Podcasts
Bei einem Podcast handelt es sich um eine oft wöchentlich oder monatlich
aktualisierte Serie von Audio-Dateien, die über das Internet bezogen und auch
abonniert werden kann. Die Bezeichnung Podcast setzt sich als Kofferwort zusammen
aus Bestandteilen von „iPod“ (bekannter MP3-Player, der Audio-Dateien abspielt) und
„Broadcasting“ (Verbreiten einer Radiosendung). Heute werden Podcasts eher auf dem
Smartphone gehört. Während Webvideos und Webinare auch visuelle Aufmerksamkeit
verlangen, können Podcasts, die nur auditive Aufmerksamkeit erfordern, noch besser
nebenbei genutzt werden. Nachteilig am Podcast-Format ist jedoch, dass man auf der
linearen Tonspur nicht querlesen kann und somit für die typischerweise 30- bis
90-minütigen Episoden entsprechend viel Zeit und Geduld mitbringen muss.
Der Begriff „Podcast“ wurde 2004 geprägt. Seitdem haben sich Podcasts immer stärker
verbreitet. Sie werden von Radiosendern, aber auch privaten Internetnutzenden
angeboten und behandeln ein breites Spektrum an Themen. Anleitungen zur
Podcast-Produktion finden sich online und in Buchform (z. B. [Hagedorn 2016]). Es existieren diverse
Online-Portale, auf denen man nach Podcasts suchen und diese auch abonnieren kann,
allen voran der internationale iTunes-Store (https://www.apple.com/de/itunes/podcasts/), der nur mit der
entsprechenden kostenlosen iTunes-Software nutzbar ist, sowie das deutschsprachige
Podcasting-Portal Podcast.de (https://www.podcast.de/). Auch Online-Musikstreaming-Dienste wie
Spotify (https://www.spotify.com/de/), SoundCloud (https://soundcloud.com/) und
Deezer (https://www.deezer.com/de/) und Online-Radio-Plattformen wie
Stitcher (https://www.stitcher.com/) halten Podcasts bereit. Zudem werden
Podcasts oft auf eigenen Websites veröffentlicht und können mit der
Suchbegriffskombination „[Thema] Podcast“ über Suchmaschinen wie Google gefunden
werden.
Sexpodcasts
Auf Podcast.de werden rund 50 und im iTunes-Store mehr als 100 Podcasts zum Thema Sex
angeboten. Die meisten Sexpodcasts sind kostenlos nutzbar, denn sie werden durch
Spenden, Werbung und Sponsoring finanziert und dienen den Podcaster_innen zudem zu
Marketing-Zwecken (z. B. für ihre Bücher, Beratungsangebote oder Bühnenshows).
Sexpodcasts gehören laut iTunes-Charts (http://www.itunescharts.net/ger/) regelmäßig zu den meistgehörten
deutschsprachigen Podcasts.
Im Folgenden werden vier Gruppen von Sexpodcasts vorgestellt und in ihrer Bedeutung
für die Fortbildung von Fachkräften diskutiert: Sexpodcasts von und für den
sexuellen Mainstream, Sexpodcasts von und für sexuelle Minoritäten, journalistische
Sexpodcasts und schließlich sexologische Sexpodcasts. Zu allen vier Gruppen werden
exemplarisch jeweils fünf besonders populäre Angebote herausgegriffen.
Berücksichtigt werden dabei nur deutsch- und englischsprachige Sexpodcasts, die
aktuell regelmäßig neue Episoden veröffentlichen und von denen bereits mindestens 20
Episoden vorliegen.
Sexpodcasts von und für den sexuellen Mainstream
Zu den bekannten deutschsprachigen Podcasts, die primär aus der Perspektive von
Privatpersonen aus dem sexuellen Mainstream (d. h. heterosexuell, cisgender) das
Thema Sex behandeln, gehören „Beste Freundinnen“, „Besser als Sex“, „Oh, Baby!“ und
„Sex Tapes“. Der reichweitenstärkste englischsprachige Sexpodcast dieser Gruppe
heißt „Guys we f****d“.
