis mittelschwere, mittelschwere und schwere Arbeit.


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Klassifizierung der körperlichen Belastung an Arbeitsplätzen (Arbeitsschwere)

(nach REFA, Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V.) ([Tab. 3]).

Tab. 3

Klassifizierung der körperlichen Belastung an Arbeitsplätzen.

leichte Arbeit

Tätigkeiten wie Handhaben leichter Werkstücke und Werkzeuge, Tragen von weniger als 10 kg, Bedienen leichtgehender Steuerhebel und Kontroller oder ähnlicher mechanisch wirkender Einrichtungen und lang andauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen (bei Dauerbelastung). Es können auch bis zu 5 % der Arbeitszeit (oder zweimal pro Stunde) mittelschwere Arbeitsanteile enthalten sein.

leichte bis mittelschwere Arbeit

Bei leichter bis mittelschwerer Arbeit ist der Anteil mittelschwerer Arbeit auf höchstens 50 % begrenzt.

mittelschwere Arbeit

Tätigkeiten wie Handhaben von etwa 1 bis 3 kg schwergehender Steuereinrichtungen, unbelastetes Begehen von Treppen und Leitern (bei Dauerbelastung), Heben und Tragen mittelschwerer Lasten in der Ebene von 10 bis 15 kg oder Hantierungen, die den gleichen Kraftaufwand erfordern. Auch leichte Arbeiten mit zusätzlicher Ermüdung durch Haltearbeit mäßigen Grades sowie Arbeiten am Schleifstein, mit Bohrwinden und Handbohrmaschinen werden als mittelschwere Arbeit eingestuft. Es können auch bis zu 5 % der Arbeitszeit (oder zweimal pro Stunde) schwere Arbeitsanteile enthalten sein.

schwere Arbeit

Tätigkeiten wie Tragen von bis zu 40 kg schweren Lasten in der Ebene oder Steigen unter mittleren Lasten und Handhaben von Werkzeugen (über 3 kg Gewicht), auch von Kraftwerkzeugen mit starker Rückstoßwirkung, Schaufeln, Graben und Hacken. Auch mittelschwere Arbeiten in angespannter Körperhaltung, zum Beispiel in gebückter, kniender oder liegender Stellung, können als schwere Arbeit eingestuft werden.

Diese REFA-Klassifizierung ist aktuell weiterhin maßgebend (DRV 2015, 2). Sie geht in die 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück und beschreibt das Bemühen, die Arbeitsschwere im beruflichen Alltag abzubilden.

Die ärztliche Aufgabe ist es, unter Verwendung der dargestellten Begrifflichkeit ein positives Leistungsbild (was kann der Versicherte noch?) oder ein negatives Leistungsbild zu zeichnen (was kann der Versicherte nicht mehr; welche Arbeitsanforderungen müssen deshalb vermieden werden?).


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Offene Fragen zur bisherigen Klassifizierung der Arbeitsschwere

Es ist naheliegend, zu hinterfragen, wieweit diese 4-stufige Klassifikation die aktuelle Situation „moderner“ Arbeitsplätze noch ausreichend erfasst und nachvollziehbar detailliert abbildet. Der jetzt verfügbare technische Fortschritt ermöglicht eine zutreffendere Einschätzung!

Woran kann man sich orientieren?

Orientierung an Empfehlungen/Leitlinien

Für viele Bereiche gibt es Empfehlungen bzw. Leitlinien mit Orientierungspunkten. Zwei Beispiele:

  • Eignungsuntersuchungen, z. B. die Feuerwehrdienstvorschrift 7 für die Berufsfeuerwehr legt fest, dass die körperliche Eignung nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 26 „Atemschutzgeräte“, in regelmäßigen Abständen festzustellen ist. Im Grundsatz G26 wird z. B. ausgeführt, dass Männer unter 40 Jahren eine Leistung von 3 Watt/kg Körpergewicht erreichen müssen.

