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DOI: 10.1055/a-0663-3515
Patellafrakturen – Schritt für Schritt
Zuggurtung und Schraubenosteosynthese
OP-Prinzip
Wiederherstellung der Kniescheibenform und der Gelenkfläche bei gleichzeitiger Übungsstabilität.
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Indikation
Gute Indikation
Patellaquerfrakturen.
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Begrenzte Indikation
Patellatrümmerfrakturen.
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Kontraindikation
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unverschobene Längsfrakturen (konservative Behandlung)
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massive Zerstörung der Patella (primäre Patellektomie erwägen)
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Spezielle Patientenaufklärung
Absolute OP-Indikation bei dislozierten Patellafrakturen außer bei vitalen oder lokalen Kontraindikationen, Dislokationsrisiko trotz korrekter Osteosynthese, Erfordernisse der Nachbehandlung. Arbeitsunfähigkeit 6 – 12 Wochen (je nach Betätigung), Sportunfähigkeit ca. 4 Monate. Posttraumatische Früharthrosen.
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OP-Planung
Röntgenaufnahme des Kniegelenks in 2 Ebenen, eventuell der Gegenseite zum Vergleich (Cave: Patella bipartita), bei Längsfraktur axiale Aufnahme der Patella, präoperativ Stabilitätsprüfung der Seiten- und Kreuzbänder (ligamentäre Begleitverletzung). Wenn keine lokalen oder vitalen Kontraindikationen bestehen, sollte die Patellaosteosynthese bei dislozierten Frakturen möglichst notfallmäßig durchgeführt werden.
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Spezielle Instrumente und Implantate
Osteosyntheseinstrumentarium mit Bohrern verschiedener Stärke. 2,0-mm-Kirschner-Draht, Zielgerät, flexibler 1,5-mm-Zuggurtungsdraht, dazu passende halbrunde Hohlnadel. Kleinfragmentspongiosaschrauben mit kurzem Gewinde, ggf. kanülierte Kleinfragmentschrauben.
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OP-Technik
Lagerung
Rückenlage, Oberschenkelblutsperre, Lagerung bei 20°-Beugung.
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Zugang
Medianschnitt über der Patella (alternativ Querschnitt über der Patella), Spaltung des Subkutangewebes, Darstellung der Fraktur.
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Durchführung
Vorbereitung der Osteosynthese
Vorsichtige Distraktion der Frakturteile (unverschobene 3. Fragmente sollten möglichst im Verbund belassen werden). Inspektion des Gelenkinnenraums (Knorpelflakes, Kondylenfraktur). Ausspülen von Hämatom- und Knochenknorpelfragmenten. Reposition der Fraktur unter Streckung des Gelenks, Ergebnis wird mit spitzen Repositionszangen gehalten. Einbringen von 2 parallel verlaufenden Kirschner-Drähten der Stärke 2,0 mm (Zielgerät) von distal nach kranial (alternativ von kranial nach distal). Die Drähte sollten den Frakturverlauf möglichst rechtwinklig kreuzen. Bei Mehrfragmentfrakturen müssen die Hauptfragmente gefasst sein. Zusätzliche Fragmente können ggf. durch zusätzliche Kirschner-Drähte (1,6 mm oder dünner) oder Schrauben refixiert werden. Überprüfen der Reposition (BV), manuelles Abtasten der Gelenkfläche von artikulär ([Abb. 1]).
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Osteosynthese
Legen eines queren Bohrkanals durch das Hauptfragment möglichst weit dorsal. Durchführen eines flexiblen Drahtes, der anschließend mit der Hohlnadel streng knochennah (BV!) um den entfernten Patellapol herumgeführt wird (sog. Äquatorialcerclage). Anschließend Freilegen der Eintrittspunkte der Kirschner-Drähte durch Längsinzision von Quadrizepssehne und Lig. patellae. Umschlingen eines 2. Drahtes als Achtertour [Abb. 2]) um die Drahtenden (Zuggurtungsdraht). Anschließend schrittweises Spannen beider Drahtenden mit einem Quirl. Umbiegen der Kirschner-Draht-Enden im größeren Fragment um 180° und Versenkung im Knochen. Kürzen der Drähte auf der Gegenseite so weit wie möglich. Ein Umbiegen dieser Drahtenden reduziert die Dislokationsrate, erschwert im Gegenzug aber die Metallentfernung.
