Pneumologie 2018; 72(10): 671
DOI: 10.1055/a-0720-3779
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erhöhen Raucherentwöhnungsbehandlungen das kardiovaskuläre Risiko?

Benowitz NL. et al.
Cardiovascular Safety of Varenicline, Bupropion, and Nicotine Patch in Smokers. A Randomized Clinical Trial.

JAMA Intern Med 2018;
178 : 622-631
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Publication Date:
10 October 2018 (online)

 

    Die Raucherentwöhnung wird u. a. unterstützt durch die Nutzung von Pharmakotherapien. Allerdings sind Bedenken entstanden hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit solcher Therapien. Ziel der vorliegenden Studie war der Vergleich der relativen kardiovaskulären Sicherheit von Raucherentwöhnungsbehandlungen mit Vareniclin, Bupropion oder Nikotinpflaster gegenüber Placebo.


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    Die doppelt-verblindete, randomisierte, Placebo- und aktiv kontrollierte Studie wurde in 140 multinationalen Zentren zwischen Nov. 2011 und Jan. 2015 durchgeführt. Eingeschlossen wurden Raucherinnen und Raucher, welche zumindest eine Dosis der Studienmedikation erhielten (n = 8058). Eine Untergruppe vervollständigte 12 Behandlungswochen und 12 Wochen Nachbeobachtung und stimmte weiteren 28 Wochen Follow-up zu (n = 4595). Geraucht wurden vor der Einschreibung jeweils 10 oder mehr Zigaretten/Tag. In der Studie (Evaluating Adverse Events in a Global Smoking Cessation Study, EAGLES) kamen

    • Vareniclin 1 mg 2-mal tgl. bei 2016 Betroffenen,

    • Bupropion Hydrochlorid 150 mg 2-mal tgl. bei 2006,

    • Nikotinpflaster, 21 mg/Tag, ausschleichend bei 2022, und

    • Placebo bei 2014 Betroffenen

    zur Anwendung. Ausschlusskriterien waren u. a. eine instabile psychiatrische Erkrankung und stattgehabte kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. Myokardinfarkt (MI), Schlaganfall, entgleiste arterielle Hypertonie) innerhalb zweier Monate vor Studieneinschluss.

    Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur Entwicklung eines schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignisses (major adverse cardiovascular event, MACE) unter Therapie (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher MI oder nicht tödlicher Schlaganfall). Sekundäre Endpunkte waren das Auftreten eines MACE und anderen in diesem Zusammenhang stehenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE + : MACE oder neu aufgetretene oder verschlechterte periphere vaskuläre Verschlusskrankheit mit Interventionsbedarf, koronare Revaskularisation oder Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris [AP]) über die Dauer der Therapie und Nachbeobachtungszeit.

    Von den 8058 Eingeschriebenen waren 3553 (44,1 %) männlich, das mittlere Lebensalter lag bei 46,5 Jahren (Standardabweichung [SD] 12,3). Die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse während der Behandlung und der Nachbeobachtung war niedrig: < 0,5 % für MACE, < 0,8 % für MACE + . Es bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, auch nicht in der Zeit bis zum Auftreten der kardiovaskulären Ereignisse, dem Blutdruck oder der Herzfrequenz. Es zeigte sich keine signifikante Differenz im zeitlichen Auftreten eines MACE unter Vareniclin, Bupropion oder Placebo (Vareniclin: Hazard Ratio [HR], 0,29; 95 % Konfidenzintervall [KI], 0,05 – 1,68 und Bupropion: HR, 0,50; 95 % KI, 0,10 – 2,50).

    Insgesamt traten 26 MACE-Ereignisse auf und 47 MACE + -Ereignisse. Davon waren 5 kardiovaskulär bedingte Todesfälle, 14 nicht tödliche MI, 8 nicht tödliche Schlaganfälle, 11 neu aufgetretene oder verschlechterte periphere vaskuläre Verschlusskrankheiten, 18 koronare Revaskularisationen, 3 stat. Aufnahmen wegen instabiler AP, 18 schwerwiegende kardiale Arrhythmien und 7 stat. Aufnahmen wegen dekompensierter Herzinsuffizienz. Es ließ sich keine Differenz in der Inzidenz eines dieser Ereignisse zwischen den vier Vergleichsgruppen beobachten.

    Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Studienaufnahme setzten sich zusammen aus

    • 23 % Bluthochdruck,

    • 18 % Dyslipidämie und

    • 6 % Diabetes

    innerhalb der gesamten Studienpopulation. Der Framingham Score für ein hohes Risiko lag bei 8 %, für ein mittleres Risiko bei 22 %. Dies entspricht der allgemeinen Verteilung in der Bevölkerung. Eine kontinuierliche Abstinenz vom Zigarettenrauchen zwischen Woche 9 und 12 wurde erreicht mit

    • Vareniclin bei 33,5 %,

    • Bupropion bei 22,6 %,

    • Nikotinersatztherapie (Pflaster) bei 23,4 % und mit

    • Placebo bei 12,5 %.

    Fazit

    Die Ergebnisse der EAGLES-Studie liefern – so Benowitz et al. – weitere Belege dafür, dass medikamentöse Raucherentwöhnungstherapien während oder nach der Behandlung das generelle Risiko ernster kardiovaskulärer Ereignisse in der allgemeinen Population der Raucherinnen und Raucher nicht erhöhen. Einschränkend geltend gemacht wird, dass in der vorliegenden Studie Betroffene mit akuten kardiovaskulären Erkrankungen ausgeschlossen waren, sodass hierzu keine Aussage gemacht werden kann.

    Dr. med. Birgit Gappa, Kochel

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    Eine ärztlich begleitete Rauchentwöhnung kann medikamentös unterstützt werden.
    Bildquelle: Kirsten Oborney/Thieme Verlagsgruppe

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    Eine ärztlich begleitete Rauchentwöhnung kann medikamentös unterstützt werden.
    Bildquelle: Kirsten Oborney/Thieme Verlagsgruppe