Grundlagen
Bei Einleitung einer nicht-invasiven Beatmung (NIV) ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob diese im Rahmen einer akuten respiratorischen Insuffizienz oder zur Therapie einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz erfolgt. Der Einsatz der NIV ist in der akuten Anwendung mit einer Reduktion Tubus-assoziierter Komplikationen verbunden [1]
[2] und trägt bei chronisch hyperkapnischen Patienten mit erschöpfter Atempumpe zu einer Verbesserung der Langzeitüberlebens bei [3]
[4]. Entscheidend für den Erfolg der NIV – insbesondere bei akutem respiratorischen Versagen – ist neben der Indikationsstellung die richtige Anwendung in einem erfahrenen Team.
Wann NIV – und wann nicht?
Wann NIV – und wann nicht?
Indikationen
Insbesondere bei akut exazerbierter COPD (Chronic obstructive pulmonary disease) und OHS (Obesitas-Hypoventilations-Syndrom) mit hyperkapnischem Atemversagen (pH < 7,35) sowie beim Lungenödem stellt die NIV die Therapie der Wahl dar. [Abb. 1] zeigt eine BGA mit typischer Konstellation für eine akute hyperkapnische respiratorische Insuffizienz.
Abb. 1 BGA.
Die Vorteile ergeben sich durch eine Reduktion der Intubationsrate und der Mortalität. Dabei liegt die NNT – abhängig von der Indikation – bei 5 – 13 bzw. 16 [2]. Weiterhin ist die NIV Therapie der Wahl bei hyperkapnischen Patienten zur Prävention des Extubationsversagens und im Weaning [1]
[3].
Eine detaillierte Darstellung zum Einsatz der NIV bei akuter und chronischer respiratorischer Insuffizienz findet sich in den entsprechenden Leitlinien [1]
[3]
[5]
[6].
Die nicht-invasive Beatmung reduziert Tubus-assoziierte Komplikationen, die Rate der Intubationen und die Mortalität.
Kontraindikationen
Als solche gelten: nicht-hyperkapnisch bedingtes Koma, fehlende Spontanatmung, Schnappatmung, Verlegung der Atemwege (fixiert oder funktionell), eine gastrointestinale Blutung oder ein Ileus. Demgegenüber sind das hyperkapnisch bedingte Koma, eine schwergradige Hypoxämie, eine Azidose (pH < 7,1), eine hämodynamische Instabilität (kardiogener Schock, Myokardinfarkt), anatomische und/oder subjektive Interface-Inkompatibilitäten und ein Z. n. oberer gastrointestinaler OP nur relative Kontraindikationen [1].
Die NIV sollte bei nicht-hyperkapnischem Koma, verlegtem Atemweg, gastrointestinaler Blutung oder einem Ileus nicht angewandt werden.
Schritt 1: Auswahl des Equipments
Schritt 1: Auswahl des Equipments
Das adäquate Equipment zur raschen und effektiven Durchführung der NIV ist essentiell; hierzu bedarf es eines geeigneten Interfaces, eines für die NIV zugelassenen Beatmungsgerätes und je nach Bedarf einer Sauerstoffquelle zwecks Zumischung von Sauerstoff bei Hypoxämie [1].
Als Beatmungsgeräte können Intensivrespiratoren mit NIV-Modus zum Einsatz kommen, vorzugsweise sollten aber Leckagegeräte ohne aktive Ausatemventilsteuerung eingesetzt werden. Diese müssen während der Expiration eine kontinuierliche Mindestleckage und damit einen Mindest-EPAP zur Totraumauswaschung gewährleisten. Bei Einsatz von Geräten mit Ventilsteuerung kann auch ein EPAP von Null eingestellt werden. Sofern die NIV längerfristig eingesetzt wird, ist eine zusätzliche Atemgasbefeuchtung empfehlenswert ([Abb. 2]).
Abb. 2 Respirator, MNM, Sättigungsclip.
Bei Zumischung von Sauerstoff sollte eine Sauerstoffsättigung in einem Bereich von 88 – 92 % angestrebt werden [6].
Bei akutem Einsatz der NIV ist die Nasen-/Mundmaske [1]
[7]
[8] das Interface der Wahl, bei hypoxämischer ARI kann der Beatmungshelm eine Alternative darstellen [9].
Bei länger dauernden Beatmungsintervallen im Akuteinsatz kann ein Wechsel zwischen verschiedenen Maskentypen, einschließlich Ganzgesichtsmasken, speziell zur Vermeidung von druckbedingten Hautschäden durch das Interface sinnvoll sein.
Schritt 2: Einstellung des Respirators
Schritt 2: Einstellung des Respirators
Bei akuter respiratorischer Insuffizienz ist vorzugsweise eine Positivdruckbeatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung zu wählen. Diese wird mit einem PEEP, einer Sicherheits-Atmungsfrequenz zum Apnoe-Schutz und bedarfsweise einer Sauerstoffgabe zur Sicherstellung einer Sauerstoffsättigung kombiniert [1]
[6]. Initial und bei agitierten Patienten ist ein assistierter Beatmungsmodus zu wählen. Dieser begünstigt die Synchronisation des Patienten mit dem Ventilator.