„Beste Freundinnen“
In ihrem Sexpodcast „Beste Freundinnen“ (https://beste-freundinnen.podigee.io/) betrachten Max und Jakob
(beides Pseudonyme) in über 90 Episoden das Sexual- und Liebesleben aus
dezidiert männlicher, heterosexueller Perspektive: „Warum Mann trotz Beziehung
Bock hat mit anderen Frauen zu schlafen“, „Warum Männer One-Night-Stands so toll
finden“ oder „Wenn der Lachs schlaff im Netz hängt“ lauten aktuelle
Episodentitel. Es geht ganz häufig um vermeintlich typische
Geschlechterunterschiede beim Flirten und beim „Bimsen“, was einerseits
Identifikationspotenzial bietet („Das kennt jeder Mann“), andererseits oft
klischeehaft wirkt. Die betonte Selbstironie („Beim Aufnehmen dieser Folge
mussten wir mehrmals lüften, um unsere aufgeblasenen Egos rauszulassen“) mögen
manche witzig, andere eher aufgesetzt finden.
Während Max mit festem Job, Freundin und Kind im Reihenhaus lebt, ist Jakob
Single, karriereorientiert und hat gerade sein Psychologiestudium abgeschlossen.
Beide sind schon lange gut befreundet und schreiben auch Bücher ([Max und Jakob 2017], [2019]). Sie haben den Anspruch, ehrliche Einblicke in „männliches
Denken“ über Sexualität (einschließlich „Machogebärden“) zu bieten, über das man
sich aufregen könne, das aber eben – nach ihrer Erfahrung – weit verbreitet
sei.
„Besser als Sex“
Der Sexpodcast „Besser als Sex“ (https://podtail.com/de/podcast/das-neue-sexvergnugen) – früherer
Name: „Sexvergnügen“ (https://podtail.com/de/podcast/sexvergnugen/) – bringt es seit
2016 auf insgesamt knapp 80 Episoden. Leila Lowfire (auch als Nacktmodell tätig)
und Ines Anioli (früher Radiojournalistin, heute YouTuberin) unterhalten sich
ganz offen über eigene sexuelle Erfahrungen sowie die ihrer Freundinnen und
gehen auf Hörer_innenfragen ein. „Wie lange sollte Sex dauern?“, „Was ist so
geil an Fisting?“, „Ist es okay die Ex meines Freundes zu bumsen?“ heißen
einzelne Folgen. Dieser Sexpodcast widersetzt sich tradierten
Geschlechtsrollenerwartungen an weibliche sexuelle Zurückhaltung mit bewusst
vulgärem Sound, Spaß an Provokationen und sexuellen Protzereien und nicht
zuletzt schamlosem Exhibitionismus. Auch wenn beide Podcasterinnen Bisexualität
erkunden, liegt der Fokus meist auf Lust und Last mit dem Heterosex.
Der Podcast polarisiert das männliche Publikum: Die einen (z. B. [Rocket Beans TV 2018]) stören sich an seiner
Geschmacklosigkeit, Niveaulosigkeit und der Objektifizierung von Männern, über
deren mangelnde sexuelle Talente und defizitäre „Schwänze“ ausgiebig gelästert
wird („Und dann schiebt dieser Italiener seine Spaghetti in mich rein, für so
zehn, zwanzig Sekunden, und kommt“). Die anderen (z. B. [Steinkuhl 2017]) loben seine Ehrlichkeit,
Tabulosigkeit und den hohen Unterhaltungswert. Auch aus weiblicher und
feministischer Perspektive ist die Herangehensweise zwiespältig: Die
auftrumpfende Art der beiden Podcasterinnen kann inspirierend, empowernd und
befreiend wirken (etwa wenn die eigenen Genitalien als „große Schatzkiste“
gefeiert werden), aber auch effekthascherisch, anbiedernd und kommerziell („Wir
sind zwei heiße Muschis, die kein Blatt vor den Mund nehmen, und wir reden übers
Ficken“). Ebenso wie „Beste Freundinnen“ gehört „Besser als Sex“ laut
iTunes-Charts (http://www.itunescharts.net/ger/) aktuell zu den Top 30 der
meistgehörten deutschsprachigen Podcasts.
