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DOI: 10.1055/a-0734-5609
Neurografie des N. Suralis
Sural Nerve Nerve Conduction Studies- Zusammenfassung
- Abstract
- Abkürzungen
- Klinische Bedeutung
- Welche Untersuchungstechniken sind etabliert?
- Was ist normal?
- Gibt es eine sensitivere Methodik?
- Was ist pathologisch?
- Neurografie des N. suralis in der Diagnostik häufiger Neuropathieursachen
- Biopsie
- Sonografie
- SOP: Vorschlag für den Alltag
- Literatur
Zusammenfassung
Die Neurografie des N. suralis hat große Bedeutung in der Diagnose von Polyneuropathien. Dieser Artikel stellt unterschiedliche Untersuchungstechniken mit ihren Vor- und Nachteilen vor, bespricht Messergebnisse und Normalwerte und nennt Anhaltspunkte für die Unterscheidung des axonalen und demyelinisierenden Läsionstyps. Letztlich wird ein Standard für die neurografische Untersuchung und deren Bewertung vorgeschlagen.
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Abstract
Nerve conduction studies of the sural nerve are of great importance in the diagnosis of polyneuropathies. This article reviews different examination techniques with their advantages and disadvantages, discusses measurements and normal values and helps to differentiate between axonal and demyelinating nerve pathology. Finally, a standard procedure for the examination and its evaluation is proposed.
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Schlüsselwörter
Neurografie - N. Suralis - orthodrome vs. antidrome Technik - Neuropathien - SonografieAbkürzungen
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Klinische Bedeutung
Der N. suralis ist einer der neurografisch meist untersuchten sensiblen Nerven. Er ist sehr häufig bei den längenabhängigen symmetrischen Polyneuropathien betroffen [1] [2] [3]. Die Neurografie des N. suralis ist hoch sensitiv (83%) in der Diagnose einer diabetischen Polyneuropathie [4] [5]. Darüber hinaus kann mithilfe der Neurografie zwischen einem axonalen und demyelinisierenden Typ einer Neuropathie unterschieden und so eine Eingrenzung der Ursache vorgenommen werden [6] [7]. Der demyelinisierende Typ einer chronisch entzündlichen bzw. hereditären Polyneuropathie kann mit einer Sensitivität von über 70% belegt werden [8].
Andere Ursachen für eine Läsion des Nerven als eine Polyneuropathie sind im Verhältnis dazu sehr selten und zumeist eindeutiger Ursache wie:
-
direkte Verletzungen
-
Nerventransplantationen
-
Nervenbiopsien [9].
Der vorliegende Artikel stellt die Methodik der Neurografie des N. suralis und das damit zusammenhängende Wissen umfassend vor. Dies soll dazu beitragen, die Untersuchung zu optimieren und ist Basis für den Vorschlag einer SOP für den klinischen Alltag.
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Welche Untersuchungstechniken sind etabliert?
Die erste neurografische Messung sensibler Nerven wurde von Dawson im Jahr 1956 veröffentlicht [10]. In der Folge haben Buchthal und Rosenfalck mit ihrem Artikel aus dem Jahr 1966 die methodischen Grundzüge der Neurografie sensibler Nerven entwickelt [11]. Aufgegriffen wurde deren Methodik in Lehrbüchern beginnend mit Ludin (1976), Aminoff (1980) und Kimura (1983) [12] [13] [14].
Orthodrome und antidrome Neurografie
Es gilt als gesichert, dass periphere Nerven Impulse in gleicher Weise ortho- wie antidrom leiten [15]. Der N. suralis kann einen geringen Anteil motorischer Fasern zu den Fußmuskeln führen, die aber funktionell keine Bedeutung haben. Er ist somit ein in beide Richtungen „rein“ sensibler Nerv [9] [16]. Somit ist es möglich, den N. suralis in beiden Richtungen des Stromflusses zu untersuchen.
Bei der orthodromen Technik wird am Außenknöchel mit Oberflächenelektroden stimuliert und 12–15 cm proximal und lateral der Achillessehne das Nervenantwortpotenzial registriert([Abb. 1]). Dazu werden Oberflächen- oder Nadelelektroden genutzt. Die Referenzelektrode wird von den meisten Autoren ca. 4 cm weiter proximal platziert, von anderen quer auf die mediale Seite der Achillessehne. Bei der antidromen Technik erfolgt die Stimulation 12–15 cm proximal des Außenknöchels und wenig lateral der Achillessehne. Registriert wird zwischen Außenknöchel und Ferse mit einer Referenz ca. 4 cm weiter distal an der Fußaußenkante ([Abb. 1]).
In beiden Techniken wird die Reizstärke erhöht, bis die sNAP-Amplitude nicht weiter ansteigt. Die sensible Schwelle beträgt bei Gesunden am Außenknöchel 3–4 mA und wenig höher bei der Stimulation lateral der Achillessehne. Typischerweise ist die supramaximale Reizstärke das 3–4-fache der sensiblen Schwelle. Die technischen Parameter sind in [Tab. 1] zusammengefasst.
Verstärkung |
1–10 μV / Div |
---|---|
Zeit |
1 oder 2 ms / Div |
Filter |
5 [18] – 20 [19] – 100 [17] Hz – 2 [19] – 3 [18] – 10 [17] kHz |
Stimulation |
|
Reizfrequenz |
3–5/Sec |
Artefaktunterdrückung |
eingeschaltet |
Mittlungen |
8–50 abhängig vom Signal-Rausch-Verhältnis |
Referenz |
Position siehe Text |
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Methodische Probleme
Die technischen Parameter haben in den angegebenen Grenzen einen geringen oder keinen Einfluss auf die Messergebnisse.
Ort der Stimulation
Die Stimulation am Außenknöchel wird von wenigen Personen als so unangenehm empfunden, dass die Messung in orthodromer Technik nicht möglich ist. Andererseits kann die Stimulation an der Wade noch unterhalb der supramaximalen Reizstärke eine direkte Erregung der benachbarten Muskulatur erzeugen mit einem Artefakt hoher Amplitude, sodass keine antidrome NLG gemessen werden kann.
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Reizdauer und Reizform
Dauer und Form des Reizes in den oben genannten Grenzen haben keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Latenz und Amplitude des sNAP. Bei einer Reizdauer über 1 ms kann ein zweites sNAP mit längerer Latenz stimuliert werden. Mögliche Ursachen dafür sind
-
eine gleichzeitige Stimulation unter der Anode und der Kathode,
-
simultanes messen von Antwortpotenzialen zweier Nerven an einem Ableitort und
-
eine Desynchronisation der Impulsleitung im Nerven [20].
Zur Frage, ob eine biphasische Stimulation gegenüber dem üblichen monophasischen Reiz das sNAP verändert, liegen keine Untersuchungen vor.
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Stimulusartefakt
Ein lang ausschwingender Stimulusartefakt kann eine exakte Messung der Amplitude des sNAP unmöglich machen. Großen Einfluss auf das Stimulusartefakt können haben:
-
Erdung – zwischen Stimulus- und Ableitort
-
Übergangwiderstände der Stimulations- und Ableitelektroden
-
Haut – sie muss zwischen Reiz- und Ableitelektroden trocken sein, um eine Ausbreitung des Reizartefakts zu vermeiden
-
Position von Reiz- und Ableitelektrode (muss ggf. optimiert werden)
-
Dauer des Reizes – Standard von 0,2 ms kann auf 0,1 ms verkürzt werden
-
Form des Reizes – monophasisch vs. biphasisch
-
gerätetechnische Kompensation des Reizartefakts – eine berechnete Form und Amplitude des Reizartefakts wird von der gemessenen Kurve subtrahiert.
