Einleitung
Das Pyoderma gangraenosum (PG) ist eine seltene neutrophile Dermatose aus der Gruppe
der entzündlichen Erkrankungen, gekennzeichnet durch das Pathergiephänomen (Beginn
der Entzündung nach einer Verletzung) und das Vorhandensein von nichtinfektiösen neutrophilen
Hautinfiltraten. In den meisten Fällen entwickelt es sich in der Altersgruppe von
20 bis 50 Jahren, wobei Frauen häufiger erkranken als Männer (Amin SV, 2014). Ein
PG kann sich nach einer leichten Verletzung, einem chirurgischen Eingriff oder spontan
entwickeln.
Die in der Literatur beschriebenen Verläufe zeigen sowohl relativ langsame als auch
aggressive, blitzartig auftretende Veränderungen, ulzerierende Verläufe als auch Verläufe
mit Epithelialisierung. Die ulzerative Phase ist gekennzeichnet von einer schnell
fortschreitenden Wunde mit peripherem rotem Randsaum und über Hautniveau erhabenen,
rotvioletten, aufgelockerten Rändern. Der zentrale Bereich besteht aus unspezifischen
Nekrosen mit eitrigem oder granulomatösem Boden. Die Läsionen verursachen oft starke
Schmerzen, insbesondere bei raschem Fortschreiten [1 ]
[2 ]
[3 ].
Der Name von PG hat sich historisch herausgebildet und passt nur bedingt, da nach
modernen Erkenntnissen diese Krankheit weder eine Gangrän noch eine Pyodermie ist.
Ein charakteristisches Merkmal ist die Nachahmung einer akuten Infektion, wodurch
sich die Diagnosestellung und Planung einer geeigneten Therapie oft verzögert. Das
PG wurde erstmals von Brunsting et al. im Jahr 1930 beschrieben, der glaubte, dass
die Krankheit durch eine Streptokokkeninfektion verursacht sei [4 ]. Trotz der Tatsache, dass die Pathogenese von PG noch nicht ausreichend untersucht
ist, weist die Literatur darauf hin, dass PG keine infektiöse Pathologie hat. Es wurde
über die Dysregulation des angeborenen Immunsystems und die abnormale Neutrophilenfunktion
bei Patienten mit PG berichtet, sodass die wichtigsten Medikamente bei der Behandlung
systemische Glukokortikosteroide sind. Unter den Faktoren, die klinische Symptome
von PG bewirken, unterscheidet man neutrophile Dysfunktion, genetische Mutationen
und abnormale Entzündung [5 ]. Die klinischen Hauptvarianten der PG sind: klassische, bullöse, pustulöse, vegetierende,
medikamenteninduzierte, postoperative und peristomale Variante [2 ]
[6 ]
[7 ].
Von den Driesch [14 ] schlug diagnostische Kriterien für das PG vor, welche als Majorkriterien die klassischen
Merkmale wie das Auftreten von Geschwüren mit dem charakteristischen entzündlichen
Saum, sowie negative Ergebnisse der bakteriologischen Untersuchung erfassen sowie
den Ausschluss von klassischen Differenzialdiagnosen wie Pyodermien und Ulzerationen
bei leukozytoklastischer Vaskulitis.
Nebenkriterien sind histologisch ein neutrophiles Infiltrat in der Dermis mit Anzeichen
für eine Vaskulitis sowie die nicht seltene Ablagerung von Immunglobulinen (ibs. IgA)
und/oder Komplementfaktoren an den Gefäßen bei der direkten Immunfluoreszenz, das
Vorliegen typischer Begleiterkrankungen, wie rheumatoide Arthritis, M. Crohn, Colitis
ulcerosa oder Paraproteinämien, sowie das Ansprechen auf eine immunsuppressive Therapie
[8 ]
[14 ].