„Oh, Baby!“
Der Sexpodcast „Oh, Baby!“ (http://www.ohbaby-podcast.de/) umfasst mehr als 50 Episoden, in
denen laut Selbstbeschreibung „Isabel und ihre Freundinnen“ auf der Suche nach
besserem Sex sind. Denn weder Isabel, die in glücklicher Beziehung mit Freund
und gemeinsamem Kater am Münchner Stadtrand lebt, noch ihre Single-Freundinnen
haben offenbar automatisch das tolle Sexleben, von dem sie träumen. Also nehmen
sie das Publikum mit auf Streifzüge durch Bars, Dating-Apps und Cafés, sprechen
mit Freund_innen, Fremden und Fachleuten wie etwa der Wiesbadener Frauenärztin
Dr. Sheila de Liz. Der Podcast ist relativ aufwändig produziert und
geschnitten.
Inhaltlich geht es um Fragen wie „Das Vorspiel – wichtig oder überbewertet?“,
„Selbstbefriedigung: Wie wir es uns am liebsten machen“, „Unsere Sexfantasien –
Wilde Orgien oder romantisch am Strand?“. Isabel und ihr Partner äußern sich
selbst sehr persönlich. Zudem kommen Zuhörer_innen zu Wort, die Text- und
Sprachnachrichten per WhatsApp oder über die Upspeak-App
(https://www.upspeak.de/de/communities/ohbaby) einreichen. Auf
diese Weise wird ein breites Spektrum an intimen Erfahrungen geteilt, seien es
Erinnerungen an die ersten Selbstbefriedigungsversuche oder Details aus den
eigenen Lieblingsmasturbationsfantasien. In der Episode „Sex, der dein Leben für
immer verändert“ berichten Isabel und ihr Freund darüber, wie sie von ihrer
aktuellen Schwangerschaft erfuhren. Ein Zuhörer schildert seinen ersten Sex mit
einem Mann, bei dem ihm plötzlich sein Schwulsein bewusst wurde. Eine Zuhörerin
erzählt von ungeschütztem Sex, in dessen Folge sie aufgrund einer zunächst
unentdeckten Chlamydien-Infektion unfruchtbar wurde.
Im Vergleich zu „Besser als Sex“ wirkt dieser Sexpodcast deutlich bodenständiger,
manchmal gar etwas betulich und bieder. Wenn der Podcast beispielsweise Ausflüge
in die Welt der Online-Fetische oder der Online-Sexarbeit unternimmt, dann fällt
das für die Macherin ausdrücklich nicht unter das normale Spektrum sexueller
Vielfalt, sondern es wird normierend dazugesagt, dass diese Themen „nichts für
schwache Nerven“ seien, dass es hier um die „Abgründe des Internets“ und um das
„krasseste ‚Oh, Baby‘-Interview“ gehe.
„Sex Tapes“
Die lebenslustigen Berlinerinnen und guten Freundinnen Lili und Lotte (reale
Vornamen) erkunden in ihrem Sexpodcast „Sex Tapes“ (https://sextapes-podcast.de/)
in bislang rund 20 Episoden diverse Aspekte des Sexuallebens, sei es Analsex mit
Penetration des Mannes, Sex während der Menstruation oder feministische
Pornografie. Die beiden Podcasterinnen sind unverkennbar akademisch gebildet.
Guter Sex ist für sie „Resonanz-Sex“ im Sinne der Resonanztheorie des Soziologen
Hartmut Rosa ([Rosa 2016]). Wenn sie vom ersten
Besuch einer Sexparty berichten, dann scheint ihr Erleben in erster Linie nicht
von Geilheit, sondern von ethnografischer Neugier geprägt. Lustvoll und sinnlich
wird es indessen in der Episode „Was ist dein Muster im Bett?“, in der sie sich
detailliert ihre sexuellen Vorlieben erzählen und dabei das jeweils individuelle
sexuelle Skript unter Lachen und Staunen schrittweise durchgehen. Ihre
Sexpodcast-Philosophie erklären sie im Interview mit dem Podcast
„Viertausendhertz“ (https://viertausendhertz.de/frq21/?utm_source=sextapes-podcast.de).