  • Die MdE-Bemessung im Berufskrankheitenrecht bei Silikose, Asbestose und/oder obstruktiven Atemwegserkrankungen folgt einem Konsens mit Untersuchungs- und Beurteilungsalgorithmen [7] [8], siehe u. a. Bochumer Empfehlung, Falkensteiner Empfehlung und Reichenhaller Empfehlung [9].

Dies sind bewährte Orientierungen, die sich weitgehend an ein „Normalkollektiv“ anlehnen. Bei Beurteilung der Arbeits- bzw. generellen Leistungsfähigkeit (z. B. im Rentenverfahren, nach Entlassung aus der Rehabilitation oder im arbeitsamtsärztlichen Dienst) muss aber auf die aktuelle und individuelle Situation zum einen und auf die ins Auge gefasste Tätigkeit zum anderen eingegangen werden (siehe Konzept „Last zu Kapazität“).

Es gilt, die vorgesehene Belastung in Bezug auf die verfügbare Leistung (Dauerleistung) zu beurteilen!

Wechselseitige Beziehung Leistungsvermögen (Kapazität) zu geforderter Leistung (Last)

Ein Beispiel:

  • Die geforderte Leistung (Last) sei 5 Liegestütze.

Ein junger, sportlicher Mann schafft deren 50 und benötigt somit 10 % seiner Kapazität.

Eine ältere Dame schafft diese Last nur mit großer Mühe (100 % ihrer Kapazität).


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Zentraler Parameter V’O2: V’O2 in unterschiedlicher Präsentation

Parallel zum physikalischen Leistungswert „Watt“ ist der biologische Leistungswert „O2-Aufnahme“ entscheidend. Die O2-Aufnahme ist Grundlage der Synthese energiereicher Substrate (ATP) und steht somit im Zentrum der Energiebetrachtung.

  • Die O2-Aufnahme (V’O2) findet sich in verschiedenen Dimensionen:

  1. als absoluter Wert V’O2 peak bzw. V’O2max [L/min]

  2. als „relative V’O2“ bezogen auf das Körpergewicht V’O2/kg Körpergewicht [L/min]

  3. VO2@work: Es wird als neuer Parameter der Begriff „VO2@work“ vorgeschlagen. Dieser Wert beinhaltet den basalen O2-Bedarf (VO2 at rest) und den, für die anfallende Arbeit nötigen, zusätzlichen O2-Bedarf.

  4. Begriff MET (Metabolic Equivalent of Task)

    Der Begriff „MET“ ist eine Variante der Leistungsbeurteilung über den O2-Verbrauch. Ein MET entspricht der metabolischen Ruheanforderung und wird meist mit 3,5 ml V’O2/min/kg Körpergewicht definiert. Der Begriff „MET“ ermöglicht damit eine einfache Zuordnung verschiedener Leistungen, z. B.
    Ruhe: 1 MET (entspricht ≈ 25 Watt);
    Ersteigen von 2 Etagen: 4 MET (≈ 100 Watt);
    ambitionierter Sport: 10 MET (≈ 200 Watt).

    Beispiel zur Berechnung von MET:
    Ein Proband mit 100 kg Körpergewicht benötigt in Ruhe ≈ 350 ml O2/min (1 MET), beim Ersteigen von 2 Etagen müsste er ≈ 1400 ml O2 aufnehmen (4 MET).

  5. Energie kcal (Kilokalorie)
    Über die O2-Aufnahme kann die umgesetzte Energie berechnet werden. Dies nennt man indirekte Kalorimetrie.

    Bei Verstoffwechselung eines Fett-Protein-Kohlehydrat-Gemisches wird ein Energiebetrag von ca. 4,82 kcal pro Liter O2 pro Minute gemessen (der Multiplikator 5 ist auch vertretbar). Dies ist auch Grundlage der indirekten Kalorimetrie.

    Arbeit (Synonym Energie): Kraft × Weg [kg m2s−2].
    Energie = Fähigkeit des Körpers, Arbeit zu verrichten (= „Arbeitsvermögen“). Parameter (nach SI) sind Joule [J] oder Kilojoule [KJ], aber auch Wattsekunde [Ws] oder Newtonmeter [Nm].