[Abb. 2] zeigt eine Messung in antidromer Technik vor und nach Optimierung der Übergangswiderstände an der Stimulations- und Ableitelektrode, sowie vor und nach Anwendung der gerätetechnischen Kompensation des Reizartefakts.
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Latenzmessung des sNAP
Als typische Form des sNAP wird in der orthodromen Technik ein triphasisches initial positives und in der antidromen ein biphasisches negativ-positives Potenzial beschrieben ([Abb. 3]) [11] [17]. Diese Beschreibung fußt auf den klassischen Untersuchungen an Armnerven von Buchthal & Rosenfalck und wurde kürzlich erneut bestätigt [11] [20]. Die Latenz des ersten positiven Gipfels (orthodrome Technik) bzw. des negativen Abgangs von der Basislinie (antidrome Technik) wird gemessen.
Bei einer Ableitung mit einer Referenz außerhalb des elektrischen Feldes – unipolar – wird nach der Physiologie und Physik ein triphasisches Potenzial mit initialer Positivität registriert. Die Leitzeit bis zur Ableitelektrode entspricht dem ersten positiven Gipfel ([Abb. 4]) [11] [14] [21].
Bei einer Referenz in wenigen cm Entfernung von der aktiven Elektrode kommt es zur Überlagerung des an beiden Eingängen des Verstärkers (+/-) registrieren Potenzials. Die Referenz ist nicht neutral, sie misst ein sNAP mit längerer Latenz ([Abb. 5]). Die Form des sNAP und seine Amplituden werden verändert. Die Latenz zum Beginn des sNAP bleibt unverändert, die Dauer in der Differenzableitung länger.
Die Form des Differenzpotenzials ist abhängig von der Distanz zwischen den Elektroden, deren Position relativ zum Verlauf des Nervens, der Nervenleitgeschwindigkeit und Potenzialdauer. Die Überlagerung kann zur „Auslöschung“ des positiven ersten Potenzialgipfels führen, sodass in der antidromen Technik die erste Positivität durch die Bildung des Differenzpotenzials fehlen kann.
Die Latenz zum ersten positiven Gipfel entspricht dann der des negativen Abgangs des Potenzials. Dargestellt ist dies in den Abbildungen 11 und 12 in Buchthal & Rosenfalck 1966 [11]. In der antidromen Technik kann die Bestimmung der Latenz zum Abgang ([Abb. 3]) unsicher sein, wenn der Abgang „verwaschen“ und nicht „winkelig“ ist.
Die Daten zu Armnerven sollten prinzipiell auch für den N. suralis gelten. Allerdings ist die Form des sNAP variabler im Vergleich zu den Armnerven, siehe Abschnitt Retest-Reliabilität.
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Amplitude des sNAP
Zumeist wird eine Messung der Amplitude des sNAP von Spitze zu Spitze ausgeführt [17] [18]. Dies kann von positiv nach negativ oder umgekehrt sein. Alternativ werden in antidromer Technik registrierte Potenziale von der Basislinie zum ersten negativen Gipfel gemessen [19]. Die Form des sNAP kann sehr variabel sein, siehe [Abb. 3] und [Abb. 5], weshalb der Ableseort eindeutig definiert und beim Vergleich zu Normalwerten berücksichtigt werden muss. An eigenen Daten wird dies gezeigt in [Tab. 5].
Orthodrom |
20 |
9 |
3 |
Antidrom |
26 |
5 |
1 |
Distanz der Ableitelektrode zum Nerven
Die Amplitude des Nervenantwortpotenzials nimmt mit der Distanz der Ableitelektrode zum Nerv bereits bei wenigen Millimetern massiv ab, ca. 5 mm bewirken eine Abnahme von 50% der Amplitude [11]. Mit Oberflächenelektroden zur Ableitung in orthodromer Neurografie werden deshalb sehr viel niedrigere Amplituden registriert als mit dicht am Nerv platzierten Nadelelektroden. Physiologisch-physikalisch wurde dies bereits 1947 von Lorente de No sehr eindeutig belegt [21]. Mit der Sonografie konnte die Distanz zwischen der Nadelelektrode und dem Nerv um ca. 4 mm verringert werden mit dem Effekt einer Zunahme der mittleren Amplitude von 21 μV gegenüber 11 μV bei einer „blind“ platzierten Nadelelektrode [22]. Eine einfache Technik zur Näherung an eine optimierte Platzierung ist das Einstechen einer unbeschichteten Nadelelektrode ca. 2 cm quer zum Nerv [23].
Typischerweise werden höhere Amplituden mit der antidromen Technik registriert, weil die Oberflächenableitelektrode am Außenknöchel näher am Nerven liegt, im Unterschied zur Ableitelektrode am Unterschenkel in der orthodromen Technik.
Dagegen können bei orthodromer Untersuchung mit nahe am Nerven platzierten Nadelelektroden auch sehr niederamplitudige Potenziale gemessen werden, die mit Oberflächenelektroden nicht erfassbar sind ([Abb. 6] aus: [24]).
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Distanz von Stimulations- und Ableitort
Bei antidromer Stimulation 10, 12 und 14 cm proximal und einer Ableitung am Außenknöchel wurden mit zunehmendem Abstand niedrigere Amplituden registriert [25]. In orthodromer Technik nahm die Amplitude des sNAP mit der Distanz von Stimulus- und Ableitort ab [26].
Für den N. medianus haben Buchthal & Rosenfalck zwischen dem Handgelenk und der Ellenbeuge auf ca. 20 cm eine Abnahme der Amplitude des orthodromen sNAP von rund 40 auf 10 µV gefunden [11]. Erklärt haben die Autoren dies mit der hohen temporalen Dispersion in sensiblen Nerven, die durch Überlagerung und Auslöschung über einen längeren Weg zu niedrigeren Amplituden führt [11] [17].
In einer eigenen Untersuchung wurde ein N. suralis bei je 10 gesunden Probanden im Alter von 24–40 und 50–65 Jahren in antidromer Technik mit einem Abstand von 15 und 10 cm zwischen dem Stimulations- und Ableitort gemessen. Die Amplitude bei 10 cm war im Mittel 22,3 µV und um 6,4 µV=39% (Min 12%; Max 63%) höher als bei 15 cm; Mittel 16 µV. In der Gruppe der 24–40-Jährigen betrug die Zunahme der Amplitude im 10 cm Abstand vs. dem 15 cm Abstand 29% und in der Gruppe der 50–65-Jährigen 48%. Es gab zwischen den Altersgruppen keinen Unterschied in der Amplitude des sNAP im 15 cm Abstand.
Die Leitgeschwindigkeit über die distalen 10 cm war nicht unterschiedlich gegenüber der über die gesamten 15 cm (Mittel 49,4 vs. 49,9 m/s).
Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um eine mögliche diagnostische Bedeutung einer Neurografie mit 2 Distanzen zwischen Stimulations- und Ableitort zu klären.
Zur Neurografie des N. suralis sind die orthodrome und antidrome Technik etabliert. Die Bestimmung der Latenz ist gut definiert. Die Amplitude ist abhängig von der Form des sNAP, Methode, Distanz zwischen Ableitelektrode und Nerv und der Distanz zwischen Stimulations- und Ableitort.
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Was ist normal?
Normal ist, was bei gesunden Personen gemessen wird. Der Streubereich oder Referenzbereich wird unter der Annahme einer Normalverteilung für eine 95% Wahrscheinlichkeit mit dem Mittelwert ± 2x Standardabweichung angegeben. Konservativ wird ohne die Annahme der Normalverteilung ein Perzentil angegeben. Bei einem 90% Perzentil liegen entsprechend viele Messdaten unter/über dieser Schwelle.