Diskussion zu Sexpodcasts von und für den sexuellen Mainstream
Die hier vorgestellten reichweitenstärksten deutschsprachigen Sexpodcasts
bedienen insofern den Mainstream, als sie fast durchgängig von jungen, weißen,
cisgender und heterosexuell identifizierten Erwachsenen betrieben werden. Es
sind in der Regel mindestens zwei Personen am Mikrofon, die sich gegenseitig
befragen, kommentieren und zuweilen widersprechen. Typisch ist auch, dass alle
Podcaster_innen sehr persönliche Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben teilen. Mit
Ausnahme der Macherinnen von „Besser als Sex“, die als Nacktmodell und
Journalistin bereits anderweitig in der Öffentlichkeit standen, bleiben alle
anderen oben genannten Sexpodcaster_innen aus Deutschland bewusst anonym.
Das englischsprachige Angebot an Sexpodcasts von und für den Mainstream ist um
ein Vielfaches größer, weist aber eine ähnliche Machart auf. Der führende
Sexpodcast aus den USA heißt „Guys we f****d“ (https://soundcloud.com/guyswefucked) und stammt von Corinne
Fisher und Krystyna Hutchinson. Die Podcasterinnen teilen in bislang 250
Episoden sexuelle Erfahrungen und plaudern mit Männern, mit denen sie Sex
hatten. Sie kritisieren gesellschaftliche Verhältnisse rund um Sexismus,
sexuelle Doppelmoral und sexuelle Gewalt. Da beide auch als Comedy-Duo
auftreten, stellt der Podcast eine Mischform aus Erfahrungsbericht und
Unterhaltungsshow dar. Viele ihrer Sexpartner, die ebenfalls aus der
Entertainment-Branche stammen, sind am Mikro ganz unbefangen. Der Impetus des
Sexpodcasts ist ausdrücklich feministisch, es geht um Anti Slut-Shaming.
Die Podcasterinnen haben inzwischen auch ein Buch veröffentlicht ([Fisher und Hutchinson 2017]). Ihre Philosophie
erklären sie im Interview mit dem YouTube-Kanal „BUILD“ (https://www.youtube.com/watch?v=aVa5rfx6U-o).
Alle genannten Sexpodcaster_innen, die sich primär als Privatpersonen mit ihren
sexuellen Erfahrungen zeigen, kritisieren das mangelnde Sprechen über
authentische sexuelle Erfahrungen und möchten dieses Schweigen brechen. Sie
treffen damit teils auf Kritik oder sogar auf Hass. Insbesondere die Frauen, die
sich öffentlich sexuell explizit äußern, erhalten regelmäßig Beschimpfungen und
Gewaltdrohungen. Sie stoßen aber auch auf großes Interesse beim Publikum, das
sich seinerseits nicht selten mit Erfahrungsberichten und sexuellem
Beratungsbedarf an die Podcaster_innen wendet.
Für Fachkräfte im Bereich sexueller Gesundheit bietet diese Gruppe von
Sexpodcasts reichhaltiges zeitgenössisches Material zu sexuellen Erfahrungen,
Fragen und Ausdrucksweisen junger, überwiegend urbaner und akademisch gebildeter
Mainstream-Erwachsener, darunter mehrheitlich Frauen. Diese sexuell aktive
Zielgruppe schafft sich in Sozialen Medien offenbar im Zuge von
Peer-to-Peer-Kommunikation über Sexpodcasts selbst Aufklärungsressourcen, da
hier eine Versorgungslücke besteht: Die professionelle Sexualpädagogik, die über
Schulen stattfindet, fokussiert traditionell auf das Jugendalter und erreicht
Erwachsene kaum. Und im Unterschied zu den Infrastrukturen von und für sexuelle
Minoritäten bestehen für den Mainstream weniger Anlaufstellen und Foren für
dezidiert sexualbezogenen Austausch und sexuelle Bildung. In der praktischen
Arbeit können Fachkräfte ausgewählte Sexpodcasts oder auch einzelne Episoden
ihrer Klientel als Denk- und Gesprächsanstöße empfehlen. Zudem bietet sich durch
die bereits stattfindende Zusammenarbeit von Fachleuten wie Ärzt_innen,
Psycholog_innen oder Pädagog_innen mit Sexpodcast die Möglichkeit,
Aufklärungsbotschaften an diese Zielgruppe zu richten.