    Frühere Maßeinheit: Kilokalorie [kcal] (1 kcal = 4,1868 KJ).

    Der Begriff kcal wird umgangssprachlich anstelle von KJ weiterhin angewandt.

    SI = Internationales Einheitensystem (seit 1978 in Deutschland verbindlich).


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Welche Möglichkeiten bieten sich an, die Schwere einer Tätigkeit/einer Arbeit abzuschätzen?

Abschätzung der Last über die Messung des O2-Verbrauchs

Ältere Studien

In der Literatur finden sich Studien aus den 50er-Jahren zum O2-Verbrauch bei Tätigkeiten [10] [11] [12] [13]. Diese Untersuchungen fanden unter „Laborbedingungen“ statt, also nicht „live“ am Arbeitsplatz, verwendet wurde z. B. die Müllersche Gasuhr [14]. Die Angaben zur Leistung (Energie) finden sich meist in der Dimension kcal (Kilokalorie).


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Compendium of Physical Activities (Ainsworth et al. 1993, 2000)

B. Ainsworth und Mitarbeiter haben auf der Basis der MET-Klassifikation umfassende Leistungsdaten für eine sehr große Anzahl physischer Aktivitäten zusammengestellt (Compendium of Physical Activities: An update of activity codes and MET intensities) [15] [16].

Diese Daten sind der Literatur entnommen und repräsentieren Untersuchungen aus vergangenen Jahrzehnten. Sie sind zur Orientierung und Abschätzung der „Last“ – also der tätigkeitsbedingten körperlichen Anforderung – gut geeignet. Im Einzelfall ist jedoch die damalige zugrunde liegende Methodik der Datenerfassung bzw. der O2-Sensorik nur schwer nachzuvollziehen. Zum anderen ist es so, dass in diesen Jahren die Möglichkeiten der Spiroergometrie nur sehr wenigen Zentren vorbehalten waren und die portable Spiroergometrie mit Monitoring „live“ am realen Arbeitsplatz aufgrund technischer Umstände noch nicht verfügbar war.

Die Adresse https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/koerpergewicht/abnehmen führt zu einer Tabelle mit zahlreichen Beispielen körperlicher Aktivität und dem Energieverbrauch bei Tätigkeiten im Alltag und Beruf. 5 von 28 aufgeführten Tätigkeiten sind hier als Beispiel aufgezeigt. Für den Bereich „sportliche Aktivitäten“ finden sich dort 37 weitere Beispiele.

Die folgenden Werte (Ausschnitt) beziehen sich auf einen Mann mit 75 kg und eine Frau mit 65 kg Körpergewicht. Der Energieverbrauch ist in kcal/Stunde angegeben ([Tab. 4]).

Tab. 4

Angabe der Leistung (Aktivität) in MET und in kcal/Stunde.

Aktivität

MET

Frau

Mann

Energie in kcal/Stunde

Ruhezustand (ruhiges Liegen)

1,0

59

 75

Lesen, Fernsehen (ruhiges Sitzen)

1,0

59

 75

Stehen

1,2

70

 90

Stricken, Nähen (im Sitzen)

1,5

88

113

Karten spielen, Brettspiele (im Sitzen)

1,5

88

113

So hilfreich der Rückgriff auf diese Leistungstabellen auch ist, so wird der Einsatz aktueller Messmöglichkeiten (portable Spiroergometrie) im Einzelfall durchaus nicht entbehrlich.


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Aktuelle Möglichkeiten unter Nutzung der stationären und der portablen Spiroergometrie (Ergebnis einer zeitnahen Studie)

Der technische Fortschritt ermöglicht es, Messwerte (die Sensorik für V‘E, V’O2, V’CO2, Puls, EKG-Kurvenverlauf, PETO2, PETCO2) unter realen Bedingungen („live“) beim Sport und/oder bei der Arbeit zu erfassen. Die Daten werden telemetrisch auf einen PC übertragen oder gespeichert und dann ausgelesen. Die Qualität der Messung unterscheidet sich nicht von der stationären Messeinheit.

