Einführung
Funktionelle MR-Bildgebung hat die Art und Weise, wie das Krankheitsbild Glaukom heute verstanden wird, grundlegend verändert. Bis vor wenigen Jahren wurde das Glaukom nur aus rein ophthalmologischer Sicht wahrgenommen. Erst die Etablierung der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) und die Anwendung dieser Methode bei Patienten mit verschiedenen Subtypen des Glaukoms hat Erkenntnisse geliefert, das Glaukom heute nicht nur als eine okuläre Erkrankung, sondern als Manifestation weitreichender neurodegenerativer Prozesse zu sehen.
Zahlreiche Studien an Sehgesunden und Glaukompatienten zeigen, dass die DTI mit Berechnung von Diffusionskoeffizienten, wie der fraktionalen Anisotropie (FA) als Marker der axonalen Integrität sowie der mittleren und radialen Diffusivität als Surrogatparameter für Demyelinisierung, die Beurteilung der intrakraniellen Sehbahn in hoher Korrelation zu etablierten augenärztlichen Untersuchungen erlaubt [1], [2], [3], [4], [5], [6] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Selektive Traktografie des N. opticus und der Radiatio optica bei einem Patienten mit Normaldruckglaukom. Entlang der rekonstruierten Faserbündel wird die fraktionale Anisotropie (FA), die mittlere (MD) und radiale Diffusivität (RD) bestimmt.(Quelle: Schmidt MA et al. [7]. Attribution 4.0 International [CC BY 4.0]; creativecommons.org/licenses/by/4.0/
)
Die automatisierte 3-D-Volumetrie mithilfe hochaufgelöster anatomischer MR-Datensätze erlaubt es, Degenerationsprozesse entlang der Sehbahn, bspw. des Corpus geniculatum laterale (CGL), der „Verschaltungsstation“ vom 3. auf das 4. Neuron, exakt zu erfassen und zu quantifizieren [7].
Mikro- und makroischämische Läsionen entlang der Sehbahn können mittels neuartiger Segmentierungsalgorithmen quantifiziert und der Bezug zur intrakraniellen Sehbahn mittels 3-dimensonaler Fusion mit funktionellen MRT-Datensätzen wie bspw. Diffusions-Tensor-Bilddaten visualisiert werden. Die (post-)ischämische Degeneration und Rarefizierung der Nervenfasern kann damit zuverlässig evaluiert werden [8].
Die metabolische Bildgebung zur Erfassung von pathologischen Proteinablagerungen und zur Evaluation der intra- und extrazellulären Na+-Homöostase entlang der gesamten extra- und intrakraniellen Sehbahn wird in Zukunft weitere Einblicke in die Pathophysiologie verschiedener Glaukomsubtypen liefern.
Ultrahochfeld-Magnetresonanztomografie der Sehbahn
Neurodegeneration, axonale Schädigung und Demyelinisierung
Der intrakranielle, mittels MRT sehr gut untersuchbare Teil der Sehbahn besteht aus den 3. Neuronen – Soma der retinalen Ganglienzellen einschließlich ihrer Axone, die den N. opticus bilden – und aus der sich direkt anschließenden Sehstrahlung, den 4. Neuronen der Sehbahn – Soma im Corpus geniculatum laterale einschließlich ihrer Axone, welche die im Temporal- und Okzipitallappen lokalisierte Sehstrahlung formen und im optischen Kortex enden [9] ([Abb. 1]).
Das 3. und. 4. Neuron der Sehbahn kann von räumlich und pathophysiologisch unterschiedlichen Mechanismen betroffen sein: von direkten Neuronenschädigungen durch Ischämien und/oder von einer indirekten Schädigung primär nicht betroffener Neurone durch eine transneuronale Degeneration. Der Begriff der „transneuronalen Degeneration“ wird synonym zur „transsynaptischen Degeneration“ verwendet [10].
Die transneuronale Degeneration ist definiert als Degeneration von Nervenzellen und Axonen, die dem primär geschädigten Neuron vor- oder nachgeschaltet sind. Sie kann also in anterograder oder retrograder Richtung erfolgen und ist die Folge des Verlustes trophischer Substanzen, die durch das untergegangene Zielneuron abgegeben wurden. Die anterograde Degeneration entsteht u. a. durch Kompression oder Ischämie des Axons mit dadurch verursachten Funktionsausfällen. Der Mechanismus der transneuronalen Degeneration wurde bereits für neurologische Erkrankungen wie Morbus Alzheimer [11] und als Folge von Gehirntraumata [12] beschrieben.