Sexpodcasts von und für sexuelle Minoritäten
Wer Sexpodcasts von und für sexuelle Minoritäten und Szenen sucht, stößt vor allem im
englischsprachigen Raum auf ein breit gefächertes Angebot, aus dem hier fünf
Beispiele herausgegriffen seien:
-
Im Sexpodcast „Polyamory Weekly“ (http://polyweekly.com/category/podcast/) behandelt die
Aktivistin Cunning Minx mit ihrem Moderationsteam seit 2005 Fragen rund um
Polyamorie und konsensuelle Nicht-Monogamie. In den inzwischen mehr als 550
Folgen geht es beispielsweise um Hierarchien und Machtverhältnisse in
Poly-Beziehungen, um den Umgang mit Eifersucht oder um Erfahrungen in der
Swinger-Szene.
-
„Proud to be Kinky“ (https://proudtobekinky.libsyn.com/podcast) ist ein
Sexpodcast mit über 70 Folgen aus der BDSM-Szene. Er wird von einer kleinen
Freundesgruppe betrieben, darunter das Pärchen Viv und Blue Ben sowie Bakji
Ben und Floss_84 (Eleanor). Thematisiert werden unter anderem
szenespezifische Fragen der Partner_innensuche, die Aushandlung von
dominanten und submissiven sexuellen Rollen und von Konsens, Dos and Don’ts
der Fetisch-Szene sowie Coming-out-Prozesse.
-
Der Sexpodcast „Talk about Gay Sex“ (http://talkaboutgaysex.libsyn.com/) von Steve V. Rodriguez,
Jeremy Ross Lopez und Steve Carpenter widmet sich in bislang rund 70 Folgen
der schwulen Szene, etwa der Partnersuche über Dating-Apps,
One-Night-Stands, HIV- und STI-Prävention, schwuler Pornografie und
Sexarbeit. Episode 50 trägt den Titel „Why the f*ck won’t he text me back?“
und behandelt das Problem, dass manche Männer sich sogar nach dem
gelungensten Date und heißesten Sex einfach nicht mehr zurückmelden und
damit Ratlosigkeit und Frustration hinterlassen.
-
Mit „QueerWOC“ (http://queerwoc.com/) schaffen Money und Nikeeta, die sich
als schwarze queere Frauen vorstellen, einen Raum für den Austausch von
queeren Women of Color (WOC), die ihre Fragen, Themenwünsche und
Kommentare einreichen können. Der Podcast umfasst rund 50 Folgen und
behandelt Dating-Dilemmata, Beziehungsprobleme, Sexpositionen und Sextoys.
Öfter aber geht es um Fragen der queeren Identitätspolitik im Zusammenhang
mit aktuellem und historischem Rassismus.