Während die portable Spiroergometrie in der Sportmedizin schon seit Jahren mit gutem Erfolg angewendet wird, ist deren Anwendung in der Arbeitsmedizin, speziell auch bei gutachterlichen Fragestellungen, noch in den Anfängen. Eine zeitnahe Studie beschreibt die körperliche Leistung bei Müllwerkern in Hamburg [17].

Eine eigene Studie [18] bediente sich dieser Methode zur Beschreibung der Arbeitslast und deren Bewältigung beim Reinigungspesonal in Reha-Kliniken auf der Insel Borkum (2018)[1]. Das Ziel der Studie war es, über einen Zeitraum von 45 – 60 Minuten die Leistung und den Energieverbrauch zu bestimmen, der bei Reinigungsarbeiten (am Beispiel von Reha-Kliniken = Housekeeping) erforderlich ist.

Es wurde dazu eine Spiroergometrie mit einem tragbaren System genutzt. Vorweg wurde mit einem stationärem Gerät die maximale Leistung (V’O2 peak) und die V’O2@VT1 bestimmt.
Die bei der Arbeit zu erbringende Leistung wird als Sauerstoffaufnahme (V’O2 in ml/min) gemessen. Dieser Wert wird in Bezug gesetzt zu der vorweg bestimmten maximal möglichen O2-Aufnahme (V’O2 peak) und zu der O2-Aufnahme zum Zeitpunkt der aerob-anaeroben Schwelle (V’O2@VT1).

Zudem soll ermittelt werden, ob sich die Methodik der portablen Spiroergometrie dazu eignet, Arbeitssituationen in realen Bedingungen hinreichend abzubilden.

Ergebnis dieser Studie

  • Akzeptanz?
    Ist die portable Spiroergometrie geeignet, solche Fragestellungen zu beantworten?
    Ja! Aus klinischer Sicht ist es wichtig, dass die Akzeptanz der mit Maske und Sensorik bewehrten portablen Spiroergometrie seitens der Probanden gut war. In etwa der Hälfte der Fälle wurde ein stärkeres Schwitzen unter der Maske und eine Mundtrockenheit berichtet, eine eher geringe und gut tolerable Einschränkung. Eine Beeinträchtigung bei der Arbeitsmobilität wurde als nachrangig empfunden. Die Anwendung der portablen Spiroergometrie für das medizinische Personal bzw. für den Probanden erwies sich als intuitiv und problemlos. Nachvollziehbar ist, dass solche Messungen zeitlich nicht unlimitiert möglich sind. Der hier beschriebene Zeitrahmen von 45 bis 60 Minuten war tolerabel, eine Messung über eine ganze Arbeitsschicht (8 Stunden) wäre dies aber nicht. Die Probanden aus der Studie „Müllwerker in Hamburg“ (siehe [17]) tolerierten klaglos die Maske und Sensorik bis zu 90 Minuten.

Sicher ist diese Methode nicht für alle denkbaren Arbeitsbereiche anwendbar, so z. B. nicht für Personen, die bei der Arbeit kommunizieren müssen (Verkaufspersonal, Ärzte in der Praxis mit sprechender Medizin u. a.).

Auch die Resonanz aus dem sozialen Umfeld auf diese Messungen sei kurz erwähnt. Reinigungspersonal mit Maske und Sensorik um die Schultern fällt natürlich auf und führt zu wohlfeilen Bemerkungen wie „Reise auf den Mond geplant?“ oder „Brennt es hier?“. Auch damit ist gut umzugehen.

Fazit Diese Untersuchungsmethode ist für einen Zeitraum von 45 – 90 Minuten gut geeignet, es sei denn, es handelt sich um Tätigkeiten, die auf Kommunikation (mit Sprechen) beruhen.


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Messdaten zum Verhältnis „Last zu Kapazität“?