Autor |
NLG Mittelwert m/s |
NLG Grenzwert m/s |
sNAP Amplitude Grenzwert µV |
Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
Bischoff [17] |
– |
42 |
10 |
Antidrom Gipfel-Gipfel |
Kimura [14] |
52,5±5,6 |
– |
20,8±8 Mittelwert±Standartabweichung |
Antidrom unter 40 Jahre |
51,1±6,7 |
– |
17,2±6,7 Mittelwert±Standartabweichung |
Antidrom über 40 Jahre |
|
Ludin [12] |
57,4 |
– |
– |
Antidrom – 15 cm – 35–37°C über Nerven Umrechnung auf Alter minus 0,04xAlter |
Preston & Shapiro [19] |
– |
40 |
6 |
Antidrom 14 cm Basislinie- neg.Gipfel |
Stöhr & Pfister [18] |
52,5 |
41,3 |
4,4 |
Keine Angabe vermutlich orthodrom – Gipfel-Gipfel Unter 40 Jahre |
51,1 |
39,3 |
3,8 |
Über 40 Jahre |
|
Vogel [24] |
– |
46 |
>5 Jüngere |
Anti – wie ortho |
– |
41 |
>2 Ältere |
Normalwerte sind nur so gut wie ihre Erhebung und deren Nachvollziehbarkeit. Gerade Letztere ist bei „alten“ Daten häufig nicht ausreichend.
Normalwerte
[Tab. 2] gibt eine Zusammenfassung der in Lehrbüchern veröffentlichen Normalwerte.
Die angegebenen Daten stimmen bezüglich der NLG bei über 40-Jährigen mit einer unteren normalen Leitgeschwindigkeit von rund 40 m/s gut überein. Die Amplituden werden hingegen mit deutlichen Unterschieden mitgeteilt (antidrom: 6–10 µV; orthodrom: ca. 4 µV).
Zwei neuere Studien mit großen Fallzahlen und genau beschriebener Untersuchungstechnik stimmen mit den Angaben in Lehrbüchern weitgehend überein, siehe [Tab. 3] [27] [28].
Autoren |
N |
Amplitude μV |
NLG m/s |
Bemerkungen |
|
---|---|---|---|---|---|
Kokotis et al. [27] |
158 |
Mittel±SD |
19,9±6,89 |
50,73±4,97 |
Antidrom 13 cm über 30°C Alter 15–80 Jahre |
Min-Max |
9,2–54 |
40,3–67,5 |
|||
Mittel M vs. W |
18,30 vs. 20,87 p=0,09 |
||||
Luigetti et al. [28] |
538 |
Mittel±SD |
23,48±9,36 |
53,28±5,35 |
Antidrom 12 cm über 34°C Alter 18–70 Jahre |
Min-Max |
3–60 |
41–67 |
|||
Mittel M vs. W |
21,96 vs. 24,89 p=0,0003 |
51,93 vs. 54,56 p<0,0001 |
Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Körpergröße
Alter: Den größten Effekt auf die Amplitude des sNAP hatte das Alter mit einer linearen Regression von r=− 0.22 bzw. − 0.438 [27] [28]. Bei einer Körpergröße von 175 cm bedeutet dies bei einem Lebensalter von 40 Jahren – 11,5 μV; bzw. bei einem Alter von 65 Jahren – 9,5 μV.
Beide Studien machen keine Angabe darüber, wie ein fehlendes sNAP in hohem Alter zu bewerten ist. In Daten von 48 Gesunden wurde für die Altersstufe 60–70 Jahre ein unterer Grenzwert von 3 µV, für die Altersstufe 70–74 Jahre 1 µV und für ältere Probanden ein fehlendes sNAP als normal bewertet [29]. Die zunehmende Häufigkeit eines fehlenden sNAP im Alter über 70 Jahren wurde in einer retrospektiven Datensammlung von neurophysiologischen Untersuchungen bei 3969 Gesunden beschrieben [30].
Dagegen wurde in der zweiten Studie ein unterer Grenzwert von 6 µV für 60–92-Jährige und nie ein Ausfall bei 38 Untersuchten dokumentiert [31]. Die Neurografie wurde antidrom über ein Segment von 8 cm bei gut selektierten Gesunden ausgeführt.
Der Effekt des Alters auf die Amplitude des sNAP kann erklärt werden durch einen degenerativen axonalen Verlust.
Geschlecht: In beiden Studien fand sich ein Geschlechtsunterschied mit einer höheren Amplitude bei Frauen. Nur in der Studie mit sehr großer Anzahl an Untersuchten war die NLG bei Frauen signifikant höher [28].
Der Grund für die höheren Amplituden und Leitgeschwindigkeiten bei Frauen ist nicht bekannt.
Körpergröße: Die Körpergröße hatte einen signifikanten Effekt auf die Amplitude des sNAP mit einer linearen Regression von r=− 0.19 bzw. −0.136 [27] [28]. Bei einem Alter von 65 Jahren bedeutet dies bei 150 cm Körpergröße – 11,5 μV; bzw. bei 175 cm Körpergröße – 9,5 μV.
Der Effekt der Körpergröße kann erklärt werden durch den längeren und damit weiter distal untersuchten Nerven mit höherer Dispersion der Leitgeschwindigkeit.
Die NLG und die Amplitude des sNAP sind deutlich vom Lebensalter abhängig. Einen geringen Effekt haben die Körpergröße und das Geschlecht. Ein ausgefallenes sNAP kommt bei Gesunden über 70 Jahren und mit weiter zunehmendem Alter häufiger vor.
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Abhängigkeit von der Temperatur
Die Temperatur in der Umgebung des Nervs hat hohen Einfluss auf die Leitgeschwindigkeit und einen geringeren auf die Amplitude des sNAP [11]. Buchthal & Rosenfalck haben einen linearen Zusammenhang der NLG des N. medianus von 25 bis 36 °C mit einer Zunahme von 2,0 m/sec/°C und einer Verlängerung der Dauer des sNAP ermittelt [11]. Sie haben die Temperatur mit speziellen Nadeln direkt am Nerven gemessen. Von anderen Autoren wird ein Faktor von 1,1 bis 2,4 m/sec/° angegeben [14] [17]. Bei Temperaturen über 40 °C wird von einer Abnahme der Amplitude von 27 bis 50% berichtet [14]. Bei einer Temperatur um oder unter 25 °C der distalen Extremität zwischen Stimulation und Ableitung wurde eine Abnahme der Amplitude und NLG ermittelt. Über einen Zusammenhang zwischen der Temperatur an der Hautoberfläche und der Temperatur nahe des N. suralis liegen keine Daten vor.
In der Leitlinie der European Federation of Neurological Societies zur Diagnose einer chronisch entzündlichen demyelinisierenden Polyneuroradikulopathie wird eine Temperatur von mindestens 30°C, gemessen mit einer Oberflächensonde am Außenknöchel gefordert [33].
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Retest-Reliabilität
Für Verlaufsuntersuchungen ist eine ausreichende Retest-Reliabilität erforderlich. Für die motorische und sensible Neurografie wurde die Retest-Reliabilität nur in wenigen Untersuchungen geprüft.
Eine Mitteilung ohne Angaben zur Methodik gibt eine mittlere Abweichung der NLG des N. suralis von 15% und der Amplitude des sNAP von 30 bis 60% an [34].
An 30 Gesunden wurde der rechte N. suralis in antidromer Technik an zwei Tagen untersucht mit einer Abweichung der NLG von 6,5 m/s (90% Perzentil) und der Amplitude von 3,5 μV (90% Perzentil) [35].
Explorative eigene Untersuchung
Wegen der wenigen Studien wurde eine explorative eigene Untersuchung in anti- und orthodromer Technik ausgeführt. Ziel war es, einen Schätzwert für die beste mögliche Re-Test-Reliabilität zu erhalten und Ausgangswerte für die Generierung von Hypothesen für Studien mit mehr Variablen wie z. B. wechselnde Untersucher und unterschiedliche Messsysteme.