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Wundverschluss
Überprüfen der Stabilität der Osteosynthese durch vorsichtiges Beugen des Kniegelenks. Bei korrekter Reposition und Lage der Osteosynthesematerialien kommt es nicht zur Dislokation. Intraartikuläre und extraartikuläre Redon-Drainage. Subkutan- und Hautnaht. Lagerung in Gipstutorschale. Röntgendokumentation vor Narkoseende.
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Tipps und Tricks
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Die Verwendung eines Zielgeräts (z. B. wie bei der Kreuzband-OP) erleichtert die Platzierung der Kirschner-Drähte.
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Die knochennahe Verankerung der Äquatorialcerclage kann gut mit einem Redon-Spieß und einer Drainage als Führungshilfe für den Cerclagendraht als Alternative zur Hohlnadel improvisiert werden. Weichteilinterponate führen zu einer sekundären Auslockerung der Osteosynthese.
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Häufige Fehler und Gefahren
Hauptproblem ist die sekundäre Auslockerung der Osteosynthese. Neben technischen Problemen (zu dünne Drähte, falsche Drahtführung, Weichteilinterponate) wird häufig die Stabilität der Osteosynthese überschätzt; eine schnelle aktive Belastungssteigerung bei primär problemlosem Verlauf kann zu sekundären Dislokationen führen.
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Alternativmethoden
Bei einfachen Querfrakturen kann auf die Kirschner-Drähte zur zusätzlichen Stabilisierung verzichtet werden. Die Verankerung der achtertourigen Zuggurtung erfolgt dann analog zur Äquatorialcerclage (Pyrford-Technik; [Abb. 3]).
Anstelle der Kirschner-Drähte können kanülierte Spongiosaschrauben verwendet werden. Hier dürfen die nach proximal gerichteten Gewindeenden nicht überstehen, da die achtertourige Zuggurtung sonst keine Kompression auf die Fragmente ausüben kann.
Eine Patellektomie sollte irreparablen Stückfrakturen vorbehalten bleiben. Eventuell ist bei isolierter Zertrümmerung eines Patellapols eine partielle Entfernung mit Refixation der entsprechenden Sehne zu erwägen. Vorgehen dann wie bei Sehnenruptur.
Dislozierte Längsfrakturen werden mit 2 parallel vom Patellarand eingebrachten Spongiosaschrauben versorgt. Die Schrauben werden nach dem Zugschraubenprinzip eingebracht, Probleme ergeben sich bei diesen Frakturen selten.
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Nachbehandlung
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Entfernen der Drainagen am 2. postoperativen Tag
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passive kontinuierliche Übungstherapien auf der Motorschiene bereits am 1. Tag
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Mobilisation der Patienten in angelegter Tutorschale, Teilbelastung 20 kg. Belastungssteigerung abhängig von der Frakturform, in der Regel nach 4 Wochen. Passive Bewegungssteigerung bis auf 0–0–90° in Abhängigkeit vom Reizzustand des Kniegelenks.
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Ergebnisse
Die Therapie der Patellafraktur findet relativ wenig Beachtung in der Literatur. Die Ergebnisse sind teilweise nicht befriedigend, da sekundäre Dislokationen, aber auch Infekte (große Wundfläche) nicht selten sind. Infekthäufigkeiten von bis zu 14%, Funktionseinschränkungen (Streck- und Beugedefizite) von bis zu 30% werden berichtet.
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Ewerbeck V, Wentzensen A, Grützner PA et al., Hrsg. Standardverfahren in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014: 702–708
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Ineressenkonflikt besteht.