  • Unter den Arbeitsbedingungen des Reinigungspersonals in Kliniken fand sich eine mediane V’O2 von 1,02 L/min (VO2@work). Dieser Wert umfasst den O2-Bedarf pro Minute, um über 45 – 60 Minuten die hauswirtschaftliche Tätigkeit zu verrichten, er beinhaltet auch den basalen O2-Bedarf (V’O2 at rest). Um die geforderte Arbeit des Housekeepings über den Zeitraum von 45 – 60 Minuten zu verrichten, musste eine Leistung erbracht werden, die bei 45 % der individuellen Maximalleistung (V’O2 peak) lag.

  • Hieraus errechnet sich ein Energieverbrauch von 4,9 (also knapp 5) kcal pro Minute.

  • Folgt man den Ainsworth-Tabellen (s. o.), so wäre dies mit 4,4 MET einer „moderate activity“ (3 – 6 MET) entsprechend.

  • Der Bezug der V’O2 Aufnahme unter Arbeitsbedingung zu der V’O2@VT1 (also zum Beginn der aerob-anaeroben Schwelle) zeigt einen Wert von 90 %. Mit anderen Worten: Die Tätigkeit „Housekeeping“ erfolgte noch unterhalb des aerob-anaeroben Übergangs, jedoch nahe an dieser „Schwelle“.

  • Die Pulsfrequenz während des Feldtestes lag deutlich höher als der Ruhepuls (Arbeitspuls = Ruhepuls + 33 Schläge/min).

Im Vergleich des speziellen Einsatzes der Reinigungskräfte im Klinikbetrieb zur „üblichen privaten“ Hausarbeit ist sicher eine Varianz zu unterstellen. Die Kliniktätigkeit enthält eine gewisse Zügigkeit in Abstimmung mit der Taktfrequnez des Teams. Diese „externe Motivation“ begründet sicher den in unserer Studie bestimmten deutlichen O2-Verbrauch.


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Zusammenfassend zu dieser Feldstudie

Mit einer „Leistungs-V’O2“ von 45 % der maximalen Leistung und der bemerkenswerten Nähe zur aerob-anaeroben Schwelle (V’O2@work bei 90 % der V’O2@VT1) lässt diese Arbeitstätigkeit einen „vollen Einsatz“ erkennen.

Diese Tätigkeit kann nach diesen vorliegenden Messdaten als eine „engagierte Tätigkeit“ („commited activity“) betrachtet werden.


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„Last zu Kapazität“ … dies ist geklärt, was fehlt noch?

Die Eingangsfrage des Verhältnisses der abzufordernden Leistung (z. B. Arbeit, Sport, operativer Stress) zur verfügbaren Leistungsfähigkeit sei geklärt. Damit ist jedoch die Bewertung und Begutachtung in vielen Fällen noch nicht ausreichend erfüllt. Es gilt, die Vielfalt der individuellen modifizierenden und oftmals entscheidenden Umstände von Ort zu Ort zu berücksichtigen.

Ein Beispiel:

Eine Frau erwägt eine Tätigkeit als Bäckerei-Fachverkäuferin. Nach Maßgabe von Leistung (Kapazität) und Belastung (Backbleche heben) bestehen keine Einwände. Bei chronisch venöser Insuffizienz mit Ulcera cruris ist jedoch die vorherrschend im Stehen zu verrichtende Arbeit nicht für sie geeignet.

Es bedarf somit der Abstimmung detaillierter beruflicher Anforderungen mit vorhandenen und interferierenden somatischen und/oder mentalen und psychischen Gegebenheiten. Messtechnisch erhobene unverzichtbare Basiswerte zur Leistung und zur Last müssen mit Modifikatoren seitens der Person und seitens des Anforderungsprofils der Arbeit abgestimmt werden. Das Primat der Entscheidung liegt bei der klinischen Gesamtschau. Diesbezüglich wäre eine engere Zusammenarbeit zwischen Betriebsärzten, die die Anforderungen des Arbeitsplatzes kennen, und den behandelnden Ärzten, die die gesundheitlichen Einschränkungen beurteilen können, wünschenswert.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde gemäß Erratum vom 30. 8. 2018 geändert.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Für sachkundige und hilfreiche Diskussion und Beratung sei Frau PD Dr. Alexandra Preisser, Hamburg UKE, Arbeitsmedizin, herzlich gedankt.