Beim Glaukom geht man bisher von einem 3-schrittigen Degenerationsprozess aus: Initial werden die Axone des 3. Neurons segmental im Bereich der Lamina cribrosa durch einen erhöhten Augendruck bzw. einen erniedrigten Perfusionsdruck oder durch weitere, noch unklare Ursachen geschädigt. In einem 2. Schritt kommt es zur Schädigung der CGL-Anschluss-Synapse im CGL. Im 3. Schritt erfolgt die Degeneration der retinalen Ganglienzelle und des mit dem Axon verbundenen CGL-Neurons.
Die Neurodegeneration mit nachfolgendem Zelltod kann exzitotoxisch/nekrotisch und/oder apoptotisch erfolgen. Beim exzitotoxischen/nekrotischen Zelltod wird u. a. die Plasmamembran fenestriert und gibt den Zellinhalt frei. Dagegen finden sich beim apoptotischen Zelltod u. a. eine Zellschrumpfung und ein Zusammenbruch des zellulären Metabolismus mit Fragmentierung der genomischen DNA [13]. Beide Mechanismen können Ursache für die Änderung des Signals in Hochfeld-Diffusionsuntersuchungen der Wassermoleküle sein.
Sowohl bei akuten Läsionen als auch bei chronischer Degeneration kann der apoptotische Zelltod auftreten. Bei den retinalen Ganglienzellen (RGZ) wurde unter experimentellen Bedingungen jedoch auch eine gelegentlich sekundär auftretende Nekrose infolge einer mechanischen oder inflammatorischen Schädigung beobachtet [15].
Ischämien können sich entsprechend der betroffenen Gefäßversorgung im Sinne einer Makroangiopathie seitendifferent auf den anterioren, medialen oder posterioren Bereich des Gehirns mit den dort verlaufenden Anteilen der Sehbahn auswirken. Der Effekt einer transneuronalen Degeneration tritt bei dieser Art der Schädigung nicht notwendigerweise auf, da gleichzeitig mehr als ein Neuron innerhalb der Sehbahn geschädigt wird. Demgegenüber steht die Mikroangiopathie mit Perfusionsstörungen in den kleinen Blutgefäßen. Der inadäquate Perfusionsdruck kann indirekt zu Anoxie und dem Absterben der Neurone mit ihren Axonen und nachfolgendem Gesichtsfeldausfall führen. Man unterscheidet die zerebrale von der retinalen Mikroangiopathie. Die gemeinsamen Ursachen sind u. a. ein höheres Alter, eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus sowie zerebrovaskuläre und kardiovaskuläre Erkrankungen [16], [17], [18]. Häufig sind White Matter Lesions (WML) vorhanden [19]. Dabei haben Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch eine retinale Mikroangiopathie im Vergleich zu Patienten ohne zerebrale Mikroangiopathie [20]. Die Anatomie und Physiologie der retinalen und zerebralen Arteriolen ist ähnlich und die alterungs- und blutdruckbedingten mikrovaskulären Retinaveränderungen scheinen die mikrovaskulären zerebralen Erkrankungen widerzuspiegeln [21].
Dreidimensionale Volumetrie und diffusionsgewichtete Ultrahochfeld-MRT
Mit der Ultrahochfeld-MR-Bildgebung (UHF-MRT) bei 7 Tesla Feldstärke ergeben sich künftig völlig neue Möglichkeiten zur Diagnostik des Glaukoms. Die zuvor nicht erreichte anatomische Auflösung im Submillimeterbereich und detailgetreue Abbildung auch kleinster Strukturen der Sehbahn wird die bildgebungsbasierte Glaukomdiagnostik weiter vorantreiben. Unsere ersten Arbeiten zeigen dabei, dass sich das Corpus geniculatum laterale (CGL), die Verschaltungsstation der intrakraniellen Sehbahn vom 3. auf das 4. Neuron, außergewöhnlich präzise darstellen lässt. Dadurch kann das CGL als Ausgangspunkt für exakte selektive Traktografien des Tractus opticus und der Radiatio optica genutzt werden. Außerdem kann das CGL präzise volumetriert werden, um eine (frühe) Degeneration zu detektieren. Beim Glaukom ist das Volumen des CGL signifikant geringer als bei sehgesunden Kontrollprobanden (rechts: 60,4 vs. 87,7 mm3, p < 0,05; links: 61,8 vs. 88,8 mm3, p < 0,05; gemittelt: 60,9 vs. 88,3 mm3, p = 0,05). Es gibt eine starke positive Korrelation des Volumens des CGL mit der jeweiligen Gegenseite (r = 0,768, p = 0,001) [7] ([Abb. 2] und [3 A]).
