Tetzlaff J.
et al.
Expansion or compression of multimorbidity? 10-year development of life years spent
in multimorbidity based on health insurance claims data of Lower Saxony, Germany.
Int J Publ Health 2017;
62: 679-686
Die Analyse der Trends über 10 Jahre hinweg basiert auf Daten von Versicherten der
AOK Niedersachsen im Alter von 60 Jahren und älter aus den Jahren 2005 – 2014. Multimorbidität
wurde in der Studie definiert als die Kombination von mindestens 6 chronischen Erkrankungen
und einer Polypharmazie (mindesten 5 verschiedene Verordnungen innerhalb eines Jahres).
Die Autoren ermittelten zunächst die altersstandardisierte Prävalenz von Multimorbidität,
um anschließend die Entwicklung der Zahl der Lebensjahre mit und ohne Multimorbidität
und den Anteil der Lebensjahre mit Multimorbidität an allen Lebensjahren (Morbiditätsverhältnis)
abschätzen zu können. Die Lebenserwartung eines 60-jährigen Mannes betrug in Niedersachsen
im Jahr 2005 19,18 Jahre, die der 60-jährigen Frauen 24,03 Jahre. Bis 2014 stieg die
Lebenserwartungen der 60-Jährigen um 0,69 Jahre bei den Männern und 0,63 Jahre bei
den Frauen an. Der Anteil der Personen mit Multimorbidität stieg dabei ebenfalls an:
2005 wiesen 18,6 % der über 60 Jahre alten Männer und 22,1 % der entsprechend alten
Frauen eine Multimorbidität auf, 2014 lag der Anteil mit 31,6 % bei Männern und 35,0 %
bei Frauen jeweils um etwa 13 % höher. Der Anteil der Lebensjahre, die in Multimorbidität
verbracht wurden, stieg im Beobachtungszeitraum um 2,7 Jahre bei Männern und 3,2 Jahre
bei Frauen an. Damit mussten Männer im Alter von 60 Jahren im Jahr 2014 damit rechnen,
6,1 Jahre ihrer verbleibenden Lebenszeit multimorbid zu sein, Frauen sogar 8 Jahre.
Die Jahre ohne Multimorbidität haben bei insgesamt gestiegener Lebenserwartung und
mehr Jahren mit Multimorbidität im Beobachtungszeitraum abgenommen. Weitere Auswertungen
der Daten, bspw. im Hinblick auf Entwicklungen in unterschiedlichen sozioökonomischen
Gruppen oder hinsichtlich der Zusammenhänge von Multimorbidität und Behinderung/Abhängigkeit
sind geplant.
Die Autoren fanden einen klaren Beleg für eine Expansion der Jahre mit Multimorbidität
parallel zur steigenden Lebenserwartung. Dies führt zu wachsenden Belastungen der
Individuen wie auch des Gesundheitssystems. Die Befunde weisen auf die große Bedeutung
von Prävention und gesundem Lebensstil über die gesamte Lebensspanne hin. Die Autoren
empfehlen zudem die Entwicklung von Versorgungsstrategien, die spezifisch auf die
Bedarfe der alten multimorbiden Patienten ausgerichtet sind.
Der Anteil der Lebensjahre, die ältere Menschen in Multimorbidität verbringen, steigt:
Männer im Alter von 60 Jahren im Jahr 2014 mussten damit rechnen, gut 6 Jahre ihrer
verbleibenden Lebenszeit multimorbid zu sein, Frauen sogar 8 Jahre. (Bildquelle: PhotoDisc
(Symbolbild))
Friederike Klein, München