* Herrn Professor Dr. Jürgen Meier-Sydow zum 90. Geburtstag gewidmet.


1 Diese Studie ist Teil der Promotionsarbeit von Michael Fröhlich, Hannover (siehe [18]).


  • Literatur

  • 1 Nowak D, Kroidl RF. Bewertung und Begutachtung in der Pneumologie. 3.. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009
  • 2 Becher S, Ludolph E. Grundlagen ärztlicher Begutachtung. Stuttgart: Thieme; 2012
  • 3 Kroidl RF, Schwarz S, Lehnigk B, Fritsch J. Kursbuch Spiroergometrie. 3.. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2015
  • 4 Oren A, Sue DY, Hansen JE. et al. The role of exercise testing in impairment evaluation. ARRD 1987; 135: 230-235
  • 5 Kroidl RF, Schwarz S, Lehnigk B. Spiroergometrie und Begutachtung. In: Rühle KH. ; Hrsg. Spezielle Lungenfunktionsdiagnostik. Oberhaching: Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle; 2013
  • 6 Astrand PO, Rodahl K. Textbook of Work Physiology. 3rd Ed. New York: McGraw Hill; 1986
  • 7 Baur X, Heger M, Köhler D. et al. Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101. Pneumologie 2008; 62: 659-684
  • 8 Baur X, Clasen M, Fisseler-Eckhoff A. et al. Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten. Pneumologie 2011; 65: e1-e47
  • 9 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Reichenhaller Empfehlung. Empfehlung für die Begutachtung der Berufskrankheiten der Nrn. 1315 (ohne Alveolitis), 4301 und 4302 der Anlage zur BKV. http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/reichenhallneu.pdf
  • 10 Lehmann G, Müller EA, Spitzer H. Der Calorienbedarf bei gewerblicher Arbeit. Arbeitsphysiologie 1950; 14: 166-235
  • 11 Lehmann G, Kwilecki CG. Untersuchung zur Frage des maximal zumutbaren Energieverbrauches arbeitender Frauen. Arbeitsphysiologie 1959; 17: 438-451
  • 12 Müller EA. Werkzeug, Leistung und Energieverbrauch beim Schraubenziehen. Arbeitsphysiologie 1952; 14: 477-488
  • 13 Hettinger T, Wirths W. Der Energieverbrauch beim Hand- und Motorpflügen. Arbeitsphysiologie 1953; 15: 41-46
  • 14 Müller EA, Franz H. Energieverbrauchsmessungen bei beruflicher Arbeit mit einer verbesserten Respirations-Gasuhr. Arbeitsphysiologie 1952; 15: 41-46
  • 15 Ainsworth BE. et al. Compendium of Physical Activities: An update of activity codes and MET intensities. Medicine & Science in Sports & Exercise 2000; 32: 498-516
  • 16 Ainsworth BE, Haskell WL, Leon AS. Compendium of Physical Activities: Classification of Energy Costs of Human Physical Activities. Medicine & Science in Sports & Exercise 1993; 25: 71-80
  • 17 Preisser AM, Zhou L, Velasco Garrido M. et al. Measured by the oxygen uptake in the field, the work of refuse collectors is particularly hard work: Are the limit values for physical endurance workload too low?. Int Arch Occup Environ Health 2016; 89: 211-220
  • 18 Fröhlich MJ, Kroidl RF, Welte T. Oxygen Consumption (V’O2) and physical Strain as measured by the occupational activity of cleaning personnel. Journal of Occupational Medicine and Toxicology 2018; 13: 4

Korrespondenzadresse

Dr. Rolf F. Kroidl
Frommholdstraße 71
21680 Stade

  • Literatur

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Abb. 1 Arbeits-Zeit-Diagramm.