Pneumologie 2018; 72(09): 614-615
DOI: 10.1055/a-0666-8585
Pneumo-Fokus
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Bauchlagerung bei ARDS-Patienten: Immer noch zu selten genutzt

Guérin C. et al.
A prospective international observational prevalence study on prone positioning of ARDS patients: the APRONET (ARDS Prone Position Network) study.

Intensive Care Med 2018;
44: 22-37
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Publication Date:
30 August 2018 (online)

 

    Ein Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) geht immer noch mit einer hohen Sterblichkeit einher. Es gibt bislang nur 3 gesichert wirksame Behandlungen: die Verwendung niedriger Atemhubvolumina bei der maschinellen Beatmung, mit 6 ml/kg als optimalem Wert. Die zweite Maßnahme ist die kontinuierliche neuromuskuläre Blockade mit Cisatracurium für 48 h und die dritte eine längere Periode mit Bauchlagerung.


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    Trotz ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit werden diese Maßnahmen bisher aber nur bei einem Bruchteil der betroffenen Patienten umgesetzt: Teilweise werden sie für (noch) nicht notwendig gehalten, teilweise gelten die Patientenpopulationen der zugrunde liegenden Studien als hochgradig selektiert und die Ergebnisse somit nicht auf die Gesamtheit der ARDS-Patienten übertragbar. Ob mittlerweile zumindest der Einsatz der Bauchlagerung häufiger geworden ist, hat ein internationales Team untersucht.

    Claude Guérin und seine Kollegen haben dazu an 4 Tagen eines 12-Monats-Zeitraums (April, Juli und Oktober 2016 sowie Januar 2017) eine Beobachtungstudie durchgeführt (APRONET). An den jeweiligen Tagen wurde auf den teilnehmenden Intensivstationen die Anzahl der aktuell behandelten, erwachsenen Patienten mit gesichertem ARDS nach den Berlin-Kriterien bestimmt und der Anteil dieser Patienten, bei denen an diesem Tag eine Bauchlagerung erfolgte (primärer Endpunkt).

    Sekundäre Endpunkte umfassten u. a. die Gründe für eine Nicht-Bauchlagerung, Unterschiede zwischen Patienten mit und solchen ohne Bauchlagerung, Wirkung der Bauchlagerung auf Beatmungsparameter und Komplikationen.

    Daten von 735 Patienten mit ARDS auf 141 Intensivstationen aus 20 Ländern gingen in die Auswertung ein. Bei insgesamt 101 dieser Patienten (13,7 %) war mindesten an 1 der 4 Studientage eine Bauchlagerung durchgeführt worden, im Mittel über 18 h. Dabei unterschied sich die Rate nicht wesentlich zwischen den einzelnen Tagen (8,9 % – 13,3 %). Sie war allerdings

    • deutlich niedriger bei Patienten mit geringgradigem ARDS (5,9 %) und moderatem ARDS (10,3 %) im Vergleich zu

    • Patienten mit schwerem ARDS (32,9 %).

    Führende Ursache für den Nicht-Einsatz der Bauchlagerung, der bei fast ⅔ der Patienten angegeben wurde, war die mangelnde Schwere der Hypoxämie (64,3 %). Dieser Grund wurde bei Patienten mit schwerer Oxygenierungsstörung seltener genannt: So wurde mehr als die Hälfte der Betroffenen mit einem paO2 /FiO2 < 138 mmHg auf den Bauch gelagert. Der zweithäufigste Grund war eine hämodynamische Instabilität mit einem arteriellen Mitteldruck < 65 mmHg (5,7 %). Alle anderen Gründe waren signifikant seltener und machten < 5 % aus.

    Im Vergleich zur Rückenlagerung unmittelbar vor Beginn der Maßnahme verbesserten sich durch die Bauchlagerung

    • die Oxygenierung, mit einem Anstieg der paO2/FiO2 von im Mittel 101 mmHg vorher auf 171 mmHg danach,

    • der Driving Pressure (Plateaudruck minus PEEP), von 14 cmH2O auf 13 cmH2O, und

    • der Plateau-Beatmungsdruck, von 26 cm H2O auf 25 cmH2O.

    PEEP, endexspiratorische CO2-Werte und Hubvolumina blieben im Wesentlichen unverändert.

    Komplikationen im Rahmen der Bauchlagerung traten bei 12 Patienten auf (11,9 %) und umfassten Druckulzera (n = 5), Tubus- bzw. Trachealkanülenkomplikationen (n = 2), Augenkomplikationen (n = 2), Hypoxämien (n = 2) und einen vorübergehenden Anstieg des intrakraniellen Druck (n = 1).

    Fazit

    Auch bei schwerem ARDS wird eine Bauchlagerung bei nur etwa ⅓ der Patienten durchgeführt, so die Autoren, auch wenn sich der Anteil gegenüber einer früheren Studie immerhin verdoppelt hat. Die hauptsächlich angegebene Ursache, ein nicht ausreichend schweres ARDS, zeigt, dass die Bauchlagerung anscheinend immer noch als „letzte Rettung“ betrachtet wird. Es gibt aber einige Hinweise darauf, dass sie u. a. auch beatmungsassoziierte Lungenschäden reduzieren und die Hämodynamik stabilisieren kann.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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