Die Beatmungseinstellung ist an die pathophysiologischen Besonderheiten der zugrundeliegenden Erkrankungen anzupassen ([Abb. 3]). So empfehlen sich folgende I/E-Verhältnisse bzw. In- und Expirationszeiten bei COPD: I:E mindestens 1:2 bis 1:3, Inspirationszeit 0,8 – 1,2 s, bei neuro-muskulären, restriktiven Erkrankungen und OHS: I:E 1:1 und Inspirationszeiten 1,2 – 1,5 s). Bei OHS – und gegebenenfalls bei schwerer Kyphoskoliose – sollte der expiratorische Druck eher höher eingestellt werden, mit EPAP-Werten bis zu 8 hPa [1]
[6]
[10]
[11].
Abb. 3 Display mit Beatmungseinstellung.
Schritt 3: Sicherstellung einer adäquaten personellen Betreuung mit Möglichkeit zur Intubation bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Schritt 3: Sicherstellung einer adäquaten personellen Betreuung mit Möglichkeit zur Intubation bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Während der anstehenden Adaptation des Patienten an die Maske und die NIV wie auch im weiteren Verlauf besteht ein hoher Personalbedarf mit einem 1:1-Verhältnis von Patient und Therapeut bzw. Pflegekraft. Darüberhinaus erfordert der Einsatz der NIV bei respiratorisch instabilen Patienten in der Akutphase ein in der NIV-Anwendung erfahrenes Team, da jederzeit bei weiterer Verschlechterung gewährleistet sein muss, dass rasch eine Intubation durchgeführt werden kann [1]
[6]. Entsprechend sollte das Equipment für eine Intubation und invasive Beatmung zur Verfügung stehen ([Abb. 4]).
Abb. 4 Ambubeutel, Laryngoskop, Tubus, invasives Beatmungsgerät.
Schritt 4: Anpassung des Patienten an Maske und NIV
Schritt 4: Anpassung des Patienten an Maske und NIV
Informieren Sie den Patienten vorab über das weitere Vorgehen und die wesentlichen Grundzüge der NIV, um Angst und Panik unter der Maske, insbesondere bei initial als unangenehm empfundenen oder zu hohen Therapiedrucken sowie bei Auftreten von Maskenleckagen, zu vermeiden. Leiten Sie die Beatmung vorzugsweise und insbesondere bei adipösen Patienten halbsitzend ein [1]
[6]. Halten Sie zunächst die Maske an die Nase bzw. an Mund und Nase, schließen dann die Beatmung an. Bei guter Toleranz: Anschließen der Haltebänder ([Abb. 5]). Achten Sie im Rahmen der Adaptation an die Beatmung auf eine Synchronizität von Patienten und Respirator. Bei stark agitierten Patienten ist eine Sedierung mit Morphin oder kurz wirksamen Tranquilizern möglich (Ziel: Rass-Score 0 bis − 1 oder Ramsey-Score 2), bedarf aber eines engmaschigen Monitorings [1]
[6].
Abb. 5 Vorhalten der Maske, Anschließen der Maske.
Schritt 5: Monitoring
Das Risiko eines NIV-Versagens steigt bei akuter respiratorischer Insuffizienz mit der Schwere der Hypoxämie bzw. der respiratorischen Azidose. Führen Sie eine engmaschige klinische Kontrolle des Patienten und der Sauerstoffsättigung durch [1]
[6]
[10]
[11]. Überprüfen Sie wiederholt den Maskensitz und das Auftreten von Leckagen; umfahren Sie die Maske mit der Hand und überprüfen Sie das mögliche Entweichen von Luft ([Abb. 6]). Zusätzlich kontrollieren Sie die unter der Beatmungseinstellung erzielten Messparameter, wie Atemfrequenz, Atemzug- und Atemminutenvolumen, sowie die vom Beatmungsgerät ermittelte Leckage.
Abb. 6 Halten der Hand an die Maske, Monitordisplay mit Parametern.
Schritt 6: Wiederholte Blutgasanalysen
Schritt 6: Wiederholte Blutgasanalysen
Führen Sie 30, 60 und 120 Minuten nach Beginn der NIV eine BGA zur Beurteilung von pH und pCO2 durch ([Abb. 7]) und vergleichen Sie den Verlauf von pH- und pCO2-Werten ([Abb. 8]).
Abb. 7 BGA-Equipment, BGA-Abnahme und BGA-Befund.
Abb. 8 Verlauf der BGA-Werte (links vor, Mitte und rechts unter NIV).
Suchen Sie bei unzureichendem Therapieeffekt, wie fehlender Besserung der Oxygenierung bzw. der Ventilation oder zunehmender Unruhe nach möglichen Ursachen, wie Enge oder Verlegung der Atemwege. Bei ausbleibender klinischer Befundbesserung, weiterem Absinken des pH und/oder Zunahme der Oxygenierungsstörung bzw. des pCO2 sollte der Patient unverzüglich intubiert und eine invasive Beatmung durchgeführt werden [1]. Beachten Sie, dass es auch bei zunächst erfolgreicher Anwendung der NIV im Verlauf zu einem Spätversagen kommen kann [1]
[6]
[12].