In dieser Kasuistik betrachten wir den Fall eines postoperativen PG, um die klinischen
Besonderheiten und die diagnostischen Anzeichen der Krankheit zu erörtern. Eine Literaturübersicht
zum Verlauf des PG wurde mithilfe von Suchmaschinen RINZ (Russischer wissenschaftlicher
Zitierungsindex), PubMed, Scholar, Medline erstellt.
Kasuistik
Die 31-jährige Patientin wurde in der geburtshilflichen Überwachungsabteilung mit
Beschwerden über Fieber bis auf 38 °C, Rötung und Schmerzen in der Operationswunde
am 7. Tag nach Kaiserschnitt stationär aufgenommen ([Abb. 1 ]). Im Bereich der Operationswunde zeigten sich Infiltration und Schwellung des Gewebes,
Hyperämie der Haut und auf der linken Seite der Operationswunde ein rundliches Geschwür
bis zu 3 cm Durchmesser. Im Blutbild: Leukozytose bis 20 *109 /l, BSG bis 50 mm/h. Es erfolgte eine chirurgische Wundversorgung, antibakterielle
Therapie und eine Lokaltherapie mit Verband. Am 3. Tag trat ein zyanotisch-violetter
peripherer Wall am Rande der Ulzeration auf. Anhaltend bestand eine febrile Körpertemperatur,
Leukozytose bis 20 *109 /l, BSG bis 50 mm/h. Es erfolgte erneut eine Nekrektomie und Antibiose nach Antibiogramm.
Der Allgemeinzustand besserte sich nicht und es entwickelte sich eine ausgedehnte,
schmerzhafte, ulzeröse Wunde mit einem peripheren purpur-violetten Wall. In der Folge
wurden Nekrektomien, ein Wechsel der Antibiose, einschließlich des zweikomponentigen
antibakteriellen Imipenem und Cilastatin-Natrium enthaltenden Arzneimittels versucht
([Abb. 2 ]). Auffällig war, dass die bakterielle Untersuchung des Wundsekrets wiederholt (zum
4. Mal) kein Bakterienwachstum zeigte. Histologischer Befund: Im Biopsiematerial aus
den zentralen Bereichen des Ulzerationsdefektes findet sich ein ausgeprägtes neutrophiles
Infiltrat mit Bildung von neutrophilen Mikroabszessen. Im Schnittpräparat des Materials
aus dem Randwall findet sich ein polymorphes Infiltrat, das eine signifikante Menge
an Lymphozyten enthält.
Abb. 1 Der 7. Tag nach Kaiserschnitt.
Abb. 2 5 Wochen nach Kaiserschnitt (nach 4-facher Nekrektomie).
Bei der internistischen Untersuchung wurde keine somatische Pathologie festgestellt,
Untersuchungen auf HIV und Virushepatitiden ergaben einen negativen Befund.
Angesichts der folgenden Symptome: kennzeichnendes Krankheitsbild, wiederholte negative
bakteriologische Untersuchungsergebnisse, histologische Befunde, Spontanremission
und Pathergiephänomen wurde die Diagnose PG gestellt. Systemische Glukokortikosteroide
wurden jedoch wegen spontaner Remission – das Fehlen eines ausgeprägten peripheren
Walls, des zufriedenstellenden Allgemeinzustandes der Patientin nach der vierten Nekrektomie
sowie des Fehlens von Standards für die Führung von Patienten-PG nicht verordnet.
Einen Monat nach der Stabilisierung des Prozesses wurde eine Abdominalplastik durchgeführt,
wegen Rückfallrisikos jedoch unter prophylaktischem Einsatz von Prednisolon in einer
Dosis von 50 mg pro Tag. Die postoperative Periode verlief normal ([Abb. 3 ], [Abb. 4 ]), Prednisolon wurde über 2 Monate ausgeschlichen.
Abb. 3 3 Monate nach Kaiserschnitt (Abdominoplastik).
Abb. 4 4 Monate nach Kaiserschnitt (Abdominoplastik).