Es wurden 10 gesunde Personen im Alter von 25–55 Jahren (8 Frauen) im Abstand von mindestens 2 und höchstens 4 Wochen von einem erfahrenen Neurophysiologen (HB) mit einem hoch standardisierten Vorgehen an einem identischen Modell eines Messgeräts (Natus Viking) untersucht.
Temperatur
Während der Untersuchung wurde die Hauttemperatur am Außenknöchel des untersuchten Beins gemessen. Zielwert waren 30 °C. Bei geringerer Temperatur wurde mit Gelpads aufgewärmt. Die Temperatur bei der Untersuchung betrug im Mittel 30,4 °C (Min 28,6; Max 33,1); die Differenz zwischen den Messwiederholungen im Mittel 1,4 °C (Max 2,7).
Sensible Schwelle und Reizstärke
Die Reizdauer betrug 0,2 ms, Reizfrequenz 4/sec. In der antidromen Technik wurde die Reizschwelle bestimmt als die Reizstärke, ab der es zu einer Missempfindung im sensiblen Gebiet des N. suralis kam, in der orthodromen Technik als die Reizstärke, zu der ein minimales sNAP registrierbar wurde. Während der Stimulation wurde die Position des Stimulators quer zur Verlaufsrichtung des Nervs verschoben, um den Ort der maximalen Amplitude des sNAP bei niedrigster Reizstärke zu bestimmen.
Die sensible Schwelle betrug zwischen 3 und 7 mA und war in der antidromen Technik geringfügig höher. Stimuliert wurde mit einer Reizstärke, die zu einer maximalen Amplitude des sNAP führte. Diese betrug ca. das 4-fache der sensiblen Schwelle.
Auswertbar waren 32 Nervenuntersuchungen (VP=10; Re+Li; 1.+2.Messung; Summe=40). Eine Versuchsperson tolerierte die Stimulation nicht, bei 2 Versuchspersonen fand sich auf einer Seite kein sNAP. Als Ursache wurden wiederholte Sprunggelenkstraumen angegeben, wobei subjektiv keine Sensibilitätsstörung bestand. Die [Tab. 4] gibt die Ergebnisse wieder.
NLG m/s |
AMP μV |
|||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mittel |
D-max |
D-min |
D-90% |
Mittel |
D-max |
D-min |
D-90% |
|
Orthodrom |
52,4 |
58,0 |
45,0 |
14,4 |
45,6 |
2,5 |
||
Re-Test [%] |
7,2 |
20,9 |
0 |
6,7 |
38,5 |
141,8 |
6,0 |
7,8 |
Antidrom |
49,5 |
58,0 |
42,0 |
23,3 |
85,0 |
4,2 |
||
Re-Test [%] |
4,8 |
8,8 |
0 |
4,0 |
20,0 |
60,7 |
1,1 |
8,9 |
Unter Berücksichtigung der niedrigen Anzahl untersuchter Nerven / Personen fanden sich gute Übereinstimmungen mit den Daten aus der Literatur für:
-
NLG und Min-Max,
-
Amplitude und Min-Max und
-
im Mittel höhere Amplituden der antidrom stimulierten sNAP. Nur bei vier Nerven hatte das orthodrome sNAP eine höhere Amplitude.
In der Tendenz fand sich in antidromer Technik eine höhere Re-Test- Übereinstimmung der NLG und der Amplitude. Die NLG in antidromer Stimulation war geringfügig niedriger im Vergleich zur orthodromen Technik (NLGortho 52,4 m/s, SD=3,9; NLGanti 49,5 m/s, SD=3,8 m/s; t-Test p<0,01). Bei keinem Nerven war die antidrome NLG höher. Wir vermuten die geringere Leitgeschwindigkeit in weiter distalen Nervenabschnitten als Ursache. In der orthodromen Technik wird am Außenknöchel mit supramaximaler Reizstärke der Nervenstamm in der Tiefe erregt. Die Form der sNAP war bei beiden Techniken am häufigsten negativ-positiv ([Tab. 5]).
Die Re-Test-Messung der Neurografie des N.suralis zeigt in einer explorativen Untersuchung unter besten Wiederholungsbedingungen Abweichungen von im Mittel 5 bzw. 7% für die NLG und 20 bzw. 40% für die Amplitude des sNAP (antidrom bzw. orthodrom).
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Anatomie: Ein Grund für hohe Variabilität der Amplitude des sNAP
Makroanatomie: Entstehung des N. suralis
Es liegen sonografische Untersuchungen der Anatomie des N. suralis vor, die zu teilweise deutlich unterschiedlichen Befunden kommen. Das kann erklärt werden mit Problemen bei der Identifikation bzw. Verfolgung des Nervs unter den Muskeln. Aus diesem Grund werden hier nur autoptisch-anatomische Untersuchungen vorgestellt.
Der N. suralis entsteht aus der Vereinigung von Fasern aus dem N. tibialis und dem N. fibularis (alte Bezeichung: N. peronaeus) distal der Kniekehle in ca. 2/3 der anatomischen Untersuchungen. Die Höhe der Vereinigung ist in ca. 2/3 in der unteren Hälfe des Unterschenkels und in ca. 1/4 am Außenknöchel ([Abb. 7], Typ A,B) [36]. In etwa 1/3 entsteht der Nerv nur aus dem N. tibialis ([Abb. 7], Typ C) [37]. Der Nerv zieht lateral der Achillessehne um den Außenknöchel und innerviert sensibel die Außenkante des Fußes bis zur Fußsohle und zur 5. Zehe. Das sensible Gebiet erreicht den 4. bis 3. Zeh in weniger als 10% der untersuchen Füße [38].
In 1–3% kommt der N. suralis nur aus dem N. fibularis und liegt dann um wenige cm weiter lateral der Achillessehne ([Abb. 7], Typ D) [37]. Selten (ca. 1%) entsteht der N. suralis direkt aus dem N. ischiadicus noch proximal der Kniekehle. Ein rechts / links-Unterschied dieser Varianten wird mit ca. 15% angegeben [36].
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Makroanatomie: Auswirkungen auf das sNAP
Der N. suralis kann in ca. 10% wenige motorische Fasern zu den Fußmuskeln führen, die funktionell keine Bedeutung haben [9] [16] [37] [38]. Es liegt kein Bericht über ein über diese Fasern stimuliertes motorisches Potenzial vor.
Bei wenigen Gesunden (17 von 118) waren anatomische Varianten des N. suralis verantwortlich für niedrige Amplituden oder deutliche Seitendifferenzen des sNAP, bis zu fehlenden Potenzialen, wenn die Elektroden an üblichen Positionen platziert wurden [39]. Ursächlich war eine weit distale Vereinigung des Nervs (15 Nerven, [Abb. 7], Typ B) oder einer Entstehung nur aus dem N. fibularis mit lateralem Verlauf des N. suralis (2 Nerven, [Abb. 7], Typ D).
Die Amplitude des Nervenantwortpotenzials nimmt mit der Entfernung der Elektrode zum Nerv bereits bei wenigen Millimetern massiv ab, ca. 5 mm verursachen eine Amplitudenminderung um 50% [11].
Wurde beim Typ B die aktive Elektrode (orthodrome Technik) 6,5 cm proximal des Außenknöchels platziert statt 12–13 cm, wurden normale Amplituden gemessen. Normalwerte für diesen kurzen Abschnitt liegen allerdings nicht vor. Wurde beim Typ D die aktive Elektrode 2,5–3,5 cm lateral der Achillessehe platziert, wurde ebenfalls eine normale Amplitude gemessen [39].