-
Im „Queer Sex Ed Podcast“ (http://www.QueerSexEd.org/) wollen Sara und Jay
Sexualaufklärung von und für die Queer-Community bieten. Dabei
repräsentieren beide selbst Queerness auf vielen Ebenen gleichzeitig: Sie
identifizieren sich als genderqueer (nämlich als femme non-binary)
und als trans*: Sara als Transfrau, Jay als trans-maskulin. Sie leben
konsensuelle Nicht-Monogamie bzw. Polyamorie und praktizieren BDSM. Ihre
Sexual- und Beziehungspartner_innen sind typischerweise ebenfalls queer
identifiziert. Sara lebt zudem mit psychischen und physischen Behinderungen
und stellt fest, dass weiße Hautfarbe die einzige Gruppenidentität ihrer
Person konstituiert, die nicht mit Ausgrenzung, sondern mit Privilegien
verbunden ist. In mehr als 30 jeweils ein- bis zweistündigen Episoden werden
Fragen zu sexueller Gesundheit, Beziehungen, queeren Identitäten, BDSM und
Polyamorie auf sehr hohem theoretischen und sprachlichen Niveau und mit
politischem Anspruch durchdiskutiert. Es geht um Heteronormativität ebenso
wie um Sextoys, um Trans-Dating und Sex-Positivität, um Untreue und ethische
Kommunikation.
Für Fachkräfte besteht der Fortbildungswert dieser Angebote in dem Einblick in die
Sichtweisen, Anliegen und Fragen der jeweiligen Szenen und Communitys – wobei
natürlich Inhalte von Sexpodcasts aus dem angloamerikanischen Raum jeweils auf die
kulturellen und rechtlichen Verhältnisse in Deutschland zu übertragen sind.
Fazit
Die im vorliegenden Praxisbeitrag präsentierten 20 Sexpodcasts bringen es zusammen
auf mehr als 2 700 Episoden. Würde man diese nonstop durchhören, wäre man länger als
ein Vierteljahr beschäftigt. Die Sexpodcasts sind somit erfolgreich in ihrem
Anliegen, das Schweigen über sexuelles Erleben zu brechen. Ihre Inhalte sind
vielfältig und besonders dann überzeugend, wenn authentische sexuelle Erfahrungen
detailliert und reflektiert besprochen werden, wenn sie neue Sach- und
Fachinformationen über unsere zeitgenössische sexuelle Kultur vermitteln und dabei
auch Tipps zu weiterführenden Quellen bieten. Bemerkenswert ist, dass die
Sexpodcast-Szene stark weiblich geprägt ist und oft feministische Perspektiven
einbringt. Von den 20 vorgestellten Sexpodcasts werden 14 allein von Frauen
betrieben, an vier wirken Frauen mit und nur zwei stammen allein von Männern.
Generell wird beobachtet, dass Frauen verstärkt das Podcast-Format nutzen, um
persönliche Geschichten – auch jenseits von Sexualität – öffentlich zu machen ([McHugh 2017]).
Insgesamt ist das Feld der Sexpodcasts unübersichtlich und boomend. Es braucht etwas
Zeit, sich zu orientieren und individuell passende Angebote auszuwählen. Neben den
inhaltlichen Schwerpunkten und der technischen Tonqualität mögen auch die Klangfarbe
der Stimme und das sexuelle Vokabular der Podcaster_innen wichtige Auswahlkriterien
sein. Denn durch die relativ lange Spieldauer und die Nutzung über Kopfhörer
vermitteln Podcasts ein recht intimes Hörerlebnis. Ein Podcast-Abo kann dazu
animieren, sich regelmäßig mit bestimmten Themen zu befassen und somit
weiterzubilden.
Die Nutzung von Podcasts mag zudem dazu anregen, ein eigenes Sexpodcast-Projekt zu
starten. Wie bei allen Social-Media-Projekten kommt es aber auf ein tragfähiges,
langfristiges Konzept für wöchentliche Folgen und eine ausreichend gute technische
und organisatorische Umsetzung einschließlich Betreuung von Publikumsanfragen an
([Hagedorn 2016]). Sehr viele Sexpodcasts, auf
die man bei Recherchen stößt, sind inzwischen längst nicht mehr aktiv. Umso
anerkennenswerter sind Projekte, die seit Jahren laufen. So beantwortet der
Sex-Kolumnist und Aktivist Dan Savage seit 2006 wöchentlich sexualbezogene
Publikumsfragen in seinem Podcast „Savage Lovecast“ (https://www.savagelovecast.com/). Sexualwissenschaftliche Studien zu
Sexpodcasts, ihren Inhalten, Betreiber_innen, Hörer_innen und Wirkungen stehen
bislang aus.