Abb. 2 a Ultrahochaufgelöster anatomischer 7T-Datensatz (0,8 mm isotrope Auflösung) bei einem gesunden Probanden. Das Corpus geniculatum laterale (CGL) kann sehr gut abgegrenzt werden (rote Pfeile und Vergrößerung). b Im Vergleich ein konventioneller Datensatz aufgenommen bei einer magnetischen Feldstärke von 3T (gleiche Auflösung) mit deutlich schlechterer Abgrenzbarkeit des CGL.(Quelle: Schmidt MA et al. [7]. Attribution 4.0 International [CC BY 4.0]; creativecommons.org/licenses/by/4.0/
)
Abb. 3 Mittelwerte des Volumens des CGL (A) sowie der fraktionalen Anisotropie des Tractus opticus (B) sowie der Radiatio optica (C) jeweils für rechts und links sowie gemittelt.(© 2018 Schmidt MA et al. [7]. Attribution 4.0 International [CC BY 4.0]; creativecommons.org/licenses/by/4.0/
)
Die Ergebnisse der hochaufgelösten selektiven Traktografien (Faserbahndarstellung) zeigen hier eine signifikant reduzierte fraktionale Anisotropie im Tractus opticus (3. Neuron) beim Glaukom im Vergleich zu gesunden Probanden (rechts: 0,35 vs. 0,66, p < 0,05; links 0,36 vs. 0,67, p < 0,05; gemittelt 0,37 vs. 0,67, p < 0,05). Die FA in der Sehstrahlung (4. Neuron) ist ebenfalls signifikant reduziert (rechts 0,41 vs. 0,70, p < 0,05; links 0,41 vs. 0,69, p < 0,05; gemittelt 0,41 vs. 0,69) [7] ([Abb. 3 B] und [C]).
Dabei reflektiert der reduzierte FA-Wert den Zusammenbruch der Axonorganisation und kann so als Marker der axonalen Integrität verwendet werden [22]. Vergleichbar der fraktionalen Anisotropie gibt auch die mittlere Diffusivität (MD) Auskunft über die axonale Integrität [23], [24] und ist beim Glaukom in der Sehstrahlung erhöht [25]. Weiter kann auch über die Berechnung der radialen Diffusivität (RD) die Schädigung der Myelinscheiden der Axone quantifiziert werden [26]. Dabei führt eine Myelinschädigung zu einer Zunahme der Waserdiffusivität orthogonal zur axonalen Transportrichtung bzw. zu einer Zunahme der radialen Diffusivität.
Daher ist die radiale Diffusivität beim Glaukom, z. B. beim Pseudoexfoliationsglaukom (PEX) erhöht, und zwar sowohl im 3. Neuron als auch in der Sehstrahlung ([Abb. 4]). Unsere Ergebnisse zeigen hierbei, dass die Demyelinisierung und Dysmyelinisierung auch zu einer bildgebend fassbaren Rarefizierung der Sehstrahlung beim Glaukom beitragen ([Abb. 5]). Die DTI-Parameter der axonalen Integrität und der Demyelinisierung korrelieren dabei mit HRT-Indizes (HRT: Heidelberg-Retina-Tomograph) des Glaukomschweregrades [27].
Abb. 4 Mittelwerte der fraktionalen Anisotropie (FA) sowie der radialen Diffusivität (RD) bei Patienten mit PEX-Glaukom (beide Augen betroffen; noch nicht publizierte Daten) für (A) den Tractus opticus und (B) die Radiatio optica (jeweils rechts und links gemittelt).
Abb. 5 Gruppenbasierte Voxel-per-Voxel-Statistik der FA (rot), MD (gelb) und RD (blau). Werte einer Gruppe mit Normaldruckglaukom im Vergleich zu einer gleichaltrigen Kohorte sehgesunder Probanden. Überlappende Darstellung der Diffusionsindizes in der Sehstrahlung und in optischen Assoziationsfaserbahnen (FA beim Glaukom erniedrigt, MD und RD erhöht im Vergleich zur Kontrollgruppe, p < 0,05, korrigiert für multiples Testen.).(© 2015 Schmidt MA et al. [25]
)
Eine Korrelationsanalyse des CGL-Volumens mit der Nervenfaserdicke (RNFL) zeigte eine hohe, signifikante Korrelation des nasalen Sektors der Retina mit dem Volumen des kontralateralen CGL (r = 0,471, p = 0,05) und des temporalen Sektors der Retina mit dem Volumen des ipsilateralen CGL (superior temporaler und temporaler Sektor: r = 0,509, p = 0,038 und r = 0,603, p = 0,015) [7] ([Abb. 6]).