Ist die Amplitude des sNAP unerwartet niedrig, können weitere Messungen mit veränderter Elektrodenposition helfen:
-
distaler – ca. 6 cm proximal des Außenknöchels (Ermittlung von Vergleichswerten erforderlich)
-
lateraler – ca. 3 cm lateral der Achillessehne
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Mikroanatomie
Der N. suralis wird in der Literatur mit einer mittleren Dicke von 0,16 bzw. 0,28±0,03 cm angegeben [36] [37]. Der Anteil der Fasern aus den N. tibialis bzw. fibularis wurde mit jeweils ca. 50% bestimmt, wobei andere Autoren die Anteile für sehr variabel halten [9] [36].
Anhand von Biopsien von Faszikeln aus dem Nerven haben Lambert & Dyck die Faserzusammensetzung des N. suralis bei Gesunden und Patienten mit einer Vielzahl von Erkrankungen untersucht [40]. Die dicksten Fasern hatten 11–12 µm Durchmesser mit einer Leitgeschwindigkeit von ca. 61 m/s. Sie bildeten den Beginn des Nervenantwortpotenzials (Aα-Fasern).
Zuordnung der sensiblen Qualitäten laut Lambert & Dyck:
Aα-Fasern - Druck, Zweipunkt-Unterscheidung, Lageempfinden, Vibration
Aδ-Fasern - Warm-Kalt-Empfinden, Schmerz, Nervenantwortpotenzial nur im späten Anteil mit niedriger Amplitude
Lambert & Dyck folgerten, dass das Faserdurchmesserhistogramm nur schlecht mit der Form des Nervenantwortpotenzials korreliert, weil Veränderungen der Leitgeschwindigkeit durch Demyelination, Leitungsblock, reduzierten Faserdurchmesser, eine disproportionale Änderung der Faserzusammensetzung, axonalen Verlust oder eine Kombination verursacht sein kann. Diese Ursachen können anhand des Nervenantwortpotenzials nicht unterschieden werden. Zu den Befunden bei der Friedreich-Ataxie, Amyloidose, Tabes dorsalis, hereditären, urämischen und entzündlichen Neuropathien sei hier auf die Original-Publikation verwiesen [40].
Aus dem oben Zusammengefassten und der Erfahrung lässt sich Folgendes feststellen:
Latenzmessung
Die Form des sNAP in orthodromer Technik hat oft einen sicherer bestimmbaren Punkt für die Messung der Latenz. Die Form in antidromer Technik ist oft rund und lässt keine genaue Bestimmung des Potenzialbeginns zu.
Amplitude des sNAP
Die Amplitude des sNAP ist in antidromer Technik meist höher als bei orthodromen Messungen. In der orthodromen Technik sind dagegen sehr niedrige Amplituden bei optimierter Position einer Nadelelektrode dicht am Nerv sicherer erfassbar.
Zur Stimulation wird in orthodromer Technik weniger Reizstärke benötigt. Dennoch wird die Stimulation öfter als unangenehm bis schmerzend empfunden.
Bei der antidromen Stimulation proximal des Außenknöchels und lateral der Achillessehne können Muskelfasern des M. gastrocnemius direkt erregt werden. Das führt dann zu „Zuckungen“, deren volumengeleitetes Potenzial die sNAP überlagert.
Die antidrome Technik misst höhere Amplituden und hat eine besserer Re-Test-Wiederholbarkeit. Die Genauigkeit der Latenzmessung, wie auch die eines sNAP mit pathologisch niedriger Amplitude, ist bei der orthodromen Technik höher.
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Gibt es eine sensitivere Methodik?
Oberflächenelektrode vs. Nadelelektrode
Untersuchungen mit Vergleichen zwischen Oberflächen- zu Nadelelektroden in antidromer Technik liegen nicht vor.
In der orthodromen Technik ist die Amplitude des sNAP invers zum Abstand zwischen dem Nerv und der Ableitelektrode. Die Ableitfläche von Nadelelektroden wird näher am Nerv platziert als dies mit Oberflächenelektroden möglich ist. Deshalb können Nadelelektroden auch Potenzialbeiträge einer kleinen Zahl von Nervenfasern abbilden; eine Ableitung mit Nadelelektroden ist somit sensitiver sind als dies bei Verwendung von Oberflächenelektroden möglich ist (siehe dazu [Abb. 6]).
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Doppelreiz
Bei Polyneuropathien ist die Refraktärperiode häufig bereits im präklinischen Stadium verlängert [42]. Bestimmt werden die Latenz und/oder Amplitude des sNAP auf einen zweiten Reiz, der in kurzem Abstand auf den ersten erfolgt (Doppelreiztechnik).
Bei Diabetikern wurde eine höhere Sensitivität mit Latenzverlängerung bzw. der Amplitudenminderung des sNAP auf den zweiten Reiz gefunden [41] [42]. Bei 115 Patienten mit vermuteter Polyneuropathie und in nicht näher beschriebener normaler Standard-Neurografie wurden pathologische Befunde mit der Doppelreiztechnik bei 38 Patienten gefunden [42]. Das Kriterium war ein verlängertes Interstimulusintervall, zu dem die Latenz auf den ersten und zweiten Reiz gleich ist (relative Refraktärperiode).
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Distaler Nervenabschnitt am Fuß
Die Neurografie des N. suralis im Abschnitt vom Malleolus lateralis zur Basis der 5. Zehe in anti- oder orthodromer Technik wurde in älteren Untersuchungen und in Lehrbüchern als nicht geeignet zur Diagnose einer Neuropathie bewertet, weil die Messwerte sehr variabel sind und das sNAP auch bei ca. 10% der Gesunden nicht registrierbar sein kann [1] [18] [19].
In neueren Studien wurde die distale Neurografie des N. suralis, des distalen N. fibularis superficialis und des N. tibialis (N. plantaris medialis) erneut erprobt [43] [44]. Bei allen Gesunden wurden sNAP registriert.
Die Sensitivität der Neurografie der distalen Abschnitte des N. suralis (N. suralis dorsalis) und des N. tibialis (N. plantaris medialis) war bei klinisch gesicherter Polyneuropathie höher als die Neurografie des N. suralis mit Oberflächenelektroden aber geringer als die mit Nadelelektroden (Near-nerve Neurografie) [45].
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Near-nerve und On-nerve Neurografie
Near-nerve orthodrome Neurografie
Zur Stimulation wie zur Ableitung werden Nadelelektroden von 2–3 cm Länge, einer Dicke von 0,7 mm und mit einer Isolierung, die 3 mm an der Spitze frei lässt, verwendet. Zunächst wird die Stimulationselektrode am Außenknöchel eingestochen (Anode 3 cm medial quer) und ihre Position optimiert, bis mit einer Reizstärke unter 1 mA eine sensible Empfindung am Fußaußenrand angegeben wird. Anschließend wird die Ableitelektrode 13 cm proximal und wenig lateral der Achillessehne eingestochen und ihre Position optimiert, bis ein sNAP von maximaler Amplitude gemessen wird.
In Publikationen von 2 Arbeitsgruppen aus Dänemark wurde bei Patienten mit Neuropathien unterschiedlicher Ursache eine deutlich höhere Sensitivität der Near-nerve Neurografie (65%) gegenüber Oberflächenelektroden (40%) festgestellt. Insbesondere war die Anzahl der fehlenden Potenziale mit 5% zu 15 deutlich geringer [48]. In einer zweiten Studie lag die Sensitivität bei 80 zu 60% und die Anzahl der fehlenden sNAP bei 1 zu 32% [49]. Bei Patienten mit einer diabetischen Neuropathie zeigten von 55 untersuchten Nerven 15 mit der Near-nerve und 27 mit Oberflächenelektroden normale Messergebnisse. Kein sNAP war bei 0 bzw. 15 Nerven messbar [50]. Die N. suralis near-nerve Neurografie war sensitiver im Vergleich zu allen anderen neurografischen Untersuchungen [51].