Besprechung
Obwohl das PG eine extrem seltene Krankheit ist und eine Ausschlussdiagnose, sollte
man in Fällen mit aktiver und ausgedehnter Wundoberfläche, die auf Behandlung mit
Antibiotika und chirurgische Behandlung nicht ansprechen, daran denken [9 ]
[10 ]. Im Gegensatz zu Wundinfektionen besteht die systemische Behandlung eines PG in
der Anwendung der immunsuppressiven Therapie, insbesondere mit Glukokortikosteroiden.
Immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin kann als Alternative betrachtet werden [1 ]. Biologika, ibs. eine TNF-alpha-Blockade oder intravenöse Immunglobuline sind weitere
und aussichtsreiche medikamentöse Optionen [11 ]
[12 ].
Typisch für PG ist ein Pathergiephänomen, d. h. die Entwicklung einer Ulzeration an
einer Stelle der traumatischen Verletzung. Forscher aus Brasilien beschreiben einen
Fall von PG bei einer 19 Jahre alten immunkompetenten Patientin, der 4 Tage nach der
Mastopexie aufgetreten ist. Der Verlauf der PG war durch fortschreitende ausgedehnte
Nekrose, das Fehlen der Wirkung einer antibakteriellen Therapie (Vancomycin, Meronem,
Daptomycin) gekennzeichnet, sodass am 8. Tag die Brustimplantate entfernt wurden.
Zwei Tage nach dem zweiten chirurgischen Eingriff kam es zu Nekrosen. Eine Biopsie
aus den Rändern der Operationswunde wurde durchgeführt. Angesichts des Ergebnisses
der Biopsie (Dermatitis und diffuse neutrophile Pannikulitis-Nekrose) wurde ein PG
vermutet. Systemische Kortikosteroide (Prednisolon) und Vakuumtherapie (VAC) führten
zur Abheilung ohne Notwendigkeit der Hauttransplantation [13 ].
Möglicherweise spielt die Schwangerschaft, die einen physiologischen Zustand mit einem
immunologisch veränderten Status darstellt, eine risikosteigernde Rolle bei der Entwicklung
des PG [7 ]
[8 ]. Aus Indien wird über eine 32-jährige Frau mit drei Fällen gangraenöser Pyodermie
in der postoperativen Periode nach Kaiserschnitt berichtet. Bei dieser Patientin wurde
unter Prednisolon oral und Dapsongabe eine Abheilung erzielt [8 ].
JY Park et al. (2016) beschreiben einen Fall von PG bei einer 33-jährigen Patientin
nach Kaiserschnitt. Zunächst wurden klinische Manifestationen von PG als Wundinfektion
gewertet, sodass die Patientin mehrere Zyklen einer Antibiotikatherapie erhielt (Ceftezol,
Amikacin, Ertapenem und Clindamycin). Darunter entwickelte sich ein akutes Nierenversagen.
Nach Rücksprache mit einem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten wurde ein
PG diagnostiziert und Prednisolon unter Kontrolle der Nierenfunktion mit guter klinischer
Wirkung verabreicht. Nach Ausschleichen des Prednisolon erhielt die Patientin bei
stabilisierter Nierenfunktion eine Erhaltungstherapie mit Cyclosporin (100 mg/d),
bis zur Planung einer weiteren Schwangerschaft. Das Vermeiden traumatischer Hautläsionen
und eines Kaiserschnitts wurde angeraten, sodass die zweite Schwangerschaft bei dieser
Patientin ohne Komplikationen verlief [7 ].
Der vorliegende Fall zeigt ein typisches PG, eine seltene Krankheit mit unvorhersehbarem
Verlauf und mit dem klinischen Bild einer akuten Hautinfektion. Dieses bedingte die
Verordnung antibakterieller Therapien, den Aufschub der Verordnung systemischer Glukokortikosteroide
und als Folge die Bildung von ausgedehnten ulzerativen Defekten, die rekonstruktive
Eingriffe erforderten. Intention der Arbeit ist, bei akuten postoperativen ulzerativen
Prozessen die Differenzialdiagnose PG frühzeitig mit zu erwägen.