Abb. 6 Korrelation des Volumens des Corpus geniculatum laterale (LGN = lateral geniculate nucleus) mit der Dicke des korrespondierenden Sektors der retinalen Nervenfaserschicht.(© 2018 Schmidt MA et al. [7]. Attribution 4.0 International [CC BY 4.0]; creativecommons.org/licenses/by/4.0/
)
Unsere Ergebnisse zeigen also eine signifikante Atrophie des CGL beim Glaukom. Diese Atrophie korreliert mit dem Verlust der retinalen Nervenfaserschicht in Bezug auf die komplexe Anatomie der Sehbahn und ihre somatotope Organisation.
Mikroangiopathische Läsionen des zerebralen Marklagers beim Glaukom
Das Ausmaß der zerebralen Mikroangiopathie kann mittels MRT (T2-Wichtung, liquorunterdrückte T2-Wichtung = FLAIR) nach Fazekas et al. [28] in Grad 1 (leicht) bis Grad 3 (schwer) eingeteilt werden. Dabei finden sich bei Glaukompatienten signifikant häufiger eine Mikroangiopathie sowie auch signifikant häufiger umschriebene mikroangiopathische Läsionen innerhalb der Sehstrahlung [8] ([Abb. 7]).
Abb. 7 Postischämische Defekte in der Sehstrahlung bei einem Patienten mit beidseitigem Glaukom. Großer Defekt in der posterioren Sehstrahlung rechts (blauer Pfeil) und zugehörige selektive Traktografie der Radiatio optica (blau) sowie postischämischer Defekt im Verlauf der anterioren Radiatio optica links (gelber Pfeil) mit zugehöriger Traktografie (gelb). Die sagittale Reformation (links oben im Bild) zeigt die deutliche Rarefizierung der Sehstrahlung im Bereich des postischämischen Defekts.
Bei Patienten mit Normaldruckglaukom (NDG) sind die höheren Mikroangiopathiestadien 2 und 3 signifikant häufiger zu finden als bei Patienten mit einem primären Offenwinkelglaukom (POWG). Unsere Ergebnisse ließen vermuten, dass der mögliche pathophysiologische Unterschied zwischen POWG-Patienten und NDG-Patienten darin besteht, dass bei den NDG-Patienten primär eine Schädigung des 4. Neurons der Sehbahn durch mikroangiopathische Schädigung der Sehstrahlung erfolgt und eine retinale Schädigung des 3. Neurons (zunächst) in den Hintergrund tritt und diese erst spät durch eine retrograde axonale Degeneration auftritt.
Verglichen mit altersgematchten Kontrollen findet sich in unserem Kollektiv bei Patienten mit NDG auch signifikant häufiger ein arterieller Hypertonus (46% der NDG-Patienten vs. 28% der Kontrollen); dagegen findet sich kein Unterschied zwischen Patienten mit POWG (30% haben einen Hypertonus) und Kontrollen. Diabetes mellitus findet sich bei 8% der Glaukompatienten (in gleicher Häufigkeit bei den NDG- und POWG-Patienten) und bei 4% der Kontrollen. Inwieweit die beschriebenen Veränderungen also glaukomtypisch sind oder ob es sich dabei (zumindest teilweise) um ein Epiphänomen der systemischen Begleiterkrankungen Hypertonus und Diabetes mellitus handelt, bleibt aktuell noch offen.
Ausblick: metabolische Bildgebung beim Glaukom
Eine neue und innovative Sequenztechnik auf Grundlage des chemischen Austausch-Sättigungs-Transfers ist die CEST-Bildgebung (CEST: chemical exchange saturation transfer). Dieses Verfahren liefert einen Bildkontrast, der sich fundamental vom konventionellen MRT unterscheidet. Bei der CEST-Bildgebung basiert das Signal auf der Konzentration von endogenen Proteinen und Peptiden. Mittels CEST-Bildgebung können physiologische und molekulare Informationen mit einer räumlichen Auflösung ähnlich der konventionellen MRT bildgebend erfasst werden.
Die CEST-Bildgebung könnte sich in der Zukunft als Schlüsseltechnologie in der Bildgebung bestimmter Glaukomformen etablieren. Beispielsweise beim PEX-Glaukom kommt es zu pathologischen Proteinablagerungen in okulären und extraokulären Geweben [29]. Ähnlich der Pathophysiologie bei Morbus Alzheimer können diese Proteinablagerungen zum Zelluntergang und nachfolgend zur Funktionsbeeinträchtigung von Teilen der Sehbahn führen. Mittels CEST lassen sich diese pathologischen Proteinablagerungen bereits frühzeitig nachweisen ([Abb. 8]); damit könnte die CEST-MRT in der Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Diagnostik und der Aufklärung der pathophysiologischen Vorgänge bei bestimmten Glaukomsubtypen wie dem PEX-Glaukom zukommen.