Der Grund für die höhere Sensitivität der Near-nerve Technik: Die Amplitue des sNAP ist höher, sodass die Chance, Potenziale mit temporaler Dispersion zu registrieren, steigt [48].
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On-nerve Neurografie
In aktuellen Publikationen einer Arbeitsgruppe wurde berichtet, dass die Ableitung des sNAP mit Nadelelektroden platziert auf dem operativ freigelegten Nerv („on nerve“) deutlich sensitiver ist im Vergleich zur Messung mit Oberflächenelektroden an der Haut. Insbesondere konnte mit dem Nachweis einer temporalen Dispersion etwa doppelt so oft eine demyelinisierende Neuropathie übereinstimmend mit dem Befund der Biopsie bestätigt werden [52].
Die Near-nerve Untersuchungstechnik ist sensitiver in der Erfassung pathologischer Messwerte im Vergleich zu einer der Standardtechniken. Sie benötigt allerdings deutlich mehr Zeit und spezielle Übung des Untersuchers.
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Was ist pathologisch?
Die Normalwerte sind, wie oben beschrieben, von vielen Faktoren abhängig. So muss die eigene Untersuchung in Technik und Ausführung dem Vorgehen bei der Ermittlung der Normaldaten entsprechen. Wesentliche Parameter sind die Temperatur am Außenknöchel sowie das Alter des Patienten.
Mit dem Lebensalter werden die Amplituden niedriger und ab einem Alter von Gesunden über 70 Jahren wurden häufiger ausgefallene sNAP berichtet. Bei einer Temperatur am Außenknöchel von unter 30 °C wird eine niedrigere NLG gemessen.
Dicke, ödematöse Füße/Unterschenkel sind ein häufiger Grund für niedrige Amplituden des sNAP oder für nicht messbare Potenziale. Dies liegt am vergrößerten Abstand zwischen dem Nerv und der Ableitelektrode sowie an einer geringeren Reizstärke am Nerv. In diesem Fall ist nur die NLG bewertbar.
Wann besteht ein demyelinisierender oder axonaler Läsionstyp?
Für die ätiologische Zuordnung und die Prognose von Neuropathien ist der Schädigungstyp entscheidend. Oft sind primär axonale und primär demyelinisierende Neuropathieformen nur zu Beginn der Erkrankung klar unterscheidbar. In fortgeschrittenen Stadien liegen meist Mischformen beider Schädigungstypen vor, wobei (außer bei Immunneuropathien und erblichen Neuropathien) axonale Läsionsformen deutlich überwiegen. Angaben über die relative Häufigkeit der Schädigungstypen hängen ganz wesentlich von folgenden Faktoren ab:
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Demographie in der Stichprobe
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Versorgungsbereich (Praxis vs. Klinik)
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Versorgungsstufe der behandelnden Klinik.
Eine demyelinisierende Läsion führt zu einer Erniedrigung der Leitgeschwindigkeit bei weitgehend normaler Amplitude des sNAP und eine axonale Schädigung zu einer Amplitudenminderung bei normaler bis gering erniedrigter Leitgeschwindigkeit [6] [14] [17] [19] [53].
Eine hohe Divergenz der Leitgeschwindigkeiten von Fasern im Nerven verursacht Phasenauslöschungen (Chronodispersion) und führt zu niedrigen bis ausgefallenen Amplituden [4]. Eine erniedrigte Amplitude des sNAP kann danach sowohl die Folge einer axonalen wie auch demyelinisierenden Läsion sein.
Anhand der Nervenbiopsie von 18 Patienten mit einer diabetischen Polyneuropathie und 5 Gesunden wurde ein Verlust der Dichte myelinisierter Fasern von 150 Faser/mm2 pro 1 μV Amplitude des sNAP berechnet [54].
In dem sehr aufwändigen datengetriebenen Verfahren der ESTEEM (European Standardized Telematic tool to Evaluate Electrodiagnostic Methods) wurden Kriterien zur Differenzierung des demyelinisierenden und des axonalen Läsionstyps unabhängig von einer bestimmten Erkrankung definiert [53]. Als Teil dieser Datenerhebung wurden Kriterien für die Neurografie des N. suralis auf der Basis von 572 Patienten ermittelt ([Tab. 6]).
NLG (m/s) |
Amplitude (µV) |
|
---|---|---|
Demyelinisierend |
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Kein Kriterium |
Beispiel: |
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Axonal
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bis um 23% erniedrigt |
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Beispiel: |
nicht unter 38,5 m/s |
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Unterscheidung durch Neurografie des N. suralis
Da die Neurografie des N. suralis von einem Stimulationsort und zu einem Ableitort ausgeführt wird, gibt es kein Kriterium für einen Leitungsblock. Ein distaler sensibler Leitungsblock und/oder eine erhöhte temporale Dispersion sind bei den erworbenen demyelinisierenden Polyneuropathien häufig. Eine temporale Dispersion ist ein starker Beleg für eine Demyelinisierung ([Abb. 8]). Die ESTEEM-Publikation teilt kein Kriterium für die temporale Dispersion sensibler Nerven mit.
Zur Diagnose einer demyelinisierenden PNP wird von einigen Autoren das Kriterium der Leitgeschwindigkeit empfohlen, die stärker vermindert ist als die durch eine axonale Degeneration verursachte maximal erniedrigte NLG. In Zweifelsfällen wird ein Aufwärmen der Extremitäten in 37 °C warmem Wasserbad über 30 Min empfohlen [32] [33]. Dieses Vorgehen ist, obwohl die Argumente gut nachvollziehbar sind, bisher von keiner zweiten Arbeitsgruppe repliziert worden. Zudem ist ein Aufwärmen auf und anschließendes Konstanthalten bei 37 °C wenig praktikabel.
Neuropathien vom axonalen Typ werden definiert durch eine erniedrigte Amplitude bei gering erniedrigter NLG. Eine Amplitudenminderung kann bei demyelinisierenden Neuropathien durch eine hohe Divergenz der Leitgeschwindigkeiten im Nerv mit Phasenauslöschungen verursacht werden.
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Wie sensitiv unterscheidet die Neurografie des N.suralis den Läsionstyp?
Die Frage soll anhand prototypischer akuter demyelinisierender, chronisch demyelinisierender und axonaler Neuropathien diskutiert werden.
Das Guillain-Barré-Syndrom (akute inflammatorische, demyelinisierende Neuropathie, AIDP) ist neurophysiologisch gekennzeichnet durch eine variable Erniedrigung der NLG mit oder ohne Konduktionsblöcke und temporale Dispersion. Der Höhepunkt der Erkrankung ist definitionsgemäß spätestens 14 Tage nach ihrem Beginn erreicht. Die AIPD ist fast immer eine dominant motorische Neuropathie, weshalb die Untersuchung des N. suralis nicht zur Diagnose beiträgt.
Chronisch demyelinisierende Neuropathien sind neurophysiologisch gekennzeichnet durch eine meist deutliche Erniedrigung der NLG mit oder ohne Konduktionsblöcke und temporale Dispersion. Ein Ausfall des sNAP des N. suralis kann durch Demyelinisierung (Konduktionsblock) wie durch einen axonalen Schaden verursacht sein.
Axonale Neuropathien entstehen mit wenigen Ausnahmen chronisch und verursachen eine fortschreitende Erniedrigung der Amplitude des sNAP. Bei Gesunden ist die Amplitude sehr variabel, siehe Abschnitt Normalwerte. So kann eine axonale Läsion erst bei Unterschreiten niedriger Grenzwerte festgestellt werden. Dann kann im Einzelfall bereits ein deutlicher axonaler Verlust eingetreten sein.
Die Neurografie des N. suralis ist sehr sensitiv bei demyelinisierenden Neuropathien mit Erniedrigung der NLG. Axonale Neuropathien werden erst durch eine Erniedrigung der Amplitude des sNAP unter einen geringen Grenzwert festgestellt.
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Neurografie des N. suralis in der Diagnostik häufiger Neuropathieursachen
Diabetische Polyneuropathie
Die diabetische ist eine axonale, symmetrische, längenabhängige und sensomotorische Polyneuropathie [32]. Die Neurografie des N.suralis ist die sensitivste neurophysiologische Untersuchung [4] [5]. Bei Diabetikern werden asymptomatische Polyneuropathien in bis zu 66% der Patienten gefunden [66]. Das Risiko einer Polyneuropathie ist assoziiert mit der Dauer der Erkrankung, der Höhe des HbA1c und dem Bestehen einer Nephropathie und Retinopathie [55] [56]. Die Ursache der Polyneuropathie bei einem Patienten mit Diabetes ist in ca. 10% eine andere und in ca. 50% gibt es eine zweite Ursache [57].
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Toxische Polyneuropathie
Die toxischen Polyneuropathien sind axonal, symmetrisch, längenabhängig und sensomotorisch. Am häufigsten ist eine Alkoholfolgekrankheit [68] [69] [70] [71] [72].
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Urämische Polyneuropathie
Die urämische Polyneuropathie ist axonal, symmetrisch, längenabhängig und sensomotorisch [57] [58] [59].
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Inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathien
In vier Studien wurden Patienten (N=18, 31, 38, 58) mit einer akuten inflammatorischen, demyelinisierenden Polyneuropathie innerhalb von 4–10 Tagen nach Beginn der Erkrankung untersucht [60] [61] [62] [63]. Der N. suralis wurde in 5–18% der Untersuchten als pathologisch mit reduzierter Leitgeschwindigkeit und Amplitude gefunden.
Ein Sural-sparing-Muster wurde in 39–52% der Patienten beschrieben. Sural-sparing bezeichnet die Diskrepanz zwischen einer „weitgehend“ normalen Amplitude des sNAP des N. suralis gegenüber einer deutlich erniedrigten Amplitude des N. medianus und N. ulnaris. Beobachtet wurde dies anhand des Kriteriums 1 bei ca. 1/3 aller Patienten mit einem Guillain-Barré- Syndrom [64] [65].
Kriterium 1
Erhaltenes sNAP des N. suralis und ausgefallenes sNAP des N. medianus hatte eine Sensitivität von 21,7% und war zu 100% spezifisch für die Diagnose [65].
Kriterium 2
Höhere Amplitudenminderung von N. medianus oder N. ulnaris zu N. suralis (berechneter Quotient)
Dagegen wurde mit Kriterium 2 ein sural-sparing auch bei 5 von 13 Patienten mit einer axonalen Form der akuten Polyneuropathie gefunden [64]. Es bleibt also unklar, ob ein sural-sparing zwischen einer demyelinisierenden und axonalen Form der akuten inflammatorischen Polyneuropathie früh im Krankheitsverlauf unterscheiden kann. Ein sicheres Kriterium im Verlauf ist die Denervierung in der Myografie.
Die chronisch inflammatorische, demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist typischerweise eine motorisch betonte Erkrankung – die Neurografie des N. suralis wird in den Diagnosekriterien nicht erwähnt [66].
Die CIDP kann selten mit isolierten sensiblen Symptomen beginnen und ist dann häufig durch eine afferente Ataxie gekennzeichnet. Dann sind festzustellen:
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eine gering reduzierte Leitgeschwindigkeit
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deutlich geminderte Amplitude bis zum Ausfall des sNAP des N. suralis.
Grund dafür ist, dass die Nervenfasern zu Beginn sehr unterschiedlich betroffen sind und so durch die Dispersion der Leitgeschwindigkeiten (und wahrscheinlich durch sensible Leitungsblöcke) zunächst die Amplituden niedriger werden [67] [68]. Die motorischen Nerven sind von distalen Leitungsblöcken oder axonalen Läsionen betroffen [81].
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Hereditäre Polyneuropathie
Die häufigste hereditäre Neuropathie, die CMT1 (Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung), ist durch eine deutliche Erniedrigung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit gekennzeichnet. Die Demyelinisierung führt zu eine Chronodispersion und erniedrigter Amplitude des sNAP.
Die CMT2 ist eine axonale Neuropathie: Es ist eine erniedrigter Amplitude des sNAP zu erwarten.
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Vaskulitis der peripheren Nerven
Beim Verdacht auf eine Vaskulitis peripherer Nerven ist die Biopsie des N. suralis häufig pathologisch und zur Sicherung der Diagnose indiziert [69] [70] [71]. Der Verdacht ergibt sich aus der Kombination von klinischen Symptomen, einer asymmetrischen, generalisierten Polyneuropathie oder einer Mononeuropathie mit einem axonalen Läsionsmuster motorischer und sensibler Nerven. Der N. suralis dient (neben einem Muskel bei kombinierter Biopsie) als häufigster Biopsie-Nerv [71] (bei isolierter Vaskulitis des peripheren Nerven mangels Alternativen meist unabhängig davon, wie schwer er neurophysiologisch betroffen ist).
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Small-Fiber-Neuropathie
Die Small-Fiber-Neuropathie ist definiert als Verlust von Aδ- und C-Fasern. Die Neurografie des N. suralis sollte normal sein. Eine „gering“ erniedrigte Amplitude des sNAP gilt als mit der Diagnose vereinbar [72].
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Amyotrophe Lateralsklerose
Die diagnostischen Kriterien erwarten normale oder sehr geringe sensible Störungen [73] [74]. Lange bekannt ist, dass sensible Symptome mit Störung des Vibrations- und Lageempfindens sowie der Spitz/Stumpf und Warm/Kalt-Unterscheidung besonders in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung vorkommen können [75] [76]. Der Schädigungstyp des N. suralis ist meist primär axonal [77].
Als Ursache wurden differenzialdiagnostisch Engpasssyndrome diskutiert [78].
In einer prospektiven Multicenter-Studie hatten 6 von 35 Patienten pathologische Befunde in der antidromen N. suralis-Neurografie. Davon hatten 2 Patienten reduzierte Amplituden – an nur einem Bein – und 4 Patienten erniedrigte Leitgeschwindigkeiten, davon 2 Nerven mit einer NLG unter 40 m/s, die anderen darüber [79]. In einer zweiten Studie wurden bei 8 von 18 Patienten mit gesicherter (N=16) bzw. möglicher ALS pathologische antidrome Leitgeschwindigkeiten und Amplituden des sNAP gemessen [80]. Die Autoren argumentieren, dass dies Teil der Pathophysiologie der ALS sei, weil eine Engpassläsion und eine Polyneuropathie nach Anamnese und weiteren Befunden ausgeschlossen worden sei.
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Biopsie
Bei Patienten mit Neuropathien und normaler Neurografie des N. suralis können pathologische Befunde in der Biopsie erhoben werden [81]. Die Klassifikation in normal, axonal, demyelinierend oder unbestimmbar wurde in 63% übereinstimmend zwischen Biopsie und Neurografie gefunden [82].
Bei 20–40% aller Polyneuropathien bleibt deren Ursache ungeklärt [69] [83].
Es besteht Konsens, dass eine Biopsie indiziert ist, wenn bei einer hinreichend schwer oder progredient verlaufenden Polyneuropathie die Diagnose mit anderen Mitteln nicht gestellt werden kann und es eine Behandlungsoption für den Patienten gibt [69] [82]. Aus der Sicht der Ätiologie werden dann zumeist gesucht: eine Vaskulitis des peripheren Nervensystems, eine chronisch inflammatorische, demyelinisierende PNP, eine Amyloidneuropathie [58]. Dagegen sollte bei einem Verdacht auf eine hereditäre Neuropathie zuerst eine genetische Diagnostik erfolgen [83]. Aus der Sicht der Klinik: Bei einem akuten Verlauf mit fehlenden Anhaltspunkten für ein GBS, multifokaler oder asymmetrischer Symptomverteilung hat eine Biopsie eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Ursache zu klären.