Abb. 8 7T-Ultrahochfeld-CEST (CEST: chemical exchange saturation transfer). Die Kontrastdarstellung mithilfe von Apparent Exchange-dependent Relaxation (AREX) und Nuclear Overhauser Enhancement (NOE) bei einem gesunden Probanden (nach B1+B0-Korrektur) zeigt die Konzentration endogener Proteine im Hirnparenchym als Parameterkarte. CEST-Bildgebung ermöglicht die molekulare Bildgebung von PEX-assoziierten Proteinablagerungen in der Sehbahn beim Glaukom.
Daneben kann die direkte Na+-MRT (hierfür braucht man allerdings eine spezielle Na+-Spule) sehr sensitiv neuronalen Zelluntergang nachweisen. Die nukleare magnetische Resonanzsensitivität von Na+ ist zwar nur etwa ¹⁄₁₀ so groß wie die von Wasserstoffkernen bei der konventionellen H+-MRT, was zur Folge hat, dass das mittlere Signal-zu-Rauschen-Verhältnis (SNR) etwa 1000- bis 20 000-mal kleiner als das SNR der H+-MRT ist. Mithilfe von Ultrahochfeld-Scannern der neuesten Generation wird Na+-Bildgebung allerdings nun in klinisch vertretbarer Messzeit (10 – 15 min) möglich. Die Na+-MRT könnte so zur Charakterisierung von Zelluntergang und axonaler Degeneration und damit zur komplementären Glaukomdiagnostik wie auch zur frühen Therapiekontrolle entscheidend beitragen ([Abb. 9]).
Abb. 9 Workflow zur bildbasierten Glaukomdiagnostik. Voxel- und segmentierungsbasierte Algorithmen zur Verarbeitung der Bilddaten werden mit Diffusions-Tensor- und metabolischer Bildgebung kombiniert und bilden zusammen mit den ophthalmologischen Untersuchungsergebnissen eine komplementäre Glaukomdiagnostik.
Zusammenfassend konnte in klinischen Studien bislang gezeigt werden, dass
-
die Darstellung der Sehbahn mittels Diffusionsbildgebung möglich ist.
-
sich beim Glaukom mit zunehmendem Alter eine Atrophie der Sehstrahlung findet, die das Ausmaß der physiologischen Hirnvolumenminderung deutlich übersteigt.
-
die Atrophie der Sehstrahlung bei Glaukompatienten im Vergleich zu gleichaltrigen Sehgesunden ausgeprägter ist und insbesondere bei fortgeschrittenem Glaukom gut mit ophthalmologischen Tests korreliert.
-
die qualitative Auswertung der Diffusionsbildgebung mit Berechnung von fraktionaler Anisotropie (FA) und radialer Diffusivität (RD) als Marker der axonalen Integrität entlang der Sehbahn möglich ist.
-
sich bei Glaukompatienten bereits im Anfangsstadium der Erkrankung deutliche FA- und RD-Veränderungen finden, die sehr gut mit ophthalmologischen Tests korrelieren.
-
sich beim Glaukom ausgeprägte FA- und RD-Veränderungen sowohl innerhalb der Sehbahnen als auch in multiplen weiteren Hirnregionen außerhalb der Sehbahnen finden und dies nahelegt, dass es sich beim Glaukom um eine komplexe neurodegenerative Erkrankung handelt.
-
die metabolische MRT mittels spezieller Na+-Spulen und CEST-Technik neuronalen Zelluntergang und pathologische Proteinablagerungen im Neuroparenchym bildgebend erfassen kann.
Aufgrund dieser Ergebnisse kann vermutet werden, dass
-
bei Glaukomen die Atrophie der Sehstrahlung wie auch die FA- und RD-Veränderungen entlang der Sehbahn durch anterograde axonale Degeneration zustande kommen.
-
bei einem Teil der Glaukompatienten (insbesondere beim Normaldruckglaukom und beim Pseudoexfoliationsglaukom) eine retrograde Schädigung der Sehbahn durch ischämische Läsionen oder pathologische Proteinablagerungen der Sehstrahlung auftritt, d. h. dass die systemische Begleiterkrankung eine mögliche Ursache des Glaukoms darstellt.
-
die metabolische MRT in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von Glaukomursachen leisten wird.