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Sonografie
Der diagnostische Wert der Sonografie peripherer Nerven wurde in den letzten Jahren umfangreich untersucht [84]. Die Sonografie des N. suralis ist im Vergleich zu den klinisch relevanten großen motorischen Nerven und wegen seines geringen Kalibers in der Diagnostik von Polyneuropathien von untergeordneter Bedeutung [85] [86].
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SOP: Vorschlag für den Alltag
Zur Qualitätssicherung hat sich die Erstellung von Standard Operating Procedures (SOP) in vielen Bereichen etabliert. SOPs werden zumeist definiert als eine Beschreibung der Abläufe von Vorgängen, der Prüfung von Ergebnissen und deren Dokumentation. In der klinischen Neurophysiologie wurden für viele Untersuchungsmethoden SOPs vorgeschlagen [87] [88].
Die Merksätze dieser Arbeit bilden die Wissensbasis, auf der hier ein Vorschlag in 2 Stufen vorgestellt wird:
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Kurzmethode Wenn eine PNP und ihre Ursache sehr wahrscheinlich sind und die Neurografie zur Bestätigung und Einschätzung von Ausdehnung und Schwere dienen soll.
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Erweiterte Methode Wenn die Erkrankung definitiv gesichert oder der Typ der Nervenläsion mit größerer Sicherheit (z. B. Darstellung einer pathologischen Potenzialdispersion) ermittelt werden soll.
Kurzmethode
Antidrome Neurografie aufgrund der höheren Amplitude des sNAP und der höheren Retest- Reliabilität.
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Voraussetzungen: Informiertes Einverständnis des Untersuchten und Möglichkeit. Ödeme, traumatische Läsionen etc. können eine bewertbare Messung verhindern.
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Untersuchung im Liegen – Bauchlage oder Seitenlage mit unterstütztem Unterschenkel ([Abb. 1]).
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Oberflächenelektroden, Abstand Stimulations-Ableitort: 15 cm ([Abb. 1]), Messparameter nach [Tab. 1], Geringer Übergangswiderstand, ggf. durch Hautreinigung mit Alkohol oder abrasiver Paste. Ein Messen des Übergangswiderstands ist nicht erforderlich.
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Erdelektrode zwischen Stimulations- und Ableitort mit gutem Übergangswiderstand.
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Supramaximale Stimulation. Bestimmung der sensiblen Schwelle. Eine supramaximale Stimulation ist erreicht, wenn bei weiterer Erhöhung der Reizstärke die Amplitude nicht zunimmt. Dies ist typischerweise beim 3–4-fachen der sensiblen Schwelle der Fall. Reizdauer: 0,2 ms. Reizblock mit Elektroden von 1 cm Durchmesser im Abstand von 2,5 cm.
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Reizartefakt. Bei hohem oder lange ausschwingendem Reizartefakt wird die Bestimmung von Latenz und Amplitude erschwert oder falsch. Abhilfe: Kontrolle der Übergangswiderstände, feuchte Haut trocknen. Wenn dies nicht ausreicht, kann die Reizdauer auf 0,1 ms verkürzt werden und/oder eine Reizung mit bipolarer Stimulationsform versucht werden.
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Temperatur am Außenknöchel ≥ 30 °C. Die NLG sinkt bei Gesunden linear mit der Temperatur. Wenn sie pathologisch ist oder Verlaufsuntersuchungen geplant werden, muss aufgewärmt werden. Dazu sind Kontaktwärme, warmes Wasser oder Gel-Packs besser geeignet als Rotlicht, weil tiefer im Bein erwärmt wird.
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Immer an beiden Beine messen, weil es anatomisch und methodisch bedingt deutliche Seitenunterschiede geben kann.
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Normalwerte (Amplituden peak-to-peak):
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unter 40 Jahre NLG>42 m/s; Amplitude>10 µV
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über 40 Jahre NLG>40 m/s; Amplitude>8 µV
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Wenn die Amplitude des sNAP unter dem Normalwert ist, dann Messwiederholung mit einem Abstand Reiz- zu Ableitort von 10 cm. Die Amplitude im 10 cm Abstand sollte um mindestens 12% höher sein als beim 15 cm Abstand (explorative Daten).
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Erweiterte Methode
Kurzmethode PLUS
Kurzmethode PLUS Orthodrome Neurografie, aufgrund der genaueren Bestimmung der Leitzeit und höheren Auflösung der Amplitude des sNAP.
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Nadelelektrode platziert nahe am Nerv, 15 cm proximal des Reizorts am Außenknöchel (Oberflächenelektroden). Die Lage der Nadelelektrode wird optimiert bis mit einer Reizstärke unter 1 mA eine sensible Empfindung am Fußaußenrand angegeben wird. Geeignet sind sterilisierbare Nadelelektroden von 2–3 cm Länge, einer Dicke von 0,7 mm und einer Isolierung, die 3 mm an der Spitze frei lässt, oder Akupunkturnadeln als Einmalmaterial. Letztere haben den Nachteil, dass sie flexibel sind und deshalb nur schwierig exakt platziert werden können.
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Normalwerte (Amplituden peak-to-peak):
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unter 40 Jahre NLG>42 m/s Amplitude>7 µV
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über 40 Jahre NLG>40 m/s Amplitude>5 µV
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Helmut Buchner, Recklinghausen.
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Die Neurografie des N. suralis hat große Bedeutung bei der Diagnose von Polyneuropathien.
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Es sind die orthodrome und antidrome Technik mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen etabliert. Die Near-nerve-Technik erfasst pathologische Messwerte sensitiver als die Standardtechniken.
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Die Normalwerte der NLG und die Amplitude des sNAP sind deutlich vom Lebensalter abhängig.
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Die NLG des N. suralis hängt von der Körpertemperatur ab. Ein „Hochrechnen“ kann zu falsch normalen Werten führen. Temperatur am Außenknöchel: mind. 30 °C.
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Die Retest-Messung der zeigt in einer explorativen Untersuchung unter besten Wiederholungsbedingungen Abweichungen von im Mittel 5 bzw. 7% für die NLG und 20 bzw. 40% für die Amplitude des sNAP (erster Wert antidrom – zweiter orthodrom).
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Eine unerwartet niedrige Amplitude des sNAP kann durch eine anatomische Variante des N. suralis verursacht sein.
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Gründe für eine Veränderungen der NLG und der Amplitude des sNAP: Demyelinisierung, Leitungsblockierungen, reduzierter Faserdurchmesser, disproportionale Änderung der Faserzusammensetzung, axonaler Verlust.
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Zur Typisierung pathologischer Befunde liegen die Daten der ESTEEM-Studie vor. Demyelinisierende Neuropathien: erniedrigte NLG, temporale Dispersion (starker Beleg); axonale Neuropathien: erniedrigte Amplitude bei gering erniedrigter NLG.
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Die Neurografie des N. suralis ist sehr sensitiv bei demyelinisierenden Neuropathien mit Erniedrigung der NLG. Axonale Neuropathien werden erst durch eine Erniedrigung der Amplitude des sNAP unter einen geringen Grenzwert festgestellt.
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Vorgeschlagene SOP:
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Kurzmethode: Zur Bestätigung einer PNP und ihrer Ursache sowie zur Einschätzung von Ausdehnung und Schwere.
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Erweiterte Methode: Zur sicheren Ermittlung des Läsionstyps bei definitiver Erkrankung.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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